Vierter Auftritt.

[151] Rosamunde und der Abbate Tolomeo.


ROSAMUNDE mit den Augen suchend.

Meint' ich doch, in dieser Gegend

Töne meines Oheims Stimme,

Ich bedaure sehr ...

TOLOMEO.

Mit nichten!

Man vergißt in Eurer Nähe

Jeden gern, wohl gar sich selbst.

Stellen wir das Suchen ein;

Mein Geschäft will keine Eile;

Und die Aussicht, hier aufs Meer,

Bildet ungesucht den schönsten

Hintergrund für


Er heftet den Blick bedeutsam auf sie.


soviel Reiz.

ROSAMUNDE.

Können denn sogar die Heil'gen

Sich des Hoftons nicht erwehren!

TOLOMEO.

Wenn zufällig Ton des Hofes

Ton des Herzens ist, Signora.

Aber Ihr – wie dürft Ihr mich

Sünder zu den Heil'gen reihen?

ROSAMUNDE.

Wie Ihr zu den Schönen mich.

Gut. Wir irrten beid' uns, glaub' ich.

TOLOMEO.

Ach, wenn ich so heilig glänzte,[152]

Als Ihr schön, ha, wieviel Wunder,

Und wie große würd' ich wirken!

ROSAMUNDE.

In der That, dann wäret Ihr

Wundershalb ein Heiliger.

TOLOMEO.

Könnt Ihr ahnen, welches Wunder

Dann mein erstes werden sollte? ...

Eine halbe Spötterin

Würd' ich augenblicks bekehren.

ROSAMUNDE.

Nichts, als das? – Wie leichtes Spiel! –

Bleibt der Würde, bleibt der Pflicht

Eures Standes eingedenk, –

Und die Spötterin verstummt.

TOLOMEO verdrossen.

Würde! – Pflicht! – Was wollt Ihr sagen?

Höher, denn die Menschenwürde,

Ragt die Standeswürde nicht;

Und – das Schöne anzubeten,

Untersagt mir keine Pflicht.

ROSAMUNDE.

Nur besorg' ich, Eure Andacht

Habe böse Wahl getroffen.

Geht, verehrt die ew'ge Anmuth

Unsrer Himmelskönigin.

TOLOMEO.

Und warum nicht Rosamundens,

Dieser holden Königin

Alles Schönen unterm Himmel?[153]

ROSAMUNDE.

Weil sie Euern Scherz verlachen,

Euern Ernst verachten müßte.

TOLOMEO etwas bestürzt, schweigt eine Weile.

Wie? ... verlachen mich? – verachten?

Ihr seid grausam. – Wohl, Signora,

Hätte sich mein Herz betrogen,

So geschah's durch Euren Zauber.

Wenn mich sonst in frohen Stunden

Euer Flammenblick durchblitzte,

Sprach er da nicht andre Worte?

Wenn zuweilen Ihr, mit wahrhaft

Schwesterlicher Traulichkeit,

Offenbartet, was Euch quälte;

Wenn ich Euch von mir erzählte,

Und das zarte Mitgefühl

Mir aus Euren Thränen sprach:

War's Verachtung? war es Spott?

Oder stilles Ueberneigen

Eures Wesens zu dem meinen?

Lange hab' ich stumm geduldet

Diese bittersüße Qual;

Und Ihr selbst habt sie verschuldet.

Längst schon kämpfte der Entschluß,

Euch mein Innerstes zu nennen ...

Und nun zeigt Ihr mir Verdruß?

Oder traget Ihr vielleicht

Fromme Scheu vor meinem Kleide?

Laßt dem Pöbel seinen Wahn ...

Waffenrock und Mönchsgewand[154]

Sind das Werk derselben Scheere;

Und das Vorurtheil ist – Zuthat.

ROSAMUNDE einen Schritt zurücktretend.

Vorurtheil! – Signor Abbate,

Eure Weihen, Eure Pflichten,

Die Gelübde ... Vorurtheil?

TOLOMEO.

Allerdings ... doch ... wohlverstanden!

Ja, ... der geistige Vermittler

Zwischen Welt und Himmel, – Er,

Nicht der Mensch empfängt die Weihen! –

Unentweiht steht der Geweihte;

Irdisch bleibt der Mensch und – schwach.

Und – die reizendste der Schwächen

Ist zugleich die höchste Macht

Unsrer irdischen Natur.

Nennt die Liebe nicht Verbrechen!

Wäre sie es, welchen Namen

Könntet Ihr denn allem Leben,

Ja, der weiten Schöpfung geben,

Die als Werk der Liebe prangt?

ROSAMUNDE.

Ihr erschreckt mich. – Welche Worte!

Zittert, daß sie Euer Engel

Nicht ins ew'ge Schuldbuch trägt.

TOLOMEO lächelnd.

Hm! mit dem nun wüßte sich

Unser eins schon abzufinden.

ROSAMUNDE.

Ich bewunderte bis heut,[155]

Mit gesammter Stadt Venedig,

Eure strenge Heiligkeit; –

Jetzt genug! – Gehabt Euch wohl!

Denn mir graut, Euch anzuhören.

TOLOMEO vertritt ihr den Weg.

Nein, Ihr dürft mich nicht verlassen;

Nicht verstoßen, nicht vernichten!

Dafür hab' ich nicht, Signora,

Mit dem innigsten Vertrauen

Mein Geheimstes aufgeschlossen.

Glaubt nicht, daß ich Euch verkenne,


Boshaft, halblaut.


Nicht schon wissen sollte, wie Ihr,

Liebenswürd'ge Evenstochter,

Vom verbot'nen Baume nascht.

ROSAMUNDE.

Gleißner! Euer Heil'genschein

Wird um Euch, wie Höllenrauch.

TOLOMEO kalt lächelnd.

Gleißnerei um Gleißnerei.

Ich, nun freilich, bin kein Engel.

Doch auch Ihr nicht, wie es scheint.

Man hat Augen, man hat Ohren;

Und man hört und sieht zuweilen,

Wie Ihr Andern wohl gewährt,

Was Ihr spröde mir versagt.

ROSAMUNDE.

Wißt, Herr Abt, vor wem Ihr steht.

Euch geziemt nicht diese Sprache!

Wollt Ihr einer Schuld mich zeigen?[156]

TOLOMEO.

Schuld? – Das Wörtchen klingt zu rauh.

Aber wie, zum Beispiel, wenn

Eines Herzogs von Savoyen

Halbverlobte, schöne Braut,

Mit der tiefsten Heimlichkeit

In den Armen eines Lieblings, ...

Eines Ritters von Florenz,

Ihre Treue ... nein, die Hoffnung

Des erhabnen Bräutigams ...

ROSAMUNDE stolz.

Wißt, der Herzog von Savoyen

Trägt kein Recht auf meine Hand,

Und – mir mangelt es an Neigung,

Rechenschaft Euch abzulegen.

Künftig mög' es Euch belieben,

Meine Gegenwart zu meiden.


Ab.


TOLOMEO allein.

So? – das könnte wohl geschehn!

Aber nächstens, hoff' ich, wirst du

Deinen Himmel dankbar preisen,

Ein Asyl bei mir zu finden.


Aergerlich, nach einer Pause.


Abgewiesen! ... ausgehöhnt! ...

Hätt' ich das erwarten sollen?

Allzustürmisch, besser – plump,

Fuhr ich viel zu weit hinaus.

Für die schlaue, kalte, feine

Diplomatik in der Liebe

Bist du noch zu warm, Abbate! –[157]

Uebrigens steht nichts zu fürchten;

Sie hat zu viel Zartgefühl,

Um den Vorfall auszuplaudern,

Und mich Andern zu verrathen.

Mangelte ihr diese Großmuth:

Würde sie doch Klugheit haben,

Ihres eignen Namens, welcher

Mit im Spiele steht, zu schonen.

Und – wenn ihr auch Klugheit fehlte,

Würd' ihr dennoch Niemand glauben,

Denn mein Ansehn bei dem Volke ...

Bst! der alte Herzog naht!


Er läßt sich seitwärts in betender Stellung auf die Knie nieder.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 151-158.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Chamisso, Adelbert von

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon