13. Der Goldmacher-Bund.

[52] Oswald wunderte sich nicht wenig, wie von nun an bald Dieser, bald Jener zu ihm kam, heimlich mit ihm reden wollte, und dann mit der gottlosen Sprache herausrückte und sagte: »Oswald, du kannst Gold machen, das ganze Dorf weiß es. Lehre mich es auch. Du verstehst die schwarze Kunst. Wenn der Teufel erscheint, ich will mich gar nicht fürchten. Wenn er die Unterschrift mit meinem Blute verlangt, ich will mich ihm mit Leib und Seele zuschreiben. Siehst du, es thut mir Noth, sonst thät ich's nicht.«

Lange wußte Oswald nicht, was er zu der Verderbtheit dieser Menschen sagen sollte. Da ihrer endlich aber immer mehr kamen, und nicht mit Bitten nachließen, beschied er sie alle, doch jeden einzeln, auf eine und dieselbe Mitternachtsstunde zu sich.

Und alle kamen in der finstern Nacht, die er ihnen angesagt, zu seinem Hause geschlichen, sobald es im Thurm der Dorfkirche eilf Uhr geschlagen. Er führte Jeden, wie er ankam, schweigend in eine finstere Stube. Es waren ihrer zweiunddreißig Hausväter. Jeder erschrak entsetzlich, wenn er in der Dunkelheit an den Andern stieß und etwas Lebendiges neben sich spürte. Denn Keiner wußte von den Uebrigen. Vielen floß der Angstschweiß vom Gesicht, und einige hatten so große Furcht, daß sie wieder davon gelaufen[52] wären. Aber sie zitterten, es könne ihnen dann das Lebenslicht ausgeblasen werden.

So standen sie eine Stunde in tiefer Stille und Angst, und wagten kaum, zu athmen. Da schlug's im Thurm zwölf Uhr. Und mit dem letzten Glockenschlage ging abermals die Thüre auf. Es trat ein Offizier herein, prächtig gekleidet mit hohem Federbusch und langem Säbel, auf der Brust einen Orden. Der trug in den Händen zwei brennende Kerzen; die setzte er vor ihnen auf den Tisch. Als nun Alle sich einander erkannten, schämten sie sich erst vor einander; denn sie merkten, daß sie Alle aus gleicher Absicht gekommen wären. Und sie sahen wieder auf den glänzenden Offizier, den sie für den bösen Geist hielten; aber sie erkannten in ihm den leibhaftigen Oswald.

Oswald hatte ein ernstvolles Gesicht und sprach: »Sehet mich nur an, ihr Unglücklichen; nun erkennet ihr, wer ich bin. Ich treibe keine schwarze Kunst; ich halte es mit Gott. Ihr aber seid längst von Gott abgefallen; ihr habet gesoffen und geschwelgt; ihr habet betrogen und gelogen; ihr habet gestohlen und verrathen; ihr habet gespielt und Weib und Kind vergessen; ihr habet Teufelei getrieben und Teufelswerk. Darum seid ihr arm und verzweifelt geworden. Ehrlichkeit aber währt am längsten; Gottesfurcht macht reich. In Gottes Wegen ist Gottes Segen. Ich will nicht reich sein, aber ich bin nicht arm. Wollt ihr's nun haben, wie ich, so machet es wie ich.«

So sprach Oswald, und zog einen großen Beutel hervor und leerte ihn auf den Tisch aus. Da fielen klingend eitel schöne Goldmünzen auf den Tisch, und rollten umher und verblendeten die Augen. Die Bauern hatten in ihrem Leben so viel Gold nicht beisammen erblickt. Ihre Herzen schlugen gewaltig.

Oswald aber that den Mund auf und sprach: »Wahrlich, ich sage euch, das hier macht mich nicht glücklich, aber die Weisheit[53] macht glücklich, mit der man dies Geld erwirbt und benutzt. Ihr seid zu mir gekommen, ich sollte euch die Kunst lehren, Gold zu machen. Ich will euch diese Kunst lehren. Sie ist die beste Weisheit des Lebens, und mehr als das Gold selbst werth. Habet ihr die Weisheit, so werdet ihr das Gold haben und es nicht mehr hochachten. Aber ihr kommet nicht zu dem Glücke, ohne vorher geprüft worden zu sein. Und die Zeit der Prüfung währt sieben Jahre und sieben Wochen. Wer ausharrt bis ans Ende, wird Freuden über Freuden ärnten. Wahrlich, ich sage euch, wenn diese Zeit erfüllt ist, wird Jeder von euch mehr Gold auf seinen Tisch werfen, als eure Augen hier sehen. – Die Prüfung aber ist dem Gottlosen schwer und dem Sünder hart. Denn er muß sein ganzes Herz umkehren und ein neuer Mensch werden.«

Die zweiunddreißig Hausväter hörten in banger Stille die Worte Oswalds. Sie betrachteten ihn alle mit starren Augen.

