57. Auf Herr M. Schwedlers mächtige Predigten in Bertholdsdorf und Herrnhut[160] 1

1727.


Die Glieder Jesu freun sich sehr,

Doch ohne viel Geräusche;

Sie kennen Jesum selbst nicht mehr

Nach Augenschein und Fleische;

Sie denken wenig oder nichts

An Väter und Regierer;

Das Ebenbild des ewgen Lichts

Ist Vater und ist Führer.


Da sucht und find't man keinen Rath

Bey ledigem Geschwätze;

Auch macht man nicht gewissen Staat

Auf Väterliche Sätze.

So jukken uns die Ohren nicht

Nach blossen Redner-Stimmen;

Das Wort, das aufgestekte Licht

Macht manchen Tocht entglimmen.
[160]

So wird der Weg zur Seligkeit

Im Geiste ausposaunet;

Der eine wird durchs Wort erfreut,

Der andre steht erstaunet;

Der dritte faßt es ins Gehirn,

Der vierte wird gebeuget,

Der fünfte reibet sich die Stirn,

Der sechste wird gezeuget.


Doch denken wir in Wahrheit nicht,

Gott sey bey uns alleine.

Wir sehen, wie so manches Licht

Auch andrer Orten scheine;

Da pflegen wir dann froh zu seyn,

Und uns nicht sehr zu sperren,

Wir haben all' Ein Erb-Verein,

Und dienen Einem Herren.


Herr Jesu! Deines Herzens Gluht,

Die für den Vater eifert,

Worüber Satan grimmig thut,

Und seine Secte geifert,

Die hat uns Brüder lange schon

Zu Einem Geist vereinigt,

Und unsre Liebe hat der Sohn

Der Liebe wohl gereinigt.


Du guter Heiland bind uns doch

Je mehr und mehr zusammen;

O spann uns an ein gleiches Joch,

Entzünde gleiche Flammen;

Erneure auch von Zeit zu Zeit

Den Eid bey Deinen Fahnen,

Und mehr die Lieb insonderheit

Durch herzliches Ermahnen.

Fußnoten

1 An Mariä Heimsuchung.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 160-161.
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