Inhalt.

[377] Anfortas hatte die Templeisen oft vergebens gebeten, ihn sterben zu laßen; auch war er zu schwach gewesen, die Augen lange genug vor dem Gral verschloßen zu halten. Die Wiederkehr der Planeten Jupiter oder Mars hatte seine Schmerzen so geschärft, daß er laut aufschreien muste; köstliche Gerüche und heilkräftige Steine, die das Spannbette schmückten, brachten nur wenig Linderung. Als Parzival ankommt, bittet er auch diesen um den Tod, weil er ihm nicht andeuten darf was er zu thun habe. Zur Dreifaltigkeit flehend wirft sich Parzival dreimal vor dem Grale zur Erde und fragt dann den Oheim was ihm fehle? Augenblicklich wird Anfortas gesund und über alle Vergleichung schön. Da Parzival als König des Grals anerkannt ist, bringt ein Templer die Nachricht, daß Kondwiramur, von Kiot begleitet unterwegs sei und schon den Plimizöl erreicht habe. Indem ihr Parzival entgegenreitet, spricht er erst bei Trevrezent vor, der jetzt seine frühere Aussage wegen der vertriebenen Geister, die bei dem Grale wären, zurücknimmt und erklärt, er habe ihn damit nur von dem vergeblichen Trachten nach demselben zurückbringen wollen. Er bittet den Einsiedler um seinen stäten Rath, reitet weiter und erreicht am Morgen den Plimizöl, wo ihn Kiot zu der Gattin und den Kindern führt. Mit jener bleibt er allein bis zum vollen Morgen, und sieht nun nach fünfjähriger Trennung seine frühere Sehnsucht an derselben Stelle erfüllt. Nach der Messe läßt er seinen Sohn Kardeiß zum Könige seiner[377] Erblande krönen, worauf die von diesem belehnten Mannen mit ihm heimziehen. Indem Parzival nun mit Loherangrin und den Templern gen Monsalväsche zieht, besucht er Sigunens Klause, findet sie über dem Sarge des Geliebten todt und läßt sie neben ihm bestatten. Nach dem festlichen Empfange Kondwiramurs wird der Gral hereingetragen, und Alles wiederholt sich wie bei Parzivals erster Anwesenheit, nur daß Er dießmal der König ist und Alles mit Freuden, ohne die Lanze, begangen wird. Feirefiss sieht als ein Heide den Gral nicht, aber seine Trägerin, Repanse de Schoie, nimmt sein Herz so gefangen, daß er Sekundillens vergißt und seine falschen Götter abzuschwören bereit ist. Parzival, der ihn jetzt duzt, weil er als König des Grals so reich ist als Er, übernimmt die Vermittlung. Am Morgen wird er im Tempel getauft, empfängt Repansen zum Pathengeschenk und sieht nun den Gral. Die Schrift an diesem verordnet hierauf, wer künftig aus seiner Schar fremden Ländern zum Herrn gesandt werde, solle Fragen über seine Herkunft verbieten. Vergebens bittet Feirefiss, daß ihm Anfortas oder Loherangrin nach dem Morgenlande folge. Als er mit seinem Weibe und Kondrien, die ihm als Botin voranreist, und im Geleite des Burggrafen von Karkobra den Hafen erreicht, war seinem Heere die Nachricht von Sekundillens Tode zugegangen. In Indien, wo er das Christenthum verbreiten ließ, gebar ihm Repanse einen Sohn, welcher Priester Johannes hieß, ein Name, den nach ihm dort alle Könige führten. Loherangrin ward der jungen Herzogin von Brabant zum Gemahl gesandt; von einem Schwan im Nachen gezogen, stieg er zu Antwerpen ans Land und verbot jene Frage. Als diese dennoch nicht unterblieb, schied er, obwohl ungern, von dannen und ließ Schwert, Horn und Ring zurück.

Quelle:
Wolfram von Eschenbach: Parzival und Titurel. 2 Bände, Stuttgart 1862, Band 2, S. 377-378.
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