227. Nissen.87

[409] Wien 2. Juli 1783.

Sie ist vorgestern, Montags, zum ersten Male gegeben worden; es gefiel gar nichts, als die zwei Arien von mir[409] [Köchel Nr. 418 und 419], und die zweite, welche eine Bravour-Arie ist, mußte wiederholt werden. – Nun müssen Sie wissen, daß meine Feinde so boshaft waren, schon vornhinein auszusprengen: Mozart will die Opera des Anfossi corrigiren. Ich hörte es. Ich ließ also dem Grafen Rosenberg [Intendanten] sagen, daß ich die Arien nicht hergäbe, ausgenommen, es würde Folgendes sowohl deutsch als wälsch dem Opernbüchel beigedruckt:


Verwarnung.


Die beiden Arien, Seite 36 und 102, sind von Herrn Maestro Mozart aus Gefälligkeit für Mad. Lange, und nicht vom Herrn Meister Anfossi in Musik gesetzt worden. Dieses wird zur Ehre desselben bekannt gemacht, ohne nur im Mindesten dem Ansehen und dem Rufe des vielberühmten Neapolitaners zu nahe zu treten.

Es wurde beigedruckt, und ich gab die Arien her, welche sowohl mir als meiner Schwägerin unaussprechliche Ehre machten. – Und die Herren Feinde sind ganz betroffen! – Nun kömmt eine Tour des Hrn. Salieri, welche nicht so viel mir, als dem armen Adamberger Schaden thut. Ich glaube, daß ich Ihnen geschrieben, daß ich auch für den Adamberger ein Rondo gemacht habe [Köchel Nr. 420]. Bei einer kleinen Probe, wo das Rondo noch gar nicht abgeschrieben war, ruft Salieri den Adamberger auf die Seite und sagte ihm, daß der Graf Rosenberg nicht gern sähe, daß er eine Arie einlegte, und er ihm folglich als ein guter Freund rathe, es nicht zu thun. Adamberger, aufgebracht über den Rosenberg und dermalen zur Unzeit stolz, wußte sich nicht anders zu rächen, beging die Dummheit und sagte: »Nun ja, um zu zeigen, daß Adamberger schon seinen Ruhm in Wien hat und nicht nöthig hat, sich erst durch für ihn geschriebene Musik Ehre[410] zu machen, so wird er singen, was darin steht, und sein Leben lang keine Arie einlegen.« Was war der Erfolg davon? Das, daß er gar nicht gefiel, wie es auch nicht anders möglich war! Nun reuet es ihn, aber zu spät; denn wenn er mich heute ersuchte ihm das Rondo zu geben, so würde ich es nicht mehr hergeben. Ich kann es sehr gut in eine der meinigen Opern brauchen. Das Aergste aber dabei ist, daß die Prophezeihung seiner Frau und von mir wahr geworden ist, nämlich daß der Graf Rosenberg sammt der Direction gar kein Wort davon weiß, und daß es nur so ein Pfiff des Salieri war.

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Jahn III, 274: »Seitdem die italienische Oper wieder eingeführt war, kam es nicht selten vor, daß Mozart gebeten wurde, einzelne Stücke zum Einlegen zu componiren. Als im Jahre 1783 Anfossi's 1778 componirte Oper Il curioso indiscreto zur Aufführung kam, ersuchten Mab. Lange und Adamberger, welche als deutsche Sänger in der italienischen Oper mit mancherlei Cabalen zu kämpfen hatten und bereits aus Erfahrung wußten, daß sie mit Mozarts Arien Glück machten, diesen zu dem ersten Debut für sie ein paar dankbare Arien zu dieser Oper zu schreiben.«

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 409-411.
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