Die ersten Kämpfe mit Rom

[437] Seit Cäsar standen Römer und Deutsche einander am Rhein, seit der Unterwerfung von Rhätien, Noricum und Pannonien durch Augustus an der Donau gegenüber. In Gallien hatte sich inzwischen die römische Herrschaft festgesetzt; ein Heerstraßennetz war durch Agrippa über das ganze Land gezogen, Festungen waren gebaut, eine neue Generation, im römischen Joch geboren, war herangewachsen. Gallien, durch die unter Augustus gebauten Alpenstraßen über den Kleinen und Großen Bernhard in direkteste Verbindung mit Italien gebracht, konnte als Basis dienen für die Eroberung Germaniens vom Rhein her. Diese mit den am Rhein lagernden acht Legionen zu vollenden, übertrug Augustus seinem Stiefsohn (oder wirklichen Sohn?) Drusus.

Vorwand boten fortwährende Reibereien der Grenzbewohner, Einfälle der Deutschen nach Gallien sowie eine angebliche oder wirkliche Verschwörung der unzufriedenen Belgier mit den Sigambern, nach welcher diese den Rhein überschreiten und einen allgemeinen Aufstand bewirken sollten. Drusus versicherte sich (-12) der belgischen Häuptlinge, ging dicht an der Batavischen Insel, oberhalb des Rheindeltas, über den Strom, verheerte das Gebiet der Usipeter und teilweise das der Sigamber, schiffte dann den Rhein hinab, zwang die Friesen, ihm Hülfstruppen zu Fuß zu stellen, und fuhr mit der Flotte die Küste entlang bis in die Emsmündung hinein, um die Chauken zu bekriegen. Hier aber setzten seine römischen, der Gezeiten ungewohnten Seeleute die Flotte bei der Ebbe auf den Grund; nur durch die Hülfe der mit der Sache besser bekannten friesischen Bundestruppen brachte er sie wieder los und kehrte heim.

Dieser erste Feldzug war nur eine große Rekognoszierung. Im folgenden Jahr (-11) begann er die wirkliche Eroberung. Er überschritt den Rhein[437] wiederum unterhalb der Lippemündung, unterwarf die hier wohnenden Usipeter, überbrückte die Lippe und brach in das Gebiet der Sigamber ein, die grade gegen die Chatten zu Felde lagen, weil diese sich dem Bund gegen die Römer unter sigambrischer Führung nicht anschließen wollten. Dann legte er am Zusammenfluß der Lippe und des Eliso ein festes Lager an (Aliso) und zog sich, als der Winter nahte, wieder über den Rhein zurück. Auf diesem Rückzug in einer engen Talschlucht von den Deutschen überfallen, entging sein Heer nur mit genauer Not der Vernichtung. Auch legte er in diesem Jahr ein andres verschanztes Lager an »im Lande der Chatten, fast am Rhein«.

Dieser zweite Feldzug des Drusus enthält schon den ganzen Eroberungsplan, wie er seitdem konsequent befolgt wurde. Das zunächst zu erobernde Gebiet ist ziemlich scharf abgegrenzt: das iskävonische Binnenland bis an die Grenze der Cherusker und Chatten und der dazugehörige Küstenstrich bis zur Ems, womöglich bis zur Weser. Die Hauptarbeit zur Unterwerfung des Küstenlands fällt der Flotte zu. Im Süden dient als Operationsbasis das von Agrippa gegründete und von Drusus erweiterte Mainz, in dessen Nachbarschaft wir das »im Lande der Chatten« angelegte Kastell (man sucht es neuerdings in der Saalburg bei Homburg) zu suchen haben. Von hier aus führt der Lauf des Untermains in das offene Gelände der Wetterau und der oberen Lahngegend, dessen Besetzung Iskävonen und Chatten voneinander trennt. Im Zentrum der Angriffsfront bietet das ebene, von der Lippe durchflossene Land und namentlich der flache Höhenrücken zwischen Lippe und Ruhr der römischen Hauptmacht die bequemste Operationslinie, durch deren Besitznahme sie das zu unterwerfende Gebiet in zwei ungefähr gleiche Stücke und gleichzeitig die Brukterer von den Sigambern trennt; eine Stellung, von der aus sie links mit der Flotte zusammenwirken, rechts mit der aus der Wetterau debouchierenden Kolonne das iskävonische Schiefergebirgsland isolieren und in der Front die Cherusker im Zaum halten kann. Das Kastell Aliso bildet den äußersten befestigten Stützpunkt dieser Operationslinie; es lag nahe den Lippequellen, entweder Elsen bei Paderborn, am Einfluß der Alme in die Lippe, oder bei Lippstadt, wo neuerdings ein großes römisches Kastell aufgedeckt.

Im folgenden Jahr (-10) verbanden sich die Chatten, die gemeinsame Gefahr einsehend, endlich mit den Sigambern. Aber Drusus überzog und zwang sie wenigstens teilweise zur Unterwerfung. Diese kann aber den Winter nicht überdauert haben, denn im nächsten Frühling (-9) überfällt er sie nochmals, dringt vor bis zu den Sueven (also wohl Thüringern – nach Florus und Orosius auch Markomannen, die damals noch nördlich des Erzgebirgs[438] wohnten), greift dann die Cherusker an, setzt über die Weser und kehrt erst an der Elbe um. Alles durchzogne Land hatte er verheert, aber überall heftigen Widerstand gefunden. Auf dem Rückweg starb er, dreißig Jahre alt, noch ehe er den Rhein erreicht.

Zu obiger, dem Dio Cassius entlehnten Erzählung ergänzen wir aus Suetonius, daß Drusus den Kanal vom Rhein zur Ijssel graben ließ, vermittelst dessen er seine Flotte durchs Friesenland und den Flevo (Vlie-strom – jetziges Fahrwasser aus der Südersee zwischen Vlieland und Terschelling) in die Nordsee führte; aus Florus, daß er den Rhein entlang über fünfzig Kastelle und bei Bonn eine Brücke errichtete und ebenso die Maaslinie befestigte, also die Stellung der rheinischen Legionen sowohl gegen Aufstände der Gallier wie gegen Einfälle der Germanen sicherte. Was Florus von Kastellen und Verschanzungen an der Weser und Elbe fabelt, ist eitel Prahlerei; Schanzen mag er während seiner Märsche dort aufgeworfen haben, aber er war ein zu guter Feldherr, um auch nur einen Mann Besatzung darin zu lassen. Dagegen ist wohl zweifellos, daß er die Operationslinie längs der Lippe mit befestigten Etappen versehen ließ. Die Übergänge über den Taunus verschanzte er ebenfalls.

Tiberius, des Drusus Nachfolger am Rhein, ging im folgenden Jahr (-8) über den Fluß; die Deutschen sandten Friedensunterhändler, nur die Sigamber nicht; Augustus, der in Gallien war, weigerte jede Verhandlung, solange diese nicht vertreten seien. Als die Sigamber endlich auch Gesandte schickten, »zahlreiche und angesehene Männer«, sagt Dio, ließ Augustus sie greifen und in verschiedene Städte im Innern des Reichs internieren; »aus Gram darüber töteten sie sich selbst«. Auch im nächsten Jahre (-7) ging Tiberius wieder mit dem Heer nach Germanien, wo außer einigen unbedeutenden Unruhen schon nicht viel mehr zu bekämpfen war. Von dieser Zeit sagt Vellejus: »Tiberius hat das Land« (Germanien) »so durch und durch unterworfen, daß es sich kaum noch von einer steuerpflichtigen Provinz unterschied.«

Dieser Erfolg wird, außer den römischen Waffen und der mehrfach gerühmten diplomatischen »Klugheit« des Tiberius, wohl namentlich der Verpflanzung von Deutschen aufs römische Rheinufer zu danken sein. Schon Agrippa hatte die Ubier, die den Römern immer anhänglich gewesen, mit ihrem Willen aufs Unke Rheinufer bei Köln versetzt. Tiberius zwang 40000 Sigamber zur Übersiedelung und brach damit auf längere Zeit die Widerstandskraft dieses mächtigen Stammes.

Tiberius zog sich nun auf längere Zeit von allen Staatsgeschäften zurück, und wir erfahren nichts davon, was sich während mehrerer Jahre in Deutschland[439] zutrug. Ein Fragment des Dio meldet von einem Zuge des Domitius Ahenobarbus von der Donau aus bis über die Elbe. Bald darauf aber, um das erste Jahr unsrer Zeitrechnung, standen die Deutschen auf. Marcus Vinicius, der römische Oberbefehlshaber, kämpfte, nach Vellejus' Aussage, im ganzen glücklich und erhielt auch Belohnungen zum Dank dafür. Dennoch mußte im Jahre 4, gleich nach seiner Adoption durch Augustus, Tiberius nochmals über den Rhein, um die erschütterte römische Herrschaft wiederherzustellen. Er unterwirft die nächst dem Flusse wohnenden Canninefaten und Chattuarier, sodann die Brukterer und »gewinnt« die Cherusker. Weitere Einzelheiten gibt Vellejus, der diesen und den folgenden Feldzug mitmachte, nicht. Der milde Winter erlaubte den Legionen, bis im Dezember in Bewegung zu bleiben, dann bezogen sie Winterlager in Deutschland selbst – wahrscheinlich an den Lippequellen.

Der Feldzug des nächsten Jahres (5) sollte die Unterwerfung Westdeutschlands vollenden. Während Tiberius von Aliso aus vordrang und die Langobarden an der Niederelbe besiegte, fuhr die Flotte die Küste entlang und »gewann« die Chauken. An der Niederelbe traf das Landheer die den Fluß hinauf segelnde Flotte. Mit den Erfolgen dieses Zuges schien nach Vellejus die Arbeit der Römer im Norden erledigt; Tiberius wandte sich im folgenden Jahr nach der Donau, wo die seit kurzem unter Maroboduus nach Böhmen übergesiedelten Markomannen die Grenze bedrohten. Maroboduus, in Rom erzogen und mit römischer Taktik vertraut, hatte ein Heer von 70000 Mann zu Fuß und 4000 Reitern nach römischem Vorbild organisiert. Diesem trat Tiberius an der Donau in der Fronte entgegen, während Sentius Saturninus die Legionen vom Rhein durch das Chattenland In Rücken und Flanke des Feindes führen sollte. Da empörten sich im eignen Rücken des Tiberius die Pannonier, das Heer mußte umkehren und sich seine Operationsbasis wiedererobern. Der Kampf dauerte drei Jahre; aber als die Pannonier eben niedergeworfen, hatten sich die Dinge auch in Norddeutschland so gewandt, daß an Eroberungen im Markomannenland nicht mehr zu denken war.

Der Eroberungsplan des Drusus war vollständig beibehalten worden; nur zu seiner gesicherten Durchführung waren die Land- und Seezüge bis zur Elbe nötig geworden. In dem Feldzugsplan gegen Maroboduus schimmert die Idee durch, die Verlegung der Grenze an die kleinen Karpaten, das Riesengebirge und die Elbe bis zur Mündung zu verlegen; das lag jedoch einstweilen noch in weiter Ferne und wurde bald ganz unausführbar. Wie weit die Wetterau hinauf damals römische feste Plätze gereicht haben mögen, wissen wir nicht; allem Anschein nach war diese Operationslinie[440] damals vernachlässigt worden gegenüber der wichtigeren längs der Lippe. Hier aber hatten sich die Römer offenbar in ziemlicher Breite häuslich eingerichtet. Die Rheinebene des rechten Ufers von Bonn abwärts gehörte ihnen; das westfälische Flachland von der Ruhr nordwärts bis über die Ems hinaus, bis an die Grenzen der Friesen und Chauken, blieb militärisch besetzt. Im Rücken waren Bataver und Friesen damals noch sichere Freunde; weiter nach Westen hin konnten Chauken, Cherusker, Chatten für hinreichend gebändigt gelten, nach ihren wiederholten Niederlagen und nach dem Schlag, der auch die Langobarden getroffen. Und jedenfalls bestand damals bei jenen drei Völkern eine ziemlich mächtige Partei, die nur im Anschluß an Rom Rettung sah. Im Süden war die Macht der Sigamber vorderhand gebrochen; ein Teil ihres Gebiets, zwischen Lippe und Ruhr sowie in der Rheinebene, war besetzt, der Rest war von den römischen Stellungen am Rhein, an der Ruhr, in der Wetterau auf drei Seiten umklammert und sicher oft genug von römischen Kolonnen durchzogen. Römerstraßen in der Richtung auf die Lippequellen, von Neuwied zur Sieg, von Deutz und Neuß zur Wupper über dominierende Bergrücken führend, sind wenigstens bis an die Grenze von Berg und Mark neuerdings nachgewiesen. Noch weiter ab hatten die Hermunduren im Einverständnis mit Domitius Ahenobarbus einen Teil des von den Markomannen verlassenen Gebiets besetzt und standen mit den Römern in friedlichem Verkehr. Und endlich berechtigte die wohlbekannte Uneinigkeit der deutschen Völkerstämme zu der Erwartung, die Römer würden nur noch solche Einzelkriege zu führen haben, wie sie ihnen selbst zur allmählichen Umwandlung der Bundesgenossen in Untertanen erwünscht sein mußten.

Der Kern der römischen Stellung war das Land zu beiden Seiten der Lippe bis an den Osning. Hier gewöhnte die ständige Anwesenheit der Legionen in befestigten Lagern an römische Herrschaft und römische Sitten, durch die die Barbaren nach Dio »wie umgewandelt wurden«; hier entstanden um die Standquartiere des Heeres jene Städte und Märkte, von denen derselbe Historiker erzählt und deren friedlicher Verkehr das meiste zur Befestigung der Fremdherrschaft beitrug. Alles schien vortrefflich zu gehn. Aber es sollte anders kommen.

Quinctilius Varus wurde zum Oberbefehlshaber der Truppen in Deutschland ernannt. Ein Römer des hereinbrechenden Verfalls, phlegmatisch und bequem, auf den Lorbeeren seiner Vorgänger zu ruhen geneigt, noch mehr aber, diese Lorbeeren für sich auszubeuten. »Wie wenig er ein Verächter des Geldes war, bezeugte Syrien, das er verwaltet hatte; arm war er in das reiche Land gekommen, reich verließ er ein armes Land« (Vellejus). Sonst war[441] er »von milder Natur«; aber diese milde Natur muß arg ergrimmt sein bei Versetzung nach einem Lande, wo ihr das Erpressen so sauer gemacht wurde, weil dort fast nichts zu holen war. Indes versuchte es Varus, und zwar auf die bei römischen Prokonsuln und Proprätoren längst üblich gewordene Methode. Vor allen Dingen galt es, den besetzten Teil Deutschlands so rasch wie möglich auf den Fuß einer römischen Provinz einzurichten, an die Stelle der einheimischen öffentlichen Gewalt, die bisher unter der Militärherrschaft fortbestanden, römische zu setzen, und damit das Land zu einer Quelle von Einkünften zu machen – für den Fiskus sowohl wie für den Prokonsul. Varus versuchte demnach, die Deutschen »mit größerer Schnelligkeit und Nachdruck umzuwandeln«, er »erteilte ihnen Befehle wie Sklaven und forderte Geldzahlungen von ihnen wie von Untergebenen« (Dio). Und das alterprobte Hauptmittel der Unterjochung und Erpressung, das er hier anwandte, war die oberrichterliche Gewalt der römischen Provinzvorsteher, die er sich hier anmaßte und kraft deren er den Deutschen das römische Recht aufzwingen wollte.

Leider waren Varus und seine zivilisatorische Mission der Geschichte um fast anderthalb Jahrtausende voraus; denn ungefähr so lange dauerte es, bis Deutschland reif wurde zur »Rezeption des römischen Rechts«. In der Tat mußte das römische Recht mit seiner klassischen Zergliederung der Privateigentumsverhältnisse den Deutschen rein widersinnig vorkommen, den Deutschen, die das wenige Privateigentum, das sich bei ihnen entwickelt, nur besaßen kraft ihres Gemeineigentums an Grund und Boden. Ebenso mußten ihnen, die gewohnt waren, im offenen Volksgericht binnen wenigen Stunden nach ererbtem Herkommen selbst Recht und Urteil zu finden, die feierlichen Formen und Einreden, die ewigen Vertagungen des römischen Prozesses erscheinen als ebensoviel Mittel der Rechtsverweigerung, und der den Prokonsul umdrängende Schwarm von Sachwaltern und Ferkelstechern als das, was sie in der Tat waren, reine Gurgelschneider. Und nun sollten die Deutschen, ihr freies Ding, wo Genossen den Genossen gerichtet, aufgeben und sich unterwerfen dem Machtspruch eines einzelnen Mannes, der in fremder Sprache verhandelte, der im besten Fall ein ihnen unbekanntes, dazu total unanwendbares Recht zugrunde legte und – der selbst interessiert war. Der freie Germane, den nach Tacitus nur der Priester in seltenen Fällen schlagen durfte, der Leib und Leben nur durch Verrat gegen sein Volk verwirkte, sonst aber jede Verletzung, selbst Mord, durch eine Buße (Wergeld) sühnen konnte, der zudem gewohnt war, die Blutrache für sich und seine Verwandten selbst zu üben – der sollte sich jetzt den Ruten und dem Richtbeil des Liktors unterwerfen. Und alles das zu keinem andern[442] Zweck, als um der Aussaugung des Landes durch Steuern für den Fiskus, durch Erpressungen und Bestechungen für den Prokonsul und seine Helfershelfer Tür und Tor zu öffnen.

Aber Varus hatte sich verrechnet. Die Deutschen waren keine Syrer. Mit seiner aufgedrängten römischen Zivilisation imponierte er ihnen nur nach einer Seite hin. Er zeigte den in die Bundesgenossenschaft genötigten Nachbarstämmen nur, welch unerträgliches Joch auch ihnen bevorstehe, und zwang ihnen damit jene Einigung auf, die sie bisher nie hatten finden können.

Varus stand mit drei Legionen in Deutschland, Asprenas mit zwei andren am Niederrhein, nur fünf bis sechs Märsche von Aliso, dem Kernpunkt der Stellung, entfernt. Einer solchen Macht gegenüber bot nur ein lange und sorgsam vorbereiteter, dann aber plötzlich geführter Entscheidungsschlag Aussicht auf Erfolg. Der Weg der Verschwörung war also vorgeschrieben. Diese zu organisieren, übernahm Arminius.

Arminius, aus cheruskischem Stammesadel, Sohn des Segimerus, der in seinem Volke ein Geleitherzog zu sein scheint, hatte seine erste Jugend in römischem Kriegsdienst zugebracht, war römischer Sprache und Sitten mächtig. Im römischen Hauptquartier ein häufiger und gern gesehener Gast, dessen Treue über allen Zweifel erhaben schien. Noch am Vorabend des Überfalls baute Varus felsenfest auf ihn. Vellejus nennt ihn

»einen Jüngling von edlem Geschlecht, tapferer Hand, gewandt im Geiste, mehr als sonst Barbaren es sind, einen Jüngling, aus dessen Antlitz und Augen geistiges Feuer leuchtete, der unser steter Begleiter auf den früheren Feldzügen« (also gegen Deutsche) »gewesen war und der neben dem römischen Bürgerrecht den Rang eines römischen Ritters besaß«.

