Leipzig den 16ten May 1789

[76] Leipzig den 16ten May 1789.


Allerliebstes, bestes

Herzensweibchen!


Wie? – noch in Leipzigs – mein letzter vom 8ten oder 9ten sagte Dir zwar, daß ich in der Nacht um 2 Uhr schon wieder abreisen würde, allein, das viele Bitten meiner Freunde bewog mich, Leipzig (wegen des Fehlers einer oder zweier Personen) nicht zu affrontiren, sondern Dienstags den 12ten eine Academie zu geben. – Diese war von Seiten des Beyfalls und der Ehre glänzend genug, desto magerer aber die Einnahme betreffend. Duschek, welche sich hier befindet, sang darinnen; – die Neumann'schen aus Dresden sind auch alle hier; – das Vergnügen, so lange wie möglich in Gesellschaft dieser lieben braven Leute (die sich Dir alle bestens empfehlen) zu seyn, verzögerte bisher noch meine Abreise. Gestern wollte ich weg, konnte aber keine Pferde kriegen – heute eben so; – denn alles will nun eben ietzt abreisen, und die Anzahl der Reisenden ist sehr groß; – morgen aber früh 5 Uhr geht es los – meine Liebe! – Mir ist sehr leid und halb und halb doch fast lieb, daß Du Dich in dem nehmlichen Falle befindest, in welchem ich mich befand! doch nein! ich wünschte daß Du Dich in dieser Lage nie befunden hättest, und hoffe sicher[76] daß, da ich dieses schreibe, Du gewiß wenigstens einen von meinen Briefen in Händen haben wirst; wo das herkommen mag, das weiß Gott! – ich habe Deinen Brief vom 13. April den 21ten in Leipzig erhalten; – dann ohne Briefe 17 Tage in Potsdam zugebracht; – den 8ten May erhielt ich erst Dein Schreiben vom 24ten April, und sonst gar keines, ausgenommen gestern eines vom 5ten May. Ich meinerseits schrieb Dir den 22ten April von Leipzig, den 28ten von Potsdam, den 5ten May wieder von Potsdam, den 9ten von Leipzig, und nun den 16ten. Das Sonderbarste ist, daß wir uns eben zur nehmlichen Zeit in der nehmlichen traurigen Lage befanden; ich ängstigte mich vom 24ten April bis 8ten May, und nach Deinem Brief zu urtheilen war eben dies auch die Zeit Deiner Bekümmerniß. Nun hoffe ich aber wirst Du es schon überstanden haben, und überhaupt ist mein Trost, daß wir bald nicht mehr der Briefe werden benöthiget seyn, sondern uns bald mündlich sprechen und küssen und an unsere Herzen werden drücken können. Ich schrieb Dir in meinem letzten, daß Du mir nicht mehr schreiben sollst; – es ist auch das sicherste. Nun bitte ich Dich aber mir auf diesen Brief zu antworten, aber ihn nach Prag an Duschek zu addressiren; Du mußt ein förmliches Couvert darüber machen und ihn darinn ersuchen, den Brief bis auf meine Ankunft dahin aufzubewahren; – ich werde wohl wenigstens 8 Tage in Berlin zubringen; – auf diese Art werde wohl vor 5ten oder 6ten Juny nicht in Wien sein können, – also in 10 oder 12 Tagen nach Empfang dieses Briefes. Noch eines, – wegen Ausbleibung der Briefe; ich habe auch am 28ten April an unsern lieben Freund Puchberg geschrieben; ich bitte Dich mache ihm 1000 Empfehlungen und Danksagungen in meinem Nahmen; – daß Schmidt krank war,[77] wußte ich gar nicht; das wird vermuthlich in dem Briefe gestanden haben, den ich nicht erhalten habe. Ich danke Dir recht sehr für den Brief von der N.N. Oper; – freylich wäre es besser, wenn er Maaßmann hieße; wenn Du ihn aber von Person kenntest, wie ich, so würdest Du ihn wo nicht Blüzer-Mann doch wenigstens Zimmet-Mann heißen1. – Lebe wohl, liebes Weibchen, erfülle alle meine Bitten, so ich in meinen Briefen an Dich thue, denn Liebe, wahre ächte Liebe war der Beweggrund hiezu, und liebe mich so wie ich Dich liebe. Ich bin ewig


Dein einzig wahrer Freund

und getreuer Gatte

W.A. Mozart.

Fußnoten

1 Gemeint ist der Componist Franz Seydelmann, dessen Oper »Il Turco in Italia« am 28. April 1789 in Wien zur Aufführung gelangte.


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 78.
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