Neuntes Kapitel

[115] In der zweiten Figur kann der Vordersatz mit dem grösseren Aussenbegriffe nicht gegentheilig aufgehoben werden, wie auch die Umkehrung des Beweissatzes erfolgt; denn der Schluss wird sich dann immer in der dritten Figur vollziehen, wo kein allgemeiner Schluss gezogen werden kann. Dagegen kann man den anderen Vordersatz durch die Umkehrung des Schlusssatzes in in gleicher Weise aufheben, wo ich unter »in gleicher Weise« meine, dass bei einer gegentheiligen Umkehrung die Aufhebung durch das Gegentheil und bei einer widersprechenden Umkehrung durch den widersprechenden Satz erfolgt. Denn es sei A in allen B und in keinem C enthalten, hier lautet der Schlusssatz, dass B in keinem C enthalten. Setzt man nun, dass B in allen C enthalten und bleibt der Satz A B unverändert, so wird A in allen[115] C enthalten sein; denn es entsteht dann die erste Figur. Wenn aber B in allen C und A in keinem C enthalten ist, so wird A nicht in allen B enthalten sein; denn es ist dies die dritte Figur. Wird aber der Satz B C nun in sein Gegentheil umgekehrt, so wird der Satz A B in gleicher Weise widerlegt werden, der Satz A C aber nur vermittelst des widersprechenden Gegensatzes. Denn wenn B in einigen C und A in keinem C enthalten sei, so wird A in einigen B nicht enthalten sein und wenn wieder B in einigen C und A in allen B enthalten ist, so wird A in einigen C enthalten sein, so dass also der Schluss sich widersprechend gestaltet. Aehnlich kann der Beweis geführt werden, auch wenn die Vordersätze umgekehrt lauten.

Lautet dagegen der Schluss nur beschränkt, so wird, wenn der Schlusssatz nur in sein Gegentheil umgekehrt wird, keiner von den beiden Vordersätzen aufgehoben, wie dies auch in der ersten Figur nicht geschah; wird der Schlusssatz aber in den widersprechenden Gegensatz umgekehrt, so werden beide Vordersätze aufgehoben. So soll A in keinem B, aber in einigen C enthalten sein, der Schlusssatz lautet dann, dass B in einigen C nicht enthalten. Setzt man nun, dass B in einigen C enthalten sei, und lässt man den Satz A B unverändert, so ergiebt sich als Schlusssatz, dass A in einigen C nicht enthalten ist; damit ist aber der in Anfang gesetzte Vordersatz nicht aufgehoben, denn A kann zugleich in einigen C enthalten und in einigen C nicht enthalten sein. Wenn dagegen B in einigen C und A in einigen C enthalten ist, so ergiebt sich daraus kein Schluss, denn von diesen aufgestellten Sätzen lautet keiner allgemein; folglich wird der Vordersatz, dass A in keinem B enthalten, nicht aufgehoben. Geschieht aber die Umkehrung in den widersprechenden Gegensatz, so werden beide Vordersätze aufgehoben; denn wenn B in allen C und A in keinem B enthalten ist, so ist auch A in keinem C enthalten, während es als in einigen C angenommen worden war. Wenn ferner das B in allen C und das A in einigen C enthalten gesetzt wird, so wird A in einigen B enthalten sein. Der Beweis bleibt hier derselbe, wenn auch der allgemeine Satz bejahend angenommen wird.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 115-116.
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