Aber Arminius war mehr als das alles, er war ein großer Staatsmann und ein bedeutender Feldherr. Einmal entschlossen, der rechtsrheinischen Römerherrschaft ein Ende zu machen, wandte er auch die erforderlichen Mittel unbedenklich an. Der, schon sehr von römischem Einfluß beherrschte, heerführende Adel der Cherusker mußte wenigstens größtenteils gewonnen, die Chatten und Chauken, noch mehr aber die direkt unter römischem Joch stehenden Brukterer und Sigamber in die Verschwörung gezogen werden. Alles das erforderte Zeit, so sehr auch Varus' Erpressungen vorgearbeitet hatten; und während dieser Zeit galt es, Varus einzuschläfern. Dies geschah, indem man ihn bei seiner Liebhaberei, dem Gerichthalten, faßte und ihn damit förmlich zum Narren hielt. Die Deutschen [sind], erzählt Vellejus,

»was, wer es nicht selbst erfahren hat, kaum glauben wird, bei der höchsten Wildheit durch und durch verschlagene Köpfe und ein Geschlecht, wie geschaffen zum Lügen« –[443] die Deutschen »spiegelten ihm eine ganze Reihe von ersonnenen Rechtshändeln vor; bald belangte einer den andern ohne Grund, bald sagten sie ihm Dank, daß er das alles mit römischer Gerechtigkeit entscheide, daß ihre Wildheit durch die neue, unbekannte Zucht und Ordnung schon nachzulassen anfinge und daß, was sonst mit den Waffen ausgemacht zu werden pflegte, nunmehr nach Recht und Billigkeit auseinandergesetzt werde. So verführten sie ihn zur höchsten Sorglosigkeit, 80 sehr, daß er glaubte, als Stadtprätor auf dem Forum Recht zu sprechen, nicht mitten in deutschen Landen ein Heer zu befehligen.«

So verstrich der Sommer des Jahres 9. Um den Erfolg noch mehr zu sichern, hatte man den Varus verleitet, seine Truppen durch allerlei Detachierungen zu zersplittern, was bei dem Charakter des Mannes und unter den Umständen nicht schwer sein konnte.

»Varus«, sagt Dio, »hielt seine Heeresmacht nicht, wie es sich in Feindesland gebührt, gehörig zusammen, sondern überließ die Soldaten scharenweise hülfsbedürftigen Leuten, die darum baten, bald um irgendeinen festen Platz zu bewachen, bald um Räuber einzufangen, bald um Getreidetransporte zu begleiten.«

Inzwischen waren die Hauptverschworenen, namentlich Arminius und Segimerus, stets um ihn und häufig an seiner Tafel. Nach Dio wurde Varus schon jetzt gewarnt, aber sein Vertrauen kannte keine Grenzen. Endlich im Herbst, als alles zum Losschlagen vorbereitet und man Varus mit seiner Hauptmacht ins Cheruskerland, bis an die Weser gelockt hatte, gab ein fingierter Aufstand in einiger Entfernung das Zeichen. Noch als Varus diese Nachricht erhielt und den Befehl zum Aufbruch gab, warnte ihn ein andrer Cheruskerhäuptling, Segestes, der mit des Arminius Familie in einer Art Clanfeindschaft gestanden zu haben scheint. Varus wollte ihm nicht glauben. Da schlug ihm Segestes vor, ihn selbst, den Arminius und die andern Cheruskerhäuptlinge in Fesseln zu legen, ehe er abmarschiere; der Erfolg werde dann zeigen, wer recht habe. Aber Varus' Zuversicht war unerschütterlich, auch als bei seinem Abzuge die Verschwornen zurückblieben, unter dem Vorwand, Bundesgenossen zu sammeln und damit zu ihm zu stoßen.

Das geschah denn auch in der Tat, aber nicht wie Varus erwartet. Die cheruskische Mannschaft war bereits versammelt. Das erste, was sie tat, war, die bei ihnen stationierten, von ihnen selbst früher erbetenen römischen Abteilungen zu erschlagen und sodann Varus auf seinem Marsch in die Flanke zu fallen. Dieser bewegte sich auf schlechten Waldwegen, denn hier, im Cheruskerland, gab es noch keine chaussierten römischen Heerstraßen. Überfallen, erkennt er endlich seine Lage, ermannt sich und zeigt von nun an den römischen Feldherrn – aber zu spät. Er läßt seine Truppen aufschließen, den zahlreichen Troß von Weibern, Kindern, Wagen, Lasttieren[444] usw. ordnen und schützen, so gut es bei den engen Wegen und in den dichten Wäldern geht, und wendet sich seiner Operationsbasis zu – wofür wir Aliso annehmen müssen. Strömender Regen erweichte den Boden, hemmte den Marsch, brach stets aufs neue die Ordnung bei dem übermäßigen Troß. Es gelang Varus, unter schweren Verlusten, einen dichtbewaldeten Berg zu erreichen, der indes freien Platz für ein notdürftiges Lager bot, das auch noch in ziemlicher Ordnung und nach der Vorschrift bezogen und verschanzt wurde; das Heer des Germanicus, das die Stelle nach sechs Jahren besuchte, erkannte darin noch deutlich »dreier Legionen Werk«. Mit der der Lage entsprechenden Entschlossenheit ließ hier Varus alle nicht durchaus notwendigen Wagen und Gepäckstücke verbrennen. Am nächsten Tage kam er durch ein offenes Gelände, litt aber wieder so bedeutend, daß die Truppen noch mehr auseinanderkamen und das Lager am Abend schon nicht mehr ordnungsgemäß befestigt werden konnte; Germanicus fand nur einen halb eingestürzten Wall und flachen Graben. Am dritten Tage ging der Marsch wieder durch Waldgebirg, und hier verloren Varus und die meisten Führer den Mut. Varus tötete sich selbst, die Legionen wurden fast bis auf den letzten Mann vernichtet. Nur die Reiterei entkam unter Vala Numonius; auch einzelne Flüchtlinge von den Fußtruppen scheinen sich nach Aliso gerettet zu haben. Aliso selbst hielt sich wenigstens noch einige Zeit, da die Deutschen den regelmäßigen Belagerungsangriff nicht kannten; später schlug sich die Besatzung ganz oder teilweise durch. Asprenas, eingeschüchtert, scheint sich auf einen kurzen Vormarsch zu ihrer Aufnahme beschränkt zu haben. Brukterer, Sigamber, alle kleineren Völker standen auf, die römische Macht war wieder über den Rhein geworfen.

