19. auftritt.

[151] DER LETST NARR.

15. Secht zu, der will von disem klagen,

Und wer yhm doch wol mer zu sagen.

Du bist ein narr inn leib und blut,

Solchs als dein ubel schweren thut.

Keyn wort redst du, wie kleyn es sey,

Du lesterst gott größlich darbey.

Wilt inn all dingen haben recht

Und als mit schweren machen schlecht.

Z nachts auff der gassen all ding fellest,

Gleich werst du unsinnig, dich gstellest,

Juchtzest, schreyst stet muff uber muff.

Der dirs maul zunegt, ein dreck druff,

So möchten frumb leut vor dir schlaffen.

Thut dich einer deinr narrheyt straffen

Diß und anders, so bochst im dran,

Wilts gantz von nyeman fur gut han,

Bleibst allweg auff deinr weiß beharren,

Gleich wie die andren doppelnarren

Meynen, ir weiß gfal aller welt,

So doch nyemans nichts auff sye helt.

Man acht, wann ir einr etwas redt,

Als wann der wind dort inher wedt.

Darumb magst du auch nit empfliehen,

Must auch ein narrenkapp anziehen.

DER ERST NARR so man gossen hat.

Hort auff, ir narrn! Es ist nit recht,

Das ir einander also schmecht;

Es ist ein spott und schand dabey.

Sey gleich ein yeder, wer er sey,

Laß er sich an seim narren bniegen.[151]

Solt man die narren alle riegen,

Die sich noch duncken weiß und klug,

Die weiber hettn nit kappen gnug.

Ir sehen, das man hye findt vil,

Der keynr hat gwölt inns narrenspil;

Er förcht, man wers sunst innen worden

Das er auch ghört inn narrenorden.

Sunst mag er wol sein narrn verborgen

Den abent dragen und den morgen,

Wiewol man dannocht an im spiert,

Das er den narrn beyn händen fiert

Und leyt im all tag d hoßen an.

Ich sich noch zwen daunden stan,

Wend fur sich selber narren bleiben,

Nyeman darff iren narren dreiben,

So leiß ist er und also zart.

Man fyndts auch noch auff manche art;

Der ein will stetigs kratzen, beyssen,

Der ander will all welt zerreissen,

Der dritt stets hadert, bocht und murrt,

Der vierdt wuscht auff, blitzt stet und schnurrt,

Der funfft ist etwan gantz sänfftmütig,

Inn allen dingen vil zu guttig,

Der sechst ist knorret, unbeschnitten,

Der sybend unverstandner, grober sitten;

Hargegen ist der acht subteil.

Der narren findt man mer dann vil

Weyt und breyt an allen enden

Inn geystlich und weltlichen stenden.

Dieselben wend wir lassen bleiben

Und iren narren selbs lon dreiben,

Und wir mit unsern haben freyt,

Demnach ein yede zeit zudreyt.


Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 5, Tübingen 1903, S. 151-152.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Die Reise nach Braunschweig

Die Reise nach Braunschweig

Eine Reisegruppe von vier sehr unterschiedlichen Charakteren auf dem Wege nach Braunschweig, wo der Luftschiffer Blanchard einen spektakulären Ballonflug vorführen wird. Dem schwatzhaften Pfarrer, dem trotteligen Förster, dem zahlenverliebten Amtmann und dessen langsamen Sohn widerfahren allerlei Missgeschicke, die dieser »comische Roman« facettenreich nachzeichnet.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon