226. Otto Jahn.86

[408] Wien 7. Juni 1783.

Ich habe den Brief meiner lieben Schwester richtig erhalten. Der Namenstag meiner Frau steht weder im März noch im Mai, sondern am 16. Februario und steht gar in keinem Kalender. Meine Frau aber dankt von Herzen beiden für Ihren gutgemeinten Glückwunsch, welcher auch ohne Namenstag angewendet ist. Sie wollte meiner Schwester gern selbst schreiben, allein in ihren dermaligen Umständen muß man es ihr schon zu gut halten, wenn sie ein wenig commod, – zu deutsch: gelegen ist. Vermöge der Untersuchung der Hebamme hätte sie schon den 4. d.M. niederkommen sollen, – allein ich glaube nicht daß vor dem 15. oder 16. etwas daraus wird. Sie wünscht es sich je eher je lieber; besonders um desto bälder so glücklich zu sein, Sie und unsere liebe Schwester mit mir in Salzburg zu umarmen. Da ich nicht glaubte, daß aus dem Spaß so geschwind Ernst werden könnte, so verschob ich immer mich auf die Knie niederzulassen, die Hände zusammenzufalten und Sie, mein liebster Vater, recht unterthänig zu Gevatter zu bitten. Da es nun aber vielleicht noch Zeit ist, so thue ich es halt jetzt. Unterdessen (in getroster Hoffnung daß Sie mir es nicht abschlagen werden) habe ich, seit die Hebamme den visum repertum genommen, schon dafür gesorgt, daß Jemand das Kind in[408] Ihrem Namen hebt, es mag generis masculini oder feminini sein! es heißt halt Leopold oder Leopoldine! –

Wegen dem Varesco wissen Sie noch nichts? Ich bitte Sie, vergessen Sie nicht – dieweil ich in Salzburg wäre, könnten wir so schön daran arbeiten, wenn wir unterdessen einen Plan haben.

Gott Lob und Dank, ich bin wieder ganz hergestellt, nur hat mir meine Krankheit [die damals grassirende Influenza] einen Katarrh zum Andenken zurückgelassen – das ist doch hübsch von ihr.

Nun muß ich meiner Schwester wegen der Clementischen Sonaten ein paar Worte sagen. Daß die Composition davon nichts heißt, wird Jeder, der sie spielt oder hört, selbst empfinden. Merkwürdige oder auffallende Passagen sind keine darin, ausgenommen die Sexten und Octaven, und mit diesen bitte ich meine Schwester sich nicht gar zu viel abzugeben, damit sie sich dadurch ihre ruhige und stete Hand nicht verdirbt und die Hand ihre natürliche Leichtigkeit, Gelenkigkeit und fließende Geschwindigkeit dadurch nicht verliert. Denn was hat man am Ende davon? Sie soll die Sexten und Octaven in der größten Geschwindigkeit machen (welches kein Mensch wird zuwege bringen, selbst Clementi nicht) – und so wird sie ein entsetzliches Zackwerk hervorbringen, aber sonst weiter in der Welt nichts. Clementi ist ein Ciarlattano, wie alle Welsche! Er schreibt auf eine Sonate Presto, auch wohlPrestissimo und alla breve, und spielt sie Allegro im 4/4 Tact. Ich weiß es, denn ich habe ihn gehört! [S. 348]. Was er recht gut macht, sind seine Terzenpassagen; er hat aber in London Tag und Nacht darüber geschwitzt. Außer diesem hat er aber nichts – gar nichts – nicht den geringsten Vortrag, noch Geschmack, vielweniger Empfindung.

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III, 256, Anm. 5; IV, 162; III, 241, Anm. 133; II, 53, Anm. 48. Vgl. oben Nr. 214 Anm.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 408-409.
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