[Kommentare]

[386] 1. Im zweiten Kapitel ist die Untersuchung der äusseren Substanzen vollendet; das gegenwärtige Sûtra soll nun zur Vorbereitung der Untersuchung über die Seele, welche hier in der aufgezählten Ordnung folgt, dienen.

Die Sinnengegenstände, d.h. die Gegenstände der Sinne, nämlich der Geruch, der Geschmack, die Farbe, die Tastbarkeit und der Ton werden je durch einen äusseren Sinn aufgefasst. Unter diesen ist der durch das Gehör aufgefasste Gegenstand, der Ton. Nachdem nun so das Bekanntsein des Tons gezeigt, so ist, in Uebereinstimmung damit, das Bekanntsein des Geruchs bis zur Tastbarkeit gezeigt. Demnach ist der durch den Geruchsinn aufgefasste Gegenstand der Geruch, der durch den Geschmacksinn aufgefasste der Geschmack, der nur vom Gesichtssinne aufgefasste die Farbe, und der nur durch den Tastsinn aufgefasste die Tastbarkeit. U.

Die Smnengegenstände, Farbe, Geschmack, Geruch, Tastbarkeit und Ton, sind bekannt, d.h. sie sind Gegenstände einer gewissen Wahrnehmung. Demnach das Offenbar-Machen, dessen Gegenstände Farbe, Geruch u.s.w. sind, ist allgemein bekannt. V.

2. Das Argument, der Beweisgrund für einen von den Sinnengegenständen verschiedenen Gegenstand, die Seele; und der Sinn ist, das Bekanntsein ist der Beweisgrund für einen Gegenstand, die Seele, welcher verschieden ist von den Sinnengegenständen, d.h. von den Sinnen und den Gegenständen, nämlich den Farben u.s.w. und den Substraten dieser letztern. Obwohl hier eben das Wissen als Beweisgrund gemeint ist, so ist doch, weil das die Farbe u.s.w. offenbarende Bekanntsein noch bekannter ist (als das Wissen), der Beweisgrund unter dieser Bestimmung (als Bekanntsein) angegeben. Demnach für das Bekanntsein muss es irgend ein Substrat geben, entweder, weil es eine Wirkung ist, wie ein Topf, oder weil es eine Eigenschaft oder eine Handlung ist. Dieses Bekanntsein nun ist, weil es eine Handlung ist, durch ein Werkzeug hervorgebracht, gleich der Handlung des Schneidens. Das Werkzeug des Bekanntseins ist der Sinn; dieser aber erfordert einen Handelnden, weil dies im Begriffe des Werkzeuges liegt, gleich einer Axt u.s.w. Demnach das, welchem dies Bekenntniss einwohnt, welches der Führer der Sinnwerkzeuge, wie des Geruchs u.s.w. ist, ist die Seele. U.

[363] Der Sinn ist, das Bekanntsein der Sinnengegenstände, das Offenbaren der Farbe u.s.w., ist das Argument, der Beweisgrund für einen von den Sinnengegenständen, d.h. den Sinnen und den Gegenständen derselben verschiedenen Gegenstand, eine gesonderte Substanz, welche Seele heisst. Demnach durch den Schluss, das Offenbaren, der Farbe u.s.w. inhärirt einer Substanz, weil es eine Eigenschaft ist, gleich wie die Farbe u.s.w., in Verbindung damit, dass die übrigen (Substanzen) ausgeschlossen sind, ist (das Dasein der) Seele bewiesen. V.

Es kann eingewandt werden, das Einwohnen (des Bekanntseins) im Körper ist durch den Schluss festgestellt: »Das Bekanntsein der Farbe u.s.w. hat den Körper zum Substrate, weil es dessen Wirkung ist, gleich seiner Farbe u.s.w.« und es giebt deshalb keinen Beweis für eine (vom Körper) abgesonderte Seele. Die Antwort darauf ist: Dieser Beweis, welcher das Einwohnen im Körper feststellt, ist ein Fehlschluss, ein Schein-Beweis, weil in einem Topfe, Gewebe u.s.w., welche Wirkungen des Körpers sind, der Körper nicht das Substrat ist. V.

Aehnlich der Upaskâra. Für eine solche Erklärung ist aber gar kein Grund vorhanden; es ist ein Fehlschluss aus dem im folgenden Sûtra angegebenen Grunde.

4. Zur Rechtfertigung der Annahme des Körpers als Substrates des Bekanntseins kann jedoch gesagt werden: Unter dem vom Körper Hervorgebrachten ist das Hervorgebrachte eines durch Bewusstsein Bestimmten gemeint. Auch ist die gesammte Wirkung von Leuchtern u.s.w. nicht Erhellen (allein)1, und so ist obiger Schluss kein Fehlschluss. Mit Rücksicht auf diesen Zweifel sagt nun der Text: »Weil ein Nicht-Wissen Statt findet«, weil ein Wissen nicht Statt findet, in den Ursachen der Körper, d.h. in seinen Händen, Füssen u.s.w.;2 oder es heisst auch, in seinen Theilen. In den besonderen Eigenschaften der Erde u.s.w. wird nämlich das frühere Vorhandensein der Eigenschaften in den Ursachen (der ursprünglichen Eigenschaften) wahrgenommen. Wäre demnach Wissen in den Ursachen des Körpers vorhanden, so würde es auch [364] dem Körper zukommen. Dies ist aber nicht der Fall. Wollte man nun auch Bewusstsein in den Ursachen des Körpers zugeben, so würde der Mangel der Einmüthigkeit dagegen streiten; denn unter vielen Bewusstsein Habenden wird keine Einmüthigkeit wahrgenommen (während sie in den Handlungen des Körpers erscheint). (Auch) weil beim Abschneiden der Hand keine Erinnerung dessen Statt finden könnte, welches durch das Abschneiden empfunden wurde, nach dem Grundsatz: An das von einem Anderen Wahrgenommene erinnert sich kein Anderer. Ferner würden bei dieser Annahme die Früchte der durch den Körper vollbrachten (Thaten der) Feindschaft u.s.w. nicht gekostet werden; – denn Maitra hat nicht die Folgen des von Chaitra begangenen Vergehens zu leiden, – und so würde das Gethane verloren sein, und das Nicht-Gethane hinzukommen. U.

5. Hier nun möchte eingewandt werden, dass in den Ursachen des Körpers ein feineres (und deshalb nicht offenbares) Wissen Statt finden möchte, während es im Körper selbst offenbar hervorträte, so dass nicht ein früheres Nicht-Dasein der Eigenschaften in der Ursache, oder ein Mangel an Einmüthigkeit unmöglich wäre. Darauf antwortet der Text: Wäre in den Grundursachen des Körpers, d.h. in den Uratomen, Bewusstsein, so müsste dieses auch in den Wirkungen (des Körpers), z.B. in Töpfen, wovon die Atome den Anfang bilden, Statt finden, und es gäbe Bewusstsein auch in den Wirkungen in einem Topfe u.s.w., weil die besonderen Eigenschaften der Erde durch ihr Vorhandensein in allen erdigen Theilen überall verbreitet wären; Bewusstsein wird jedoch darin nicht wahrgenommen. U.

6. Könnte nun nicht aber doch in einem Topfe u.s.w. auf eine feinere Weise Bewusstsein Statt finden? Nein, antwortet das Sûtra, weil es durch keinen Beweis festgestellt ist, dass es Bewusstsein in einem Topfe u.s.w. gäbe. U. Ganz ähnlich die Erklärung der Vivriti, welche noch hinzufügt: Das »Und« schliesst den Fehler der Komplizirtheit ein; statt der komplizirten Annahme von vielen Bewusstseienden in vielen Theilen ist die Annahme einer anderen Substanz als Substrat des Bewusstseins angemessen. Es soll nun auch noch anderes einschliessen, z.B. dass bei der Annahme des körperlichen Substrats ein Erwachsener keine Erinnerung haben könnte von dem, was er in seiner Kindheit erfahren u.s.w. Es ist jedoch unnöthig, hierauf weiter einzugehen.

[365] 7. Es wird behauptet, dass durch die Sinnenwerkzeuge, das Ohr u.s.w. auf einen Regierer geschlossen wird; dies ist aber nicht angemessen; denn durch die Sinne wie das Ohr, wird weder eine Identität mit der Seele, noch eine Entstehung derselben (aus der Seele) festgestellt. Ohne beides (eins von beiden) aber ist kein untrennbares Eingeschlossensein, und ohne dieses kein Schluss möglich. Die Antwort darauf ist: Der Beweisgrund ist eben etwas von dem zu Beweisenden Verschiedenes, nicht aber ist er mit dem zu Beweisenden identisch, weil sonst das zu Beweisende nicht verschieden wäre (und deshalb nicht bewiesen zu werden brauchte). Deshalb ist der Grund, worin eine solche Identität Statt fände, ein Scheingrund. U. Aehnlich die Vivriti, deren Einleitung jedoch etwas verschieden ist, nämlich: Wie aber kann durch den Beweisgrund, dass das Wissen eine Eigenschaft sei, eine Substanz als Substrat des Wissens gefolgert werden? Denn das was nicht identisch ist, oder nicht daraus entstanden ist, hat keine Beweiskraft. Diese Zweifel derer, welche den Standpunkt der Sânkhya behaupten, wird im gegenwärtigen Sûtra hinweggeräumt. Und zur Erklärung: Etwas Anderes, ein von dem zu Beweisenden verschiedenes Ding, ist eben der Grund; denn ein von dem zu Beweisenden nicht verschiedener (Grund) ist ein Trugschluss, weil wenn das zu Beweisende nicht bewiesen ist, auch ein davon Nicht-Verschiedenes nicht bewiesen ist.

8. Wie kann aber der Begriff der Eigenschaft, welcher nicht von dem zu Beweisenden entstanden ist, Beweiskraft haben? Wenn dies der Fall sein sollte, so könnte man auch vermittelst des Rauches u.s.w., wie auf das Feuer u.s.w., so auch auf den Esel u.s.w. schliessen. Die Antwort darauf giebt das Sûtra, weil ein anderer Gegenstand nicht der Grund eines anderen ist; denn der Rauch u.s.w., welcher ohne das Eingeschlossensein des Esels u.s.w. ist, ist, wenn der Esel u.s.w. das zu Beweisende ist, ein Scheingrund, nicht aber, wenn es das Feuer u.s.w. ist, weil hier das Eingeschlossene Statt findet, und die Meinung ist, dass, wenn in dem Angemessenen das Eingeschlossensein sich findet, darin nichts Zufälliges ist.

[366] 9. Wenn der Grund eine Eigenschaft ist, so ist das Eingeschlossene schwer verständlich; denn die Regel ist, dass das Eingeschlossene von Identität, oder von Entstehung abhängt.

Zur Erklärung der Upaskâra: Ein solcher Grund wie: Der Körper hat eine Haut, weil er unter den Begriff des Körpers fällt, heisst das Verbundene. Haut wird nämlich das genannt, was eine dem Wachsthum und der Abnahme unterworfene Substanz umschliesst. Diess ist nun weder die Wirkung noch die Ursache des Körpers, sondern etwas, das nur zugleich mit ihm entstanden und mit ihm unzertrennlich verbunden ist. Auf dieselbe Weise (ist) das Inhärirende (ein Grund); z.B. der Aether ist ausgedehnt, weil er unter den Begriff der Substanz fällt, gleich wie ein Topf. Hier wird das zu Beweisende, die Ausdehnung, durch den Begriff der Substanz, welcher dem Aether inhärirt, bewiesen. Oder, die fortgesetzte Theilung des Ausgedehnten muss irgendwo aufhören; durch diesen (Schluss?) wird der Begriff des Atoms, einer besonderen Ausdehnung bewiesen; daraus wird auf das Atom, als das Substrat derselben, geschlossen. Der Schluss aber von dem Ton u.s.w. auf den Aether, von dem Wissen u.s.w. auf die Seele, nämlich der Schluss von der Wirkung auf die Ursache, ist hiermit nicht ausgesprochen.

Die Vivriti. Das Verbundene, das welches der Verbindung folgt, sind Gründe, muss man bei allem hinzudenken. Demnach ist das, was der Verbindung folgt, der Grund des anderen Gliedes der Verbindung, das Eingeschlossene. Wie wäre sonst ein solcher Schluss möglich, wie: dieses Land besitzt Wagenlenker, weil es vortrefflich sich bewegende Wagen hat, und das Verhältniss, wodurch die Schlussfolge bestimmt wird, ist die Verbindung der unter sich Verbundenen. Ferner auf dieselbe Weise ist das Inhärirende (der Theil) der Grund des in Inhärenz Stehenden (des Ganzen). Wie sollte sonst, wenn man nur den Theil eines Thieres erblickt, der Schluss auf das Ganze eines Thieres u.s.w. möglich sein. Dagegen darf man nicht einwenden, dass während des Zustandes der Verbindung des Auges mit dem Theile, wegen des Stattfindens mit dem Ganzen die Wahrnehmung des letzteren schwer zu verhindern wäre; denn ein solcher Schluss wäre nur aus dem Wunsche, einen Schluss zu machen, möglich. Deshalb, weil der Wagen u.s.w., welcher von dem Wagenlenker verschieden und nicht von demselben gemacht ist, diesen einschliesst, so ist das Eingeschlossene nicht unabänderlich von Identität oder von einer Entstehung aus ihm abhängig.

Die Erklärungen der Kommentare ist schwer, ja unmöglich zu verstehen, ohne die logische Kunstsprache der Nyâya genau zu [367] kennen. Es ist deshalb hier der geeignetste Ort, die logische Theorie des Kaṇâda zugleich mit der des Gautama und der späteren Nyâya-Schule auseinanderzusetzen.

Die Sûtra des Kaṇâda, welche sich auf den Schluss beziehen, finden sich ausser den hier angegebenen, im 2ten Abschnitte des neunten Buches. Der leichteren Vergleichung wegen habe ich sie unten in einer Note angeführt3.

Die Schlusstheorie des Kaṇâda geht aus vom logischen Grunde (lingam); denn das argumentative Wissen heisst bei ihm laingikam, d.h. das Wissen, welches den logischen Grund, den Mittelbegriff, zum Gegenstand hat, und wie sehr derselbe der Mittelpunkt seiner Ansicht ist, zeigen schon die Menge seiner Synonyme an. Was bedeutet nun bei ihm Wissen vermittelst des Grundes? In dem ersten der unten angeführten Sûtra wird dieses Wissen nicht erklärt, sondern eingetheilt; dagegen scheint diese Erklärung in dem zweiten durch die Worte: »Von diesem ist dies« gegeben zu sein. Wenn der Grund irgendwo sich findet, so wird auf die Folge nothwendig geschlossen. Wo der logische Grund, da ist auch die Folge, beide sind untrennbar verbunden. Von diesem Verhältnisse wird nun ferner in demselben Sûtra gesagt, dass es aus dem avayava, dem Theile entspringe. Der Upaskâra, welchem die Vivriti folgt, erklärt dies durch ekadeçât udâharanât, d.h. aus dem Theile des fünfgliedrigen Schlusses, welchen Gautama udâharana nennt, nämlich dem allgemeinen Obersatze. Diese Erklärung kann sich nur auf den Ausdruck avayava stützen, würde aber an unserer Stelle das eine Glied des Schlusses bezeichnen, während es bei Gautama den ganzen fünfgliedrigen Schluss bedeutet. Abgesehen hiervon, ist es kaum glaublich, dass Kaṇâda denselben gekannt habe; oder er würde seiner sicher in sei nem Werke erwähnt, und noch mehr, die in demselben gewonnenen festen Bestimmungen nicht mit so schwankenden, wie er sie gebraucht, vertauscht haben. Wahrscheinlich hat avayava hier seine ursprüngliche Bedeutung »Theil«, und der Sinn wäre dann, dass man von einem Theile auf den anderen damit nothwendig verbundenen Theil schliesst.

[368] Man sollte nun erwarten, dass Kaṇâda die logische Folge eben so bestimmt wie den logischen Grund bezeichnet hätte. Merkwürdig genug, er hat für jene keinen Namen; dass er sie jedoch genau im Sinne hatte, ist keine Frage, denn es liegt in der Natur dieses Verhältnisses, dass man den Grund ohne die Folge, und umgekehrt, nicht denken kann. Dies geht auch aus der Form des Fehlschlusses, den er anaikântika oder sandigdha nennt, hervor. Was er darunter versteht, wird aus dem Beispiele klar, welches er selbst dazu giebt, III. 1, 17. »Weil dies gehörnt ist, deshalb ist es ein Rind«, nämlich, dass mit dem Grunde nicht bloss ein Subjekt verbunden ist, sondern mehrere, dass daher, wenn man von dem Grunde aus auf nur ein Subjekt schliesst, die logische Folge ein Fehlschluss ist.

Hieraus ist offenbar, dass Kaṇâda die logische Verbindung des Grundes (des Mittelbegriffes) mit dem Ober- und Unterbegriff wohl erwogen, und dass er ferner die Bedingungen kannte, durch deren Beobachtung ein richtiger Schluss, und durch deren Verletzung ein falscher Schluss erfolgt, zugleich ist aber nicht zu läugnen, dass er über den Mittelbegriff die beiden anderen mit ihm verbundenen Begriffe vernachlässigte, und sie noch nicht durch angemessene Ausdrücke feststellte.

Auf wie viele Arten ist nun der logische Grund mit der logischen Folge verbunden? Durch die Lösung dieser Frage werden die verschiedenen Arten des Schlusses bestimmt. Die Antwort Kaṇâda's ist nicht überall gleich. In III. 1, 9. wird gesagt: Das Verbundene, das Inhärirende, das freien Gegenständen (zugleich) Inhärirende, so wie das Widersprechende (sind Gründe). Dagegen IX. 2, 1. (Ein solches Wissen wie), von diesem ist dies die Wirkung, von diesem ist dies die Ursache, dies ist mit diesem verbunden, dies ist diesem widersprechend, dies ist diesem inhärent, ist ein Wissen vermittelst des Grundes. Im Sûtra III. 1, 9. ist also der Schluss von der Wirkung auf die Ursache, und umgekehrt von der Ursache auf die Wirkung weggelassen, dagegen das Einem Gegenstande (zugleich) Inhärirende hinzugekommen, und das Widersprechende in den drei zunächst folgenden Sûtra noch in drei Arten getheilt. Diese Verschiedenheit findet ihre Erklärung in dem Zwecke, welchen Kaṇâda in jeder der beiden Stellen hat. III. 1, 9 ist nicht der systematische Platz für die Auseinandersetzung des Schlusses. Sein Zweck ist hier offenbar polemisch. Es ist darum zu thun, die Seele als Substanz zu beweisen, und der Schluss, durch welchen er diesen Beweis führt, ist von den gewöhnlichen Schlüssen von der Ursache auf die Wirkung und umgekehrt, deren sich die Sânkhya hauptsächlich bedienen, verschieden. Er muss deshalb nachweisen, dass diese letzteren nicht die einzig möglichen sind, sondern dass eine Menge von Schlüssen gemacht werden, in welchen jenes Verhältniss nicht vorkommt. In seiner Aufzählung der möglichen [369] Schlüsse kommt es daher mehr auf Vollständigkeit als genaue Eintheilung an. Dagegen ist IX. 2, 1 die systematische Stelle für das Schlussverfahren, und hier stellt er alle Arten des Verhältnisses zwischen dem logischen Grunde und der logischen Folge zusammen, welche ihm bekannt sind. Das Einem Gegenstand (zugleich) Inhärirende ist nur weggelassen, weil es nur eine Art des Inhärirenden ist.

Dies ist noch nicht die letzte Eintheilung der Schlüsse, welche Kaṇâda macht; diese ist vielmehr, gleich der Sânkhya, dass der Schluss entweder von der Wirkung auf die Ursache, oder von der Ursache auf die Wirkung, oder von dem Allgemeinen auf das Besondere geht, und mit der Sânkhya bezeichnet er den letzteren durch sâmanyatah drishtam, das allgemein Wahrgenommene, Aufgefasste. So bezeichnet er es selbst an mehreren Stellen, wo er Schlüsse dieser Art macht, z.B. II. 1, 8. II. 1, 16. III. 2, 7. Die Arten des sâmanyatah drishtam sind eben jene Verhältnisse, welche er IX. 2, 1. aufzählt. Warum er nicht aber diese Eintheilung zuerst gemacht, und nachher das sâmanyatah drishtam wieder eingetheilt habe? Wahrscheinlich, weil er sie als bekannt voraussetzte, während die weitere Eintheilung ihm angehörte, und es ihm deshalb hauptsächlich darauf ankam, sie vor allem hervorzuheben.

Ob nun Kaṇâda die Schlüsse schon in Einschliessung- (Subsumtions-) und Aussonderungs-Schlüsse eingetheilt habe? Die Vivriti erklärt so das Sûtra III. 2, 18, wo sie das vyatireka der vyatirekavyâpti gleich setzt. Ich zweifle an der Richtigkeit dieser Erklärung; denn man sollte denken, dass Kaṇâda nicht verfehlt haben würde, einen für seine Theorie so wichtigen Begriff ausdrücklich auseinander zu setzen.

Bei Gautama sehen wir einen entschiedenen Fortschritt in der Theorie. Nach ihm ist der Schluss, welchem immer die Wahrnehmung vorangehen muss (tat-pûrvakam), dreifach, indem er nämlich von der Ursache, von der Wirkung, oder von einem allgemein Aufgefassten ausgehen kann. In dem ersten Buch giebt Gautama nur die Erklärungen und Eintheilungen, während späterhin die nähere Untersuchung geführt wird.

Zum Schlusse gehören nun auch die Glieder, in denen er zur Darstellung kommt. Diese sollten des halb entweder der Erklärung desselben unmittelbar folgen, oder bei der näheren Untersuchung des Schlussverfahrens ihren Platz finden. Keines von beiden ist der Fall, indem Gautama gleich nach der Eintheilung der Schlüsse im ersten Buche zum Vergleiche übergeht, und im zweiten Buche (5, 37 u.f.), wo er den Schluss näher untersucht, und die Behauptung, dass es keine Beweise durch Schluss gäbe, widerlegt. Die Glieder des Schlusses werden vielmehr nach dem Lehrsatze (siddhânta) auseinander gesetzt, worauf ich sogleich zurückkommen werde.

[370] I. 6. 32. Es giebt nun 5 Schlussglieder, nämlich 1. die Aufstellung (Thesis), 2. den Grund, 3. die Anführung, das Beispiel (der allgemeine Obersatz), 4. die Anwendung und 5. die Folgerung.

34. Der Grund ist das Beweisende (sâdhanam) des zu Beweisenden (sâdhya), (und dieses geschieht) durch seinen gleichen Charakter mit der Anführung, oder eben so durch seinen entgegengesetzten Charakter.

35. Die Anführung ist ein Beispiel, welches den gleichen Charakter mit dem zu Beweisenden feststellt.

36. Oder im Gegentheil die Anführung ist aussondernd, indem sie das Gegentheil durch einen Charakter, welcher von dem zu Beweisenden ausgeschlossen ist, feststellt.

37. Die Anwendung ist die Herbeiziehung des zu Beweisenden, indem sie, abhängig von der Anführung, (erklärt), dass etwas so ist, oder nicht so ist.

38. Die Folgerung ist Wiederholung der Aufstellung vermittelst der Aussage des Grundes.

Hier ist offenbar die Theorie des Schlussverfahrens vollendet. Der Grund (hetu) ist verbunden mit dem Oberbegriffe im Obersatze (udâharanam), und ebenfalls mit dem Unterbegriffe im Untersatze (dem upanayam), so dass die logische Folge im Schlusssatze hervortritt; eben so offenbar ist etwas Ueberflüssiges und etwas, was noch weiter geschieden werden muss, zu bemerken.

Das Ueberflüssige sind die beiden ersten Sätze, die Aufstellung und die Angabe des Grundes; denn es erscheint durchaus keine Nothwendigkeit, beide zweimal anzuführen. Wir dürfen nun wohl voraussetzen, dass der sonst so scharfsinnige Verfasser der Nyâya-Sûtra diese Wiederholung ebenfalls bemerkt, sich jedoch für die Beibehaltung derselben aus einem für ihn wichtigen Grunde entschieden habe. Was nun dieser Grund gewesen, scheint durch die systematische Stellung, in welcher er die Glieder des Schlusses anführt, klar zu sein. Sie werden nämlich, wie oben bereits angegeben, nach dem Lehrsatze angegeben. Ein Lehrsatz ist das, dessen Annahme auf eine Theorie (tantra) sich stützt. Da nun jeder Lehrsatz bewiesen werden muss, so ist es wichtig, die Aufmerksamkeit sogleich auf das zu Beweisende zu richten, und dadurch an eine mögliche Antithesis denken zu lassen. Hiernach ist die Thesis das Erste, und erst das Zweite die Begründung, welche zeigen muss, dass das in der Thesis Behauptete eine richtige Folgerung aus dem Grunde ist. In dieser Rücksicht wenigstens wäre das Ueberflüssige gerechtfertigt.

Zweitens sind die im Schlusse vorkommenden Glieder nicht wieder in ihre einzelnen Bestandtheile zerlegt worden. Zwar werden schon die Namen von hetu (Grund) und sâdhya (Folge) angeführt; aber keins von beiden bezeichnet bestimmt die Begriffe,[371] welche zu Urtheilen zusammengefasst werden, sondern die Urtheile selbst, und es fehlt ganz und gar an dem Namen für den Unterbegriff. Dies ist jedenfalls ein Mangel; denn erst durch die Auflösung der Urtheile in ihre Bestandtheile wird das Verfahren beim Schliessen vollkommen klar.

Zu der Eintheilung der Schlüsse nach der Wirkung, nach der Ursache, und nach einem allgemein Aufgefassten, kommt noch eine andere, welche vom logischen Grunde ausgeht Der Grund nämlich hat entweder das gleiche Merkmal mit der Anführung (dem Obersatze), oder er hat ein Merkmal, welches diesem widerspricht (34), so dass demgemäss durch den Grund die Folge entweder gesetzt oder ausgeschlossen wird, und die Eintheilung der unserer Logiker in allgemein bejahende und verneinende Schlüsse entspricht.

Aber Gautama's Darstellung selbst ist nicht ganz klar. Was den allgemein bejahenden Schluss betrifft, da ist freilich kein Zweifel. Wenn die Anführung (der Obersatz) aufgestellt ist, so erfolgt durch Hinzuziehung des logischen Grundes (des Untersatzes) der bejahende Schluss. Wie nun, wenn die Enführung negativ (36) ist? Dann, behauptet Gautama (37), ist die Anwendung (der Untersatz), und damit auch der Schluss, ebenfalls negativ. Dies wurde nun die allgemeine Regel verletzen: ex meris negativis nihil sequitur, und wir setzen unbedingt voraus, dass Gautama sich einen Verstoss gegen dieselbe nicht schuldig gemacht haben könne. Wir behaupten deshalb, dass wenn beide Prämissen eine negative Form an sich tragen, diese bei einer derselben nur scheinbar ist.

Schade, dass Gautama selbst in den betreffenden Sûtra kein Beispiel giebt; das von dem Kommentar zu Sûtra 36 angeführte, nämlich: Der lebende Körper hat eine Seele, weil er den Lebenswind u.s.w. besitzt. Wo es so ist, da ist es so, wie –; wo es nicht so ist, da ist es nicht so, ist nicht klar genug.

Das gewöhnliche Beispiel der späteren Schule für den absondernden (negativen) Schluss, ist: Wo ein Teich ist, da ist kein Rauch, weil der Teich dem Feuer entgegengesetzt ist.

Hier hätten wir also entweder einen allgemein bejahenden Obersatz, und einen Schluss nach der zweiten Figur, nämlich:

Wo Rauch ist, da ist Feuer,

Der Teich hat kein Feuer,

Der Teich hat keinen Rauch.

Oder einen, allgemein verneinenden Obersatz, und einen Schluss nach der ersten Figur, nämlich

Wo Wasser ist, ist kein Feuer,

Der Teich hat Wasser,

Der Teich hat kein Feuer.

Hier aber müsste noch der Schluss hinzugefügt werden, dass der Teich keinen Rauch hätte, weil er kein Feuer hat, und dies wäre ein Kettenschluss.

[372] Oder auch beide Prämissen verneinend, nämlich

Wo kein Feuer ist, da ist kein Rauch,

Der Teich hat kein Feuer,

Der Teich hat keinen Rauch.

Dies letzte scheint mir nun nach der Auseinandersetzung des Sûtra die Form zu sein, welche Gautama bei seinem aussondernden Schlusse im Sinne hatte. Hier ist die Unter-Prämisse in der That bejahend, indem das Prädikat »Kein Feuer«, dem Subjekte des Obersatzes untergeordnet wird. In der That aber ist die Ober-Prämisse nur der negative Ausdruck des positiven Satzes. Wo Rauch ist, da ist Feuer, und musste als solcher, um richtig zu bleiben, eine Umkehrung erleiden.

Die spätere Schule zergliederte nun wirklich die verschiedenen Begriffe, welche zu einem Schlusse zusammentreten, und erweiterte deshalb auch die logische Terminologie. So finden wir hier den Oberbegriff, den Mittelbegriff, und den Unterbegriff, oder das Subjekt des Schlusssatzes.

Das Prädikat des Obersatzes heisst der vyâpaka, wörtlich der Durchdringende, der Erfüllende, der Einschliessende; es ist der Begriff, der einen anderen durchdringt, ihn einschliesst, so dass, wenn der andere gesetzt wird, er auch gesetzt wird, und wenn er aufgehoben, auch der andere aufgehoben wird. Er ist gewöhnlich der höhere, weitere Begriff. Der andere, mit ihm verbundene Begriff, heisst vyâpya, das Durchdrungene, Eingeschlossene, oder auch zu Durchdringende, Einzuschliessende, weil er von dem vyâpaka eingeschlossen wird, und daher in der Regel auch der niedere Begriff ist. Der vyâpaka ist das Prädikat des Obersatzes. Ist nun der Schlusssatz allgemein bejahend, so ist der vyâpaka der Oberbegriff, und der vyâpya der Mittelbegriff; ist er verneinend, so ist der vyâpya der Oberbegriff, und der vyâpaka der Mittelbegriff.

Das Verhältniss nun, in welchem das Einschliessende zu dem Eingeschlossenen und umgekehrt steht, heisst vyâpti, die Durchdringung, das Erfülltsein, das Eingeschlossensein, und würde nach unserer Terminologie den Obersatz des Schlusses bilden. Dies Verhältniss ist nun für die spätere Schule von grosser Wichtigkeit, und man muss es genau erkennen, um vor falschen Schlüssen bewahrt zu werden. Man kann nämlich nicht willkürlich den einen oder den anderen Begriff als den einschliessenden oder eingeschlossenen ansehen; dieses hängt von der Natur der Begriffe selbst ab, und nur, wo man diese erkannt hat, giebt es ein richtiges Verhältniss des Eingeschlossenseins. Z.B. der Satz: Wo Rauch ist, da ist Feuer, enthält ein richtiges Ei geschlossensein, nicht aber seine Umkehrung: Wo Feuer ist, da ist Rauch; denn es giebt Feuer, wo auch kein Rauch Statt findet, wie bei einer glühenden Eisenkugel.

Die vyâpti, das Eingeschlossensein, erhält gewöhnlich noch [373] einen Zusatz, indem ein Beispiel ihres Vorkommens angeführt wird, z.B. wo Rauch ist, da ist Feuer, wie auf einem Küchenheerde.

Paksha (Theil) heisst der Begriff, welcher mit dem Grunde (dem Mittelbegriff) entweder verbunden, oder von demselben ausgeschlossen wird; er ist deshalb das Subjekt des Schlusssatzes, oder der Unterbegriff. Durch den Mittelbegriff wird an dieses Subjekt das Eingeschlossensein (vyâpti) angeknüpft, oder von ihm getrennt. Wird er verbunden, so ist der Mittelbegriff das Eingeschlossene (vyâpya), und hat das Einschliessende (vyâpaka) zur Folge; wird der Mittelbegriff vom Subjekt getrennt, so ist der Mittelbegriff umgekehrt das Einschliessende (vyâpaka), und seine Trennung vom Subjekt (paksha) hat die Trennung des letztern vom Eingeschlossenen zur Folge. Die Hervorhebung dieser Verbindung des Subjektes (paksha) mit dem Mittelbegriffe, oder seine Trennung von ihm, ist eben der Schluss, das zu Bweisende (sâdhya), die Folge, worunter nun entweder der ganze Schlusssatz, oder auch das Prädikat des Schlusssatzes verstanden wird. Der Oberbegriff, welcher in einem bejahenden Schlüsse das Prädikat des Obersatzes, in einem verneinenden das Subjekt desselben bildet, trägt demnach im Schlusssatze den Namen der Folge (sâdhya).

Gegen diese Terminologie lässt sich Nichts erinnern; sie ist ganz dem Verhältnisse gemäss, welches zur Untersuchung vorliegt; ja sie ist sogar umfassender als die Theorie, welche zwar richtig, aber nicht vollständig ist; doch hiervon später.

Die Terminologie ist nun keineswegs hiermit geschlossen; im Gegentheil, um das Verhältniss zwischen vyâpaka, vyâpya und paksha zu bestimmen und gegen jeden möglichen Einwand zu rechtfertigen, häuft sie sich bis zu den spitzfindigsten Unterscheidungen, wie in dem Kommentare zum Bhâshâ-Paric cheda, in dem Anumâna-Khanda u.s.w., in welche ich mich aber hier nicht einlassen will.

Wie ist nun die Form des Schlusses, oder wie wird geschlossen? Nach Gautama besteht der Schluss aus fünf Gliedern, indem man von der Aufstellung durch die übrigen Glieder, den Grund, die Anführung, die Anwendung wieder auf sie als Schlussfolge zurückkommt. Es konnte der späteren Schule nicht entgehen, dass diese Annahme, wenn auch nicht willkührlich, doch nicht in der Natur der Sache lag, und so macht sie denn die Unterscheidung zwischen der Form, welche der Schluss für den Schliessenden selbst, und der, welche er für einen Andern hat (Anumâna-K.p. 54). Der fünfgliedrige Schluss hat nach ihr die Absicht, den Gegner, oder überhaupt einen Anderen von der Wahrheit des Schlusses zu überzeugen, und wäre demnach seine Form in dieser Hinsicht gerechtfertigt. Das Schliessen für den Schliessenden selbst geschieht aber nicht in dieser Form, sondern hier sind nur zwei Glieder erforderlich, nämlich Paksha, das Subjekt des Schlusssatzes, wird gedacht in. seiner Verbindung mit dem logischen Grunde, welcher [374] wiederum durch seine vyâpti, sein Eingeschlossensein, bestimmt ist. Dies ist das erste Glied. Die Auffassung dieses Verhältnisses (des Subjekts in seiner Verbindung des durch das Einschliessende bestimmten Eingeschlossenen) heisst paramarsha, Ueberlegung. Wenn die Ueberlegung geschieht, so findet auch die Schlussfolge Statt, und diese ist das zweite und letzte Glied des Schlusses. Z.B. Aus der Ueberlegung, dass dieser Berg Rauch hat, welcher durch das Eingeschlossensein des Feuers (wo Rauch ist, da ist Feuer) bestimmt ist, geht der Schluss hervor, dieser Berg hat Feuer. Die Ueberlegung, aus welcher unmittelbar die logische Folge entspringt, ist demnach die unmittelbare Ursache (karanam) des Schlusses, und identisch mit der Operation des Schliessens, welches anumânam, im Gegensatze zu anumiti, der Schlussfolge, heisst.

Dies ist im Resultat ganz richtig, der Form nach aber nicht. Die beiden Obersätze sind in einen zusammengefasst; aber beim Denken wird er zuerst nothwendig in zwei Sätze getrennt; denn jeder der drei Begriffe, woraus er besteht, wird mit den beiden andern einzeln gedacht; d.h. es giebt zwei Prämissen. Zuerst wird der paksha zusammengefasst mit dem Grunde (dem Mittelbegriffe); wird dieser nun wieder mit der vyâpti gedacht, so ist dies wieder ein Denken für sich, und dies sollte seinen gesonderten Ausdruck finden. Die vyâpti, das Eingeschlossensein, ist aber nach indischer Vorstellung nicht etwas, was sogleich in seiner ganzen Bedeutung einleuchtete; es kommt vielmehr für den Schluss sehr viel darauf an, es richtig aufzufassen, und schon aus diesem Grunde sollte sie einen besonderen Ausdruck haben. Dagegen muss man einräumen, dass die beiden Obersätze nur in ihrer Einheit, in ihrer Zusammenfassung dis logische Folge ergeben, und ebenfalls, dass das Schlussverfahren gewöhnlich mit der Verbindung des Subjektes mit seinem Grunde anfängt, welcher wiederum mit einem anderen verbunden, oder von ihm getrennt ist. Nothwendig ist dies aber nicht; man kann ebensogut mit dem allgemeinen Obersatze anfangen, und von da aus zum Besonderen übergehen, wie dies bei wissenschaftlichen Deduktionen auch gewöhnlich der Fall ist4.

In zwei Punkten, bemerkten wir, hat die spätere Schule die logische Lehre des Gautama vervollständigt, erstlich dadurch, dass [375] sie die einzelnen Begriffe, welche den Schluss bilden, schärfer unterschied, und zweitens dadurch, dass sie die Form des Schlusses auf den einfacheren und richtigeren Ausdruck brachte. In einem anderen Punkte dagegen, scheint es mir, als habe sie einen Rückschritt gemacht, nämlich in ihrer Ansicht von der Eintheilung der Schlüsse nach dem bejahenden oder verneinenden Charakter des Grundes. Nach Gautama, wie wir oben gesehen, ist der Schluss entweder ein einschliessender, oder absondernder (bejahend, oder verneinend). Hat der logische Grund das gleiche Merkmal mit der Anführung, so ist das Subjekt des Schlusssatzes (paksha) auch damit verbunden; ist er davon ausgeschlossen, so ist auch das Subjekt davon ausgeschlossen. Die spätere Schule theilte dagegen die Schlüsse in solche, die einschliessend und absondernd zugleich sind (anavaya-vyatireki), in solche, die nur einschliessend sind, und in solche, die nur absondernd sind.

Einschliessend und absondernd sind die, wo das Eingeschlossensein sich auf mehrere Subjekte bezieht, oder, wie wir sagen würden, einen bestimmten, begränzten Umfang hat, und wo demnach andere davon ausgeschlossen sind. Z.B. das Eingeschlossensein: Wo Rauch ist, da ist Feuer, bezieht sich auf verschiedene mögliche Subjekte, wie z.B. auf einen Heerd, Wald, Berg u.s.w.; andere Subjekte sind wiederum von ihr abgesondert, wie ein Teich, See u.s.w. Hier wird nun das Eingeschlossensein gewöhnlich so ausgedrückt: Wo Rauch ist, da ist Feuer; wo dieses ist, da ist es; wo es nicht ist, da ist es nicht. Hier sind offenbar zwei Einschliessungen, die eine, wo Rauch ist, da ist Feuer, und die andere, wo kein Feuer ist, da ist kein Rauch; denn in der zweiten wird nicht geschlossen vom Nicht-Rauch auf Nicht-Feuer, sondern vom Nicht-Feuer auf Nicht-Rauch. Das Beispiel ist übrigens richtig, während die obige Fassung der Einschliessung: wo dies nicht ist, da ist es nicht, falsch ist; denn das »dies« bezieht sich doch ohne Zweifel auf Rauch. Wie diese sonderbare Form der einschliessenden und absondernden Einschliessung entsprang, ist leicht zu erkennen. Die Einschliessung sollte vor allem wahr sein. Nur ist die Frage, ist sie auch wahr, wenn man die Begriffe derselben umkehrt, d.h. das Prädikat derselben zum Subjekte macht, und es zeigte sich, dass diess in den meisten Fällen zu einem unwahren Resultate führen würde. Man darf sie nich bejahend umkehren, wohl aber so, dass man mit der Verneinung des Prädikates auch das Subjekt verneint.

Nur einschliessend sind die Schlüsse, wo die Einschliessung (der allgemeine Obersatz) nur positive Beispiele zulässt. Dies ist der Fall, wo beides, sowohl das Einschliessende wie das Eingeschlossene, Universalbegriffe sind, indem es hier keine negativen Beispiele geben kann, weil jene sich auf den ganzen Kreis unserer Begriffe beziehen. Z.B. Alles Nennbare ist wissbar, wie ein Topf. [376] Hier kann man nicht verneinend sagen: Was nicht nennbar ist, ist nicht wissbar; denn es giebt Nichts, was nicht nennbar wäre.

Nur ausschliessend sind solche Schlüsse, deren Einschliessung kein bejahendes Beispiel zulässt, d.h. also solche, welche sich nur auf ein Einzelnes beziehen. Z B. von dem Schlusse, die Erde ist von den übrigen Elementar-Substanzen verschieden, weil sie Geruch hat, giebt es kein positives Beispiel, weil nur die Erde allein duftet. Um nun das richtige Einschliessen zu bilden, muss man eine negative Einschliessung bilden; also würde der Schluss lauten:

Alles, was von den übrigen Elementar-Substanzen nicht verschieden ist, hat keinen Geruch, wie z.B. das Wasser,

Die Erde hat nicht Nicht-Geruch

Deshalb ist sie nicht nicht-verschieden von den übrigen Elementar-Substanzen.

Ein sehr künstliches, und doch dabei unnützes Verfahren; denn der negative Obersatz muss doch auf den positiven Satz, was duftet, ist von den übrigen nicht-duftenden Elementarsubstanzen verschieden, zurückgeführt werden. –

Alle diese spitzfindigen Unterscheidungen hinsichtlich der Einschliessung beruhen zuletzt auf einem Verkennen des Umfangs der Begriffe. Zwar war es unmöglich, in einer Untersuchung über Begriffe ganz und gar darüber hinwegzusehen; schon Kaṇâda spricht von einem höchsten, höheren und niederen Allgemeinen, und die spätere Schule unterscheidet in der Einschliessung das Einschliessende als das Höhere von dem Eingeschlossenen als dem Niederen; aber diese verdarb die Untersuchung dadurch, dass sie von einer besondern Einschliessung (die zwischen Ursache und Wirkung) die Gesetze für die allgemeinen Obersätze herzuleiten suchte, und daher nie zu einem klaren Verständniss über das Verhältniss derselben im Schlusse, so wie über die möglichen Schlussformen kam.

Der zweite Mangel der Schlusstheorie ist die Ansicht, dass zur Richtigkeit des Schlusses auch die Wahrheit des durch den Schlusssatz Behaupteten gehöre. Es versteht sich von selbst, dass der Schluss keine Wahrheit haben kann, wenn nicht die beiden Prämissen, ausser dem, dass sie richtig mit einander verbunden, auch wahr sind. Die Wahrheit der Prämissen hat nun aber Nichts mit der Richtigkeit des Schliessens zu thun, und die Untersuchung, welche sie zum Gegenstande macht, liegt über die des Schlusses hinaus, Gewiss aber ist es, dass die Verkennung dieses Verhältnisses zu manchen Verwirrungen führte, die ich hier nicht weiter angeben will.

Es ist die Frage entstanden, ob man das Verfahren der indischen Logik ein induktives oder deduktives zu nennen habe. Ohne Zweifel ist es nach der Form ein deduktives Schliessen; denn keine der Prämissen wird in den Schriften, so weit sie mir bekannt sind, jemals in der Form eines induktiven Urtheils aufgestellt, sondern der Mittelbegriff wie der Oberbegriff treten in der Form eines Begriffes [377] auf, so das gewöhnliche Beispiel: der Berg brennt, weil er raucht. Müller's Behauptung, dass das indische anumâna sowohl induktiver als deduktiver Art (Ztschr. d.D.M.G. VI. 238); dass es aber weder das induktive noch das deduktive Verfahren selbstständig formulirt, sondern beide nur als Mittel zur Erweiterung des Wissens braucht, ist daher nicht richtig. Eine andere, davon freilich verschiedene Frage, ist, wie entsteht die Einschliessung (vyâpti), und hier stimme ich mit Müller überein, dass bei ihrer Bildung sowohl das induktive wie das deduktive Verfahren thätig sind.

