Vierte Vorlesung

[447] [Was unentbehrlich sey zu einem seligen Leben; was dagegen nur unter Bedingungen nothwendig? So sey die Beantwortung der Frage: wie, da das Seyn ebenso dasey, wie es in sich selbst sey, – als Eines, – in dieses sein Daseyn, oder das Bewusstseyn, die Mannigfaltigkeit eintreten könne? – nur unter Bedingung nothwendig. – Beantwortung dieser Frage. Das aus der lediglich im Daseyn vorkommenden Unterscheidung folgende Als, oder die Charakteristik durch den Gegensatz, sey der absolute Gegensatz und das Princip aller anderen Trennung Es setze dieses Als ein stehendes Seyn des Charakterisirten, wodurch das, was an sich inneres göttliches Leben sey, in eine ruhende Welt verwandelt werde. Diese Welt werde charakterisirt oder gestaltet durch das Factum jenes Als, welches Factum sey eine absolut freie Selbstständigkeit – ins unbedingte und unendliche fort.]


Ehrwürdige Versammlung,


Lassen Sie uns unsere heutige Betrachtung beginnen mit einem Ueberblicke unserer eigentlichen Absicht sowohl, als des bisher für diese Absicht Geleisteten.

Meine Meinung ist: der Mensch sey nicht zum Elende bestimmt, sondern es könne Friede, Ruhe und Seligkeit ihm zu Theil werden, – schon hienieden, überall und immer, wenn er nur selbst es wolle; doch könne diese Seligkeit durch keine äussere Macht, noch durch eine Wunderthat dieser äusseren Macht ihm angefügt werden, sondern er müsse sie selber mit seinen eigenen Händen in Empfang nehmen. Der Grund alles Elendes unter den Menschen sey ihre Zerstreutheit in dem Mannigfaltigen und Wandelbaren; die einzige und absolute Bedingung des seligen Lebens sey die Erfassung des Einen und Ewigen mit inniger Liebe und Genusse: wiewohl dieses Eine freilich nur im Bilde erfasst, keinesweges aber wir selber in der Wirklichkeit zu dem Einen werden, noch in dasselbe uns verwandeln können.

