Oppolzer, Johann

Oppolzer, Johann
Oppolzer, Johann

[1233] Oppolzer, Johann Ritter von, geb. 1808 in dem böhmischen Städtchen Gratzen, war nach dem frühzeitigen Tode seiner Eltern, welche ihn in den dürftigsten Verhältnissen zurückliessen, gezwungen, während seiner Gymnasial- und Univ.-Studien in Prag sich durch Unterrichtgeben kümmerliche Subsistenzmittel zu schaffen; trotzdem entwickelte er einen solchen Eifer für seine Studien, dass er die Aufmerksamkeit seiner Lehrer auf sich zog und namentlich von dem klin. Lehrer Krombholz mit besonderem Vertrauen beehrt und zum Assistenten an der med. Klinik des allgemeinen Krankenhauses ernannt wurde. Auf Grund seiner Diss. »Observationes de febri nervosa intestinali anno 1834 Pragae epidemica« prom. er 1835, behielt aber noch 4 Jahre lang seine Assistenten-Stellung im Krankenhause bei und habilitierte sich erst 1839 als prakt. Arzt in Prag. Sehr schnell gelang es ihm, sich das Vertrauen des Publikums zu erwerben, so dass er bald zu den renommiertesten Ärzten der Stadt zählte und schon 2 Jahre danach wurde ihm die grosse Auszeichnung zu teil, dass er nach dem Ausscheiden des Prof. Krombholz aus dem Amte zum Prof. ord. ernannt und mit der klin. Professur und der Stelle eines Primararztes im Krankenhause betraut wurde. 1848 folgte er[1233] einem Rufe als klin. Lehrer am Jakobs-Hosp. in Leipzig und zwei Jahre später einer Berufung in gleicher Eigenschaft und als Primararzt am allgem. Krankenhause nach Wien. In dieser Stellung hat O. 21 Jahre lang eine segensreiche Thätigkeit als Arzt und Lehrer entwickelt. 1871, zur Zeit der Typhus-Epidemie in Wien, wurde er infolge einer im Krankenhause erfolgten Infektion vom Typhus befallen und am 16. April ist er der Krankheit erlegen. – O. war ein klin. Lehrer ersten Ranges und als solcher hat er, neben Rokitansky, Skoda und Hebra, den damaligen Glanz der Wiener Schule begründet; scharenweise strömten die jungen strebsamen Ärzte aus allen Gegenden Europas nach Wien, um seines Unterrichtes teilhaftig zu werden und wie er diese durch sein freundliches Entgegenkommen an sich fesselte, durch seinen Eifer und seine unermüdete Thätigkeit begeisterte und die Kollegen, unter welchen er keinen Feind, ja selbst keinen Neider hatte, durch sein echt humanes Wesen sich verband, so gewann er mit der Sicherheit, mit welcher er am Krankenbette auftrat, mit der liebevollen Aufmerksamkeit, welche er seinen Kranken ohne Unterschied der gesellschaftlichen Stellung erwies, das Vertrauen des Publikums und begründete den Weltruf, dessen er sich als Arzt erfreute. Im Vollbesitze der Kenntnis aller der grossartigen Fortschritte, welche die neueste Zeit auf[1234] dem Gebiete der Med. zu Tage gefördert hatte, trat er als Bekämpfer der alten symptomatischen Pathologie und als Evangelist einer streng physiol. Heilkunde auf, und mit dem Nachweise, dass die Aufgabe und das letzte Ziel der Med. nicht in der wissenschaftl. Forschung, nicht in der Stellung der Diagnose und der Bestätigung dieser durch den Leichenbefund, sondern in dem Heilen beruhe, verurteilte er den therapeutischen Nihilismus, der in der Wiener Schule Platz gegriffen hatte, während er andererseits mit dem Prinzipe, dass der Arzt stets bestrebt sein müsse, mit den einfachsten Mitteln zu heilen, der therapeutischen Vielgeschäftigkeit entgegentrat. Die litterar. Thätigkeit O.'s ist eine sehr beschränkte geblieben; selbständige Schriften hat er, ausser seiner Inaug.-Diss., nicht veröffentlicht; die aus seiner Feder stammenden Journal-Artikel sind im älteren Lexikon z.T. zusammengestellt. Zahlreiche klin. Vorträge und Berichte über Kasuistik aus O.'s Klinik sind später von seinen Schülern in den Wiener med. Zeitschrr. mitgeteilt worden. Ritter v. Stoffela, Schwiegersohn und mehrjähriger Assistent O.'s, hat die Vorlesungen desselben über spez. Pathol. und Therap. veröffentlicht; der 1. Band (1866 bis 70) enthält die Krankheiten des Herzens und der Gefässe und die Krankheiten der Atmungsorgane, vom 2. Bande ist nur eine Lieferung, die Krankheiten der Mundhöhle enthaltend. 1872 erschienen. Die letzte der zahlreichen O. zu Teil gewordenen äusseren Anerkennungen war 1869 seine, mit der Verleihung des Ritterkreuzes des Leopolds-Ordens verbundene Erhebung in den Adelsstand.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1233-1235.
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