Viertes Kapitel

[4] Zunächst ist zu untersuchen, mit welchen Gegenständen die vorliegende Abhandlung sich zu beschäftigen hat. Wenn ich die Anzahl und die Beschaffenheit der Gegenstände, worauf die Erörterungen sich beziehen und die Gründe, auf welche sie sich stützen, dargelegt haben werde, und ebenso die Weise, wie man dieselben leicht zur Hand hat, so werde ich meine Aufgabe genügend erledigt haben. Die Gegenstände meiner Abhandlung sind an Zahl und Inhalt dieselben wie bei den Erörterungen, die sich auf Schlüsse stützen; denn die Gründe werden aus Vordersätzen entnommen, und die Streitsätze sind es, auf welche die Schlüsse sich beziehen. Nun betrifft aber jeder Vordersatz und jeder Streitsatz entweder eine Gattung oder ein Eigenthümliches oder ein Nebensächliches; denn der Artunterschied ist, als zur Gattung gehörig, mit bei dieser zu behandeln. Das Eigenthümliche bezeichnet entweder das wesentliche Was des Gegenstandes oder nicht; deshalb ist es in diese zwei Arten zu sondern, und das, was das wesentliche Was anzeigt, soll der Begriff genannt werden. Das Uebrige soll mit dem für beide aufgestellten Namen des Eigenthümlichen ausschliesslich bezeichnet werden. Hieraus erhellt, dass der Gegenstand meiner Abhandlung sich in vier Theile sondert, in das Eigenthümliche, in den Begriff, in die Gattung und in das Nebensächliche. Man darf aber nicht meinen, dass jeder[4] von diesen vier Theilen an sich schon ein Satz, oder eine Streitfrage sei, vielmehr bilden sich erst aus ihnen die Streitfragen und die Sätze. Der Unterschied zwischen diesen beiden liegt nur in der Form. Wenn man so frägt: Also ist das zweifüssige auf dem Lande lebende Geschöpf die Definition des Menschen? oder: Also ist Geschöpf der Gattungsbegriff des Menschen? so entsteht ein Satz. Wenn man dagegen frägt: Ist das zweifüssige auf dem Lande lebende Geschöpf die Definition des Menschen oder ist sie es nicht? und: Ist das Geschöpf der Gattungsbegriff des Menschen oder nicht? so entsteht eine Streitfrage. Ebenso ist es in anderen Fällen. Es werden also wohl auch die Streitfragen und die Sätze einander an Zahl gleichstehen; denn wenn man die Form ändert, so kann man aus jedem Satz eine Streitfrage machen.

Quelle:
Aristoteles: Die Topik. Heidelberg 1882, S. 4-5.
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