3. Schäferlied

[149] Komm Schäfer, komm zu Scherz und Lust,

Der Frühling labt die frohe Brust.

Ruft Schaf und Rinder in das Feld,

Wir sind vor sie zur Huth bestellt.


Es zäckt sich alles in der Luft,

Hör nur, wie eins das andre ruft.

Die fromme Taube lockt und girrt,

Weil ihre Gattin sich verirrt.


Wie schlägt die muntre Nachtigall?

Merk Schäfer, auf den holden Schall.

Der Kukuck schreyt, die Lerche singt,

Daß es durch Feld und Wälder klingt.


Der Storch baut seiner Störchin Nest,

Das Rebhun setzet sich auch fest.

Die Schwalbe zwitschert, und der Matz

Sucht auf den Bäumen seinen Schatz.


Die Rinder fressen fettes Gras,

Die Füllen treiben Scherz und Spaß.

Die Gänse schnattern nur aus Lust,

Das Kalb spielt mit der Mutter Brust.
[149]

Kurz, die Natur wird itzt verjüngt.

Ergreif dein Rohr, weil Doris singt.

Mein Schäfer siehst du mir nicht an,

Was ich nicht mehr verstellen kann?


Die Eintracht von dem Flügelheer,

Der Schaafe Unschuld reizt zu sehr.

Der Fische und der Thiere Scherz

Veränderten mein sprödes Herz.


Drum thu ich dir den Vorsatz kund,

Das Herze denkts, es sprichts der Mund:

Ein Schäfer von so edler Art

Ist würdig, daß sich Doris paart.


Wohlan, so reich ich dir die Hand,

Ich geb mich selbst zum Unterpfand;

Ich schwere bey dem grossen Pan:

Ich bin dir ewig zugethan.


So wahr du führst den Hirtenstab,

So lieb ich dich bis in mein Grab.

Eh soll die Heerde untergehn,

Als daß du mich sollst untreu sehn.


Ich schmücke schon mein Hirtenhaus

Mit frischen Blumenkränzen aus.

Die Liebe macht die Lagerstatt,

Sie speist mit uns, sie macht uns satt.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 149-150.
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