Zweyter Auftritt.

[9] Der Bischof, die Vorigen.


DER BISCHOF. Um Ihrer eignen Ruhe willen, liebster Belvedere, bitte ich Sie, Sich hinweg zu begeben. Wir erwarten alle Augenblicke einen Gast, dessen Anblick Ihnen nicht so angenehm seyn kann, als er uns seyn muss.

BELVEDERE. Ich bin in einen Zustand gebracht, worin auch der Feigeste sich zu fürchten aufhört.

DER BISCHOF. Eben das ist es, warum ich eine Zusammenkunft zwischen Ihnen und dem Chevalier Grandison verhindern möchte. Wir sind ihm dafür verpflichtet, dass er sich aus Gefälligkeit gegen uns in einer so beschwerlichen Jahrszeit seinem Vaterland und den Armen seiner Freunde entrissen hat. So sehr hat uns unser Unglück gedemüthiget, dass wir die Ankunft dieses Mannes als eine Herablassung ansehen müssen. Sie begreifen selbst, dass es uns unruhig machen würde, wenn Herr Grandison bey seinem Eintritt in unser Haus –

BELVEDERE. Vergeben Sie mir, gnädiger Herr! – Ich bin unglücklich. Haben Sie Mitleiden mit mir! Eine Klementina zu verlieren![10] – So wenig ich bisher Hoffnung hatte, so hatte ich doch Hoffnung. Ihre Gütigkeit munterte mich auf! – Aber jetzt – ein glücklicher Nebenbuhler kommt, und ich bin verloren.

DER BISCHOF. Sie sollten von unserer Freundschaft überzeugt seyn, liebster Graf! – Aber – die Hand des Schicksals liegt auf uns. Wir sind nicht Meister über unsere Massregeln. Wären wir es, so wäre unsere Klementina glücklich, und Sie wären es durch ihren Besitz. Wir wissen nicht, was der Ausgang dieser unglücklichen Geschichte seyn wird. Zwar hat Grandison durch die hartnäckige Verwerfung unsrer Bedingungen alle Ansprüche an Klementinen verloren. Wir sind frey. Aber er hat andere Vorschläge gethan; und vielleicht zwingt uns noch die Noth, sie anzunehmen, so sehr wir sie Anfangs verworfen haben. Wenn diess das einzige Mittel wäre, unsere Klementina wieder herzustellen – Ich muss es Ihnen noch einmal sagen, wir haben keine Freyheit, unsern Neigungen zu folgen. Aber glauben Sie mir, wir selbst werden nicht anders glücklich seyn, als wenn Sie es werden. Lassen Sie Sich diess beruhigen!

PATER MARESKOTTI. Kommen Sie, Herr Graf! Ich will Sie in den Park begleiten. Der Anblick der Natur und die Stille eines einsamen Haines sind oft geschickter unsere Leidenschaften[11] zu besänftigen, als die bündigsten Vernunftschlüsse.

BELVEDERE. Führen Sie mich wohin Sie wollen. Für mich ist jeder Ort gleich.


Sie gehen ab.


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 5, Leipzig 1798, S. 9-12.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Klementina von Porretta
C. M. Wielands sämtliche Werke: Supplement, Band V. Klementina von Porretta; Pandora; Die Bunkliade; Auszüge aus Jakob Forsters Reise um die Welt