10. Die beiden ersten Schlussarten, vom Verbundenen auf das mit diesem Verbundene und vom Inhärirenden auf sein Substrat, werden als bekannt nicht weiter erklärt. In diesem Sûtra wird ein Fall, wo von einem Inhärirenden auf das mit ihm zugleich Inhärirende geschlossen wird, angeführt. Zur Erklärung sagt die Vivriti: Eine Wirkung, z.B. des Erdigen, der Geruch u.s.w. ist der Grund, so muss man ergänzen, einer anderen Wirkung, wie des Geschmackes. Die Inhärenz in Einem Gegenstande ist das gleiche Substrat, worin die Inhärenz Statt findet. Eben so muss man sagen, dass der beständige Geschmack u.s.w. der Grund der beständigen Farbe u.s.w. sei.

11. Der Text führt das Eingeschlossensein des Entgegengesetzten an. Das »nicht-seiende«, das nicht nahe-seiende, »Entgegengesetzte«, das Nicht-Nahe-Sein des Entgegengesetzten ist der Grund »eines seienden«, eines gewordenen, oder eines gegenwärtigen, Entgegengesetzten. Folgendes ist die Art des Schlusses: Dieses Holz ist brennbar, wenn es mit Feuer in Berührung kommt, weil Edelsteine u.s.w. nicht in der Nähe sind, gleich einem anderen Dinge welches zur Asche wird. Oder: Dieses Land hat furchtlose Schlangen, wenn solche da sind, weil es ohne Ichneumon ist, gleich einem anderen ähnlichen Lande. V.

12. »Das seiende«, entstandene, oder gegenwärtige, Entgegengesetzte ist der Grund »eines nicht-seienden«, eines nicht in der Nähe seienden, Entgegengesetzten, z.B., dieses Holz ist nicht in Berührung mit Edelsteinen, weil es brennt, oder, dieses Land ist ohne Ichneumon, weil es furchtlose Schlangen hat. V.

13. »Das seiende«, gegenwärtige, Entgegengesetzte, ist der Grund »eines seienden«, eines gegenwärtigen, Entgegengesetzten, wie man beim Anblicke von zitternden Schlangen den Schluss auf die Gegenwart eines Ichneumon im Dickicht u.s.w. macht.

[378] 14. »Das Bekanntsein« (prasiddhi) meint die in Erinnerung gebrachte Einschliessung; »der Grund« die Aussage des Grundes; deshalb wird der durch die in Erinnerung gebrachte Einschliessung bestimmte Grund entweder durch das Grund genannte Schlussglied oder durch das Herbeiziehung genannte Schlussglied angegeben, und so ist der Grund abhängig vom Bekanntsein (d.h. nach der vorangegangenen Erklärung, von der in Erinnerung gebrachten Einschliessung). Demnach in den Schlüssen, in welchen von dem Werkzeuge, dem Gehöre u.s.w., auf einen Regierer, von einer Eigenschaft, dem Wissen u.s.w., auf das Substrat derselben, die Seele, gefolgert wird, ist über all die Einschliessung, nicht aber ist die Einschliessung in dem Grunde, der Wirkung des Körpers, von welchem der Gegner das Wissen als eine Eigenschaft des Körpers folgert. U.

Auch die Vivriti erklärt prasiddhi ähnlich durch die richtige Erkenntniss der Einschliessung. Ich habe es, gleich dem prasiddha des ersten Sûtra dieses Abschnittes, durch Bekanntsein übersetzt, indem ich keinen Grund sehe, hier einen anderen Sinn unter demselben Ausdrucke zu verstehen; durch das Zurückkommen auf denselben wird nur angezeigt, dass hier die Untersuchung geschlossen ist. Der Sinn ist vielmehr, dass die zuletzt angeführten Gründe eine richtige Folge hervorbringen, weil das Bekanntsein, ein richtiges Wissen, ihnen vorangeht. Dass bei Kaṇâda von einer Einschliessung (vyâpti) im Sinne der späteren Schule nicht die Rede sein kann, versteht sich nach den vorangegangenen Erörterungen von selbst.

15. Zur Vergleichung gebe ich hier die Theorie der späteren Schule über die Fehlschlüsse nach dem Tarka-Sangraha des Annambhatta. Es giebt fünf Arten von Scheingründen (hetwâbhâsa), nämlich den fehlgehenden, den widersprechenden, den dessen Gegentheil gleich berechtigt ist, den unerwiesenen, und den absurden.

1. Der fehlgehende Scheingrund ist der, welcher nach mehr als einer Seite geht. Er hat drei Arten.

a. Der zu allgemeine. Hier würde der Grund (Mittelbegriff) auch in dem Statt finden, wo das zu Beweisende nicht gegenwärtig ist, z.B. der Berg hat Feuer, weil er erkennbar ist; denn ein See, wo Feuer nicht ist, ist auch erkennbar.

b. Der nicht-allgemeine, identische. Er ist ein solcher, der von allen ähnlichen oder unähnlichen Beispielen ausgeschlossen ist, z.B. der Ton ist ewig, weil er den Begriff des Tones hat. Der Begriff des Tones aber ist von allen anderen, dauernden und nicht-dauernden Gegenständen ausgeschlossen, und findet nur im Tone Statt.

[379] c. Der Nichtszulassende ist der, welcher kein positives oder negatives Beispiel zulässt, z.B. Alles ist vergänglich, weil es beweisbar ist. Hier giebt es kein Beispiel, weil Alles das Subjekt ist.

2. Der widersprechende Scheingrund ist der, welcher das Nicht-Vorhandensein des zu Beweisenden einschliesst, z.B. der Ton ist ewig, weil er erschaffen ist; denn das Erschaffen-Sein schliesst die Nicht-Ewigkeit ein.

3. Der Scheingrund, dessen Gegentheil gleich berechtigt ist, findet dann Statt, wenn es einen anderen Grund giebt, welcher das Nichtsein des zu Beweisenden beweist, z.B. der Ton ist ewig, weil er gehört wird, wie der Begriff des Tones. Auf der anderen Seite kann man schliessen, der Ton ist vergänglich, weil er eine Wirkung ist.

4. Der unerwiesene Scheingrund ist dreifach, unerwiesen, sofern es das Subjekt, oder sofern es das Prädikat, oder sofern es die Einschliessung betrifft.

a. Der unerwiesene Scheingrund hinsichtlich des Subjekts (des Schlusssatzes). Ein Beispiel davon ist, der Himmelslotus ist wohlriechend, weil er ein Lotus ist, wie der Lotus eines Sees. Hier ist der Himmelslotus ein Subjekt, welches eben nicht existirt.

b. Ein Beispiel des unerwiesenen Scheingrundes hinsichtlich des Prädikates ist, der Ton ist eine Eigenschaft, weil er sichtbar ist. Im Tone aber giebt es keine Sichtbarkeit, weil er hörbar ist.

c. Der unerwiesene Scheingrund hinsichtlich der Einschliessung ist ein solcher, der eine nothwendige Bedingung hat (um wahr zu sein; wird sie weggelassen, so entsteht eben der Scheingrund). Eine nothwendige Bedingung ist das, welches, während es das zu Beweisende einschliesst, das Beweisende (den Grund) nicht einschliesst. Der Begriff dessen, welches das zu Beweisende einschliesst, ist das Nicht-Gegentheil zu sein eines absoluten Nicht-Seins, welches dieselbe Stätte mit dem zu Beweisenden besitzt. Der Begriff dessen, welches das Beweisende nicht einschliesst, ist das Gegentheil zu sein eines absoluten Nicht-Seins, welches Statt findet und dem, das den Grund (das zu Beweisende) besitzt. – Wenn gesagt wird, der Berg raucht, weil er Feuer hat, so ist die nothwendige Bedingung dazu die Verbindung (des Feuers) mit dem Holze. Wo Feuer ist, da ist nicht (immer) die Verbindung mit nassem Holze; denn, was eine brennende Eisenkugel betrifft, so ist da kein nasses Holz vorhanden: hier ist also nicht der Begriff eines solchen, welches den Grund einschliesst. Auf diese Weise ist die Verbindung mit nassem Holze eine nothwendige Bedingung, weil bei dem Stattfinden [380] des Einschliessenden des zu Beweisenden, der Grund nicht einschliesst. Der Begriff des Feuer-Habens ist hinsichtlich des Begriffes des Eingeschlossen-Seins (des Rauches) nicht erwiesen, weil eine nothwendige Bedingung dazu gehört.

5. Der widerlegte Schein-Grund ist der, wo das Nicht-Sein des zu Beweisenden schon durch einen anderen Grund festgestellt ist, z.B. in dem Schlusse, Feuer ist kalt, weil es eine Substanz ist, ist nicht-heiss zu beweisen, während das Nicht-Sein desselben, das Heisse, durch den Tastsinn wahrgenommen ist; deshalb ist jener Schluss schon widerlegt.

Gautama hat ebenfalls fünf Arten von Scheingründen (N.S.I. 9, 45-49) nähmlich der fehlgehende (savyabhichâra), der widersprechende (viruddha), der nach beiden Seiten gleiche (prakaranasama, der mit Rücksicht auf die Schlussfolge gleiche (sâdhyasama) und der unzeitige (atîtakâla).

Die beiden ersten stimmen dem Namen und der Erklärung nach mit denen der späteren Schule überein, die drei letzteren weichen im Namen ab, doch sind sie der Sache nach nicht verschieden von dem satpratipaksha, asiddha und dem bâdhita. Der auf beiden Seiten gleiche (prakarana-sama) ist der, von welchem eine Ueberlegung ausgeht mit Rücksicht auf entgegengesetzte Seiten, und entspricht demnach dem satpratipaksha, d.h. ein Grund, welchem ein ebenso starker Gegengrund gegenüber steht. Der mit Rücksicht auf die Schlussfolge gleiche ist nach Gautama der Scheingrund, der Grund, welcher die Folge nicht hat, weil er selbst zu beweisen ist. Es ist nun die Frage, ob er dem asiddha der späteren Schule gleich sei; denn die Erklärung ist nicht sehr deutlich, und ein Beispiel ist nicht gegeben; doch stimmt die Erklärung mit der dritten Art des asiddha, wo nämlich das Verhältnis der Durchdringung nicht erwiesen ist, und deshalb hier der Grund und die Folge, was das Unerwiesen-Sein betrifft, sich gleich sind: Der unzeitige (atîtakâla) Scheingrund ist ein solcher, welcher angeführt wird, wenn die Zeit vorüber ist. Hier muss man natürlich ergänzen, wenn die Zeit, wo er sich anwenden liesse, vorüber ist, und dies erklärt sich am natürlichsten dadurch, wenn schon ein anderer Grund da ist, welcher den angeführten Grand aufhebt.

Die Theorie der Scheingründe ist bei Gautama und der späteren Schule dieselbe; auch dürfen wir annehmen, dass die fünf Scheingründe bei beiden der Sache nach übereinstimmen; doch finden wir bei Gautama noch nicht die Unterabtheilungen des fehlgehenden und unerwiesenen Scheingrundes, and es ist daher wahrscheinlich, dass diese eine Erweiterung der Ansicht durch die spätere Schule sind.

Kaṇâda kennt noch nicht den Namen »Scheingrund« (hetwâbhâsa) er nennt sie Nicht-Grunde (anapadeçâ), und er zählt deren drei auf, den aprasiddha (unerwiesenen), den asat (nicht-seienden) und den[381] sandigdha (zweifelhaften). Von keinem derselben giebt er eine eigentliche Erklärung, und nur die beiden letzten erläutert er durch Beispiele. Das Beispiel, welches für den nicht-seienden Grund angeführt wird, »dies ist ein Pferd, weil es Hörner hat«, stimmt offenbar mit dem widersprechenden (viruddha) Scheingrunde des Gautama und der späteren Schule überein, wo sich nämlich der Grund (das Hörner-Haben) und die Folge (der Begriff des Pferdes) widersprechen. Das Beispiel für den zweifelhaften Scheingrund ist, »weil dies gehörnt ist, deshalb ist es ein Rind«, passt zu dem savyabhichâra genannten Scheingrunde des Gautama, und dass beide identisch seien, wird noch dadurch bestätigt, dass Kaṇâda ihn bei seiner Erläuterung durch das Beispiel anaikântika nennt, welchen Ausdruck Gautama als Erklärung des savyabhichâra gebraucht. Die Bedeutung des aprasiddha hat Kaṇâda nicht erläutert, wahrscheinlich weil er sie als bekannt voraussetzte; doch dürfen wir wohl kaum Bedenken tragen, ihn dem asiddha der späteren Schule, mit dem er auch im Namen übereinstimmt, gleich zu setzen. Was nun die Scheingründe selbst betrifft, so wird es aus obiger Darstellung klar sein, dass sie mit Ausnahme der beiden ersten Arten des fehlgehenden Scheingrundes, nämlich des zu allgemeinen und des identischen, nicht gegen die Richtigkeit des Schliessenden verstossen, sondern dass ihre Prämissen unwahr sind. Das Beispiel des zu allgemeinen Scheingrundes ist, der Berg hat Feuer, weil er erkennbar ist. Wo Feuer ist, da ist Erkennbarkeit. Der Berg ist erkennbar. Der Berg hat Feuer. Hier ist der Schluss falsch, weil erkennbar in beiden Prämissen das Prädikat bildet. Der identische z.B. Der Ton ist ewig, weil er die Eigenschaft des Tones hat, ist seiner Form nach falsch, weil er keinen Mittelbegriff hat. Die dritte Art des fehlgehenden Scheingrundes dagegen ist der Form nach wenigstens richtig. Das angegebene Beispiel, Alles ist vergänglich, weil es erkennbar ist, würde folgende Schlussform annehmen:

Was erkennbar ist, ist vergänglich;

Alles ist erkennbar;

Alles ist vergänglich.

Dieser Schluss ist der Form nach ganz richtig, obwohl sich Niemand besinnen würde, die Wahrheit des Obersatzes zu leugnen. Alle übrigen Klassen sind keine Scheingründe, d.h. solche, welche, während sie behaupten, den Schluss zu begründen, ihn doch nicht begründen. Von den als Beispiele angeführten unwahren Prämissen aber trägt keine einen Schein, welcher zur Annahme derselben verleiten könnte. Auch erkennt man bei Gautama und der späteren Schule keinen Grund für die Theilung in fünf Arten, während dem Kaṇâda ein solcher für seine Drei-Theilung vorgeschwebt zu haben scheint. Ein Grund ist entweder selbst oder durch seine Verbindung mit der Folge unwahr. Ist er selbst unwahr, so ist er etwas, das nicht existirt, und nicht existiren kann. Ist er in [382] seiner Verbindung unwahr, so findet dies Statt entweder, weil er zu allgemein ist, oder weil seine Verbindung mit der Folge nicht erwiesen ist5.

In der Erklärung des 15ten Sûtra selbst weichen U. und V. von einander ab. Der Upaskâra sagt: Der nicht-erwiesene Scheingrund, d.h. der nicht eingeschlossene, der, worin die Einschliessung nicht erfasst ist, und der widersprechende, d.h. der, wo die Einschliessung sich widerspricht; hiermit werden (in dem Sûtra) der Scheingrund, worin das Eingeschlossensein unerwiesen ist, und der sich widersprechende Scheingrund zusammengefasst. Der nicht-seiende, d.h. der im Subjekte (paksha) nicht-seiende Scheingrund, ist der, wo das Prädikat nicht im Subjekte ist. Und dieser findet Statt theils durch die Abwesenheit des eigentümlichen Charakters, theils durch das Nicht-Vorhandensein des Zweifels und der Absicht zu folgern in dem Beweisenden des zu Beweisenden. Zweifelhaft ist der Scheingrund, welcher mit Rücksicht auf das Subjekt einen Zweifel über die Alternative hervorbringt, ob das zu Beweisende (die Folge) in jenem (dem Subjekte) vorhanden sei oder nicht. Dieser Zweifel nun findet Statt entweder, wo ein (zu) allgemeines Merkmal, oder wo ein nicht-allgemeines (identisches) Merkmal, oder wo der Grund durch ähnliche Beispiele mit Rücksicht auf das Nicht-Vorhandensein der Folge in dem Subjekte wahrgenommen wird. Der erste ist der fehlgehende Scheingrund, welcher zu allgemein ist, der zweite der identische, und der dritte der Nichtszulassende.

Dagegen die Vivriti: »Der nicht erwiesene«, der nicht durch die Einschliessung und durch das Prädikat des Subjektes festgestellte. Demnach (der Scheingrund), in welchem die Einschliessung oder das Prädikat des Subjektes nicht vorhanden ist, ist der nicht-erwiesene. Der »nicht-seiende« in dem, was die Folge nicht hat u.s.w., der, welcher nicht Statt findet in dem, welches die Folge hat, d.h. der widersprechende. »Der Bezweifelte«, ob das Prädikat (der Mittelbegriff), welches den Charakter der Folge hat, in dem Subjekte ist, d.h. der Gegenstand des Wissens hinsichtlich des Prädikats des Subjekts, welcher einen Zweifel über die Folge hervorbringt, und der vollständige Sinn ist, der fehlgehende. Durch das »Und« werden die in Gautama's Lehrsysteme angeführten, hier [383] aber nicht angeführten beiden Scheingründe, nämlich der, dessen Gegentheil gleich berechtigt ist, und der widerlegte, zusammengefasst. Es giebt deshalb fünf Scheingründe.

Dass ich in der Erklärung dieses Sûtra weder mit dem U. noch mit der Vivriti übereinstimme, habe ich schon ausgeführt.

