23. Habsucht

[176] Freiherr Gi Kang Dsï wollte von jedem Brunnengebiet eine besondere Abgabe erheben. Er ließ darüber bei Meister Kung anfragen.

Der sprach: »Davon verstehe ich nichts.«

Jan Yu wurde dreimal gesandt, schließlich sprach er: »Ihr gehört zu den Landesältesten, Meister, wir wollen uns bei unseren Handlungen nach Euch richten, warum redet Ihr nicht?«[176]

Meister Kung antwortete trotzdem nicht. Im geheimen sagte er aber zu Jan Yu: »Kiu, komm her. Hast du nicht gehört, daß die alten Könige das Land so verteilt haben, daß die Inhaber der Felder ihre Abgaben durch Fronden abzuleisten hatten? Sie glichen die Unterschiede der Lage aus. Steuer war nur von den Marktständen zu bezahlen, wobei Rücksicht genommen wurde auf ihre Einnahmen. Die einzelnen Arbeiter hatten ihre körperlichen Dienste zu vollbringen, wobei Alter und Jugend Erleichterungen erhielten. So hatten Witwer und Witwen, Waisen, Kranke und Greise nur in Kriegszeiten öffentliche Leistungen zu verrichten. Sonst blieben sie frei. In solchen Jahren hatten sie von der Ernte eines Brunnengebiets eine Garbe, einen Topf Reis und Stroh zu liefern, nichts mehr. Denn die alten Könige hielten das für genug. Der Edle hält sich in all seinen Handlungen an das Maß der Sitte. Im Austeilen ist er freigebig, im Zumessen der Dienste ist er gerecht, und für sich selbst hält er sparsam haus. Auf diese Weise sind die Kriegsabgaben ausreichend. Wenn man sich aber nicht nach den Regeln der Sitte richten will, sondern unersättlicher Habgier die Zügel schießen läßt, so kommt man auch mit besonderen Feldabgaben nicht aus. Wenn du und der Freiherr Gi in eurem Tun euch nach den Gesetzen richten wollt, so sind die Einrichtungen des Herzogs von Dschou ja noch vorhanden. Wenn ihr aber die Gesetze übertreten wollt, so tut, was ihr mögt. Warum fragt ihr da erst noch?«

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 176-177.
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