[90] Vorige. Paul Ilefeld erscheint in der Tür rechts.
LENE stürzt auf die Tür links zu, schreit auf. Nein! Reißt die Tür auf, läuft links hinaus, wirft die Tür hinter sich zu.
ILEFELD der seinen Sonntagsanzug angezogen hat, tritt verblüfft herein. Juten Abend auch.
FRAU SCHMALENBACH. In'n Abend, Herr Ilefeld.
ILEFELD mit den Augen auf die Tür links deutend. War – das –?
ALE. Wer wird's sonst gewesen sein?
ILEFELD. Was – is denn los?
ALE geht an die Kommode, schiebt das Fach zu. Na, was wird los sein?
FRAU SCHMALENBACH. Nehmen Sie doch Platz, Herr Ilefeld; was verschafft uns denn die Ehre?
ILEFELD noch immer verwirrt, setzt sich auf den Stuhl, auf dem Lene gesessen hat. Warum – daß ich komme? Ja – hm – sehen Sie – Er bemerkt die Rosen, die Lene hat zu Boden fallen lassen. was liegt denn da? Er hebt die Rosen auf. Das sind ja Rosen? Wo kommen denn die her? Die sehn ja aus, wie aus 'n herrschaftlichen Jarten?
ALE. Ja, nich wahr?
ILEFELD. Wem jehören denn die Rosen?
ALE. Na, wem werden Sie jehören.[91]
ILEFELD zu Frau Schmalenbach, mit dem Kopf nach links deutend. Ihr?
FRAU SCHMALENBACH. Als wie meine Tochter? Ja.
ILEFELD. Hat sie sich – denn die – selber abgeschnitten?
ALE. Nanu? Seit wann wäre das denn Mode?
FRAU SCHMALENBACH. Ne, Herr Ilefeld, so was brauchen Sie von mein Tochter nich zu denken.
ILEFELD. Aber denn – muß sie ihr doch wer jebracht haben?
ALE. Des stimmt.
ILEFELD. Wer denn?
ALE. Na vermutlich, dem sie jehören.
ILEFELD starrt Frau Schmalenbach fragend ins Gesicht.
FRAU SCHMALENBACH. Der Herr Aujust hat sie ihr jebracht.
ILEFELD. Der Herr – Aujust?
FRAU SCHMALENBACH. Es ist doch kein Unrecht nich?
ILEFELD. Ein Unrecht – ein Unrecht – aber – das is alles so komisch hier?[92]
FRAU SCHMALENBACH. Wie denn so?
ILEFELD. Erst das Wegjelaufe und nu sind Sie beide so – wie soll ich sagen – so hinterhaltig.
FRAU SCHMALENBACH. Sie brauchen aber nichts Unrechtes zu denken, Herr Ilefeld.
ILEFELD steht mit einem Ruck auf. Na, so sagen Sie endlich, was is denn eigentlich los?
ALE. Was wird denn weiter sein? Das Mädchen hat sich verlobt.
ILEFELD. Ver-lobt?
ALE brummend. Haben Sie was dajejen?
ILEFELD. Mit wem denn?
ALE. Mit dem Herrn Aujust.
ILEFELD. Ach Sie – mit Ihre schlechten Witze –
ALE grinsend zu Frau Schmalenbach. Nu denkt der, ich mache Witze.
ILEFELD zu Frau Schmalenbach. Das is doch aber Unsinn?
FRAU SCHMALENBACH. Ne, warum denn?
ILEFELD. Der Herr – August –?
FRAU SCHMALENBACH. Es is doch kein Unrecht nich?[93]
ILEFELD. Verlobt –? Damit daß er sie heiratet? Richtig heiratet?
ALE. Na wie denn sonst? Sei'n Sie so jut.
FRAU SCHMALENBACH. Das müssen Sie doch selber sagen, Herr Ilefeld, daß es für meine Tochter ein großes Glück is?
ILEFELD steht stumm da, trocknet sich den Schweiß von der Stirn.
FRAU SCHMALENBACH. Sind Sie nich der Ansicht, Herr Ilefeld?
ILEFELD halblaut murmelnd. Freilich – wenn so einer kommt –
FRAU SCHMALENBACH. Ja, nich wahr? Und dabei so ein juter Mann?
ILEFELD. Wenn er sie heiraten will – denn kann man ihm – nichts vorwerfen.
FRAU SCHMALENBACH. Und wenn Sie wüßten, wie er sich mit dem Mädchen hat; rein, als wenn er sie auffressen wollte.
ILEFELD wiegt schweigend das Haupt, wendet sich dann schwerfällig zum Tische, legt die Rosen darauf nieder und greift nach seinem Hut. Denn – wird sie's ja wol jut haben – und denn – will ick man – jehn.
FRAU SCHMALENBACH. Könnten wir denn – mit sonst etwas –
ILEFELD. Ne – danke. Er steht mitten im Zimmer; in dem Augenblick öffnet sich die Tür links; Lene erscheint in der Tür. Ach so – Er blickt sich schweigend mit Lene an.[94]
LENE. Herr – Ilefeld – Die Stimme versagt ihr, sie fängt an, lautlos zu weinen.
ILEFELD. Warum weinen Sie denn? Ich höre ja – man darf gratulieren? Er wendet sich zum Abgang.
LENE angstvoll. Herr Ilefeld –
ILEFELD bleibt stehen. Hm?
LENE. Ich – wollte nur fragen – Sie bricht ab.
ILEFELD. Also –?
LENE hastig hervorstoßend. Werden Sie uns morgen wieder besuchen?
ILEFELD blickt sie an, wendet dann das Haupt. Wozu denn noch? – Schlafen Sie wohl, Jungfer Schmalenbach. Er wendet sich nach der Tür rechts.
Der Vorhang fällt.
Ende des zweiten Aktes.
Buchempfehlung
Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht
282 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro