Neunter Auftritt

[41] Juliane kommt aus dem Hause; sie arbeitet an einem Strickstrumpfe.


JULIANE. Na, Mutter Schmalenbach? Wie geht's?

FRAU SCHMALENBACH. Danke für gütige Nachfrage, Fräulein, es könnte ja noch schlechter sein.

JULIANE zieht einen Stuhl heran, setzt sich. Schönes Plätzchen hier zum Sitzen? Hm?

FRAU SCHMALENBACH. Ja, unser Herr is jut – der is jut.

JULIANE mit halber Stimme. Ja – fühlen Sie das?

FRAU SCHMALENBACH. Wer sollte so etwas nich fühlen? Es is was Seltnes.

JULIANE wie vorhin. Nicht wahr?


Pause.


FRAU SCHMALENBACH. Über eins wundre ick mir nur –

JULIANE. Nun?

FRAU SCHMALENBACH. Ob er nich mal heiraten wird?

JULIANE senkt das Haupt tief herab. Hm –

FRAU SCHMALENBACH. So ein Mann, sollte ich meinen, müßte eine Frau doch recht jlücklich machen können.

JULIANE tief gesenkten Hauptes, strickt eifrig weiter, ohne einen Laut von sich zu geben.


Pause.
[42]

FRAU SCHMALENBACH. Meinen Sie nich?

JULIANE murmelt halblaut. Wohl möglich –


Pause.


JULIANE richtet das Haupt auf. Aber – da wir dabei sind – man sieht ja jetzt die Lene so viel mit dem Ilefeld zusammen?

FRAU SCHMALENBACH. Ja, sie hat's mit ihm.

JULIANE. Na?

FRAU SCHMALENBACH. Wieso?

JULIANE. Gefällt Ihnen der Mann nicht?

FRAU SCHMALENBACH. J nu – warum nich?

JULIANE. Er ist der beste Arbeiter in der Fabrik.

FRAU SCHMALENBACH. Ja ja –

JULIANE. Verdient ein tüchtiges Stück Geld.

FRAU SCHMALENBACH. Ob's denn wahr is, daß er es bis auf sechs Mark an einem Tage bringt?

JULIANE. Ja, das ist wahr. Und die Lene scheint also auch nichts gegen ihn zu haben?

FRAU SCHMALENBACH. Na die – die hat sich ja wohl schon so in ihn verkuckt, daß sie jar nich mehr 'rausfindet.[43]

JULIANE. Na aber dann –

FRAU SCHMALENBACH. Sie meinen –

JULIANE. Worauf wird denn gewartet?

FRAU SCHMALENBACH. Nu mein Je, so eilt die Jeschichte doch nich?

JULIANE. Wenn die jungen Leute sich mögen und ihr Auskommen haben –

FRAU SCHMALENBACH. Jott – ich würde ja wohl nischt dawider haben.

JULIANE. Aber dann sollten Sie doch dazu tun, daß aus der Sache etwas wird; wirklich – ich meine – Sie sollten dazu tun.

FRAU SCHMALENBACH. Nu ja – nu ja.

JULIANE. Denn sehen Sie – ein hübsches junges Mädchen – und die vielen jungen Männer, die in solcher Fabrik sind –


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1911–1918, S. 41-44.
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