»Wer von euch,« sprach Oswald, »die sieben Jahre und sieben Wochen der Prüfung bestehen will, kann bleiben. Wer sich fürchtet oder im Glauben wankt, gehe fort von hier.«

Keiner ging.

»Wohlan,« rief Oswald, »so müsset ihr mir vor dem allgegenwärtigen Gott sieben Gelübde geloben, und solche während sieben Jahren getreu halten.«

Erstens: Ihr müsset sieben Jahre und sieben Wochen lang alle Wirthshäuser meiden, aber desto fleißiger zur Kirche gehen und Gottes Wort hören, und darnach thun.

Zweitens: Sieben Jahre und sieben Wochen lang keine Karten, keine Würfel berühren, und nichts, womit man um Geld spielt.

Drittens: Sieben Jahre und sieben Wochen darf kein Fluch, kein Scheltwort aus euerm Munde gehen, auch keine Bosheit, Lästerung und unwahre Rede.

Viertens: Sieben Jahre und sieben Wochen muß euer Tagwerk[54] Gebet und Arbeit sein. Morgens und Abends sollt ihr feierlich mit Weib und Kindern auf die Knie fallen, zu Gott beten, eure Sünden bereuen. Euere Arbeit sollt ihr mit Fleiß und Treue verrichten, keine Schulden mehr machen.

Fünftens: Wer binnen sieben Jahren und sieben Wochen sich mit Wein und Branntwein ein einziges Mal berauscht und vergeht, ist aus unserer Gemeinschaft verstoßen.

Sechstens: Auf dem Acker, welchen ihr bauet, soll kein Unkraut wachsen, in euern Wohnungen kein Unflath liegen. Euere Hütten und die Ställe des Viehes und alles Geräthe, was ihr habet, soll von Reinlichkeit glänzen. Daran werde ich euch erkennen.

Siebentens: Euer Leib soll sein ein Tempel Gottes, darum keusch, züchtig und ehrbar; auch von aller Unreinigkeit frei an Haut und Haar und Gewand. So auch bei Kindern. Das soll unser Zeichen sein.

»Wer nun diese sieben Gelübde geloben und halten will, der trete hervor und reiche mir die Hand zum Bunde. Dem Schwachen wollen wir helfen.«

Als Oswald so gesprochen hatte, traten die Zweiunddreißig einer nach dem andern hervor, jeder reichte dem Oswald die Hand über den Tisch voller Gold, und sprach: »Ich will!«

»So gehet denn heim in Frieden und wendet euch noch vor Schlafengehen im Gebet zu Gott, daß er euch Stärke verleihe, das Gelübde zu halten. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn die Zeit erfüllt ist, wird Jeder mehr Gold auf seinen Tisch werfen, als eure Augen hier sehen!« So sprach Oswald, und ermahnte die Leute, von Allem, was sie diese Nacht gesehen und gehört hätten, keinem Menschenkinde etwas zu verrathen, ja sogar selbst nie von dem zu reden, noch auf das zu deuten, was diese Nacht angehe.

Damit entfernten sich die Zweiunddreißig in großer Stille.[55] Unterwegs sprach Keiner mit dem Andern ein Wort. So voll waren sie von allen dem Wunderbaren, das sie vernommen hatten. Sie hatten ganz andere Dinge erwartet zu erleben, und gerade das Gegentheil erfahren. Mancher, wenn er an die Gelübde dachte, fühlte zwar Bangigkeit, denn sie waren auch gar zu streng. Aber das Geheimnißvolle, und die sieben Jahre und sieben Wochen, und die Reden des Oswald, und der Tisch voll Goldes, und der prächtige Offizier mit dem Orden auf der Brust und die schwarze Mitternachtsstunde, das konnte Keiner wieder vergessen, und es war wie ein seltsamer Traum.

Quelle:
Heinrich Zschokke: Novellen und Dichtungen, Band 16, Aarau 1857, S. 52-56.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Goldmacherdorf
Das Goldmacherdorf
Das Goldmacherdorf

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.

138 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon