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[303] Das wunderliche, über seinen öffentlichen Produktionen waltende Geschick, machte zwar auch hier wieder Miene zu spuken, denn am Morgen seines Concertes wurde es bekannt, daß die Erbgroßherzogin Stephanie von Baden nach Lörrach komme, und eine große Menge Volks machte sich auf, um diese interessante Fürstin dort zu sehen.[303] Zum Glück befand sich unter den dahin Wandernden nur ein kleiner Theil derjenigen Schicht der Bewohner Basels, die ernste Concerte zu besuchen pflegt und so schmälerte dieß, Weber im Anfange in Besorgniß setzende Ereigniß, Besuch, Theil- und Einnahme nur wenig. Die letztere war (130 Gulden) eine für Basel sehr beträchtliche und wurde nur unbedeutend durch die Kosten gekürzt, da die Concertdirektion zu Basel, »um Weber einen Beweis ihrer Verehrung und Bewunderung zu geben«, diese auf ihre Kasse übernahm. Mit dem angenehmen Eindrucke, den ihm der kurze Aufenthalt in Basel hinterließ, schloß sich für Weber der dreimonatliche Ausflug in die Schweiz, der nicht allein zur Ausbreitung seines Rufes in einem, gegen von Außen kommende Einflüsse ziemlich streng abgesonderten Distrikte geistigen Lebens wesentlich beigetragen, und ihn mit einer großen Anzahl ausgezeichneter und in ihrer Denkweise größtentheils origineller und liberaler Persönlichkeiten in Berührung gebracht, sondern ihn an Leib und Seele erfrischt und ihm neues Vertrauen zu seinen Kräften gegeben hatte. Das wichtigste Resultat der Reise war aber unbezweifelt die Bereicherung seiner innern Welt durch die neuen Anschauungen einer großen, strengen, jungfräulichen Natur und, was eben so schwer wiegt, die Erschütterung seiner bis dahin fest gehegten und oft ausgesprochenen Ansicht, daß die Atmosphäre, die das Licht fürstlicher Kunstliebe erhellt, allein für die Entwickelung und Pflege der Kunst und speciell der Musik geeignet sei. Das warme Schlagen fester, republikanischer Herzen bei den Tönen guter Musik hatte ihn zum großen Theile von dem Vorurtheile geheilt, daß hohe Verfeinerung der Sitten dazu erforderlich sei die Menschennatur zart genug für das Vollempfinden der Musik zu besaiten, aber andrerseits hatten ihn die in der Schweiz gemachten Wahrnehmungen in der Ansicht bestärkt, daß die fruchtbringende Cultur der polyphonen Musik nur in streng disciplinirten Anstalten möglich sei, die unter dem kräftigen Einflusse eines, für die gute Sachebegeisterten Herren und eines tüchtigen, genialen Leiters stehen, und daß diesen in freien Staaten, selbst wenn der Wille der Nation solche Anstalten schafft, das beseelende und anspornende Element des Völkes und Wunsches der individuellen Herren fehle, der sich, seit[304] es polyphone Musik giebt, als materielle Trieb- und Haltkraft jener Anstalten gezeigt hat.
Es waren diese Wahrnehmungen ihm sehr reich an Lehren für die Maßnahmen bei Gestaltung seiner Lebensverhältnisse und ließen ihn die Tendenz wieder fester halten, so bald irgend möglich als Leiter an die Spitze eines streng organisirten und disciplinirten Musikinstituts zu treten.