Personal der deutschen Oper

[35] Als Material, aus dem Weber seine neue Schöpfung herausbilden sollte, war ihm zunächst das recitirende Personal des deutschen Schau- und Singspiels gegeben, das, auf besonders dazu einzuholenden Befehl, durch die Mitglieder der italienischen Oper ergänzt werden durfte. Das erstere bestand größtentheils aus guten und erträglichen Schauspielern und Schauspielerinnen, die, nach damaliger Sitte, zum Theil musikalisch recht wohl zur Verwendung im Singspiel geschult waren, aber zur Durchführung größerer Opernparthien weder die physischen noch psychischen Mittel, noch auch die nöthige Uebung besaßen. Weber sah sich daher, ein guter Feldherr, an der Spitze einer, vom besten Willen und Vertrauen zu ihm beseelten Armee, der aber die tüchtigen Waffen fehlen.

Als Soprane und Alte standen ihm Frau von Biedenfeld, eine etwas abgesungene, vormals brave Künstlerin, Fräulein Hunt, eine Dame mit rein italienischer Schule, Madame Miksch, eine durchaus ungefällige Sängerin, zwei sehr junge, wenn auch talentvolle Schwestern, Emilie und Julie Zucker, und die üppige Wilhelmine Schubert zu Gebot, von denen, außer Frau von Biedenfeld und Fräulein Hunt, noch keine eine eigentliche Opernparthie gesungen hatte. Ungern trat, wenigstens anfangs, zur Aushülfe die treffliche, mit lieblicher, gut geschulter Stimme begabte, aber sehr unreif deutsch sprechende Sandrini für Sopranparthien ein; Caroline Benelli entwickelte sich eben zur anziehenden Sängerin. Als Tenoristen hatte er den mit schöner, sympathischer Stimme begabten, aber als Schauspieler fast unbrauchbaren Bergmann, den schreienden und detonirenden, aber gut spielenden Wilhelmi und den kaum singenden, aber um das Institut sehr verdienten Regisseur bei der deutschen Oper, Hellwig; als Bassisten Geiling und Toussaint, die auch kaum jemals in wirklichen Opern mitgewirkt hatten. Der alternde Joh. Alois Miksch, dem wir öfter zu begegnen Gelegenheit haben werden, sang mit gebrochener Stimme und großer technischer Meisterschaft, aber ohne jegliches dramatische Talent, bald Tenor-, bald Bariton-Parthien in der italienischen und deutschen Oper.

Es geht hieraus hervor, wie gewagt, ja kühn, Weber's Unternehmen[36] war, mit diesen schwachen, undisciplinirten, jungen und unscheinbaren Streitkräften gegen das glänzende, festbegründete Institut der italienischen Oper, das über einen Benincasa, Decavanti, Sassaroli, Tibaldi, die Funk verfügte, blos im Vertrauen auf seine organisatorischen Talente und die Hülfe zu Felde zu ziehen, die er sich vom Erwachen des Nationalgeistes zu Gunsten der deutschen Oper versprach.

Mit Morlacchi gleich gestellt war Weber allenthalben in Bezug auf die Benutzung der vorhandenen Kräfte der Instrumental-Musik, die zu den eminentesten Europas gehörten. Um einen Ueberblick über diese Kräfte zu geben, und da es in mancher andern Hinsicht (wie z.B. auf Gehalte, Zahlen, Besetzungen etc.) interessant sein dürfte, den Bestand und das Personal der K. Sächs. Capelle zu Anfang des Jahres 1817 kennen zu lernen, endlich weil im Verlauf dieser Mittheilungen öfter Bezug darauf zu nehmen sein wird, geben wir nachstehend den Etat derselben genau nach den Akten des Theaters:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 35-37.
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