§. 15.

[108] Dieses wenige mag einem fleißig Nachdenkenden genug seyn durch öfteres Versuchen zu einer geschickten Mässigung des Bogens zu gelangen, und eine angenehme Verbindung des Schwachen mit dem Starken an einem Bogenstriche nach und nach hervor zu bringen. Ich wurde auch hier eine gewisse nützliche Beobachtung eingeschaltet haben, die zur Uebung den Ton rein aus der Violin zu bringen nicht wenig beyträgt, wenn ich sie nicht lieber, wegen der Doppelgriffe, und wegen der dazu nöthigen Applicatur in den dritten Abschnitt des achten Hauptstückes verschoben hätte. Man wird sie im zwanzigsten Paragraph finden.

Fußnoten

1 Solche Luftviolinisten sind so verwegen, daß sie die schweresten Stücke aus dem Stegereif weg zu spielen, keinen Anstand nehmen. Denn ihre Wispeley, wenn sie gleich nichts treffen, höret man nicht: Dieß aber heißt bey ihnen angenehm spielen. Die gröste Stille dünket sie sehr süsse. Müssen sie laut und stark spielen; alsdann ist die ganze Kunst auf einmal weg.


2 Wer das Flascholet auf der Violin will hören lassen, der thut sehr gut, wenn er sich eigens Concerte oder Solo darauf setzen läßt, und keine natürliche Violintklänge darunter mischet.


3 Die Abschnitte und Einschnitte sind die Incisiones, Distinctiones, Interpunctiones, u.s.f. Was aber dieß vor Thiere sind muß ein guter Grammatikus, noch mehr ein Rhetor und Poet wissen. Hier sieht man aber, daß es auch ein guter Violinist wissen soll. Einem rechtschaffenen Componisten ist diese Wissenschaft unentbehrlich; sonst ist er das fünfte Rad am Wagen: denn die Diastolica (von διαστολὴ) ist eine der nothwendigsten Sachen in der melodischen Setzkunst. Ein besonderes Naturell ersetzet zwar manchmal den Abgang der Gelehrsamkeit; und oft hat, leyder! ein Mensch bey der besten Natursgabe die Gelegenheit nicht sich in den Wissenschaften umzusehen. Wenn nun aber einer, von dem man glauben soll er habe studiret, merkliche Proben seiner Unwissenheit erleget, das läßt einmal gar zu ärgerlich. Was kann man wohl von jenem denken, der nicht einmal in seiner Muttersprache 6. reine Wörter in Ordnung setzen und verständlich zu Papier bringen kann, dem allem aber ungeachtet ein gelehrter Componist heissen will? Eben ein solcher, der wenigstens dem Scheine nach die Schulen durchgelaufen ist, um in den Stand zu kommen, in dem er sich nun auch befindet; eben dieser schrieb einsmal an mich, aber einen, sowohl nach den Verdiensten der Materie, als auch der grammatikalischen Schreibart nach, unendlich schlechten Brief, der alle so ihn lasen der dummesten Unwissenheit des Verfassers überzeugete. Er wollte in diesem Schreiben eine musikalische Streitigkeit entscheiden, und die Ehre eines seiner würdigen Freunde rächen. Es gerieth aber so, daß sich der einfältige Vogel in seinem eigenen Garne fieng, und zu einem öffentlichen Gelächter wurde. Seine Einfalt rührte mich, ich ließ den armen Tropfen laufen: obwohl ich zur Belustigung meiner Freunde schon eine Antwort niedergeschrieben hatte.


Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 108.
Lizenz:
Kategorien: