Frau v. Lüttichau geb. v. Knobelsdorff

[582] Seine klarsten Handlungen und liebenswürdigsten Seiten erschienen für den Eingeweihten stets als Reflexe des edeln Wesens seiner geistvollen und in hohem Grade liebenswürdigen Gattin, geb. von Knobelsdorff. die vielleicht als Schriftstellerin Bettina und der Rahel den Rang abgelaufen hätte, wenn es ihr nicht vorzüglicher erschienen wäre, als edle Frau einen kleinen aber sie vergötternden Kreis zu erleuchten und zu erwärmen.

Als Schöpfung der Einsiedel'schen Maxime konnte Herr von Lüttichau nicht anders, als Weber abgeneigt sein, während seine Gattin mit Verehrung dem Meister und mit herzlicher Neigung Carolinen zugethan war. Das freundliche Einverständniß der trefflichen Frauen allein war im Stande, die schroffen Contraste in den Naturen der beiden Männer neben einander bestehend zu machen, besonders da Lüttichau's Lebensformen nach unten hin treulich die Principien der Schule wiederspiegelten, in der er zum Beamten gebildet worden war. Als Aristokrat und treuer Befolger ihrer bequemen Lehren unterschätzte er grundsätzlich das persönliche Verdienst und die hervorragende Leistung und ließ nur die Gunst, in der ein Individuum stand, und das persönliche Wohlwollen, die Regulatoren seines Verhaltens gegen seine Untergebenen sein. Das brauchbare Subjekt, »das den herkömmlichen[582] Dienst in herkömmlicher Weise gut versah,« war ihm der rechte Mann. Kalt, mißtrauisch und hart gegen ihm antipathische Wesen, überschüttete er mit den Kundgebungen weicher Freundlichkeit und ungerechtfertigten Vertrauens ihm zusagende Persönlichkeiten, fast ganz ohne Rücksicht auf das Maß von deren Verdienst.

Weber erblickte mit Recht im Amtsantritte dieses Mannes ein Unugück für sich und sein redliches Streben und böse Omina für die Kunstanstalt, der er diente.

Unter diesem Eindrucke schrieb er an seinen Freund Pius Alexander Wolff mit dem man auf Tieck's Veranlassung Verhandlungen angeknüpft hatte, um ihn für die Oberregie in Dresden zu gewinnen, und der sich an ihn um Rath und Darlegung der Verhältnisse wandte:


»Mein theurer Freund, welche Fragen stellen Sie an mich. Wie beängstigt mich die doppelte Verantwortlichkeit, die aus der Beantwortung derselben hervorgehen kann. Welcher Vorwürfe von Ihrer Seite würde ich mich blosstellen, fänden Sie nicht Alles Ihren Erwartungen angemessen, und würde ich mir es von der andern Seite je verzeihen können, Sie durch ängstliche Aufzählung aller allenfallsigen Schwierigkeiten abgeschreckt zu haben, und dadurch einen vielleicht nie so wiederkehrenden Zeitpunkt zur Erhebung unsrer Bühne vorüber gleiten gelassen zu haben.

Es giebt Augenblicke im Leben, wo der theuerste Freund nur wünschen, nicht rathen darf. Wer kann es wagen auch nur im Geringsten die Garantie des Lebensglückes für Andere zu übernehmen? Wie 1000fältig verschieden, und allen weisesten Combinationen hohnsprechend gestalten sich oft die Verhältnisse. Es ist kein kleiner Entschluß, den Sie zu fassen haben. Man erschrickt oft vor dem Gewünschtesten, erscheint es in der Wirklichkeit. Innig weiß ich auch das Vertrauen zu ehren, das Sie in diesem Augenblicke zu mir führt.

Ehrlich will ich Ihnen sagen, was meiner Ueberzeugung gemäß ist, mögen Sie weder mehr noch minder drin finden oder suchen, als es eben giebt.

Ich glaube daß es keinen Ort in der Welt giebt, wo eine neue[583] Einrichtung nicht Widerspruch, das Fremde überhaupt nicht Widerstand fände.

Ich glaube daß wir darin um kein Haar besser sind als andere, einen größern Geist der Ordnung und des Anständigen ausgenommmen, der sich von Oben herab über alle hiesigen Verhältnisse wohlthuend verbreitet.

Ich bin überzeugt, daß ein Posten wie der Ihrige für nothwendig erachtet wird, daß man Sie vor allen von Oben herab dazu wünscht, und in Folge dieses gehörig unterstützen wird. Unser neuer Chef geht aber sehr nur seinen Weg, Er wird Ihnen vielleicht Vertrauen, und diesem Vertrauen Nachdruck schenken. Der Theilmhme, Hülfe und Eifers aller Gutgesinnten können Sie sicher sein. An Opposition unter den Schauspielern selbst wird es nicht fehlen. Die Kritik wird Ihnen gewiß zur Seite stehen.

Allein Schöpfer werden Sie sein, zu thun aber vollauf haben, doch können Sie sich das Geschäft gänzlich nach eigner Ansicht ordnen, denn wer Verantwortlichkeit hat, muß auch Macht haben.

Hier mein Freund, Alles, wie ich es unbefangen als möglich zu sehen glaube. Der Himmel lenke Ihren Entschluß zum Besten. Wir sind uns in jeder Ferne nah.


14. Oct. 24.

In treuester Freundschaft etc.«


Wohl zum Theil in Folge dessen, was Wolff in diesem vorsichtig seinen, echt freundschaftlichen Briefe zwischen den Zeilen las, lehnte er die Stellung ab.

Ein zweiter Umstand, der Weber bedrückte, war das wieder stärkere Ueberhandnehmen des Geschmacks des Publikums an der italienischen Oper, hauptsächlich hervorgerufen durch Morlacchi's treffliche Acquisitionen der Pallazesi und des Buonfigli, die das Dresdener Publikum in Rossini's schöner Oper »Zelmira«, welche am 13. Nov. in Scene ging, entzückten. In der That hatte Dresden seit langer Zeit keine italienische Opernvorstellung gehört, die dieser gleichkam, wo die Pallazesi als Zelmira, die Tibaldi als Emma, Buonfigli als Ilo, Zezi als Polidoro, ein Ensemble bildeten, das an Schönheit und Schule[584] der Stimmen an Barbaja's Wundertruppe der Stagione von 1822 erinnerte.

Nur schwach konnte Weber gegen diese Erfolge durch Auber's reizenden »Schnee« und Spohr's herrliche, aber das Publikum, trotz der großen Leistung der Devrient in der Titelrolle, kühl lassende »Jessonda« ankämpfen.

Zu einer schätzenswerthen und auf Weber's bei Composition der »Euryanthe« im Auge behaltene Principien helles Licht werfenden Darlegung, gab ihm die vom »Breslauer Akademischen Musikvereine« kund gethane Absicht Anlaß, die »Euryanthe« im Concertsaale vorzuführen. Er schreibt an den Verein am 20. Dec.:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 582-585.
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