50.

Wie der schildtbůb und Walter des morgens zů Lewfriden in dem wald kommen, was sie mit einander geredt haben.

[393] Sobald nun der schildtbůb von Waltern verstanden, das im Angliana alle sachen geöffnet hat, ist er sein zůfriden gewesen und hat von stund an speiß und tranck gnůgsam zůwegen bracht für Reicharten und Lewfriden, damit sie morgens ungehindert in wald reitten möchten und dest früer auff sein. Als sie nun iren bescheidt gemacht, sind sie zů bett nidergangen und die nacht on alle sorg geschlaffen. Des morgens, alsbald der tag anbrach und die porten geöffnet, sind sie eilens dem wald zů geritten, Reicharten in seiner zellen an dem gebett funden, Lewfrid aber in einem hauffen laub und graß, so er im selb zůsammengeraspelt, funden schlaffen. Alsbald ist Walter zů ihm gangen, mit einem fůß in sein seitten gestossen und gesagt: ›Einem waldbrůder gezimpt nit also lang zů schlaffen; er solt vor lang an seinem gebett sein.‹

Lewfrid erkant zůstund die stimm seines gesellen, er wuscht uff in grosser scham und schrecken, dieweil er nit meinet, das[393] Walter seines heimlichen anschlags wissens trůg. Er sagt mit gantz demütiger stimm: ›O Walter, mein allerliebster brůder, ich bitt dich, du wöllest mir nit verargen, das ich mich also vor dir verborgen und heimlich erhalten hab. Dann warlich ist das in keiner untrew geschehen; dann ich alle freundtschafft und brüderlicher trew an dir gespürt hab. Diß aber ist allein darumb geschehen, das ich gesorgt, wo du mein fürnemen zůvor soltest gewißt, du wirdest mir nit gestatt haben, dem also nachzůkommen. Weyß auch, so du mich erkant hettest, als du vergangnen sontag mit dem hoffgesind bist für mich gezogen, du werest in allergrösten sorgen und engsten gewesen; derhalben ich dich gar nit hab bekümmern wöllen. Ich bitt dich aber früntlich, sag mir doch, von wem bin ich dir verkundtschafft worden.‹

Antwort Walter: ›Mich hat warlich, Lewfrid, nit wenig bekümmert, das du dich also heimlich vor mir verstolen hast. Wie ich aber solchs umb dich verschuldet hab, ist mir nit zů wissen. Mir wer auch dein zůkunfft noch verborgen, so ich das nit von Angliana erfaren het, die mir das auff den gestrigen tag geoffnet hat. Hastu nit gesorgt, dich möcht jemans gegen dem graffen verkundtschafft haben? Was meynest du, das er darauß gedacht oder genommen haben würt, dann das du im heimlichen nachstaltest? So müßt ich unschuldiger gwißlichen auch darob gelitten haben, dieweil ich andere brieff von dir bracht het, die dann deinem jetzigen wesen gar ungleich lautend, ja gewiß keinem ding so gleich sehen, als wann wir verrähterstuck hetten treiben wöllen. Derhalben ich mich billich über dich hab zů beklagen, würst mich auch nimmermer zůfriden setzen, es sey dann sach das du dich dem graffen zů erkennen gebest. Bistu mir noch in alter deiner trew und fründschafft verwant, so gewer mich des einigen, so ich dich bitten und an dich begeren will! Das ist namlich das erst, so dann Angliana auch an dich begeren thůt, als das du in deinem einsidelskleid gen hoff kommest, selb mit dem graffen sprach haltest und dich im gebst zů erkennen. Alsdann wird aller argwon bey im erlöschen.‹

›Das will mir nit gebüren,‹ sagt Lewfrid, ›und ob mich gleich mein herr gar nit mer hasset und mir laut seins schreibens[394] gar verzigen, so můß ich dannocht meinem brieff, so ich im zůgeschickt hab, statt thůn.‹ Darauff sagt Walter: ›Du hast im warlich fein stat gethon, dieweil du am sontag zů hoff gewesen bist, mit deiner junckfrawen in eygener person geredt. Wie wiltu das, wo es der graff erfaren wirt, verantworten? Nun darffest du dich doch glat nit vor im besorgen. Ich bin von dem tag an, als ich im deine schrifften geantwort hab, teglich umb in gewesen, alle zeit an seiner tafel sitzen müssen. Do wirt kein imbiß hinbracht, das er dein nit zům früntlichsten gedencket, ist auch noch in willen mich nach dir gon Lißbona zů senden. So du aber überein deinem versprechen thůn wilt, magstu dich in deiner kappen und verstelten kleidung zů dem graffen thůn, in erstlich umb verzeihung bitten, darnach im dein fürnemmen müntlich zů verston geben. Darbei wirt er wol abnemen, das du im nit mer mißtrawest, sunder seinem schreiben glauben geben habest. Alsdann zeig im an, du habest dise frembde kleidung allein darumb angezogen, damit du von dem hofgesind nit erkant wirdest und aber dannocht mit im in eygner person reden. Diß wirt dir gwißlichen grossen gunst bei im erlangen, und magst auch dester sicherer und mit mer frid und freuden an des künigs hoff wonen.‹

Diser raht gefiel Lewfriden nit übel, nam im auch gentzlich für, dem also nachzůkommen. Jedoch sagt er: ›Walter, auff dein vertrewen will ich deinem raht volgen, doch mit dem geding, das du zůvor dem graffen mein zůkunfft ansagest, dabey gantz vleißig warnemest, was er hierzů antworten wölle, was er für ein farb in seinem angesicht überkum, wie im seine augen im haupt schinen, ob er seine zeen nicht zůsamendruck und ein unbleiblichen stand annem. Gibt er dir antwort auß grossem zornigem hertzen, wirt in seinem angesicht gantz feurrot und bald darauff wider bleich, ist es ein zeichen verborgens zorns. Oder so er seine augen in dem haupt hin und wider wendet, mit seinen füssen stalpret unnd mit den henden zittert, soltu gewiß sein, das er seinen zorn noch harter dann nie gegen mir tragen thůt. Wo du dann dise zeichen an im warnimpst, soltu dich nit lang zů hoff saumen, sunder bereit auffsein sampt deinem diener und zů mir herkommen; wend[395] wir uns gleich bey nacht auffmachen und von hinnen reiten. Der mon ist jetzund in dem durchschein; so weyß ich weg und straß, damit uns niemant nachspüren mag, und mügen auß dem land kommen on menigklichs irrung.‹

Also ward diser anschlag von beiden jünglingen beschlossen. Walter reit wider gon hoff, und sobald er mocht, füget er sich zů dem graffen, erzalt im alles, so im Lewfrid befolen hat, nam mit fleiß aller ding war, ob er einich zeichen des zorns an im spüren möcht. Do aber was kein zorn mer, sonder alle freud. Dann sobald der graff vernam, das Lewfrid des mornigen tags gen hoff kommen solt, befalh er ein herrliche malzeit zů bereitten, verkündet das auch seiner tochter Angliana; dann im was noch nit bewißt, das Lewfrid zů hoff gewesen was. Als nun Walter solchen gůten willen an dem graffen spüret, schicket er von stund an Lewfriden botschafft beim schiltbůben, das er sich nit saumet und deß morgens gon hoff kem; dann alle sachen stunden gantz wol und recht.

Als Lewfrid diß vernam, ward er wol zů můt, erwartet mit freuden des künfftigen tags, an dem er sein liebste Angliana widersehen solt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 393-396.
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