16. Der Upaskâra hält dies für ein Beispiel von drei Scheingründen zugleich, das nicht erwiesene, was das Eingeschlossensein betrifft, des widersprechenden, und des hinsichtlich des Prädikates nicht erwiesenen, die Vivriti sogar für ein Beispiel von allen fünf Scheingründen. Sie bemerkt: Wo der Haase und ähnliche (ungehörnte Thiere) das Subjekt, der Begriff des Pferdes die Folge, und das Gehörntsein der Grund ist, da sind alle fünf Scheingründe zusammen. – Nach meiner Ansicht ist dieser Schluss ein Beispiel des widersprechenden Scheingrundes, wie schon vorher aus einandergesetzt.

17. Da, wo das Subjekt ein Büffel ist, und man aus seinem Gehörntsein schliesst, dass er ein Rind sei, findet die Art des vielseitigen Scheingrundes Statt, welcher zu allgemein heisst. U.

Aus diesem Beispiele folgt, dass der »zweifelhafte« Scheingrund der vielseitige, oder fehlgehende ist, und zwar diejenige Form desselben, welche unter dem Namen des zu allgemeinen von Gautama und der späteren Schule angeführt wird, und nach meiner Ansicht die einzige ist, welche Kaṇâda gekannt hat.

18. Das Resultat der Untersuchung über die Scheingründe wird nun angegeben. Von der Verbindung der Seele mit den Sinnengegenständen wird das Wissen hervorgebracht, und dies, der Beweisgrund für die Seele, ist etwas Anderes als das Unerwiesene, das Widersprechende und das Vielseitige, d.h. kein Scheingrund. Demnach das Wissen ist auf zweifache Weise der Beweisgrund für die Seele; es hat nämlich entweder ein Substrat, weil es eine Wirkung ist, gleich der Farbe u.s.w., oder weil es den Charakter der Wiedererkennung an sich trägt, in der Form z.B. derselbe Ich, welcher sah, derselbe Ich betaste. Im ersten Falle ist die Wirkung in der Form des Wissens nicht unerwiesen, von der Bezeichnung, »welches hervorgebracht wird« (?); es ist nicht widersprechend, weil in diesem allgemein Aufgefassten kein Widerspruch Statt findet, und eben so wenig ist es vielseitig, aus demselben Grunde. Demnach das Wissen ist vermittelst des Begriffes der Eigenschaft, nämlich des Begriffes der Wirkung, welchen es an sich [384] trägt, auf allgemein aufgefasste Weise der Beweisgrund für die Seele. Im zweiten Falle bezieht sich das Wiedererkennen, welches verschiedene Agenten ausschliesst, nur auf einen Agenten. U.

Dieses Sûtra giebt entweder noch einen anderen Beweisgrund für die Seele an, oder es sagt aus, dass der Grund, welcher die Seele beweist, kein Scheingrund ist. Die Verbindung des Sinnengegenstandes (indriyârtha), welcher den Charakter der Seele hat, d.h. des inneren Sinnes, d.h. die Verbindung der Seele mit dem inneren Sinn. Das Wissen, welches von dieser Verbindung hervorgebracht wird, z.B. ich bin glücklich, ein solches ist etwas Anderes, d.h. ein vom Schlusse verschiedenes Wissen, welches, wie ergänzt werden muss, die Seele beweist. Diese gewundene (indirekte) Aussage soll aussagen, dass das Wissen, welches durch die Verbindung der Seele mit dem innern Sinne hervorgebracht wird, der Wahrnehmung angehört, nach der Erklärung der Wahrnehmung, dass sie ein durch Verbindung eines Sinnes mit einem Gegenstande hervorgebrachtes Wissen ist. Obwohl eine solche Wahrnehmung nicht eine von dem Körper u.s.w. verschiedene Seele beweist, so hindert doch Nichts, dass es die Seele allein beweist. Die andere Erklärung dieses Sûtra ist: Das Wissen, welches hervorgebracht wird, ist ein Anderes, d.h. das Wissen, wovon auf die Seele geschlossen wird, ist vom Scheingrunde verschieden. Deshalb der Grund, welcher auf unserer Seite als ein Beweis für die Seele angeführt wird, nämlich dass das Wissen eine Substanz zum Substrat haben muss, weil es unter den Begriff der Eigenschaft fällt, ist kein Scheingrund; dagegen ist der Grund, welcher von Eurer Seite aufgestellt wird, nämlich dass das Wissen den Körper zum Substrat haben muss, weil es eine Wirkung desselben ist, ein Scheingrund. V.

Die letzte Erklärung ist allein richtig; denn sie steht im genauesten Zusammenhange mit der vorangegangenen Untersuchung, und vom inneren Sinn, der noch nicht erörtert ist, kann hier kein Beweis geführt werden.

19. Nachdem der Schluss auf die eigene Seele gemacht ist, wird jetzt der Schluss auf eine andere Seele angeführt.

Thätigkeit und Enthaltung von Thätigkeit, welche von Verlangen und Abscheu hervorgebracht werden, sind besondere Arten des Willens. Von diesen werden körperliche Wirkungen unter der Form von Muskelbewegungen, deren Zweck auf Erlangung des Angenehmen und auf Entfernung des Unangenehmen geht, hervorgebracht. Demnach nach der Wahrnehmung von Muskelbewegung in einern fremden Körper schliesst man folgendermassen: Diese Muskelbewegung ist durch den Willen hervorgebracht, weil es eine Muskelbewegung ist, gleich wie meine Muskelbewegung. Und ferner dieser Wille ist durch die Seele hervorgebracht, oder wohnt der Seele ein, weil es ein Willen ist, gleich wie mein eigener Wille.

Fußnoten

1 So habe ich Chaitanyam, – Wissen, Bewusstsein übersetzt. Ich weiss jedoch nicht, ob ich den Sinn der ganzen Stelle richtig aufgefasst. Ich habe nämlich samasta mit kârya verbunden, obwohl es der Stellung nach zu chaitanya gehört. In dieser Verbindung aber finde ich durchaus keinen Sinn.


2 Diese Erklärung des Kârana, wonach es Werkzeug bedeutet, scheint mir durchaus unpassend. Das Kârana in diesem Sûtra ist dem Kârya im nächstfolgenden gegenübergestellt, und es bezieht sich ohne Zweifel auf die in II. 1, 24. vorgekommene Lehre.


3 IX, 2.

1. (Ein solches Wissen wie): Von diesem ist dies die Wirkung, von diesem ist dies die Ursache, dies ist mit diesem verbunden, dies ist diesem entgegengesetzt, dies ist diesem inhärirend, ist ein Wissen durch den Grund (laingikam).

2. Von diesem (zu Folgenden) ist dies (der Grund, entsteht das argumentative Wissen); Ursache, Wirkung und das Verbundene entstehen aus dem Theile.

4. Argument (hetuh), Anführung (apadeçah), Grund (lingam), Beweis (pramânam), unmittelbare Ursache (karanam), sind synonyme Ausdrücke. –

Hier ist zu bemerken, dass zwei dieser Kunstausdrücke bei Gautama eine andere Bedeutung angenommen haben; apadeçah nämlich gilt bei diesem nur als Aussage, während pramânam alle Beweisarten umfasst.


4 Dass den Indern auch der dreigliedrige Schluss nicht unbekannt war, geht aus der Vedânta-paribhâshâ, hervor, welche schon Colebrooke citirt. Hier heisst es (zweiter Abschnitt, p. 17 der Calcuttaer Ausgabe): Der Schluss ist zwiefach, d.h. die Eintheilung in den Schluss für den Schliessenden selbst und für einen Anderen. Der erste ist schon erklärt, der zweite entspringt aus der Deduktion (nyâya). Deduktion aber heisst die Gesammtheit der Schlussglieder. Dieser Glieder aber giebt es drei, nämlich entweder die Aufstellung, den Grund und die Anführung, oder die Anführung, die Anwendung, und die Folgerung; nicht aber fünf, weil wegen des Stattfindens der Nachweisung des Eingeschlossenseins und des Charakters des Subjektes des Schlusssatzes zwei Glieder überflüssig sind.


5 Müller (Z.d.D. M G. VII, 294) bemerkt: Uebersieht man nun diese fünf Arten der Scheingründe, wie sie sich bei Annambhatta und Gautama finden, so ist es schwer zu sagen, was sie für einen Zweck eigentlich gehabt haben können. Sie dienen weder zu praktischen Zwecken, noch scheinen sie irgend welche theoretische Bedeutung zu haben. Die einzige Art, wie man ihnen eine gewisse wissenschaftliche Berechtigung beimessen könnte, wäre, indem man sie nicht sowohl als Fehler des Schliessens, sondern als eine negative Erläuterung des richtigen Schlusses auffasste.« Vortrefflich, was Gautama und Annambhatta betrifft. Bei Kaṇâda verhält es sich anders. Er will zeigen, dass sein Schluss auf das Dasein der Seele kein Fehlschluss ist, und zählt deshalb neben den berechtigten auch die unberechtigten Schlüsse auf.

Quelle:
Die Lehrsprüche der Vaiçeshika-Philosophie von Kaṇâda. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 21, Leipzig 1867, S. 309–420, S. 363-387.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Ledwina

Ledwina

Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.

48 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon