Stricker, Salomon

Stricker, Salomon
Stricker, Salomon

[1671] Stricker, Salomon, Experimentalpatholog zu Wien, 1834 zu Waag-Neustadtl in Ungarn geb., studierte anfangs Jura in Wien, ging jedoch später zur Med. über, arbeitete schon als Student 1855 bis 58 im Laboratorium bei Brücke und veröffentlichte als seine ersten beiden Arbeiten: »Untersuchungen über die Papillen in der Mundhöhle der Froschlarven« (1857) und »Entwickelungsgeschichte von Bufo cinereus bis zum Erscheinen der äusseren Kiemen«. 1858 promoviert, trat er 1859 in das allgem. Krankenhaus und wirkte hier als Sekundararzt unter Kolisko, Türk, Szigmondy, Dittel, E. Jaeger, Hebra und Sigmund bis 1862, wo er sich für Embryologie habilitierte. 1863 trat er als Assistent in Brücke's[1671] Institut ein und veröffentlichte von hier aus 1865 seine ersten grossen Entdeckungen über Diapedesis der roten Blutkörperchen und Kontraktilität der Gefässwände. 1866 wurde S. Adjunkt für experim. Forschung an der Klinik von Oppolzer, 1868 wurde er speziell auf Betreiben Rokitansky's zum Prof. e. o. der experim. Pathologie, sowie zum Leiter eines eigens für ihn gegründeten Instituts ernannt, aus dem schon 1869 die ersten »Studien« erschienen mit dem Hauptangriff auf die Cohnheim'sche Lehre, der, wie bekannt, in der wissenschaftl. Welt grosses Aufsehen erregte. 1871 bis 73 erschien S.'s »Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Thiere« (ein Sammelwerk, im Verein mit anderen Histologen). 1872 erfolgte S.'s Ernennung zum ord. Prof. für allgemeine und experiment. Pathologie. 1871 bis 80 war er Redakteur der med. Jahrbb., die zum Hauptorgan der Publikationen aus seinem Institut wurden. 1877 bis 83 erschienen die »Vorlesungen über allgemeine und experimentelle Pathologie«. S., der 2. April 1898 starb, war als Experimentator, Lehrer, Forscher und Schriftsteller gleich hervorragend. Ihm ist hauptsächlich die Einführung der mikroskop. Demonstrationen mittels Projektionsapparat beim Unterricht in der Pathologie zu danken. Seine Vorträge fesselten durch unübertreffliche Klarheit. Als Experimentator und Mikroskopiker entwickelte er eine meisterhafte Technik. S. hat zuerst Gewebe durch Härten und Einbetten in Gummi oder Wachs für[1672] feine Schnitte aus freier Hand geeignet gemacht. Er besass ein scharfes Auge, unsagbare Ausdauer und ausserordentliche Energie. Gelegentlich seiner ersten Beobachtung der Zellteilung in der entzündeten Froschzunge brachte er 10 Stunden ununterbrochen beim Mikroskop zu. Eine Reihe von Entdeckungen u. Bereicherungen sind ihm und seiner Schule zu danken; ausser den schon genannten noch die Histologie der Cornea, die Mechanik der Drüsensekretion (Spina), die Zellteilung am lebenden Gewebe, die Lehre über das Verhältnis der Zellen zur Grundsubstanz, das Vasomotorenzentrum für die Baucheingeweide, die gefässerweiternden Nerven in den sensiblen Jschiadicuswurzeln, die Ursprünge d. Nervi accelerantes (Wagner), die Wirkung der Diuretika, die anästhesierende Wirkung des Kokains (Koller) betreffenden. Seine Sätze in der Entzündungs- bezw. Gewebelehre: »Die Gewebe kehren auf ihren Jugendzustand zurück« und »Die Zellen vermehren sich auf Kosten der Grundsubstanz« wurden, wie Georg Kapsammer in seiner schönen Biographie von S. (W. m. W. 1898, No. 10) hervorhebt, zu geflügelten Worten. – S.'s Publikationen sind in der zur Feier seines 25jähr. Prof.-Jubiläums 1898 erschienenen Schrift: »Dreissig Jahre experimenteller Pathologie« zusammengestellt. Ihre Zahl beträgt etwa 134 ausser den fast 400 unter seiner Leitung veröffentlichten Arbeiten von 123 unmittelbaren Schülern, von denen 45 Prof., 57 Dozenten geworden sind. Auch philosophische Arbeiten rühren von ihm her, wie »Studien über das Bewusstsein« (1879) – »Studien über die Sprachvorstellungen« (1880) – »Über die Bewegungsvorstellungen« (1882) – »Studien über die Association der Vorstellungen« (1883) – »Physiologie des Rechts« (1884).

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1671-1673.
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