Über die Örtlichkeiten dieses Feldzugs ist viel gestritten [worden]. Am wahrscheinlichsten ist, daß Varus vor der Schlacht im Talkessel von Rinteln stand, irgendwo zwischen Hausberge und Hameln; daß der fingierte Aufstand und auf den ersten Überfall hin beschlossene Rückzug nach der Dörenschlucht bei Detmold ging, die einen ebenen und breiten Paß durch den Osning bildet. Dies ist im allgemeinen auch die traditionell gewordene Ansicht, und stimmt mit den Quellen wie mit den militärischen Notwendigkeiten der Kriegslage. Ob Varus die Dörenschlucht erreicht, bleibt ungewiß; der Durchbruch der Reiterei und vielleicht der Spitze des Fußvolks scheint dafür zu sprechen.

Die Nachricht von der Vernichtung der drei Legionen und dem Aufstand des ganzen Westdeutschlands traf Rom wie ein Donnerschlag. Schon sah man Arminius über den Rhein ziehen und Gallien insurgieren,[445] Maroboduus von der andern Seite die Donau überschreiten und die kaum gebändigten Pannonier zum Zug über die Alpen mit sich fortreißen. Und Italien war schon so erschöpft, daß es fast keine Mannschaft mehr stellen konnte. Dio erzählt, wie in der Bürgerschaft nur noch wenige waffenfähige junge Leute waren, wie die älteren sich sträubten einzutreten, so daß Augustus sie mit Vermögenskonfiskation und selbst einige mit dem Tode strafte; wie der Kaiser endlich aus Freigelassenen und schon Ausgedienten notdürftig einige Truppen zum Schutz Roms zusammenbrachte, seine deutsche Leibwache entwaffnete und alle Deutschen aus der Stadt verwies.

Indes ging Arminius nicht über den Rhein, Maroboduus dachte an keinen Angriff, und so konnte Rom sich ungestört seinen Wutausbrüchen über die »treubrüchigen Germanen« überlassen. Wir sahen schon, wie Vellejus sie beschrieb, als »durch und durch verschlagene Köpfe, ein Volk, wie geschaffen zum Lügen«. Ebenso Strabo. Er weiß nichts von »deutscher Treue« und »welscher Tücke«, ganz im Gegenteil. Während er die Kelten »einfach und ohne Falsch« nennt, so einfältig, daß sie »vor aller Augen und ohne Vorsicht zum Kampf eilen, so daß ihren Gegnern der Sieg leicht wird« – heißt es von den Germanen:

»Gegen sie war es immer vorteilhaft. Ihnen nicht zu trauen; denn diejenigen, denen man traute, haben großen Schaden angerichtet, z.B. die Cherusker, bei denen drei Legionen samt dem Feldherrn Varus mit Verletzung der Verträge in einem Hinterhalt umkamen.«

Von den entrüsteten und rachedürstenden Versen Ovids gar nicht zu sprechen. Man meint, französische Schriftsteller aus der besten chauvinistischen Zeit zu lesen, die die Schale ihres Zorns ausgießen über den Treubruch Yorcks und den Verrat der Sachsen bei Leipzig. Die Deutschen hatten die Vertragstreue und Redlichkeit der Römer hinreichend kennengelernt, als Cäsar die Usipeter und Tenkterer während der Unterhandlung und des Waffenstillstands überfiel; sie hatten sie kennengelernt, als Augustus die Gesandten der Sigamber, vor deren Ankunft er jede Verhandlung mit den deutschen Stämmen verweigerte, gefangennehmen ließ. Es ist allen erobernden Völkern gemein. Ihre Gegner auf jede Art zu überlisten; und dies finden sie ganz in der Ordnung; sobald sich die Gegner jedoch dasselbe erlauben, nennen jene es Treubruch und Verrat. Die Mittel aber, die man zur Unterjochung anwendet, müssen auch gestattet sein zur Abwertung des Jochs. Solange es ausbeutende und herrschende Völker und Klassen auf einer, ausgebeutete und beherrschte auf der andern Seite gibt, solange wird die Anwendung der List neben der der Gewalt auf beiden Seiten eine Notwendigkeit sein, gegen die alle Moralpredigt machtlos bleibt.[446]

So kindisch auch das dem Arminius bei Detmold errichtete Phantasiestandbild ist – es hat nur das eine Gute gehabt, Louis-Napoleon zur Errichtung eines ebenso lächerlichen Phantasiekolosses des Vercingetorix auf einem Berge bei Alise[-Sainte-Reine] zu verleiten –, so richtig bleibt es, daß die Varusschlacht einen der entscheidendsten Wendepunkte der Geschichte bildet. Mit ihr war die Unabhängigkeit Deutschlands von Rom ein für allemal entschieden. Es läßt sich darüber viel zwecklos hin und her streiten, ob denn diese Unabhängigkeit für die Deutschen selbst ein so großer Gewinn war; sicher ist, daß ohne sie die ganze Geschichte eine andre Richtung eingeschlagen hätte. Und wenn in der Tat die ganze folgende Geschichte der Deutschen fast nur eine große Reihe von – großenteils selbstverschuldeten – Nationalunglücksfällen darstellt, so daß auch die bestechendsten Erfolge fast immer zum Schaden des Volks ausschlagen – so muß man doch sagen, daß die Deutschen hier, am Anfang ihrer Geschichte, entschieden Glück hatten.

Es waren die letzten Lebenskräfte der sterbenden Republik, die Cäsar zur Unterwerfung Galliens verwendet hatte. Die Legionen, seit Marius aus geworbnen Söldnern, aber immer noch ausschließlich Italiern gebildet, starben seit Cäsar buchstäblich aus, in dem Maß wie die Italier selbst unter den reißend um sich greifenden Latifundien und ihrer Sklavenbewirtschaftung ausstarben. Die 150000 Mann, die die geschlossene Infanterie der 25 Legionen ausmachten, waren nur durch Aufwendung der äußersten Mittel zusammenzuhalten. Die zwanzigjährige Dienstzeit wurde nicht eingehalten, die ausgedienten Veteranen wurden gezwungen, auf unbestimmte Zeit bei der Fahne zu bleiben. Das war der Hauptgrund der Meuterei der rheinischen Legionen beim Tode des Augustus, die Tacitus so anschaulich schildert und die in ihrer wunderlichen Mischung von Aufsässigkeit und Disziplin so lebhaft an die Meutereien der spanischen Soldaten Philipps II. In den Niederlanden erinnert, in beiden Fällen das feste Gefüge des Heeres bezeugend, dem das gegebne Wort vom Fürsten gebrochen war. Wir sahen, wie vergebens Augustus' Versuch blieb, nach der Varusschlacht die alten, längst außer Übung gekommenen Aushebungsgesetze wieder durchzuführen; wie er auf schon Ausgediente zurückgreifen mußte und selbst auf Freigelassene – er hatte diese schon einmal während des pannonischen Aufstandes eingestellt. Der Ersatz an freien italischen Bauernsöhnen war mit den freien italischen Bauern selbst verschwunden. Jedes neue, den Legionen zugeführte Ersatzkontingent verschlechterte die Qualität des Heeres. Und da man dennoch diese Legionen, den schwer zu erhaltenden Kern der ganzen Heeresmacht, möglichst schonen mußte, treten die Hülfstruppen[447] mehr und mehr in den Vordergrund, schlagen die Schlachten, in denen die Legionen nur noch die Reserve bilden, so daß schon zu Claudius' Zeit die Bataver sagen konnten: mit dem Blut der Provinzen würden die Provinzen erobert.

Mit einem solchen, sich mehr und mehr der altrömischen Disziplin und Festigkeit und damit der altrömischen Kampfweise entfremdenden, mehr und mehr aus Provinzialen, endlich sogar meist aus reichsfrem den Barbaren sich zusammensetzenden Heer waren jetzt schon fast keine großen Angriffskriege mehr zu führen – bald auch keine großen Angriffsschlachten mehr zu schlagen. Die Entartung des Heers verwies den Staat auf die Defensive, die zuerst noch angriffsweise, bald aber immer passiver geführt wurde, bis endlich das Schwergewicht des Angriffs, ganz auf Seite der Deutschen gekommen, auf der ganzen Linie von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer über Rhein und Donau unaufhaltsam hereinbrach.

