[612] Fürst Leopold von Anhalt-Cöthen war geboren am 2. November 1694 und stand, als er Bach berief, am Ausgang des 23. oder Anfang des 24. Lebensjahres. Die Regierung des Ländchens hatte er an einem der letzten Tage des Jahres 1715 angetreten; wenige Wochen darauf wurde die Hochzeit seiner Schwester mit dem weimarischen Prinzen Ernst August auf dem fürstlichen Schlosse zu Nienburg an der Saale gefeiert. Es war dies der Wittwensitz seiner Mutter Gisela Agnes, einer regen, energischen und klugen Frau, die während Leopolds Minderjährigkeit die Regierung geführt, und dem schon im 10. Jahre seines Vaters beraubten Knaben eine sorgfältige Erziehung gegeben hatte. Leopold war eine Zeit lang auf der berlinischen Ritterakademie gewesen, deren Ruf damals viele Prinzen, auch aus dem Hause Anhalt, anzog. Dann hatte er im October 1710 die übliche Reisetour angetreten, die zuerst nach Holland und England, von da zurück durch Deutschland nach Italien führte, und war im Frühjahr 1713 über Wien nach Cöthen heimgekehrt. Seinen hervortretenden musikalischen Neigungen und Anlagen war besonders der Aufenthalt in Italien förderlich und erwünscht gewesen. In Venedig besuchte er fleißig die Opern-Theater, in Rom zog er den deutschen Tonkünstler Johann David Heinichen an sich, um unter dessen Führerschaft sich in dem gelobten Lande der Musik besser zu orientiren1. Die berühmte Orgel zu S. Maria Maggiore in Trient, durch [613] deren meisterhafte Behandlung Händel wenige Jahre vorher seine Zuhörer hingerissen hatte2, mußte sogar am Sonntage während der Predigt vor dem kunsteifrigen Prinzen gespielt werden. Aber auch für die bildende Kunst zeigte er Verständniß, bewunderte den Moses des Michel Angelo und ließ sich eine Anzahl von Meisterwerken der römischen Gemäldegallerien copiren. Ueberhaupt besaß er einen freien und für alles ideale empfänglichen Sinn, hatte hübsche wissenschaftliche Kenntnisse gesammelt und legte später den Grund zu der Cöthener Schloßbibliothek3.
Sein offenes Gesicht mit hoher Stirn und großen hellen Augen, das der Zeitsitte entgegen von natürlichem langwallenden Haare umrahmt wird, ist von äußerst gewinnendem, jugendlich frischem Ausdrucke. Ein künstlerischer Zug lebt unverkennbar darin4. Von Regierungsthaten des Fürsten steht wenig zu berichten, dies wenige aber stimmt zu dem, was die Gesichtszüge versprechen. Der Hof war reformirter Confession und ein großer Theil der Bevölkerung ebenfalls. Schon der vorige Fürst, Emanuel Leberecht, hatte jedoch den Lutheranern Freiheit ihrer öffentlichen Religionsübungen zugestanden, wohl durch Einwirkung seiner Gattin lutherischen Bekenntnisses. Dann war im Jahre 1699 eine lutherische Kirche gebaut, und 1711 von Gisela Agnes ein lutherisches Frauen- und Fräulein-Stift angelegt. Eine der ersten Regierungsmaßregeln Leopolds war es, die von seinem Vater gewährten Freiheiten nicht nur zu bestätigen, sondern zu vermehren, »weil es die größte Glückseligkeit sei, wenn die Unterthanen im Lande bei ihrer Gewissensfreiheit geschützet werden«. Die Folgen offenbarten sich in einem fröhlichen Emporblühen der kleinen Residenz und des ganzen Gebietes.
Die Verhältnisse des Hofes waren klein und einfach. Ein Theater hat er nie besessen; Kirchenmusik ließ der reformirte Cultus nicht aufkommen. In keiner der drei Kirchen des Orts hatte Bach mit dem Orgeldienste etwas zu thun. An der lutherischen Kirche [614] war Christian Ernst Rolle Organist, an der reformirten Hauptkirche bis zum Jahre 1731 Joh. Jakob Müller5. Derselbe pflegte vermuthlich auch die Schloßorgel zu besorgen, es wird hier gewesen sein, wie es in Arnstadt war. Bei ihrer winzigen Beschaffenheit hat sie kaum zu etwas anderm, als zum Choralspielen benutzt werden können, für die Erfordernisse des reformirten Gottesdienstes war dies aber auch hinreichend. Ihre beiden Manuale hatten zusammen zehn Register, das Pedal hatte drei6. Auch wo Bach mit Umständlichkeit seinen vollen Titel aus jener Zeit angiebt, nennt er sich doch nicht Hoforganist. Damit ist nicht gesagt, daß er das Werkchen niemals spielte.
Der musikalische Schwerpunkt lag ganz und gar in der Kammermusik. Hier wirkte der Fürst offenbar selbst mit. Aus einem Inventarium der in seinem Privatbesitz vorgefundenen Instrumente zu schließen, muß er nicht allein Violine, sondern auch Gambe und Clavier gespielt haben; nebenbei war er ein tüchtiger Bass-Sänger7. Und Bach selber rühmt später von ihm, er habe die Musik nicht nur geliebt, sondern auch verstanden. Bei wem er seine Studien gemacht, ist unbekannt. Vorgänger Bachs im Capellmeisteramte war aber Augustin Reinhard Stricker, derselbe welcher 1708 als königlicher Kammermusicus in Berlin die Festmusik zur Vermählung des Königs mit der mecklenburgischen Prinzessin Sophie Louise setzte8. In dieser Zeit ungefähr muß Leopold auf der Ritterakademie gewesen sein, und die Vermuthung wäre nicht ungegründet, daß Verbindungen, [615] die er damals mit Stricker anknüpfte, diesem später den Capellmeisterposten zu Cöthen verschafften. Zu einer weiteren Ausbildung seines Geschmackes suchte er sodann in Italien und später durch erneuerten Verkehr mit seinem Capellmeister zu gelangen, der sich im Jahre 1714 schon bei ihm befand. Doch war Stricker nach allem, was sich über seine Componistenthätigkeit in Erfahrung bringen ließ, mehr der vocalen als instrumentalen Tonkunst zugewendet, und hierin liegt wohl der Grund seines baldigen Fortganges. Vocale Kräfte gab es in Cöthen äußerst wenige. Mattheson hat uns die Kunde von zwei jungen Sängerinnen aufbewahrt, zwei Mademoiselles de Monjou aus Cöthen, welche im Juli 1722 in Berlin vor der preußischen Königin sich hören ließen und dann wieder an ihren Heimathsort zurück begaben. »Die jüngste unter ihnen«, läßt er sich berichten, »hat eine schöne, helle Stimme, und große Perfection in der Musik. Man saget, daß sie beyde nach Hamburg gehen und in dasigen Opern Dienste bekommen werden«9. Außerdem wird auch wohl unter den Cantoren und Lehrern der Stadt irgend ein tüchtiger Bassist, vielleicht auch ein Tenorist aufzutreiben gewesen sein. Allein von einer ordentlichen Vocal-Capelle wie in Weimar findet sich nicht die leiseste Spur. Wäre sie dagewesen, Bach hätte sie bei Composition seiner Geburtstagsserenade für den Fürsten sicher benutzt.
Freilich, äußere Spuren sind auch von der Existenz einer Instrumental-Capelle nur kaum bemerkbare noch zu erkennen. Ein einziges Mitglied weiß ich namhaft zu machen, den Gambisten Abel. Er hatte gleich dem Bruder Sebastian Bachs, Johann Jakob, in seiner Jugend die Feldzüge Karls XII. mitgemacht, wirkte in Cöthen schon gegen das Jahr 1720 und lebte auch 1737 noch dort. Von seinen talentvollen Söhnen, die beide auch in Cöthen geboren sind, Leopold August und Karl Friedrich, brachte es bekanntlich der zweite zu europäischer Berühmtheit10. Ein Schüler Bachs zu jener Zeit war Johann Schneider, aus der Nähe von Coburg gebürtig, Orgel-, Clavier- und Violinspieler zugleich, der 1726 als Violinist in die weimarische Capelle trat, 1729 aber Organist an der Nicolaikirche in [616] Leipzig wurde11; dieser wird dann auch wohl in der fürstlichen Capelle mitgewirkt haben. Von Sebastian Bach selbst aber, dem Capellmeister und Director der fürstlichen Kammermusiken, wie er sich eigenhändig betitelt, und von der Musikerschaar, die er leitete, findet sich außer einigen Notizen der Kirchenregister an keiner der Stellen, wo man sonst die Merkzeichen der Existenz und Thätigkeit in festen Verhältnissen stehender Männer zunächst zu suchen pflegt, auch nicht die leiseste Erwähnung mehr. Die Zeit hat sie ausgelöscht und überwachsen, sowie das Gras jetzt den Schloßhof bedeckt, über den der Meister so oft seine Schritte gelenkt hat. Und wie die Räume öde und leer stehen, die einst von seinen Tönen widerhallten, so ist auch sein Name unter der Bevölkerung des Ortes fast verklungen.
Man glaube aber nicht, daß damals sein Wirken dort viel äußerliches Aufsehen gemacht habe. Es war der ganzen Lage nach ein durchaus intimes, und trat über das Musikzimmer des Schlosses und sein eignes kaum hinaus. Nur durch Reisen hielt sich Bach mit der Welt und einem größeren Publikum in Verbindung, an seinem Wohnorte stand er in keinem Connex mit der Oeffentlichkeit. Und dennoch verbrachte er so einige seiner glücklichsten Lebensjahre, ja fühlte sich zeitweilig in einem Grade befriedigt, daß er hoffte an diesem stillen Plätzchen sein Leben zu beschließen. Es ist dies garnicht zu verstehen, so lange man Bachs Künstlernatur zunächst vom Gebiete kirchlicher Musik aus zu begreifen sucht. Dann erscheint sein Aufenthalt in Cöthen, wo er aller kirchlichen Thätigkeit fern blieb, als fast verlorene Zeit für seine Entwicklung, das eigne Gefallen daran als Selbsttäuschung. Aber alles ist folgerichtig und naturgemäß, wenn man den instrumentalen, d.h. rein musikalischen Urgrund seines Wesens nicht aus dem Auge läßt, auf den wir von Anfang an als Hauptsache hinzuweisen suchten. Auf diesen als sein ursprüngliches Element sich einmal ausschließlich zurückzuziehen und frische Kraft daraus zu saugen zum erneuten Ringen nach hohen, [617] seiner Mitwelt verhüllten Idealen, mußte ihm ein wonniges Gefühl sein. Ein wesentlicher Zug des deutschen Künstlerthums tritt in dieser Lebensperiode Bachs deutlicher hervor, als in irgend einer andern: die Sinnigkeit, welche sich in engster Umschränkung erst ganz behaglich fühlt, das Glück des Schaffens und Genießens in lauschiger Heimlichkeit im Kreise weniger verständnißreicher Freunde, deren theilnehmendem Blicke sich gern auch das tiefste Innere erschließt. Es ist jener deutsche Zug, dem später die Quartettmusik entsproßte; ihr Gegenbild ist die köstliche Kammermusik Sebastian Bachs, die größtentheils in Cöthen Gestalt gewann, an der Spitze das »wohltemperirte Clavier«. Ein trauliches und tiefsinniges Musiciren war es, das jetzt im Schlosse, wir wissen nicht wann und wie oft, aber jedenfalls mit echtem Kunsteifer begann; der junge talentvolle Fürst gab sich ihm mit Leib und Seele um so mehr hin, als er vorläufig noch unvermählt war. Schnell auch wußte er, was er an Bach besaß, und zeigte ihm dies in offenster Weise. Er mochte ihn nirgends entbehren, er nahm ihn mit sich auf Reisen, er liebte ihn wie einen Freund. Dafür hat dieser seinem Gönner über dessen frühen Tod hinaus ein ungeschwächtes Andenken bewahrt.
Ein Act der Huldigung, welcher wahrscheinlich in das erste Jahr seines Dortseins fällt, ist eine Serenade auf den Geburtstag des Fürsten. Den bescheidenen vocalen Mitteln des Ortes angemessen verwendete er darin nur einen Sopran und einen Bass, deren Gesang außer dem Streichquartett und Cembalo, zwei Flöten und ein Fagott begleiteten12. Der Verfasser des beglückwünschenden Textes ist nicht genannt; geschah dies aus Bescheidenheit, so war solche gerechtfertigt. Bach ist später einmal bei gewissen Poesien umdichtend thätig gewesen, und da wir dies wissen, läßt sich der Verdacht nicht ganz unterdrücken, daß er selbst die Worte zusammengestellt hat. Ebensogut freilich kann irgend ein andrer Dilettant die poetische Unthat verbrochen haben. Denn jämmerlich ist der Text, mag ihn nun gemacht haben, wer will. Die Musik läßt aber alle Mängel vergessen. In ihr spiegelt sich aufs treueste der Geist der Cöthener Periode. Nur ganz allgemein schlägt sie den Ton heiterer Feststimmung [618] an und schaltet in diesem Gebiete frei nach ihren Gesetzen, entwickelt all den Reiz frischer Erfindung und feingegliederten, kunstvollen Aufbaues, den Bach auch in seiner Kammermusik mit bestrickender Anmuth zur Geltung zu bringen weiß. Zusammen sind es sieben Nummern; mit Recitativ und Arie in D dur fängt der Sopran an, der Bass, der übrigens sehr hoch hinaufgeführt wird, so daß die Rücksicht auf ein bestimmtes Organ unverkennbar ist, folgt mit einer Arie in H moll. Dann schreitet er im zierlich-würdevollen Menuettschritt (G dur) einher, der Sopran fährt in D dur fort, endlich vereinigen sie sich in A dur, wobei der Bass als Reigenführer die Melodie singt. Es kommt ein duettirendes Recitativ, dann für Sopran und Bass wieder je eine Arie in D dur und A dur, endlich in der Anfangstonart der zweistimmige Schlußgesang, Chorus überschrieben, womit aber eben nur die krönende Schlußnummer bezeichnet werden soll, denn an eine mehrfache Besetzung zu denken verbietet die Art der Stimmenführung durchaus. Ein glückliches, in sich befriedigtes Gemüth lacht uns überall entgegen. In späteren Jahren dünkte es den Componisten schade, diese echte Musik an ihrem Texte verkommen zu lassen, er benutzte sie deshalb zu einer Pfingstcantate, wie er auch mit der Gelegenheitsmusik auf den Geburtstag des weißenfelsischen Herzogs gethan13.
Der Fürst reiste am 9. Mai 1718 zur Cur nach dem damals von hohen Persönlichkeiten Deutschlands viel besuchten Karlsbad. Wir wissen, daß er bei einer zweiten Reise dorthin im Jahre 1720 Bach mit sich nahm; so ist es wenig zweifelhaft, daß dasselbe auch jetzt geschah14. Es giebt noch eine alte Tradition, wie Bach seine mehr oder minder unfreiwillige Muße auf solchen Reisen auszufüllen pflegte, wir werden auf sie zurückkommen. Einen andern Huldbeweis empfing er im Herbst des Jahres, als ihm am 15. November Maria Barbara das [619] siebente Kind ihrer Ehe gebar, einen Knaben, zu dem am 17. November der Fürst Pathenstelle vertrat und neben ihm sein jüngerer Bruder August Ludwig, die nach Weimar verheirathete Schwester Eleonore Wilhelmine, sowie der Geheimrath von Zanthier und die Gattin des Hofmeisters von Nostiz15. In wie hoher Gunst Bach bei Hofe stehen mußte, ist hieraus recht ersichtlich. Der mit so großen Ehren aus der Taufe gehobene Knabe, Leopold August genannt, überlebte aber sein erstes Jahr nicht, am 28. Sept. 1719 empfing ihn das Grab. Ein Zwillingspaar war schon im Februar und März 1713 kurz nach der Geburt gestorben, vier Kinder aber wuchsen heran als Zeugen eines stillen, glücklichen Familienlebens. Den Platz des erstgebornen nahm eine Tochter ein, Katharina Dorothea, geb. den 27. Dec. 1708; sie blieb unverheirathet. Am 22. Nov. 1710 folgte Wilhelm Friedemann, der hochbegabte, wunderliche Liebling des Vaters. Dann Karl Philipp Emanuel, geb. den 8. März 1714, der unter seinen Brüdern der bedeutendste wurde, mochte er auch vielleicht nicht der talentvollste sein. Endlich Johann Gottfried Bernhard, geb. den 11. Mai 171516. Allen diesen Söhnen werden wir später noch wiederholt begegnen.
Wie gesagt, gab Bach seine Kunstreisen auch in Cöthen nicht auf, ja das innere Bedürfniß danach war hier vielleicht stärker als [620] in Weimar. Schon wenige Wochen nach seinem Abzuge von dort folgte er einer Einladung der Universität Leipzig, die am 4. Nov. 1716 vollendete neue und große Orgel in der Paulinerkirche zu prüfen. Die Prüfung fand am 16. Dec. 1717 statt und fiel für den Erbauer Johann Scheibe sehr günstig aus: Bach war nicht nur mit Beschaffenheit und Construction der einzelnen Theile, sondern auch mit der Disposition wohl zufrieden, die er für eine der vollständigsten in Deutschland erklärte. Er fungirte als Examinator ganz allein, nur zwei sachverständige Zeugen waren ihm beigegeben17. Im Herbst des folgenden Jahres unternahm er wieder eine Reise, die ihn nach Halle führte. Es wird dieser Ort wohl nicht das einzige Ziel gewesen sein, aber nur durch ein an ihn sich knüpfendes Ereigniß wissen wir von ihr. Händel war im Frühjahre von England herüber gekommen, um Sänger und Sängerinnen für die neu zu errichtende Londoner Opernakademie anzuwerben. Er befand sich vor der Rückkehr noch eine Weile bei den Seinigen in Halle, Bach suchte ihn dort auf, traf es aber unglücklich, denn Händel war an demselben Tage wieder abgereist. Ein zehn Jahre später erneuter Versuch Bachs, die persönliche Bekanntschaft mit dem einzigen ebenbürtigen Zeitgenossen herbeizuführen, sollte ebenfalls scheitern. Es ist daraus allerhand ungünstiges für Händel gefolgert worden. Zu der Annahme, er habe sich Bachs entgegenkommendem Wesen gegenüber zurückweisend verhalten, fehlt ein ausreichender Grund. Nirgends findet sich eine Andeutung, daß er durch seine Abreise am Tage von Bachs Ankunft in Halle diesem habe absichtlich aus dem Wege gehen wollen, während andrerseits schwer zu verkennen ist, daß auch Bach das erste Mal nur gelegentlich Händel aufsuchte. Sonst hätte er, da dieser schon im März nach Deutschland kam, eine Begegnung irgendwo gewiß ermöglichen können18. Das zweite Mal, im Juni 1729, schickte Bach, durch Krankheit am eignen Reisen verhindert, seinen ältesten Sohn von Leipzig aus mit einer [621] Einladung an Händel nach Halle, der aus Italien zurückgekehrt dort kurze Zeit verweilte. Händel bedauerte nicht kommen zu können, und es ist wahrscheinlich gemacht, daß in der That seine Zeit nicht mehr so weit reichte19. Daß es im Interesse der Kunst sehr zu beklagen sei, daß beide Männer also niemals zusammentrafen, darf man wohl getrost verneinen. Interessant wäre es gewesen, und das Verlangen beide mit einander wetteifern zu sehen soll stark unter den Leipziger Musikfreunden geherrscht haben20. Aber darauf würde auch wohl die ganze Begegnung hinausgelaufen sein, und sicherlich doch ohne in der viel aufgeworfenen Frage, welchem von beiden die Palme gebühre, bei der gänzlichen Verschiedenheit ihres Wesens eine Entscheidung gebracht zu haben. Ein anregender gegenseitiger Verkehr, der sich nur auf längeres Zusammenleben gründen kann, war ja bei ihren getrennten äußeren Lebensstellungen unmöglich. Dagegen wird Händel immerhin das Urtheil über sich ergehen lassen müssen, ohne Theilnahme für Bachs Künstlergröße an diesem vorübergegangen zu sein. Im Jahre 1719, als er acht Monate in Deutschland verweilte, hätte jedenfalls die Zeit für einen Besuch gefunden werden können, der füglich eher von ihm ausgehen mußte, als von dem durch sein Amt beschränkten Bach. Man nehme hinzu, daß er sich in Dresden und Halle aufhielt, Orten, die für Bachs Bedeutung aus frischester Erinnerung lebendiges Zeugniß ablegen konnten, daß er hier das Rühmlichste von dem gewaltigen Tonmeister hören mußte, der in seiner unmittelbaren Nähe wirkte. Auch ist keine Thatsache bekannt geworden, daß er sich für Bachs Compositionen interessirt hätte. Umgekehrt hat dieser es nicht nur mehrfach sich angelegen sein lassen, Händel persönlich kennen zu lernen, sondern auch von dem Werth, den er auf dessen Werke legte, nachdrücklich Zeugniß gegeben. Händels Composition des Brockesschen Passionstextes existirt noch in einem Manuscript von 60 Blättern, von denen die 23 ersten (mit Ausschluß der beiden letzten Systeme) von Bach eigenhändig, die folgenden aber von dessen zweiter Gattin geschrieben sind. Zu einem werthvollen, siebensätzigen Concerto grosso Händels aus F moll liegen die von Bach geschriebenen [622] Stimmen vor21. Dasselbe ist der Fall bei einer Solo-Cantate Händels, zu der Bach sogar das Autograph besessen zu haben scheint, welches mit den Stimmen zusammen sich noch jetzt in der Hand eines und desselben Besitzers befindet22. Mit besonderer Genugthuung verzeichnen wir diese Beweise einer großen, neidlos unbefangenen Künstlerseele. Ueber das gegenseitige Verhältniß beider als Orgelspieler ist gleich unten noch ein Wort zu sagen.
Im nächstfolgenden Jahre reiste Fürst Leopold am 27. Mai nach Karlsbad ab. Die Rückkehr wird im Juli erfolgt sein. Als Bach von freudiger Erwartung des Wiedersehens erfüllt in sein Haus trat, kam ihm eine erschütternde Kunde entgegen: am 7. Juli hatte man seine Gattin begraben. Frisch und gesund war sie beim Scheiden zurückgeblieben; in der Blüthe ihres Lebens hatte die noch nicht 36 Jahre zählende ein plötzlicher Tod hinweggerafft, ohne daß eine Nachricht davon den entfernten aber vermuthlich schon auf der Rückreise begriffenen Gatten erreichen konnte. Als der Sohn Philipp Emanuel 33 Jahre später den Nekrolog seines Vaters verfaßte und über die andern Familienereignisse mit chronistischer Kürze hinwegging, hafteten der Tod der geliebten Mutter und dessen Umstände noch so tief in seiner Erinnerung, daß er ausführlich darüber berichtete. Den herben Schmerz Sebastians hätte er nicht zu bestätigen brauchen; man kann es ahnen, was das tiefe Gemüth des Mannes durchwühlte, als er am Grabe seines Weibes stand, das ihn durch die Lebensjahre des jugendlichen Aufstrebens, des ersten Gelingens liebend begleitet hatte, um auf der Höhe des Glückes jäh von seiner[623] Seite gerissen zu werden. Wir wissen zu wenig von Maria Barbara Bach, um ihr Charakterbild entwerfen zu können. Wenn wir uns aber an die sinnige Natur ihres Vaters erinnern und das harmlos fröhliche Gemüth des zweiten Sohnes erwägen, der besonders auf die Mutter geartet zu haben scheint, während in dem ältesten der Vater sich wiederzufinden glaubte, so denken wir sie uns nicht ohne Grund und gern als ein stilles, gutes Wesen, das hinreichende musikalische Begabung besaß für eine lebendige Theilnahme am Wirken ihres Gatten und ihm im Hause dasjenige verschaffte, was für ihn innerstes Bedürfniß war, ein ehrbares, bürgerlich tüchtiges Familienleben.
Der schwere Verlust hemmte nicht die Thätigkeit Bachs, er trug ihn als Mann. Ein Ausflug nach Hamburg, der für den Herbst geplant war, wurde nicht aufgegeben; doch ist die Annahme begründet, daß er einen Aufschub von mehren Wochen erfuhr. Die Cantate »Wer sich selbst erhöhet, der soll erniedrigt werden«23 giebt darüber Auskunft. Ihr Text ist einem Jahrgange von Dichtungen entnommen, die der Regierungssecretär Johann Friedrich Helbig zu Eisenach zum Gebrauch der dortigen Capelle im Jahre 1720 drucken ließ24. In Cöthen selbst waren, da es keine Kirchenmusiken dort gab, auch keine Texte zu solchen zu haben. Bach mußte sich das poetische Material anderswo suchen, wollte er einmal eine Cantate componiren, und wiederum konnte die Veranlassung hierzu nur in einer jener Reisen liegen, die ihn an Pflegestätten der Kirchenmusik und zu berühmten kirchlichen Tonkünstlern führten. Er hatte sich also aus den sehr bescheidenen Poesien, die ihm aber als landsmännische nahe lagen, den Text für den 17. Trinitatis-Sonntag (22. Sept.) gewählt, an dem er in Hamburg zu verweilen und wohl seine Cantate dort aufzuführen hoffte. Auch daß er die Musik während der Karlsbader Reise setzte, läßt sich noch wahrscheinlich machen25. Tiefgebeugt [624] aber durch den erlittenen Unglücksschlag vermochte er nicht, sein Vorhaben in dieser Weise auszuführen. Er war nun erst im November in Hamburg. Ob da die Cantate noch aufgeführt wurde oder nicht, ist unerkennbar; vielleicht einmal außerhalb des Gottesdienstes. Sie ist von Anfang bis zu Ende der Ausdruck gesammeltster Gestaltungskraft und überragt frühere Werke namentlich durch einen an Inhalt und Ausdehnung gewaltigen Anfangschor über die Schlußworte des Evangeliums »Wer sich selbst erhöhet, der soll erniedriget werden, und wer sich selbst erniedriget, der soll erhöhet werden«. Ein Choral ist nicht eingeführt, sondern das Ganze, seinem Texte gemäß, zu einer Doppelfuge gestaltet, deren zweites Thema aber keine selbständige Durchführung erfährt. Der große Fortschritt von früheren instrumental-vocalen Fugen Bachs zu dieser springt nicht nur durch das kühne, weite Ausgreifen der Stimmen und ihre vornehm freie Bewegung auch im dichtesten Gedränge in die Augen, nicht nur durch die großartige Ausspannung aller Proportionen, sondern vor allem dadurch, daß der Meister keine Genüge mehr darin fand, die Instrumente an der Fugirung theilnehmen oder sie ein besonderes Motiv weiterspinnen zu lassen, daß er ihnen vielmehr ein eignes Thema zuertheilte und so aus dem Material von drei selbständigen Gedanken seinen Tonpalast aufführte. Indem aber das Instrumenten-Thema mehr chorisch homophon auftrat, mußte die Structur doch wieder etwas andres als die einer Tripelfuge werden. Hört man den Beginn des Satzes (G moll , Allegro), so glaubt man überhaupt nicht, daß daraus ein Chorstück werden soll: es ist als begönne mit der Besetzung von Streichinstrumenten, zwei Oboen und Orgel ein italiänisches Concert. Ein breites Tuttithema ertönt zuerst, dann schließen sich bewegte Gänge contrastirend an, regelrecht wird auf die Dominante geleitet, dort dieselbe Entwicklung, dann mit Takt 45 Rückkehr zur Grundtonart. Da aber überrascht uns der Tenor mit dem Einsatze des achttaktigen Themas, das durch eine Octave aufsteigt und sinkt; das zweite, neuntaktig, schließt sich an, sinkt durch anderthalb Octaven und schießt schnellkräftig wieder empor. Zu der Fugenentwicklung spinnen jedoch die Instrumente ihr Tuttithema motivisch und piano weiter, endlich aber ergreift auch sie der große Strom und zwingt sie mit sich fort. Nach einer Cadenz auf B folgt ein kürzerer motivischer Zwischensatz, aus [625] dem Wechselspiel zwischen Chor und Instrumenten hervorgehend, dann von neuem großartige Fugirung wie zuerst, wieder Zwischensatz, wieder Fugirung und dann wird, gleichsam zur Coda, der ganze Chor in den Instrumentalsatz des Anfangs zurückgerissen, dessen volle 45 Takte mit dem Aufgebot aller Tonmittel noch einmal ertönen, so das ganze Bild cyklisch abrunden und in breitester Pracht den Schluß herbeiführen. Es ist dies ein Tonstück, das aus der unbeschränktesten Herrschaft über alle großen und kleinen Formen hervorging und zugleich das Problem der gleichmäßigen Verschmelzung von Instrumental- und Vocal-Musik in denkbarster Vollendung löste. Eine äußere Steigerung konnte nach diesem Eingange nicht mehr in Bachs Absicht liegen, es genügte ihm und hat ihm stets in ähnlichen Fällen genügt, die Cantate in die symbolisch so bedeutungsvolle Form des einfachen Chorals ausmünden zu lassen. Dazwischen stehen zwei Arien mit verbindendem Recitativ26. Die erste, deren moralisirender Text poetisch unzugänglich war, ist ein geistvolles Trio zwischen Sopran, Continuo und obligater Orgel oder Solo-Violine geworden, in seiner Art ebenfalls ein Meisterwerk. Die zweite überragt ihre Vorgängerin noch durch polyphonen Reichthum, ist aber zugleich vom edelsten poetischen Gefühle durchwärmt.