Diesen soeben ausgesprochenen Satz selbst nun wollte ich fürs erste an Ihre klare Einsicht bringen, und Sie von der Wahrheit desselben überzeugen. – Wir beabsichtigen hier Belehrung und Erleuchtung, welche allein auch dauernden Werth hat; keinesweges eine flüchtige Rührung und Erweckung der Phantasie, welche grösstentheils spurlos vergeht. Zu Erzeugung dieser beabsichtigten klaren Erkenntniss gehören nun folgende Stücke: zuerst, dass man das Seyn begreife als schlechthin von und durch sich selber seiend; als Eins, und als in sich unwandelbar und unveränderlich. Diese Erkenntniss des Seyns ist nun keinesweges ein ausschliessendes[447] Eigenthum der Schule, sondern jedweder Christ, der nur in seiner Kindheit eines gründlichen Religionsunterrichts genossen, hat schon damals, bei der Erklärung des göttlichen Wesens, – unseren Begriff vom Seyn erhalten. Zweitens gehörte zu dieser Einsicht die Erkenntniss, dass wir, die verständigen Wesen in Rücksicht dessen, was wir an uns selbst sind, keinesweges jenes absolute Seyn sind, aber denn doch in der innersten Wurzel unseres Daseyns mit ihm zusammenhangen, indem wir ausserdem gar nicht vermöchten, dazuseyn. Diese letztere Erkenntniss kann nun, besonders in Rücksicht des Wie dieses unseres Zusammenhanges mit der Gottheit, mehr oder minder klar seyn. Wir haben dieselbe in der höchsten Klarheit, in welcher sie unseres Erachtens populär gemacht werden kann, also hingestellt: – Es ist, ausser Gott, gar nichts wahrhaftig und in der eigentlichen Bedeutung des Wortes da, denn – das Wissen: und dieses Wissen ist das göttliche Daseyn selber, schlechthin und unmittelbar, und inwiefern wir das Wissen sind, sind wir selber in unserer tiefsten Wurzel das göttliche Daseyn. Alles andere, was noch als Daseyn uns erscheint, – die Dinge, die Körper, die Seelen, wir selber, inwiefern wir uns ein selbstständiges und unabhängiges Seyn zuschreiben, – ist gar nicht wahrhaftig und an sich da; sondern es ist nur da im Bewusstseyn und Denken, als Bewusstes und Gedachtes, und durchaus auf keine andere Weise. Dies, sage ich, ist der klarste Ausdruck, in welchem, meines Erachtens, jene Erkenntniss populär an die Menschen gebracht werden kann. Falls nun aber etwa jemand selbst dies nicht begreifen könnte; ja, falls er etwa über das Wie jenes Zusammenhanges gar nichts zu denken oder zu begreifen vermöchte, so würde ihn dies noch gar nicht vom seligen Leben ausschliessen, oder daran ihm Abbruch thun. Dagegen aber gehört, meiner absoluten Ueberzeugung nach, zum seligen Leben nothwendig folgendes: 1) Dass man überhaupt stehende Grundsätze und Annahmen über Gott und unser Verhältniss zu ihm habe; die nicht bloss als ein auswendig Gelerntes, ohne unsere Theilnahme, im Gedächtnisse schweben, sondern die da für uns selber wahr, und in uns selber[448] lebendig und thätig sind. Denn darin eben besteht die Religion: und wer nicht solche Grundsätze auf eine solche Weise hat, der hat eben keine Religion; und eben darum auch kein Seyn, noch Daseyn, – noch wahrhaftiges Selbst in sich, sondern er fliesset nur ab, wie ein Schatten, am Mannigfaltigen und Vergänglichen. 2) Gehöret zum seligen Leben: dass diese lebendige Religion wenigstens so weit gehe, dass man von seinem eigenen Nichtseyn, und von seinem Seyn lediglich – in Gott und durch Gott – innigst überzeugt sey, und dass man diesen Zusammenhang stets und ununterbrochen wenigstens fühle, und dass derselbe, falls er auch etwa nicht deutlich gedacht und ausgesprochen würde, dennoch die vorborgene Quelle und der geheime Bestimmungsgrund aller unserer Gedanken, Gefühle, Regungen und Bewegungen sey. – Dass dies zu einem seligen Leben unerlasslich erfordert werde, ist unsere absolute Ueberzeugung, sage ich; und diese Ueberzeugung sprechen wir aus für solche, welche die Möglichkeit eines seligen Lebens schon voraussetzen; welche seiner, oder der Bestärkung in ihm, bedürfen, und darum eine Anweisung dazu zu vernehmen begehren. Dessenohnerachtet können wir nicht nur sehr wohl leiden, dass jemand ohne Religion und ohne wahres Daseyn, ohne innere Ruhe und Seligkeit sich behelfe, und ohne sie vortrefflich durchzukommen versichere, wie wahr seyn kann: sondern wir sind auch erbötig, einem solchen alle mögliche Ehre und Würdigkeit, welche er ohne die Religion an sich zu bringen vermag, zuzugestehen, zu gönnen und zu lassen. Wir bekennen bei jeder Gelegenheit freimüthig, dass wir weder in der speculativen Form, noch auch in der populären, irgend einen zu zwingen und unsere Erkenntniss ihm aufzunöthigen vermögen; noch würden wir das wollen, wenn wir es auch könnten.

Das bestimmteste Resultat unserer vorigen Vorlesung, an welches wir heute anzuknüpfen gedenken, war dieses: Gott ist nicht nur, innerlich und in sich verborgen, sondern er ist auch da, und äussert sich; sein Daseyn aber unmittelbar ist nothwendig Wissen, welche letztere Nothwendigkeit im Wissen selber sich einsehen lässt. In diesem seinem Daseyn ist[449] er nun – wie gleichfalls nothwendig ist, und einzusehen ist, als nothwendig – also da, wie er schlechthin in sich selber ist; ohne irgend sich zu verwandeln auf dem Uebergange vom Seyn zum Daseyn, ohne eine zwischen beiden liegende Kluft oder Trennung, oder dess etwas. Gott ist innerlich in sich selbst Eins, nicht mehrere; er ist in sich selbst Einerlei, ohne Veränderung noch Wandel; da er nun da ist gerade also, wie er in sich selber ist, so ist er auch da als Eins, ohne Veränderung noch Wandel; und da das Wissen, oder – wir, – dieses göttliche Daseyn selbst sind, so kann auch in uns, inwiefern wir dieses Daseyn sind, keine Veränderung oder Wandel, kein Mehreres und Mannigfaltiges, keine Trennung, Unterscheidung noch Zerspaltung, stattfinden. – So muss es seyn, und es kann nicht anders seyn: darum ist es also.

Nun aber findet sich dennoch jenes Mannigfaltige, jene Trennungen, Unterscheidungen und Zerspaltungen des Seyns, und in dem Seyn, in der Wirklichkeit, welche im Denken als schlechthin unmöglich einleuchten, und hierdurch entsteht denn die Aufgabe, diesen Widerspruch zwischen der Wahrnehmung der Wirklichkeit und dem reinen Denken zu vereinigen; zu zeigen, wie die widerstreitenden Aussprüche beider dennoch neben einander bestehen, und so beide wahr seyn können; und diese Aufgabe besonders dadurch zu lösen, dass man nachweise, woher denn nun eigentlich, und aus welchem Princip, jene Mannigfaltigkeit in das an sich einfache Seyn komme? –

Zuvörderst und vor allen Dingen: Wer ist es, der die Frage nach dem Grunde des Mannigfaltigen erhebt, und eine solche Einsicht in diesen Grund begehrt, dass er das Mannigfaltige, aus demselben hervorgehend erblicke; und so eine Einsicht in das Wie der Verwandlung und des Ueberganges erhalte? Keinesweges ist es der unerschütterliche und feste Glaube. Dieser fasst sich kurz also: es ist schlechthin nur das Eine, Unwandelbare und Ewige, und nichts ausser ihm; alles Wandelbare und Veränderliche ist darum ganz gewiss nicht, und seine Erscheinung ist ganz gewiss leerer Schein; dies weiss ich: ob ich nun diesen Schein zu erklären vermöge,[450] oder nicht zu erklären, so wird durch das erstere meine Gewissheit ebensowenig fester, als sie durch das letztere wankender wird. Dieser Glaube ruht unerschütterlich in dem Das seiner Einsicht, ohne des Wie zu bedürfen. So beantwortet z.B. das Christenthum, in dem Evangelium Johannis, diese Frage in der That nicht; es berührt dieselbe nicht einmal, oder wundert sich auch nur über das Vorhandenseyn des Vergänglichen, indem es eben jenen festen Glauben hat, und voraussetzt, dass nur das Eine sey, und das Vergängliche durchaus nicht sey. So nun jemand auch unter uns dieses festen Glaubens theilhaftig ist, so erhebt auch Er nicht diese Frage; er bedarf daher auch nicht unserer Beantwortung derselben, und es kann ihm zuletzt, in Beziehung auf das selige Leben, gleichgültig seyn, ob er unsere Beantwortung derselben fasse oder sie nicht fasse.

Wohl aber erhebt diese Frage, und muss durch eine Beantwortung derselben zu den Einsichten, die die Erzeugung eines seligen Lebens bedingen, hindurchgehen, – derjenige, welcher entweder bisher nur an das Mannigfaltige geglaubt und sich zur Ahndung des Einen noch gar nicht erhoben, oder zwischen den beiden Ansichten und der Unentschiedenheit, in welcher von beiden er fest fussen, und die entgegengesetzte aufgeben solle, herumgeworfen worden. Für solche muss ich die aufgegebene Frage beantworten; und ihnen ist es nöthig, dass sie meine Beantwortung derselben fassen.

Die Sache steht so: Inwiefern das göttliche Daseyn unmittelbar sein lebendiges und kräftiges Daseyen ist, – Daseyen sage ich, gleichsam einen Act des Daseyns bezeichnend, – ist es dem inneren Seyn gleich, und ist darum eine unveränderliche, unwandelbare und der Mannigfaltigkeit durchaus unfähige Eins. Darum kann – ich habe hier die doppelte Absicht, theils auf eine populäre Weise die vorliegenden Erkenntnisse an einige erst zu bringen, theils für andere unter den Anwesenden, welche diese Erkenntnisse anderwärts auf dem scientifischen Wege schon erhalten haben, in einen einzigen Strahl und Lichtpunct zusammenzufassen, was sie ehemals vereinzelt erblickt haben; darum drücke ich mich mit der[451] strengsten Präcision aus – darum kann, wollte ich sagen, das Princip der Spaltung nicht unmittelbar in jenen Act des göttlichen Daseyns fallen, sondern es muss ausser denselben fallen; jedoch also, dass dieses Ausser einleuchte als unmittelbar mit jenem lebendigen Acte verknüpft, und aus ihm nothwendig folgend; dass keinesweges aber etwa in diesem Puncte die Kluft zwischen uns und der Gottheit, und unsere unwiederbringliche Ausstossung von ihr, befestiget werde. Ich leite Sie zur Einsicht in dieses Princip der Mannigfaltigkeit also:

1) Was das absolute Seyn, oder Gott, ist, das Ist er schlechthin und unmittelbar durch und von sich: nun ist er unter anderm auch da; äussert und offenbaret sich: dieses Daseyn – dies ist der Punct, auf den es ankommt – dieses Daseyn ist er daher auch von sich, und nur – im Vonsichseyn unmittelbar, das ist im unmittelbaren Leben und Werden. Er ist, in seinem Existiren, mit seiner ganzen Kraft zu existiren dabei; und nur in diesem seinem kräftigen und lebendigen Existiren besteht seine unmittelbare Existenz: und in dieser Rücksicht ist sie ganz, eins, unveränderlich.

2) Hierin nun ist Seyn und Daseyn völlig in einander aufgegangen, und mit einander verschmolzen und vermischt; denn zu seinem Seyn von sich und durch sich gehört sein Daseyn, und einen anderen Grund kann dieses Daseyn nicht haben: wiederum zu seinem Daseyn gehört alles dasjenige, was er innerlich und durch sein Wesen ist. Der ganze in der vorigen Stunde aufgezeigte Unterschied zwischen Seyn und Daseyn, und der Nichtzusammenhang zwischen beiden, zeigt sich hier als nur für uns, und nur als eine Folge unserer Beschränkung seyend: keinesweges aber als an sich und unmittelbar in dem göttlichen Daseyn seyend.

3) Ferner sagte ich in der vorigen Vorlesung: das Seyn darf in dem blossen Daseyn mit dem Daseyn nicht vermischt, sondern beides muss von einander unterschieden werden, damit das Seyn als Seyn, und das Absolute als Absolutes heraustrete. Diese Unterscheidung, und dieses Als der beiden zu Unterscheidenden, ist zunächst in sich selber absolute Trennung, und das Princip aller nachmaligen Trennung und Mannigfaltigkeit,[452] wie Sie auf folgende Weise in Kurzem sich klar machen können.

a. Zuvörderst das Als der beiden liefert nicht unmittelbar ihr Seyn, sondern es liefert nur was sie sind, ihre Beschreibung und Charakteristik: es liefert sie im Bilde; und zwar liefert es – ein gemischtes, sich durchdringendes und gegenseitig sich bestimmendes Bild beider; indem jedes von den beiden zu begreifen und zu charakterisiren ist nur durch das zweite, dass es nicht sey, was das andere ist, und umgekehrt, dass das andere nicht sey, was dieses ist. – Mit dieser Unterscheidung hebt nun das eigentliche Wissen und Bewusstseyn – wenn Sie wollen und was dasselbe heisst: das Bilden, Beschreiben und Charakterisiren, mittelbare Erkennen und Anerkennen, oben durch den Charakter und das Merkmal, an, und in diesem Unterscheiden liegt das eigentliche Grundprincip des Wissens. Es ist reine Relation; die Relation zweier liegt aber durchaus nicht weder in dem einen, noch in dem anderen, sondern zwischen beiden, und als ein drittes, welches die eigentliche Natur des Wissens, als ein vom Seyn durchaus verschiedenes, anzeigt.

b. Dieses Unterscheiden geschieht nun im Daseyn selber, und gehet von ihm aus; da nun das Unterscheiden sein Object nicht unmittelbar, sondern nur das Was desselben und seinen Charakter fasset, so fasset auch das Daseyn im Unterscheiden, d. i. im Bewusstseyn, nicht unmittelbar sich selbst, sondern es fasset sich nur im Bilde und Repräsentanten. Es begreift sich nicht unmittelbar wie es ist, sondern es begreift sich nur innerhalb der, im absoluten Wesen des Begreifens liegenden Grenzen. Dies populär ausgedrückt: wir begreifen zu allernächst und selber nicht, wie wir an sich sind: und dass wir das Absolute nicht begreifen, davon liegt der Grund nicht in dem Absoluten, sondern er liegt in dem Begriffe selber, der sogar sich nicht begreift. Vermöchte er nur sich zu begreifen, so vermöchte er ebensowohl das Absolute zu[453] begreifen; denn in seinem Seyn jenseits des Begriffes ist er das Absolute selber.

c. Also das Bewusstseyn, als ein Unterscheiden, ist es, in welchem das ursprüngliche Wesen des göttlichen Seyns und Daseyns – eine Verwandlung erfährt. Welches ist nun der absolut Eine und unveränderliche Grundcharakter dieser Verwandlung? –

Bedenken Sie folgendes: Das Wissen, als ein Unterscheiden, ist ein Charakterisiren der Unterschiedenen; alle Charakteristik aber setzt durch sich selbst das stehende und ruhende Seyn und Vorhandenseyn des charakterisirt werdenden voraus. Also, durch den Begriff wird zu einem stehenden und vorhandenen Seyn (die Schule würde hinzusetzen, zu einem Objectiven, welches aber selbst aus dem ersten folgt, und nicht umgekehrt) dasjenige, was an sich unmittelbar das göttliche Leben im Leben ist, und oben auch also beschrieben wurde. Also: das lebendige Leben ist es, was da verwandelt wird; und ein stehendes und ruhendes Seyn ist die Gestalt, welche es in dieser Verwandlung annimmt, oder: die Verwandlung des unmittelbaren Lebens in ein stehendes und todtes Seyn ist der gesuchte Grundcharakter derjenigen Verwandlung, welche der Begriff mit dem Daseyn vornimmt. – Jenes stellende Vorhandenseyn ist der Charakter desjenigen, was wir die Welt nennen; der Begriff daher ist der eigentliche Weltschöpfer, vermittelst der aus seinem inneren Charakter erfolgenden Verwandlung des göttlichen Lebens in ein stehendes Seyn, und nur für den Begriff und im Begriffe ist eine Welt, als die nothwendige Erscheinung des Lebens im Begriffe; jenseits des Begriffes aber, d.h. wahrhaftig und an sich, ist nichts und wird in alle Ewigkeit nichts, denn der lebendige Gott in seiner Lebendigkeit.

d. Die Welt hat in ihrem Grundcharakter sich gezeigt, als hervorgehend aus dem Begriffe; welcher Begriff wiederum nichts ist, denn das Als zum göttlichen Seyn und Daseyn. Wird nun etwa diese Welt im Begriffe, und der Begriff[454] an ihr noch eine neue Form annehmen? – es versteht sich mit Nothwendigkeit, und also, dass die Nothwendigkeit einleuchte?

Um diese Frage zu beantworten, überlegen Sie mit mir folgendes: Das Daseyn erfasset sich selber, sagte ich oben, im Bilde, und Mit einem dasselbe vom Seyn unterscheidenden Charakter. Dies thut es nun schlechthin durch und von sich selbst, und durch seine eigene Kraft; auch erscheint diese Kraft der gewöhnlichen Selbstbeobachtung in allem sich Zusammennehmen, Aufmerken und seine Gedanken auf einen bestimmten Gegenstand Richten (mit dem Kunstausdrucke nennt man diese selbstständige Sicherfassung des Begriffs die Reflexion; und so wollen auch wir es fernerhin nennen). Diese Kraftanwendung des Daseyns und Bewusstseyns folgt daraus dass ein Als des Daseyns seyn soll: dieses Soll selbst aber ist gegründet unmittelbar in dem lebendigen – Daseyen Gottes. Der Grund der Selbstständigkeit und Freiheit des Bewusstseyns liegt freilich in Gott; aber ebendarum und deswegen, weil er in Gott liegt, ist die Selbstständigkeit und Freiheit wahrhaftig da, und keinesweges ein leerer Schein. Durch sein eigenes – – Daseyn, und zufolge des inneren Wesens desselben, stösst Gott zum Theil; d.h. inwiefern es Selbstbewusstseyn wird, sein Daseyn aus von sich, und stellt es hin wahrhaft selbstständig und frei; welchen Punct, als denjenigen, der das letzte und tiefste Misverständniss der Speculation löst, ich hier nicht übergehen wollte.

