|
[68] Clemens Wenzeslaus lebte noch als Bischof in Augsburg, obgleich ihm der Lüneviller Frieden das dortige Bisthum genommen hatte, seitdem er von den Franzosen aus Trier und Coblenz vertrieben und sein Land der Saarprovinz der »freien und untheilbaren Republik« einverleibt worden war. Dieser Fürst, ein Sohn des pracht- und kunstliebenden August III. von Sachsen, hatte von seinem Vater Sinn für die Musen geerbt, und da er von den deutschen Fürsten eine jährliche Sustentationssumme von 300,000 Gulden bezog, und die Stadt Augsburg ihm unentgeldlich das bischöfliche Schloß als Wohnsitz überließ, so war es ihm nicht schwer, seinen Kurfürstenhut im heitern Verkehre mit den Enkelinnen des Uranos und der Gäa zu verschmerzen, von denen er Euterpen und Thalien besonders zugethan gewesen zu sein scheint.
Er unterhielt auf seine Kosten, obgleich er seinen Hofstaat sehr beschränkt hatte, eine kleine aber sehr wohlbestellte Privatcapelle und[68] liebte es, wenn dieselbe mit den musikalischen Kräften aus dem Bürgerkreise sich zu größeren Leistungen vereinigte. So kamen im Winter 1801 und 1802 sogar Aufführungen von Haydn's »Schöpfung« und »Sieben Worte« zu Stande, die im Fugger'schen Saale stattfanden. Haydn scheint der Lieblingscomponist des geistlichen Herrn gewesen zu sein und es ist daher höchst wahrscheinlich, daß er Edmund von Weber, als einen so wohl empfohlenen Schüler des Musikheros, gern in seinen Diensten gehabt hat.
Der Kurfürst hielt sich im Sommer zu Oberdorf auf und kehrte erst im October nach Augsburg zurück, wo dann auch die Buchner'sche Schauspiel- und Operngesellschaft, die bis dahin in Ulm spielte, ihre Vorstellungen beginnen sollte. Bis dahin war also an Aufführung der Oper, die den Weber's für spätere Zeiten durch Edmund's Verwendung leicht zugesichert worden zu sein scheint, nicht zu denken und sie beschlossen daher, die ihnen bis dahin bleibende Zeit zu einer Reise nach Norddeutschland zu verwenden.
Der Zweck dieser Reise scheint zwar zunächst kein speciell künstlerischer, sondern vielleicht die Regulirung gewisser Angelegenheiten in Eutin gewesen zu sein; Carl Maria beutete sie aber mit großem Eifer für die Ausbildung in seiner Kunst aus. Er schreibt selbst darüber:
»1802 machte mein Vater eine musikalische Reise mit mir nach Leipzig, Hamburg, Holstein etc., wo ich mit dem größten Eifer theoretische Werke sammelte und studirte. Unglücklicher Weise stieß ein Dr. medicinae alle meine schönen Lehrgebäude mit den oft wiederkehrenden Fragen: Warum? u.s.w. über den Haufen und stürzte mich in ein Meer von Zweifeln, aus dem mich nur nach und nach das Schaffen eines eigenen, auf natürliche und philosophische Gründe gestützten Systems, rettete, so daß ich das viele Herrliche, das die alten Meister befohlen und festgestellt hatten, nun auch in seinen Grundursachen zu erforschen und in mir zu einem abgeschlossenen Ganzen zu formen suchte.«