Inzwischen galt es, selbst zur Sicherung der Rheinlinie, den Deutschen auf ihrem eignen Gebiet das Übergewicht der römischen Waffen wieder fühlbar zu machen. Zu diesem Zweck eilte Tiberius an den Rhein, stellte die erschlaffte Disziplin durch eignes Beispiel und strenge Strafen wieder her, beschränkte den Troß des mobilen Heeres aufs Notwendigste und durchzog Westdeutschland in zwei Feldzügen (Jahre 10 und 11). Die Deutschen stellten sich nicht zu Entscheidungsschlachten, die Römer wagten nicht, ihre Winterlager rechts des Rheins zu beziehn. Ob Aliso und das an der Emsmündung im Lande der Chauken angelegte Kastell auch im Winter ständige Besatzung behielten, wird nicht gesagt, ist aber wohl anzunehmen.

Im August 14 starb Augustus. Die rheinischen Legionen, denen weder Entlassung nach vollbrachter Dienstzeit noch Soldzahlung eingehalten worden, weigerten sich, Tiberius anzuerkennen und proklamierten des Drusus Sohn Germanicus zum Kaiser. Dieser stillte den Aufstand selbst, brachte die Truppen zum Gehorsam zurück und führte sie in drei von Tacitus geschilderten Feldzügen nach Deutschland. Hier trat ihm Arminius entgegen und bewies sich als ein seines Gegners vollkommen würdiger Feldherr. Er suchte alle Entscheidungsschlachten im öffnen Gelände zu vermeiden, den Marsch der Römer möglichst zu hindern und sie nur in Sümpfen und Engpässen anzugreifen, wo sie sich nicht entwickeln konnten. Aber die Deutschen folgten ihm nicht immer. Kampflust riß sie oft fort zu Gefechten unter ungünstigen Umständen, Beutegier rettete mehr als einmal die schon in der Falle festsitzenden Römer. So erfocht Germanicus zwei unfruchtbare Siege auf Idisiavisus und am angrivarischen Grenzwall, entkam mit Not auf den Rückzügen durch die Defileen der Sümpfe, verlor Schiffe und Mannschaft[448] durch Stürme und Fluten an der friesischen Küste und wurde endlich nach dem Feldzuge des Jahres 16 von Tiberius abberufen. Damit nahmen die Römerzüge ins innere Deutschlands ein Ende.

Aber die Römer wußten nur zu gut, daß man eine Flußlinie nur dann beherrscht, wenn man auch den Übergang aufs jenseitige Ufer beherrscht. Welt entfernt, sich passiv hinter den Rhein zurückzuziehn, verlegt sich die römische Defensive aufs rechte Ufer. Die Römerschanzen, die das Gebiet der unteren Lippe, Ruhr und Wupper in großen, wenigstens in einzelnen Fällen späteren Gauen entsprechenden Gruppen bedecken, [und] die vom Rhein bis an die Grenze der Grafschaft Mark ausgebauten Heerstraßen lassen vermuten, daß hier ein System von Verteidigungswerken lag, dessen Zug von der Ijssel bis an die Sieg der jetzigen Grenzlinie zwischen Franken und Sachsen entsprach – mit einzelnen Abweichungen der Grenze der Rheinprovinz gegen Westfalen. Dies im 7. Jahrhundert wohl noch einigermaßen verteidigungsfähige System wäre es dann auch, das die damals vordringenden Sachsen vom Rhein abgehalten und so ihre heutige Stammesgrenze gegen die Franken festgestellt hat. Die interessantesten Entdeckungen sind hier erst in den letzten Jahren (von J. Schneider) gemacht; es werden also wohl noch weitere zu erwarten sein.

Weiter rheinaufwärts wurde allmählich, besonders unter Domitian und Hadrian, der große römische Grenzwall ausgebaut, der sich von unterhalb Neuwied über die Montabaurer Höhe nach Ems zieht, dort die Lahn überschreitet, bei Adolfseck sich westlich wendet, dem Nordabhang des Taunus folgend als nördlichsten Punkt Grüningen in der Wetterau umfaßt und von dort aus, in südsüdöstlicher Richtung verlaufend, südlich von Hanau den Main erreicht. Von hier aus geht der Wall auf dem linken Mainufer bis Miltenberg; von da in nur einmal gebrochener grader Linie bis an die württembergische Rems in die Nähe der Burg Hohenstaufen. Hier wendet die später, wahrscheinlich unter Hadrian, fortgebaute Linie sich östlich, über Dinkelsbühl, Gunzenhausen, Ellingen und Kipfenberg, und erreicht bei Irnsing oberhalb Kelheim die Donau. Hinter dem Wall lagen kleinere Schanzen und in weiterer Entfernung größere feste Plätze als Rückhalt. Das hiermit abgeschlossene rechtsrheinische Land, das wenigstens südlich vom Main seit der Vertreibung der Helvetier durch die Sueven wüst gelegen hatte, wurde nach Tacitus durch gallische Vagabunden, Nachzügler der Truppen, bevölkert.

So traten an Rhein, Pfahlgraben und Donau allmählich ruhigere und gesichertere Zustände ein. Kämpfe und Streifzüge dauerten fort, aber die gegenseitigen Gebietsgrenzen blieben ein paar hundert Jahre unverändert.[449]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 19, S. 437-450.
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Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

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