Telemann, der noch immer eisenachischer Capellmeister von Haus aus war, hat den Text auch componirt27. Den ersten Satz als Doppelfuge anzulegen, war im Bibelspruche selbst gegeben; ein eigenthümlicher Zufall ist es, daß er auch in der Wahl der Tonart mit Bach übereinstimmt. Im übrigen ist die Kluft zwischen beiden, die schon an früheren Werken hervortrat, nur noch gähnender geworden. Telemann schreibt seine Fuge von 38 Viervierteltakten (die Bachsche zählt 228) schlecht und recht und ohne sonderlich warm dabei zu werden hin; die Instrumente verstärken die Singstimmen. Vom Reste des Textes componirt er nur noch die zweite Arie und setzt den Choral, die Arie außerdem nicht einmal in der italiänischen Form und mit der allersimpelsten Begleitung. Bach hat sich später [626] um Helbigs Texte, an die er in Ermanglung von besseren gegangen war, nicht weiter bekümmert, einen Fall ausgenommen und da muß er wieder in Verlegenheit gewesen sein. Denn es liegt auf der Hand, daß er zur schnellen Fertigstellung der Cantate auf den dritten Adventssonntag desselben Jahrganges: »Das ist je gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort« u.s.w. ältere Compositionen benutzte. Bei dem ersten Chore (G dur ) kann es, zumal wenn man die ganz übereinstimmende Factur des Anfangschores in der zweiten Bearbeitung der Pfingstcantate »Wer mich liebet«28 vergleicht, kaum verkannt werden, daß ihm ein ursprüngliches Duett zu Grunde liegt. Im 52. und 53. Takte der ersten Arie wird die schlechte Textunterlage zum Verräther. Von großem Werthe kann bei einer so eiligen Arbeit nicht die Rede sein, wenn sie gleich manches hübsche, ja schöne enthält29.
In Hamburg lebte Johann Adam Reinken noch und versah auch trotz seiner 97 Jahre noch immer den Organistendienst an der Katharinenkirche mit verhältnißmäßiger Frische. Unter den Standesgenossen des Ortes war er die größte Respectsperson, nicht nur wegen seines hohen Alters, sondern ebensosehr seiner künstlerischen Bedeutsamkeit zufolge, über die schon früher ausführlicheres gesagt ist. Für Bach, der als Jüngling an Ort und Stelle aus Reinkens Kunst Nutzen gezogen hatte, mußte es einen großen Reiz haben, als vollendeter Meister wieder vor den Veteranen hinzutreten. Was Reinkens Charakter betrifft, so lauten über ihn die Zeugnisse wenig günstig, er war nicht nur sehr selbstbewußt, sondern eitel und auf andre Künstler neidisch. Sein Vorgänger im Amt war Heinrich Scheidemann gewesen, ein so tüchtiger Organist, daß derjenige für verwegen gehalten wurde, welcher sich zutraute dessen Nachfolger werden zu können. So wenigstens hatte sich ein bedeutender holländischer Musiker geäußert auf die Nachricht, daß Reinken den Platz jetzt einnähme. Dieser hörte davon und schickte ihm seine Bearbeitung des Chorals »An Wasserflüssen Babylon« zu, mit der schriftlichen Bemerkung: hieraus könne er des verwegenen Menschen [627] Porträt ersehen. Der Musiker fand sich durch das allerdings hervorragende Stück eines Besseren belehrt, kam nach Hamburg, hörte und sprach Reinken und küßte ihm bewundernd die Hände30. Mit Entrüstung vermerkt Mattheson, der doch in Sachen der Eitelkeit auch etwas leistete, daß Reinken sich auf dem Titel seines Hortus musicus selber Organi Hamburgensis ad Divae Catharinae Directorem celebratissimum nenne31, und war überhaupt nicht gut auf ihn zu sprechen, wovon aber Reinken selber die Schuld trug. Denn er konnte es Mattheson nicht vergeben, daß man einmal den Plan gehabt hatte, diesen ihm zu substituiren32. Mattheson rächte sich dafür durch allerhand Sticheleien in seinem »beschützten Orchestre« und erzählt auch in dem kurzen ihm gewidmeten Nekrologe33. »Seinen Wandel betreffend, ist darauf von den Herren Geistlichen bisweilen eins und anders zu sagen gewesen, wie er denn einen beständigen Liebhaber des Frauenzimmers und Raths-Weinkellers abgegeben«, kann aber doch nicht umhin zu gestehen, daß er seine Orgel jederzeit ungemein nett und wohl gestimmet hielt, sie auch auf eine solche besondere, reinliche Art zu bespielen wußte, »daß man zu seiner Zeit in Sachen, die er geübet hatte, keinen gleichen« gekannt habe – boshaft hinzusetzend: er habe von der Orgel auch fast immer geredet, weil sie wirklich schönen Klanges sei. Diese Andeutungen mußten vorausgeschickt werden, um Reinkens Verhalten gegen Bach in seiner vollen Bedeutung zu würdigen. Zu einer bestimmten Stunde versammelten sich der Magistrat und viele andre Vornehme der Stadt in der Katharinenkirche, um den fremden Meister zu hören. Von allgemeiner Bewunderung begleitet spielte dieser mehr als zwei Stunden lang; den größten Triumph errang er aber mit einer Improvisation über »An Wasserflüssen Babylon«, die er fast durch eine halbe Stunde in jener uns bereits bekannten motettenartig breiten Weise der nordländischen Meister ausführte. Da kam Reinken, der durchweg sehr aufmerksam zugehört hatte, heran und sagte: Ich dachte, diese Kunst wäre gestorben, ich sehe [628] aber, daß sie in Ihnen noch lebt34. Es liegt, von der hohen Anerkennung abgesehen, mehr darin als bloße Selbstgefälligkeit; in der That war auch Bach innerlich über jenen Standpunkt des Orgelchorals längst hinausgeschritten. Aber es zeugt von seiner außerordentlichen Beherrschung des gesammten Formgebietes, daß er sich absichtlich sofort auf ihn zurückversetzen konnte. Was dort aus dem Stegreif ausgeführt wurde, hat er uns schriftlich nicht hinterlassen, aber es wurde schon bei Besprechung des mit Doppelpedal über die genannte Melodie gesetzten Orgelchorals bemerkt, daß dieser mit der Hamburger Reise in Verbindung stehen dürfte. Es ist sehr wohl denkbar, daß er ihn vorher ausarbeitete und Reinken als Beweisstück exemplarischer Kunst, in Satz und Ausführung vorlegte und sodann, um seinem Verständniß noch weiter entgegen zu kommen, in jener Weise fantasirte, »wie es ehedem die braven unter den hamburgischen Organisten in den Sonnabends-Vespern gewohnt gewesen waren«. Vielleicht setzte er ihn auch nachträglich auf, wie er das nach 27 Jahren mit einem von Friedrich dem Großen gegebenen Thema ähnlich machte. Genug, Reinken war so befriedigt, daß er Bach zu sich lud und mit vorzüglicher Aufmerksamkeit behandelte. Zwei Jahre darauf (24. Nov. 1722) schied er aus dem Leben und wurde auf seinen Wunsch in der Katharinenkirche zu Lübeck, an demselben Orte, wo seit 15 Jahren der geistesverwandte Buxtehude ruhte, begraben. Was dieser nur im Aufgehen beobachten konnte, war jenem noch beschieden gewesen in prachtvoll reicher Blüthe zu sehen: den Genius des Mannes, der auf ihrem so erfolgreich angebauten Gebiete das Höchste erzielen sollte.
An der Orgel der Katharinenkirche in Hamburg mit vier Manualen und Pedal hatte Bach seine Freude. Es ist interessant zu erfahren, daß er ein großer Freund guter Rohrwerke war, und diese fand er hier in Fülle35. Die Orgel besaß ferner eine Posaune und ein Principal 32 Fuß, die bis ins große C ganz deutlich und prompt ansprachen, und Bach versicherte noch später, daß er kein zweites Principal wieder gehört habe, das mit der gleichen Größe diesen [629] Vorzug verbinde36. Das Werk war nicht neu; es stammte mindestens aus dem 16. Jahrhundert und war zuletzt im Jahre 1670 von dem Orgelmacher Besser aus Braunschweig renovirt37. Als Zeichen veralteten Geschmackes fand sich darin eine zehnfache Mixtur. Aber nicht durch diese einzige Orgel ragte die Stadt Hamburg hervor; mächtiger noch der Stimmenzahl nach, dabei auch von vier Manualen und Pedal war das Werk der Jacobikirche, von 1688–1693 durch den hamburgischen Orgelbauer Arp Schnitker hergestellt38, der auch andre Kirchen des Orts mit den Erzeugnissen seiner hervorragenden Geschicklichkeit versehen hatte. Unter dieser Menge trefflicher Werke erwachte in Bach die Sehnsucht nach seinem eigensten Kunstgebiete um so heftiger, als sich ihm unvermuthet eine Aussicht eröffnete, in Hamburg eine entsprechende Anstellung zu finden. Heinrich Friese, der Organist an der Jacobikirche, war am 12. Sept. 1720 gestorben, so kurze Zeit vor Bachs Eintreffen, daß dieser vermuthlich erst an Ort und Stelle davon gehört hat. Gewiß war eine Bewerbung um diesen Posten nicht der ursprüngliche Zweck der Reise, auf welche er sich schon im Sommer durch Composition einer Cantate vorbereitete. Da es aber einmal so zusammentraf, meldete er sich. Nicht wenig lockendes wird auch der Umstand gehabt haben, daß Erdmann Neumeister an dieser Kirche Hauptprediger war; eine Perspective für Orgel- und Cantaten-Composition und für ausübende Kunst öffnete sich hier, wie sie verheißungsvoller kaum gedacht werden konnte. Es traten neben ihm noch sieben Candidaten auf, meistens unbekannte Namen, ein Sohn des trefflichen Vincentius Lübeck und der gräflich geraische Capellmeister Wiedeburg waren darunter. Am 21. November beschloß der Kirchenvorstand, dem auch Neumeister zugehörte, die Probe am 28. November vor sich gehen zu lassen und zu Kunstrichtern außer Joachim Gerstenbüttel, dem Cantor der Kirche, Reinken und zwei andre einheimische Organisten, Kniller und Preuss, zu erwählen. [630] Bach konnte aber diesen Termin nicht mehr abwarten, sein Fürst rief ihn schon am 23. November nach Hause. Drei der andern Bewerber, unter ihnen Wiedeburg und Lübeck, traten vorher zurück, so legten nur viere die Probe ab, welche in der Durchführung zweier Choräle (»O lux beata Trinitas« und »Helft mir Gott's Güte preisen«) und einer extemporirten Fuge über ein gegebenes Thema bestand. Die Wahl fand erst am 19. December statt. Bach hatte nämlich versprochen, seinen Entschluß über Annahme oder Ablehnung der Stelle von Cöthen aus brieflich mitzutheilen. Daß hierauf auch ohne Probespiel eingegangen wurde, beweist, daß man ihn von gewisser Seite her besonders im Auge hatte und vor den andern Bewerbern auszeichnete. Leider ist über den Inhalt seines Antwortschreibens nichts bekannt geworden, nur so viel steht fest, daß es nicht ablehnend gehalten war; es wurde öffentlich im Collegium verlesen, dann wählte man mit Stimmenmehrheit – Johann Joachim Heitmann. Was dieser in seinem Fache je geleistet hat, ist verborgener geblieben, als daß er am 6. Januar 1721 aus Erkenntlichkeit für die Wahl »versprochene viertausend Mark in Courant« an die Kirchenkasse zu St. Jacobi bezahlte. Eine dahin zielende Verhandlung im Kirchencollegium war schon am 21. November mit erstaunlicher Naivetät geführt worden. Man war zu der Ansicht gelangt, daß allerdings »viele Ursachen befunden würden, den Verkauf eines Organistendienstes nicht einzuführen, weil es zum Gottesdienste mit gehörete, es sollte also die Wahl frei sein und die Capacität des Subjecti mehr als das Geld consideriret werden. Wenn aber nach geschehener Wahl der Erwählte aus freiem Willen eine Erkenntlichkeit erzeigen wollte, könnte solche der Kirche zum Besten angenommen werden«. Neumeister war über diesen Vorgang, den er nicht hatte hindern können, höchst entrüstet, vermuthlich hätte er vor allen Bach gern an seine Kirche gebracht. Er wartete nach geschehener Wahl das Eintreten des Erkorenen nicht ab, sondern ging zornig von dannen. Was weiter von ihm geschah und wie man im Publikum über den Entschluß des Kirchencollegiums dachte, mag uns Mattheson erzählen, der die Sache aus nächster Nähe mit angesehen hatte. »Ich erinnere mich«, schreibt er im Jahre 1728, »und es wird sichs noch wohl eine ganze zahlreiche Gemeinde erinnern, daß vor einigen Jahren ein gewisser großer Virtuose, der seitdem nach Verdienst zu einem ansehnlichen [631] Cantorat befördert worden, sich in einer nicht kleinen Stadt zum Organisten angab, auf den meisten und schönsten Werken tapfer hören ließ und eines jeden Bewunderung seiner Fertigkeit halber an sich zog; es meldete sich aber auch zugleich nebst andern untüchtigen Gesellen eines wohlhabenden Handwerksmannes Sohn an, der besser mit Thalern, als mit Fingern praeludiren konnte, und demselben fiel der Dienst zu, wie man leicht errathen kann, unangesehen sich fast jedermann darüber ärgerte. Es war eben um die Weihnachtszeit, und der beredte Haupt-Prediger, welcher gar nicht in den simonischen Rath gewilligt hatte, legte das Evangelium von der Engelmusik bei der Geburt Christi auf das herrlichste aus, wobei ihm denn natürlicher Weise der jüngste Vorfall wegen des abgewiesenen Künstlers eine Gelegenheit an die Hand gab, seine Gedanken zu entdecken und den Vortrag ungefähr mit diesem merkwürdigen epiphonemate zu schließen: Er glaube ganz gewiß, wenn auch einer von den bethlehemitischen Engeln vom Himmel käme, der göttlich spielte und wollte Organist zu St. Jacobi werden, hätte aber kein Geld, so möchte er nur wieder davon fliegen«39.
Die Anerkennung, welche Mattheson Bach zu zollen genöthigt war, und auch an dieser Stelle zollt, wurde ihm, wenn nicht alles täuscht, etwas sauer. Der einzige Ort, wo er mit warmer Bewunderung von ihm redet, findet sich in dem vier Jahre zuvor geschriebenen »beschützten Orchestre«40. Sammelt man aus seinen zahlreichen Schriften die spärlichen übrigen Stellen, welche Bach betreffen, so stellt sich heraus, daß er über ihn zwar niemals geringschätzig, wohl aber kleinlich urtheilt und immer kühl bleibt bis ans Herz hinan, ja man empfängt den Eindruck, als gehöre ihm Bach zu jenen unheimlichen Leuten, die der Verstand zu loben befiehlt, von denen aber das Gefühl nichts wissen will. Da beide nur dieses eine Mal im Leben persönlich zusammentrafen, so liegt es wohl sehr nahe, daß hierdurch sich Matthesons Stellung zu Bach entschied. Es ist gewiß nicht anzunehmen, Bach habe den immerhin bedeutenden Mann ignorirt [632] und dadurch verletzt, obwohl er zum Ignoriren allerdings eher Veranlassung hatte, als Händel, der von 1703–1706 in stetem Umgange mit Mattheson lebte, später mehrfach wieder in Deutschland war und auch durch Hamburg kam, jenen aber nie mehr besuchte. Mattheson hatte Bach freundlich um Mittheilung seiner Lebensereignisse für die »Ehrenpforte« gebeten; er erfreute sich schon damals eines bedeutenden Rufes als musikalischer Schriftsteller, und Bach mußte in dieser Aufforderung etwas ehrenvolles erblicken, wenngleich er ihr niemals nachgekommen ist. Aber ihre Naturen waren zu verschieden. Aus des Hamburgers Compositionen machte sich Bach augenscheinlich nicht viel: Keisers und Telemanns Arbeiten schrieb er sich ab; daß er bei denen Matthesons, der mit jenen beiden als der dritte im Bunde angesehen wurde, dasselbe gethan, ist nicht bekannt geworden. Dessen Schriften aber zu würdigen hatte er, der durch und durch praktische Musiker, weder Zeit noch Trieb. Und Mattheson war sehr eitel. Er meinte, die Künstler müßten zu ihm heranströmen, ihm ihre Devotion beweisen, seinen Rath und seine Belehrung erbitten; solcher Leute erwähnte er dann weitläufig in seinen Büchern. »Im August [1720] kam ein Organist von Bremen und ließ sich von Mattheson in der Setzkunst unterrichten gegen reichliche Bezahlung«. »Mylord Carteret langte den 8. Nov. von seiner schwedischen Gesandtschaft in Hamburg an und fand an unsers Matthesons Musik solche Lust, daß er einst zwei ganze Stunden ohne von der Stelle zu weichen bei ihm saß und zuhörte, zuletzt aber in Gegenwart der hohen Gesellschaft dieses Urtheil fällete: Händel spiele zwar ein schönes und fertiges Clavier, aber er sänge dabei nicht mit solchem Geschmack und Nachdruck«. So berichtet der Mann über sich selbst41. Es klingt fast wie eine Selbstentschädigung, wenn man beachtet, daß jene Auszeichnung durch den genannten Lord ihm grade in der Zeit zu Theil ward, als Bach sich in Hamburg befand. Wäre aus der Begegnung mit diesem irgend etwas für ihn rühmliches zu melden gewesen, in seiner Selbstbiographie hätte er es sicher nicht vergessen. Aber mit keiner Silbe ist von ihr die Rede. Die nörgelnde Kritik, welche er einige Jahre später über die Cantate »Ich hatte viel Bekümmerniß« veröffentlichte, und die [633] von uns an ihrer Stelle gewürdigt ist, kann auch garnicht anders, als aus gekränkter Eitelkeit erklärt werden. Und lobt er ihn später, so geschieht es mit einseitiger Hervorhebung seiner Virtuosität oder künstlichen Setzweise42. Wir erfahren, daß er schon im Jahre 1716 mancherlei von Bach kannte, sowohl Spielstücke als Kirchenmusik. Bei der jetzt gebotenen Gelegenheit hat er sicherlich vieles neue gehört und gesehen, etwa die bemäkelte Cantate und neue Orgelstücke. Eigenthümlich ist es, und wieder um nur aus seiner Stimmung gegen Bach zu erklären, daß er mehre Jahre darauf eine derartige Bekanntschaft zeigt, die er ganz gegen seine sonstige mit Belesenheit sich brüstende Gewohnheit zu verbergen sucht. In der zweiten Auflage der »Großen Generalbass-Schule«43 berichtet er, bei einem Probespiel auf der Orgel dem Examinanden folgendes Thema zur Ausführung aus dem Stegreif gegeben zu haben:
