Melancholien hängen in der Luft,
Wenn sich im Frühling feuchte Schleier weben
Um Berg und Tal, der graue Nebelduft
Wie Greisenliebe kriecht um junges Leben,
Wenn Regen sprüht aus zorn'ger Wolkenkluft
Auf Blüten nieder, die im Frost erbeben
Und weinend fragen, welch ein Fluch so rauh
Verwandelt hat den milden Maientau?
Sechs finstre Tage lang blieb zugezogen
Der Vorhang, der das Sonnenlicht verschloß,
Sechs finstre Tage lang die Welt betrogen
Um Glanz und Wärme. Da auf einmal schoß
Am siebenten herab vom goldnen Bogen
Der erste Sonnenpfeil. Langsam zerfloß
Der schweren Wolkendünste trübe Schar.
Mit blassem Blau ward rings der Aether klar.
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Doch Millionen, die sich jüngst des blauen
Gezeltes freuten, – vor der schlimmen Zeit! –
Nicht sollen sie's zum zweiten male schauen.
Von frosterstarrten Leibern weit und breit
Sind übersät die Felder und die Auen,
Als hätt' es Leichen aus der Luft geschneit.
Sie liegen in den Pfützen, auf den Wegen,
Und unterm Schlamm noch zuckt ein leises Regen.
Maikäferkönigs Volk, des einst so stolzen,
Hat seine Beresina durchgemacht.
Wie Winterschnee ist die Armee geschmolzen,
Am Tag umschwirrt in schreckensvoller Schlacht
Von tausend wohlgezielten Armbrustbolzen
Des Mißgeschicks; vom Frost vertilgt zu Nacht.
Der Rest – erlangte volle Lebenskunde,
Doch teures Lehrgeld kostete die Stunde.
Laßt uns die Letzten denn zum Ziel geleiten.
Es wird ein langer, närr'scher Trauerzug,
In dem wir hinter kleinen Leichen schreiten,
Die freilich auch ein kleiner Tod erschlug,
– Nicht jener eurer trag'schen Herrlichkeiten! –
Doch war er ihnen grade groß genug.
Und konnten sie auf Erden nicht erwerben
Sich Lieb' und Duldung, – konnten sie doch sterben.
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