Das Daseyn erfasset sich mit eigener und selbstständiger Kraft: dies war das Erste, was ich Ihnen hierbei bemerkbar machen wollte. Was entsteht ihm denn nun in diesem Erfassen? Dies ist das Zweite, worauf ich Ihr Nachdenken zu richten wünsche. Indem es fürs erste nur schlechtweg auf sich hinsieht in seinem Vorhandenseyn, so entsteht ihm unmittelbar in dieser kräftigen Richtung auf sich selbst die Ansicht, dass es das und das sey, den und den Charakter trage; also – dies ist der[455] allgemeine Ausdruck, den ich Sie wohl zu fassen bitte – also, in der Reflexion auf sich selbst spaltet sich das Wissen durch sich selber und seine eigene Natur, indem es nicht nur überhaupt – sich einleuchtet, welches Eins wäre; sondern zugleich auch sich einleuchtet als das und das, welches zum ersten das zweite giebt; – ein aus dem ersten gleichsam herausspringendes; so dass die eigentliche Grundlage der Reflexion gleichsam in zwei Stücke zerfällt. Dies ist das wesentliche Grundgesetz der Reflexion.

e. Nun ist der erste und unmittelbare Gegenstand der absoluten Reflexion das Daseyn selber, welches, durch die schon oben erklärte Form des Wissens, aus einem lebendigen Leben sich in ein stehendes Seyn, oder in eine Welt verwandelt hat: also der erste Gegenstand der absoluten Reflexion ist die Welt. Diese Welt muss, zufolge der soeben abgeleiteten inneren Form der Reflexion, in dieser Reflexion zerspringen und sich zerspalten also, dass die Welt oder das stehende Daseyn überhaupt, und im allgemeinen, mit einem bestimmten Charakter heraustrete, und die allgemeine Welt in der Reflexion zu einer besonderen Gestalt sich gebäre. Dies liegt, wie gesagt, in der Reflexion als solcher; die Reflexion aber ist, wie gleichfalls gesagt worden, in sich selber absolut frei und selbstständig. Wird daher nicht reflectirt, wie es denn zufolge der Freiheit wohl unterlassen werden kann, so erscheint nichts; wird aber ins Unendliche fort von Reflexion auf Reflexion reflectirt, wie zufolge derselben Freiheit wohl geschehen kann, so muss jeder neuen Reflexion die Welt in einer neuen Gestalt heraustreten, und so in einer unendlichen Zeit, welche gleichfalls nur durch die absolute Freiheit der Reflexion erzeugt wird, ins Unendliche fort sich verändern und gestalten, und hinfliessen als ein unendliches Mannigfaltige. – So wie der Begriff überhaupt sich zeigte als Welterzeuger, so zeigt hier das freie Factum der Reflexion sich als Erzeuger der Mannigfaltigkeit, und einer unendlichen Mannigfaltigkeit, in der Welt; welche Welt jedoch, ohngeachtet jener Mannigfaltigkeit, dieselbe bleibt[456] darum, weil der Begriff überhaupt in seinem Grundcharakter Einer und derselbe bleibt.

f. Und nun fassen Sie das Gesagte also in einen Blick zusammen: das Bewusstseyn, oder auch wir selber, – ist das göttliche Daseyn selber, und schlechthin Eins mit ihm. In diesem Seyn fasst es sich nun, und wird dadurch Bewusstseyn; und sein eigenes oder auch das göttliche wahrhaftige Seyn, wird ihm zur Welt. Was ist denn nun in diesem Zustande in seinem Bewusstseyn? Ich denke, jeder wird antworten: die Welt, und nichts denn die Welt. Oder, ist etwa in diesem Bewusstseyn auch das unmittelbare göttliche Leben? Ich denke, jeder wird antworten: nein: denn das Bewusstseyn kann schlechthin nicht anders, als jenes unmittelbare Leben in eine Welt verwandeln, und so wie Bewusstseyn gesetzt ist, ist, diese Verwandlung als geschehen gesetzt; und das absolute Bewusstseyn ist eben durch sich selbst die unmittelbare, und darum nicht wieder bewusste Vollziehung dieser Verwandlung. Nun aber, – wo ist denn jenes unmittelbare göttliche Leben, welches in seiner Unmittelbarkeit das Bewusstseyn ja seyn soll, – wo ist es denn hingeschwunden, da es laut unseres eigenen, durch unsere Sätze durchaus nothwendig gewordenen Geständnisses, – im Bewusstseyn, seiner Unmittelbarkeit nach, unwiederbringlich ausgetilgt ist? Wir antworten: es ist nicht verschwunden, sondern es ist und bleibt da, wo es allein seyn kann; im verborgenen und dem Begriffe unzugänglichen – Seyn des Bewusstseyns; in dem, was allein das Bewusstseyn trägt und es im Daseyn erhält, und es im Daseyn möglich macht. Im Bewusstseyn verwandelt das göttliche Leben sich unwiederbringlich in eine stehende Welt: ferner aber ist jedes wirkliche Bewusstseyn ein Reflexionsact; der Reflexionsact aber spaltet unwiederbringlich die Eine Welt in unendliche Gestalten, deren Auffassung nie vollendet werden kann, von denen daher immer nur eine endliche Reihe ins Bewusstseyn eintritt. Ich frage: wo bleibt denn also die Eine, in sich geschlossene und vollendete Welt, als[457] das eben abgeleitete Gegenbild des in sich selber geschlossenen göttlichen Lebens? Ich antworte: sie bleibt da, wo allein sie ist – nicht in einer einzelnen Reflexion, sondern in der absoluten und Einen Grundform des Begriffes; welche du niemals im wirklichen unmittelbaren Bewusstseyn, wohl aber in dem darüber sich erhebenden Denken wiederherstellen kannst; ebenso wie du in demselben Denken das noch weiter zurückliegende und noch tiefer verborgene göttliche Leben wiederherstellen kannst. Wo bleibt denn nun in diesem, durch unaufhörliche Veränderungen ablaufenden Strome der wirklichen Reflexion und ihrer Weltgestaltung das Eine, ewige und unveränderliche, in dem göttlichen Daseyn aufgehende Seyn des Bewusstseyns? Es tritt in diesen Wechsel gar nicht ein, sondern nur sein Repräsentant, das Bild, tritt darin ein.

So wie schon dein sinnliches Auge ein Prisma ist, in welchem der an sich durchaus sich gleiche, reine und farblose Aether der sinnlichen Welt auf den Oberflächen der Dinge in mannigfaltige Farben sich bricht; – du aber darum keinesweges behaupten wirst, dass der Aether an und für sich farbig sey, sondern nur, dass er in und an deinem Auge, und mit diesem in Wechselwirkung stehend, zu Farben sich breche: und du nun zwar nicht vermagst, den Aether farblos zu – sehen, wohl aber ihn farblos zu – denken; welchem Denken du, nachdem dir die Natur deines sehenden Auges bekannt worden, allein Glauben beimissest: – so verfahre auch in Sachen der geistigen Welt, und mit der Ansicht deines geistigen Auges. Was du siehst, bist ewig du selbst; aber du bist es nicht, wie du es siehst, noch siehest du es, wie du es bist. Du bist es unveränderlich, rein, farben- und gestaltlos. Nur die Reflexion, welche gleichfalls du selber bist, und du darum nie von ihr dich trennen kannst; – nur diese bricht es dir in unendliche Strahlen und Gestalten. Wisse darum doch, dass es nicht an sich, sondern, dass es nur in dieser deiner Reflexion, als deinem geistigen Auge, wodurch allein du zu sehen vermagst, und in Wechselwirkung[458] mit dieser Reflexion gebrochen und gestaltet, und wie ein Mannigfaltiges gestaltet ist; erhebe über diesen Schein, – der in der Wirklichkeit ebenso unaustilgbar ist, als die Farben es in deinem sinnlichen Auge sind – erhebe über diesen Schein dich zum Denken; lass von diesem dich ergreifen; und du wirst von nun an nur ihm Glauben beimessen.

Soviel als ich eben gesagt, soll, meines Erachtens, ein populärer Vortrag beibringen zur Beantwortung der Frage: woher denn, da das Seyn an sich doch schlechthin nur Eines, und unwandelbar und unveränderlich seyn müsse, und als solches dem Denken auch einleuchte, dennoch die Veränderlichkeit und Wandelbarkeit in dasselbe komme, die das wirkliche Bewusstseyn darin antrifft. Das Seyn ist an sich allerdings Eins, das einige göttliche Seyn: und dieses allein ist das wahrhaft Reale in allem Daseyn, und bleibt es in Ewigkeit. Dieses Eine Seyn wird durch die Reflexion, welche im wirklichen Bewusstseyn mit jenem unabtrennlich vereinigt ist, in einen unendlichen Wechsel von Gestalten zerspaltet Diese Spaltung ist, wie gesagt, eine schlechthin ursprüngliche und im wirklichen Bewusstseyn niemals aufzuhebende, oder durch etwas anderes zu ersetzende: die wirklichen Gestalten somit, welche durch diese Zerspaltung das an sich Reale erhalten hat, lassen sich nur im wirklichen Bewusstseyn, und so, dass man sich demselben beobachtend hingebe, – leben und erleben; keinesweges aber erdenken und a priori ableiten. Sie sind reine und absolute Erfahrung, die nichts ist, denn Erfahrung; welche aufheben zu wollen wohl keiner Speculation, die nur sich selber versteht, jemals einfallen wird: und zwar ist der Stoff dieser Erfahrung an jedem Dinge das – absolut ihm allein zukommende, und es individuell charakterisirende; das in dem unendlichen Ablaufe der Zeiten nie wiederkommen, auch niemals vorher dagewesen seyn kann. Wohl aber lassen sich, – geradeso durch die Untersuchung der verschiedenen Gesetze der Reflexion, wie wir soeben das Eine Grundgesetz davon aufgestellt haben, – die allgemeinen Eigenschaften jener, durch die Spaltung entstandenen Gestalten des Einen[459] Realen – in Rücksicht welcher Eigenschaften übereinstimmende Klassen und Arten entstehen – a priori ableiten; und eine systematische Philosophie soll und muss das absolut erschöpfend und vollständig thun. So lässt sich die Materie im Raume, so lässt sich die Zeit, so lassen sich geschlossene Systeme von Welten so lässt sich, wie die das Bewusstseyn fragende Substanz, welche an sich doch auch nur Eine seyn kann, in ein System von verschiedenen, auch als selbstständig erscheinenden Individuen, sich zerspalten, – und alles von dieser Art – aus dem Reflexionsgesetze völlig einleuchtend ableiten. Doch bedarf es dieser Ableitungen mehr, um eine gründliche Einsicht in die besonderen Wissenschaften hervor zubringen, als zur Erweckung eines gottseligen Lebens. Sie fallen darum dem scientifischen Vortrage der Philosophie, als ausschliessendes Eigenthum, anheim, und sind der Popularität weder fähig, noch bedürftig. Hier sonach, in dem erwähnten Puncte, liegt die Grenze zwischen strenger Scienz und Popularität. Wir sind, wie Sie sehen, an dieser Grenze angekommen; und es lässt sich darum wohl erwarten, dass von nun unsere Betrachtung allmählig sich zu denjenigen Regionen herablassen werde, welche, wenigstens in Absicht der Gegenstände, uns auch schon vorher bekannt waren, und die wir mit unserem Denken schon zuweilen berührt haben.

Ausser der heute abgeleiteten Spaltung der im Bewusstseyn aus dem göttlichen Leben entstandenen Welt in eine, in Absicht ihrer Gestaltung ins unendliche veränderlichen Welt, vermittelst der Grundform der Reflexion, – giebt es noch eine andere, mit der ersten Spaltung unabtrennlich verbundene Spaltung derselben Welt, nicht in eine unendliche, sondern in eine fünffache Form ihrer möglichen Ansicht. Wir müssen auch diese zweite Spaltung – wenigstens historisch aufstellen und Ihnen bekannt machen; welches in der nächsten Stunde geschehen wird. Erst nach diesen Vorbereitungen werden wir fähig seyn, das innere Wesen sowohl, als die äusseren Erscheinungen des wahrhaft seligen Lebens fürs erste zu fassen, und, nachdem wir es also gefasst haben, einzusehen, dass es der Seligkeit, und welcher Seligkeit es theilhaftig sey.[460]

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 5, Berlin 1845/1846, S. 447-461.
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