Und als mit zu verarbeitenden Gegensatz:
Dies ist nun aber das Thema einer der großartigsten Orgelfugen Bachs und auch der Contrapunct ist dessen Erfindung. Mattheson verschweigt es und bemerkt nur anmerkungsweise, wie er sehr wohl wisse, wo der Gedanke zu Hause gehöre und von wem er vormals kunstvoll ausgearbeitet sei. Er habe ihn gewählt, weil man vernünftiger handle, in solchen Fällen etwas vertrautes zu nehmen, damit es der Examinand desto fließender durchführen möge. Nichtsdestoweniger [634] sind wir ihm dankbar für diese Notiz. Sie sagt uns, daß im Jahre 1725 jene Bachsche Fuge schon in weiteren Kreisen bekannt war, sie läßt vermuthen, daß der Componist dieselbe 1720 mitgebracht, und ahnen, welchen Eindruck sein Auftreten in der dortigen Organistenwelt gemacht hat, denn der von Mattheson geprüfte Organist wird ein Hamburger oder aus der Umgegend gebürtig gewesen sein. Endlich belehrt sie uns auch, daß die Fuge in der jetzt vorliegenden Gestalt eine spätere Ueberarbeitung sein muß, denn das Thema ist durch zwei kleine Aenderungen auf das überraschendste verbessert. Für die ursprüngliche Composition des Werks zum Zweck der Hamburger Reise spricht mit großer Beredtsamkeit aber auch das zugehörige Praeludium, das von der thematischen Weise, die in den letzten weimarischen Praeludien hervortrat, ganz verschieden wieder auf die phantastischere Form der Nordländer zurückgreift44. Auch hier scheint Bach vor die hamburgischen Orgelkünstler auf ihrem eigensten Gebiete haben hintreten zu wollen. Rauschende Passagenfluthen, motivisch-imitatorische Sätze, Orgelrecitative, kühnste Modulationen und breite, mächtig schallende Accordfolgen, alles ist hier in scheinbarer Unordnung zusammengehäuft. Dennoch dringt der ausgereifte Bachsche Geist kraftvoll gestaltend hindurch: dem passagenreichen Anfange entspricht genau der Schluß, dem polyphonen Satze Takt 9–13 stehen eben so genau die Takte 25–30, den Orgelrecitativen Takt 14–24 die freien Harmonienfolgen Takt 31–40 gegenüber. Auch in den Modulationen, die an Verwegenheit Buxtehude fast noch überbieten, ist ein Plan klar zu erkennen: sie steigen von a (Takt 14) stufenweise nach H moll, C moll, d auf, dann nach Es moll, dessen Dominante der Bass ergreift, der von dort sechs chromatische Schritte in die Höhe thut; correspondirend sinken später von d (Takt 31) die harmonischen Massen über C moll, B moll, As moll hinab, wonach die sechs chromatischen Aufwärtsschritte vom H des Pedales beginnen. Freilich muß man den Grundriß des Praeludiums sich absichtlich gegenwärtig [635] halten, um zuerst durch das flimmernde Laufwerk und die dröhnenden Tonmassen nicht verwirrt und betäubt zu werden, später gewöhnt man sich, die Planmäßigkeit nicht nur zu erkennen, sondern auch zu empfinden, während doch eine solche in den entsprechenden Stücken Buxtehudes, also namentlich den Zwischensätzen seiner mehrtheiligen Fugen, garnicht vorhanden zu sein pflegt. Auch die große Verschiedenheit des Praeludiums von früheren Werken Bachs, in denen Buxtehudes Einfluß nachweislich war, springt in die Augen. Es läßt sich in seiner merkwürdigen Beschaffenheit nur mit Bezug auf eine besondere Veranlassung in Bachs Leben erklären, und diese bietet sich in der Hamburger Reise am ungezwungensten dar. Den schönsten Contrast bildet die große modulatorische Ruhe und streng vierstimmige Führung der weitausgespannten Fuge, welche ein Musiker des vorigen Jahrhunderts für »das allerbeste Pedalstück vom Herrn Johann Sebastian Bach« erklärte. Wir ermäßigen dies Urtheil nur soweit, daß keine andre Fuge uns höher zu stehen scheint. Angesichts einer solchen Leistung ist das für übertrieben gehaltene Wort begründet, daß nie eine Fuge von irgend einem Componisten gemacht worden sei, die einer Bachschen an die Seite gesetzt werden könne45. Wie hoch Buxtehudes gleichartige Arbeiten zu schätzen sind, haben wir gezeigt, daß Händel in einigen Clavierfugen Bach erreicht habe, soll nicht bestritten werden; aber dieser Schwung der Phantasie, diese Unermeßlichkeit gestaltenspendender Kraft, daneben diese krystallene Klarheit und schlichte Natürlichkeit, der hohe Ernst und die tiefe Freudigkeit, die den Hörer erschauern macht und aufjauchzen zugleich, das ist in seinem Zusammenwirken so einzig, daß jeder Gedanke an einen Vergleich mit andern vermessen erscheint. Nur eins giebt es in dem ganzen Gebiete instrumentaler Musik, was jenen vollendetsten Orgelfugen Bachs an die Seite gestellt werden kann, es sind Beethovens Symphonien.
Die Erwähnung Matthesons läßt uns noch einmal auf eine Gegenüberstellung Bachs und Händels zurückkommen, dieses Mal nicht der Menschen sondern der Orgelspieler. Daß Bach als solcher in Deutschland nicht seines gleichen habe, war bald eine ausgemachte Sache; Freund und Feind beugten sich hier der zwingenden Macht [636] einer unerhörten Virtuosität und fanden es kaum begreiflich, wie »er seine Finger und seine Füße so sonderbar und so behend in einander schränken, ausdehnen und damit die weitesten Sprünge machen« könne, »ohne einen einzigen falschen Ton einzumischen, oder durch eine zu heftige Bewegung den Körper zu verstellen«46. Dagegen scholl von England herüber mit Händels wachsender Berühmtheit als Opern- und Oratoriencomponist auch dessen Lob als unübertroffener Orgelmeister. Für England selbst wollte das nicht allzuviel bedeuten, aber auch Ausländer, die ihn dort gehört hatten, brachten es mit, und da er gleichfalls deutscher Abstammung war, lag die Vergleichung mit Bach nahe, der sonst mit seinen Cantaten, Passionen und Messen Händel gegenüber bei der Mitwelt kaum Beachtung fand. Der von Leipziger Freunden im Jahre 1729 gemachte Versuch, eine Begegnung beider zu Stande zu bringen, mißglückte; desto ungehinderter konnten nun Vermuthungen und Behauptungen sich ausbreiten. Die einen kamen von England zurück voll von Händels Lobe, sagten aber doch, »es sei nur ein Bach in der Welt und ihm komme keiner gleich«. Andre meinten dagegen, Händel spiele rührender und angenehmer, Bach aber künstlicher und bewunderungswürdiger und jedesmal scheine der der größte zu sein, den man augenblicklich höre47. Darin aber waren alle einig, daß wenn jemand Bach an die Seite gesetzt werden dürfe, es nur Händel sein könne. Indem nun die Namen dieser Beurtheiler unbekannt geblieben und sie auf ihre Urtheilsfähigkeit hin nicht mehr zu prüfen sind, ist es als ein erwünschter Zufall angesehen worden, daß Mattheson beide Meister gehört und sich über sie geäußert hat48. Bald nach den Vorgängen von 1720 schreibt er, daß ihm unter den jüngeren Tonsetzern noch niemand vorgekommen sei, der in Doppelfugen eine solche Fertigkeit hätte, wie Händel, nicht nur im Setzen sondern sogar im Extemporiren, wie er solches hundertmal mit größter Verwunderung angehört habe49. Ein sehr lobendes allgemeiner gehaltenes [637] Urtheil über Bach ist oben mitgetheilt. Und geradeswegs zusammengestellt werden sie in einer späteren Bemerkung, die wörtlich lautet: »Insbesondere gehet wohl Händeln so leicht keiner im Orgelspielen über, es müßte Bach in Leipzig sein: darum auch diese beiden außer der alphabetischen Ordnung oben anstehen sollen. Ich habe sie in ihrer Stärke gehöret und mit dem ersten manches Mal sowohl in Hamburg, als in Lübeck certiret«50. Daß Mattheson, ein Musiker von unbestritten gründlicher Einsicht, unter Umständen zur Abgabe eines gültigen Urtheils in dieser Sache befähigt war, ist außer Zweifel. Für eben so sicher halte ich es, daß dieses Mal seine Kundgebung gänzlich werthlos ist. Matthesons Erinnerung an Händels Orgelspiel stammt aus der gemeinsam verlebten Jugendzeit, welcher er bis ins Alter mit besonderm Vergnügen gedachte. Die Erfahrung ist gemein, daß günstige in der Jugend gehegte Urtheile trotz der fortschreitenden Entwicklung des Menschen unverändert weiter bestehen, wenn nicht einmal das Object des Interesses später sich uns zur Berichtigung stellt. Dies war hier nicht geschehen, seit dem Jahre 1706 hatte Mattheson Händels Spiel nicht mehr gehört51. Aber auch im entgegengesetzten Falle hätte vielleicht sein Urtheil doch nicht anders gelautet, weil Händels Künstlerthum ihm, dem bei der Oper und hauptsächlich der Keiserschen großgewordenen und in seinen früheren Jahren gegen die Orgelkunst geradezu gleichgültigen52 ungleich sympathischer war, als dasjenige Bachs. Die Sympathie blieb auch trotz Händels abweisender Haltung immer bestehen. Dagegen ist es ein Irrthum zu behaupten, er habe seit 1720 für Bach warmes Interesse gezeigt53; daß es vielmehr umgekehrt war, haben wir schon oben bemerkt und eine Sammlung der Stellen Matthesonscher Schriften, die sich auf Händel und Bach beziehen, ergiebt seine Stellung mit voller Klarheit. Endlich ist von erheblichem Gewichte, daß die Eitelkeit ihn antrieb, Händels Bedeutung als Orgelspieler möglichst hoch hinzustellen: hatte doch er selber einstmals in Hamburg [638] und Lübeck mit ihm gewetteifert! Die merkwürdige, nicht unparteiische, sondern nur schwankende Ausdrucksweise des oben angeführten Satzes hat also ihren Grund in der Unklarheit und dem innern Widerstreit des Schreibers, dessen Gefühlsneigung und Verstandeseinsicht nach verschiedenen Seiten zogen. Die Versuche ihn zu deuten, nützen nichts, er ist für jede Verwendung unbrauchbar. Dagegen kann man die Bemerkung über Händel den Doppelfugen-Spieler und -Erfinder als beachtenswerth acceptiren; hierin liegt jedenfalls etwas charakteristisches, was uns zu statten kommt, um die Frage nunmehr, wie es geschehen muß, nach rein innerlichen Gründen zu entscheiden. Es hängt alles davon ab, für wessen Kunstübung das Orgelspiel tiefere Bedeutung hat. Auch Händel empfing seine erste Bildung von einem deutschen Organisten und war selbst in seiner Jugend zeitweilig ein solcher, wandte sich dann aber andern Zielen zu, um endlich in dem von ihm geschaffenen universalen Kunstwerke die Orgel als musikalische Macht zwar auch wieder zu verwenden, aber doch nur als Stütze oder zur Gewährung äußeren Zierwerks. Bach ging von der Orgel aus und ist ihr bis zum letzten Lebenstage treu geblieben. Alle seine Productionen auf an dern Gebieten, zum mindesten seine gesammten Kirchencompositionen sind nur Fortsetzungen und Erweiterungen seiner Orgelkunst; ihm war sie Grundlage alles Schaffens, die beseelende Macht seiner Kunstgestalten. Danach muß er von beiden das Größere darin gekonnt und geleistet haben, das Größere nicht nur an technischer Vollendung, sondern auch an echt orgelgemäßem Gehalt. Die Berichte sind, wenn man einmal dieses Verhältniß sich klar gemacht hat, auch ganz durchsichtig und lassen keinen Zweifel darüber, daß Händels Orgelspiel nicht eigentlich das im höchsten Sinne stilvolle gewesen sei, das aus der Natur des Instruments gleichsam hervorwächst. Es war rührender und angenehmer, als dasjenige Bachs, aber weder zu rühren noch das Ohr zu umschmeicheln ist eigentlich Sache der Orgel. Aus dem Schatze seines die Gesammtkunst damaliger Tage umfassenden Vermögens schöpfend paßte er die Ideen dem Instrumente an, wie er es bei jedem andern Tonwerkzeuge ebenfalls that. Einen allgemeiner begreifbaren, exoterischen Gehalt brachte er so zur Erscheinung, und daher die populärere Wirkung. Die Orgel war ihm Concertinstrument, kein kirchliches. Es [639] entspricht diesem Verhältnisse, daß wir von Händel keine Compositionen für Orgel allein besitzen, an denen grade Bachs Ruhm sich bis in unser Jahrhundert großentheils genährt hat, wohl aber eine beträchtliche Anzahl von Orgelconcerten mit Instrumentalbegleitung, Kammermusikformen in glänzendere Verhältnisse übertragen. Seine Vorliebe für die Doppelfuge, diese ältere, einfachere und minder reiche Form, die aber in ihren Grundstoffen schneller zu erfassen und eben darum allgemeiner verständlich ist, läßt sich ebenfalls auf jene Ausnahmestellung zur Orgel zurückführen, nicht weniger endlich das Improvisatorische, was seinem Spiel und den an der Gränze des Orgelgebietes herstreifenden Claviercompositionen eigen war, während doch das nach Verwendung wie Charakter durchaus kirchliche Instrument grade mit größter Sammlung und Zurückdrängung augenblicklicher Launen behandelt sein will. Es ist so glaubwürdig wie möglich, daß Händel bei einer sicherlich eminenten technischen Fertigkeit, seiner grandiosen Ideenfülle und dem Geschick, sich alle Tonwerkzeuge dienstbar zu machen, mit seinen Orgel-Improvisationen ganz unerhörte Wirkungen hervorbrachte. Auch das Zündendere und Hinreißendere dieser Wirkungen soll Bachs erhabenem Spiele gegenüber zugestanden werden. Nur daß er wenigstens in diesem einen Punkte jenem überlegen gewesen sei, was von sonst besonnen urtheilender Seite behauptet ist54, muß ich in Abrede stellen, vorausgesetzt daß nicht nach dem flüchtigen augenblicklichen Eindrucke sondern dem absoluten musikalischen Werthe des Improvisirten geurtheilt werden soll. Es wäre in einer Zeit, wo auf das musikalische Extemporiren so großes Gewicht gelegt wurde, und dasselbe als Generalbassspiel zur allgemeinen Kunstpraxis gehörte, aufs höchste verwunderlich, wenn der, dessen ganzes künstlerisches Wesen in der Orgel beschlossen lag, der ihr Gebiet nach allen Seiten hin erschöpfend durchmessen hatte, in diesem Punkte nicht die entsprechende Höhe eingenommen hätte. Die nachdrücklichen Zeugnisse der Söhne und Schüler über »seine bewunderungswürdige gelehrte Art vielstimmig zu fantasiren«, über das Fremde, Neue, »Ausdrückende« und Schöne seiner augenblicklichen Inspirationen und deren vollendete Darstellung sind außerdem zur Hand. »Wenn er sich [640] außer den gottesdienstlichen Versammlungen an die Orgel setzte, wozu er sehr oft durch Fremde aufgefordert wurde, so wählte er sich irgend ein Thema und führte es in allen Formen von Orgelstücken so aus, daß es stets sein Stoff blieb, wenn er auch zwei oder mehre Stunden ununterbrochen gespielt hätte. Zuerst gebrauchte er dieses Thema zu einem Vorspiel und einer Fuge mit vollem Werk. Sodann erschien seine Kunst des Registrirens für ein Trio, ein Quatuor u.s.w. immer über dasselbe Thema. Ferner folgte ein Choral, um dessen Melodie wiederum das erste Thema in drei oder vier verschiedenen Stimmen auf die mannigfaltigste Art herum spielte. Endlich wurde der Beschluß mit dem vollen Werke durch eine Fuge gemacht, worin entweder nur eine andere Bearbeitung des ersteren Themas herrschte, oder noch eines oder auch nach Beschaffenheit desselben zwei andre beigemischt wurden«55. Was die andern Seiten der Orgelkunst betrifft, so konnten die Verfasser des Nekrologs sich mit Recht auf die vorliegenden Compositionen berufen, die zur Darstellung des tiefsinnigsten Gehalts die höchsten Leistungen der Technik heranziehen, und »die er, wie überall bekannt ist, mit der größten Vollkommenheit selbst ausführte«, um damit ihre nicht zu widerlegende Behauptung zu erhärten, »daß Bach der stärkste Orgelspieler gewesen sei, den man jemals gehabt hat«.
1 Gerber, N.L. II, Sp. 615 f., nach Hiller, Wöchentliche Nachrichten I, S. 213 ff. Heinichen wird aber wohl erst in Rom und dann in Venedig gewesen sein. Nach einer, übrigens sehr dürftigen, Skizze seiner Reise verweilte Prinz Leopold vom 2. März bis zum 6. Juni 1712 in Rom, um sich dann über Florenz nach Wien zu wenden. Heinichen wird ihn theilweise begleitet haben und in Venedig zurückgeblieben sein, wo er 1713 zwei Opern componirte. Das Manuscript der Reiseskizze befindet sich auf der Cöthener Schloßbibliothek.
2 Chrysander, Händel I, 229.
3 M. Joh. Christoph Krausens Fortsetzung der Bertramischen Geschichte des Hauses und Fürstenthums Anhalt. Zweiter Theil. Halle, 1782. S. 672 ff. – Stenzel, Handbuch der Anhaltischen Geschichte. Dessau, 1820. S. 279.
4 Ein guter Kupferstich in Samuelis Lentzii Becmannus enucleatus. Cöthen und Dessau, 1758. fol.
5 Walther unter »Rolle« und die Kirchenregister der Kathedralkirche zu Cöthen.
6 Ich gehe davon aus, daß die jetzige ziemlich verfallene Orgel der Schloßkirche schon zu Bachs' Zeiten bestand. Aus einer Bemerkung an den Bälgen, die unlängst erneuert werden mußten, ging hervor, daß dieselben 1733 verfertigt waren. Daraus folgt nicht, daß die Orgel selbst nicht älter sein kann, denn die Bälge sind nicht selten das erste, was reparirt werden muß. Sie kann sehr wohl zugleich mit der Vollendung des Schloßflügels, in dem die Capelle liegt, also um 1670 erbaut sein. Aber wenn auch nicht – größere Dimensionen als die jetzige konnte keine Orgel dort haben, schon weil der Raum fehlt. Eher wäre noch zu glauben, daß dann die Capelle bis 1733 gar keine Orgel besessen.
7 Das Inventar, welches sein Bruder und Nachfolger August Ludwig unter dem 20. April 1733 hatte aufnehmen lassen, ist auf dem herzoglichen Archiv zu Cöthen. Im übrigen s. Gerber, a.a.O.
8 Walther, Lexicon.
9 Mattheson, Critica musica, 1. Bd. 3tes Stück, S. 85.
10 Gerber, Lexicon I, Sp. 3 und 4.
11 Walther, Lexicon. Der Artikel zeigt wieder, wie wenig sich Walther für die Lebensschicksale seines großen Kunstgenossen Bach interessirt hat. Er wußte nicht einmal, daß Bach 1720 noch in Cöthen war, oder er hielt es nicht für der Mühe werth, sich darauf zu besinnen.
12 Autograph auf der königl. Bibl. zu Berlin.
13 »Erhöhtes Fleisch und Blut«, im Autograph ebenfalls auf der königl. Bibl. zu Berlin.
14 Das Datum dieser und der zweiten Reise ergiebt sich aus den Verordnungen für die betreffenden Bitt-Gebete, die von den Kanzeln des Landes gethan werden mußten (Archiv zu Cöthen). Daß der Fürst in der Zeit von 1718–1723 nur diese beiden Male in Karlsbad war, scheint gewiß zu sein, da es mit den Angaben einer alten Karlsbader Chronik stimmt, wie mir Herr Dr. Hlawacek daselbst gefälligst mittheilte.
15 Kirchenregister der Kathedralkirche S. Jacobi: »1718 den 17. November hat der Fürstliche Capellmeister Hr. Johann Sebastian Bach, mit seiner Ehefrau Marie Barbara, einen Sohn, welcher den 15.hujus geboren, in der Schloßkirche taufen lassen; Namens Leopold Augustus«. Folgen die Pathen.
16 Pathen der Tochter waren: der Pastor Eilmar aus Mühlhausen; Martha Katharina, die Wittwe des Oheims Tobias Lämmerhirt aus Erfurt; Joh. Christoph Bachs aus Ohrdruf Gattin Johanna Dorothea. Wilhelm Friedemanns: Wilhelm Ferdinand Baron von Lyncker, Kammerjunker am weimarischen Hofe, ein talentvoller junger Mann, der früh verstarb (vrgl. Salomo Francks Geist- und weltliche Poesien II, S. 372–377), außerdem die Buch III, 1, Anmerk. 33 genannten. Karl Philipp Emanuels: Adam Emanuel Weltig, Secretär, Pagen-Hofmeister und Kammermusicus zu Weißenfels; Georg Philipp Telemann; Katharina Dorothea Altmann, Gattin eines fürstlichen Kammerdieners zu Arnstadt. In der Genealogie giebt Emanuel seinen Geburtstag auf den 14. März an. Ich habe mich an die Pfarr-Register gehalten, gestehe aber, daß es nicht wahrscheinlich ist, er sei über den Tag der eignen Geburt im Irrthum gewesen. Johann Gottfried Bernhards: Johann Andreas Schauer, Registrator in Ohrdruf; Johann Bernhard Bach in Eisenach; Sophia Dorothea Emmerling, Gattin des fürstlichen Mundkochs zu Arnstadt.
17 Die Nachricht von diesem Ereigniß aus Christoph Ernst Siculs »anderer Beylage zu dem Leipziger Jahr-Buche, aufs Jahr 1718. Leipzig Anno 1718«. S. 198 f. zuerst wieder ans Licht gezogen zu haben ist ein Verdienst A. Dörffels. Vrgl. Musikal. Wochenblatt (Leipzig, E.W. Fritzsch) Jahrg. I, S. 335 f.
18 Ich theile in diesem Falle durchaus die Ansicht Chrysanders, Händel II, S. 18, Anmerk.
19 Chrysander, a.a.O. S. 232 f.
20 Forkel, S. 47.
21 Beide Manuscripte auf der königl. Bibl. zu Berlin. Bei letzterem, zu dem Herr Dr. Rust eine Partitur angefertigt hat, fehlt die Angabe des Autors. Herr Dr. Chrysander theilt mir mit, daß der Händelsche Ursprung unzweifelhaft sei, da Motive des Concerts in späteren Händelschen Werken wiederkehrten. Auch mir sind gewisse Stellen des dritten Satzes, einer Fuge, aufgefallen, die mit den doppeltcanonischen Führungen im Schlußchor des »Messias« die sprechendste Aehnlichkeit haben. Im fünften Satze dagegen finden sich Gänge, welche ziemlich genau im B moll-Praeludium des 1. Theils des »wohltemperirten Claviers« (Takt 20–22) wiederkehren.
22 Des Herrn Dr. Härtel in Leipzig. Die Cantate heißt Armida abbandonata; die von Bach in seiner Leipziger Zeit geschriebenen Stimmen bestehen aus Violine I. II. und Continuo. Daß die Partitur ein Autograph Händels sei, behauptet Chrysander, der als zuverlässiger Gewährsmann gelten muß.
23 B.-G. X, Nr. 47.
24 »Auffmunterung | Zur | Andacht, | oder: | Musicalische | Texte, | über | Die gewöhnlichen Sonn- und | Fest-Tags Evangelien durchs | gantze Jahr, | Gott zu Ehren | auffgeführet | Von | Der Hoch-Fürstl. Capelle | zu Eisenach. | Daselbst gedruckt und zu finden bey Johann | Adolph Boëtio. 1720. |« Befindlich auf der gräflich stolbergischen Bibliothek zu Wernigerode. Eine Notiz über die Persönlichkeit Helbigs findet sich bei Mattheson, Ehrenpforte unter »Melchior Hofmann« S. 118.
25 S. Anhang A. Nr. 35.
26 Im Originaldruck beginnt das Recitativ: »Der Mensch ist Koth, Stanck, Asch' und Erde«. Bach hat mildernd »Staub« componirt.
27 Aeltere Handschrift der Gottholdschen Bibliothek in Königsberg i. Pr. Sammelband 250862.
28 B.-G. XVIII, Nr. 74.
29 Ich kenne diese Cantate nur nach der Copie auf der königl. Bibl. zu Berlin. Der Schlußchoral fehlt, nach dem Texte ist es »Christe, du Lamm Gottes«.
30 Walther, Lexicon unter »Scheidemann«.
31 Ehrenpforte S. 293.
32 Adlung, Anl. z.m. Gel. S. 183, l. Reinkens Adjunct und Nachfolger wurde Johann Heinrich Uthmöller (1720–1752).
33 Critica musica I, S. 255 f.
34 Mizler, Nekrolog S. 165 f.
35 Adlung, Musica mechanica I, S. 66 Anmerk. Die Disposition bei Niedt, Musikalische Handleitung II, S. 176.
36 Adlung, a.a.O. I, S. 288. Anmerk. α.
37 H. Schmahl, Nachrichten über die Orgel der St. Catharinen-Kirche in Hamburg. Hamburg, Grüning. 1869. S. 4 f. und 8.
38 H. Schmahl, Bericht über die Orgel der St. Jacobi-Kirche. Hamburg, 1866. Gerber, N.L. IV, Sp. 106. Die Orgel enthielt 60 klingende Stimmen und wurde 1865–1866 erneuert.
39 Mattheson, Der musicalische Patriot. Hamburg, 1728. S. 316. Was das Kirchenarchiv der Jacobikirche auf den Gegenstand bezügliches enthält, hat mir Herr Organist Schmahl daselbst gefälligst in Abschrift mitgetheilt.
40 Vrgl. S. 392.
41 Ehrenpforte, S. 206.
42 »Der berühmte Bach, dessen ich so wie vormahls, also auch itzo, absonderlich wegen seiner Faustfertigkeit in allen Ehren erwehne« u.s.w. Volk. Capellm. S. 412; »der künstliche, und in dieser Gattung [Fugen über kurze Themata] besonders glückliche Bach« u.s.w. ebend. S. 369.
43 Auch »exemplarische Organisten-Probe« genannt; Hamburg, 1731. S. 34 ff.
44 Praeludium und Fuge B.-G. XV, S. 177. – P.S. V, C. 2, Nr. 4. Beigegeben daselbst eine Variante, deren Abweichungen mir jedoch nur Zufälligkeiten zu sein scheinen. Ein Manuscript, das die älteste Gestalt der Fuge enthielte, ist bis jetzt nicht bekannt.
45 Forkel, S. 33.
46 Scheibe, Kritischer Musikus. Neue Aufl. 1745. S. 839 f. und 875.
47 Scheibe, a.a.O. S. 843 und 875 Anmerk. 15.
48 Auch J. Peter Kellner hatte beider Spiel kennen gelernt (F.W. Marpurg, Historisch-Kritische Beyträge u.s.w. I. Berlin, 1754. S. 444), aber ohne daß man seine Meinung darüber wüßte.
49 Critica musica I, 326.
50 Vollkommener Capellmeister (Hamburg, 1739), S. 479.
51 Daß Händel schon 1707 in Italien war, hat Chrysander (Händel I, S. 139–141) nachgewiesen.
52 Wie das besonders in seinem »neu eröffneten Orchestre« hervortritt.
53 Chrysander, a.a.O. III, S. 212, dessen ganze der meinigen entgegengesetzte Ansicht (S. 211–213) überhaupt zu vergleichen ist.
54 Chrysander, a.a.O. S. 213.
55 Kirnberger, Die wahren Grundsätze zum Gebrauch der Harmonie. Berlin und Königsberg, 1773. S. 53. Anm.; Mizler, S. 171; Forkel, S. 22. Letzterer bemerkt, daß die beschriebene Weise Bachscher Improvisation eben die Orgelkunst sei, welche Reinken für ausgestorben gehalten habe, was wir insofern anerkennen, als die Nordländer viel auf Registrirung gaben, den Choralzeilen gern selbständige Themen gegenüberstellten, Umbildungen der Fugengedanken vorzunehmen pflegten, und überhaupt sich weit auszubreiten liebten.
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