§. 13.

[106] Jeder, der die Singkunst ein bißchen verstehet, weis, daß man sich eines gleichen Tones befleissigen muß. Denn wem würde es doch gefallen, wenn ein Singer in der Tiefe oder Höhe bald aus dem Hals, bald aus der Nase, bald aus den Zähnen u.s.w. singen, oder gar etwa dazwischen falsetiren wollte? Die Gleichheit des Tones muß also auch auf der Violin nicht nur bey der Schwäche und Stärke auf einer Seyte, sondern auf allen Seyten und mit solcher Mässigung beobachtet werden, daß eine Seyte die andere nicht übertäube.[106] Wer ein Solo spielt handelt sehr vernünftig, wenn er die leeren Seyten selten oder gar nicht hören läßt. Der vierte Finger auf der tiefern Nebenseyte wird allezeit natürlicher und seiner klingen: weil die leeren Seyten gegen den gegriffenen zu laut sind, und gar zu sehr in die Ohren dringen. Nicht weniger wird ein Solospieler alles, was immer möglich ist, auf einer Seyte heraus zu bringen suchen; um stäts in gleichem Tone zu spielen. Es sind also jene gar nicht zu loben, welche das piano so still ausdrücken, daß sie sich kaum selbst hören; bey dem forte aber ein solches Raspeln mit dem Geigebogen anfangen, daß man, besonders auf den tiefen Seyten, keinen Ton unterscheiden kann, und lediglich nichts anders, als ein unverständliches Geräusche höret. Wenn nun auch das beständige Einmischen des sogenannten Flascholets noch dazu kömmt; so entstehet eine recht lächerliche, und, wegen der Ungleichheit des Tones, eine wider die Natur selbst streitende Musik, bey der es oft so still wird, daß man die Ohren spitzen muß, bald aber möchte man wegen dem gähen und unangenehmen Gerassel die Ohren verstopfen. Mit dergleichen Spielewerke mögen sich die, welche zur Fastnachtszeit Lustigmacher abgeben, trefflich hervorthun2.

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Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 106-107.
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