Aenderung des Beginns der Oper

[69] Caroline schrieb Weber, sofort nachdem sie den Text gelesen: »Weg mit diesen Scenen, mitten hinein in's Volksleben mit dem Beginne der Volksoper, lasse sie mit der Scene vor der Waldschenke beginnen!«

Weber war unangenehm hiervon berührt, ihm war das Gebet des Eremiten zum Beginne des 1. Akts, und ein Sopran- und Baß-Duett zum Schlusse der 2. Scene, lieb geworden; er führte seine Gründe gegen solch eine Verstümmelung an, doch, während er Carolinen's Ansicht bekämpfte, wurde ihm dieselbe immer plausibler, so daß er, noch ehe ihre Antwort eintraf, schon Kind anlag, die Sache in diesem Sinne zu ändern. Bei diesem fand er aber allen Widerstand, den Dichter-Vaterliebe, das Bestreben, ein Drama klar und richtig zu exponiren und Unerfahrenheit in dem, worauf es bei einem Operntexte hauptsächlich ankommt, der vor allem andern das Erwecken der richtigen Stimmung durch die Musik begünstigen soll, leisten können. Ja endlich erinnerte ihn Kind sogar an ein früher mit den Worten gegebenes Ver sprechen: »Wie Sie das Ganze anlegen und ausführen – mein Wort – so componire ich es. Kleinigkeiten nur ändern Sie mir wohl zu Liebe.« Weber aber bestand auf Carolinen's noch eben von ihm selbst bekämpfter Meinung, und die zwei Scenen wurden, zum Heile des Erfolgs des Freischützen, weggestrichen! – Wie packt und erregt der Anblick der reichbelebten Bühne nach der fortreißenden Ouverture! Dagegen denke man sich eine Gebet- und Sangesscene zwischen einem Eremiten und einem jungen Mädchen, und man kann sich ein Bild des Unterschiedes der Effekte machen. Wie oft hat Weber seiner »Volksgallerie mit zwei Augen« für diesen Rath gedankt. Unter anderm schreibt er am 21. Mai:


»etc. Heute früh um 10 Uhr ging ich zu Kind, und da saßen wie über der Jägersbraut bis 1 Uhr. Aber nun! hoffe ich, kriegt sie ein ander Gesicht, und wird gewiß viel Wirkung thun; auch der Schluß wird etwas anders und besser. Diese Verbesserung habe ich dir, mein nuter Mucks, eigentlich zu danken; denn du faßtest zuerst den kühnen Gedanken die ganzen ersten Scenen wegzuwerfen, und auch den[70] Einsiedler. Weg! – weg! – schriest du immer. Nun ist er zwar nicht ganz weg! aber er erscheint erst, wo Agathe vom Schusse scheinbar getroffen in seine Arme sinkt, und versöhnt und heilt das Ganze. Kind geht nun frisch darüber her, und ich dann auch. Ich sammle schon allerley Ideen, die ihre Schuldigkeit thun sollen. Winkler hat auch nach einer recht hübschen Erzählung eine Oper skizzirt, ich muß nur noch ausführlicher und ordentlich mit ihm darüber sprechen. So kommt denn der Opernsegen auf ein Mal, nachdem ich so lange umsonst geharrt hatte, und nun gebe Gott nur daß auch das Sprüchwort eintrifft: was lange währt, wird gut. etc.«


An den Beginn der Composition der Oper auch nur zu denken, blieb indeß in den nächsten Monaten keine Zeit. Das Neueinstudiren der Oper »Helene« und eines, zum Namenstage des Königs zu gebenden Stückes mit Musik, »Renate«, die Organisation des Chors, die zum Zweck der Rekrutirung des Personals herangezogenen Gastspiele, unter denen die der Fräulein Lindner, Mad. Neumann-Sessi und der Wohlbrück's hervorzuheben sind, absorbirten um so vollständiger seine Zeit, als die letzten beiden Gäste zu seinen älteren Freunden gehörten und daher auch seine Gastlichkeit in ausgedehntem Maße in Anspruch nahmen. Ueberall, wo es etwas schnell und kräftig zu leisten gab, z.B. als der König plötzlich Madame Sessi in der »Vestalin« zu hören wünschte, wurden seine Dienste in Anspruch genommen, so daß er einmal ergrimmt ausruft:


»etc. Mittags aß ich im Engel. Da wurde ich schnell zum Grafen Vitzthum geholt, weil der König nun Mad. Sessi in der Vestalin den Samstag sehen will. Da gabs wieder zu laufen und zu bestellen! Es ist ganz toll, alles pakken sie mir auf, als ob gar keine Andern da wären. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 69-71.
Lizenz:
Kategorien: