Atomstruktur und Vakuum

[43] Körper zerfallen nun teils in Urelemente der Dinge,

Teils in das, was entsteht durch Verbindung der Urelemente.

Aber die Urelemente sind allen Gewalten zum Trotze

Unvertilgbar. Sie schützt ihr undurchdringlicher Körper.

Freilich es scheint recht schwierig zu glauben, es sei in den Dingen

Irgend etwas zu finden mit undurchdringlichem Körper.

Denn es durchdringt ja der himmlische Blitz die Gefache der Häuser,

Ganz wie der Stimmen Geräusch; weiß glühet das Eisen im Feuer,

Und es zerbersten die Felsen, wenn Dampf sie heftig erglühn läßt.

Wie die Starre des Golds durch die Glut wird erweicht und geschmolzen,

So wird der Spiegel des Erzes besiegt von der Flamme verflüssigt.

Wärme durchströmet das Silber wie tiefeindringende Kälte.

Beides fühlen wir deutlich, sobald die ergreifende Rechte

Faßt den Pokal, in den sich ergießt das Getränke von oben.

So sehr scheint in der Welt nichts Undurchdringliches denkbar.

Aber es treibt mich die lautre Vernunft und das Wesen der Dinge;

Darum höre nun jetzt, wie in wenigen Versen ich zeige,

Daß es in Wahrheit Keime von festem und ewigem Stoff gibt,

Die man betrachten muß als die Urelemente des Weltalls;

Alles entstand und besteht auch jetzt noch einzig aus ihnen.

Erstlich nun muß notwendig, da diese Prinzipien beide,

Körper und leerer Raum, in welchem sich alles beweget,

Gänzlich verschiedne Natur, wie man längst entdeckt hat, besitzen,

Jedes für sich selbständig bestehn und rein sich erhalten.

Denn wo immer der Raum sich erstreckt, den Leeres wir heißen,

Ist kein Körper vorhanden, und wiederum, wo sich der Körper

Ausdehnt, fehlt vollständig das Körperlose, das Leere.

Drum sind die Urelemente solid und ermangeln des Leeren,[43]

Da sich nun ferner das Leere in allem Erschaffenen findet,

Muß ringsum sich ein dichterer Stoff um das Leere erstrecken.

Denn bei keinem der Wesen vermag man mit richtigem Schlüsse

Darzutun, daß das Leere in ihm sich verbirgt und versteckt hält,

Wenn man zugleich nicht den dichten, umfassenden Stoff noch dazunimmt.

Dies kann füglich nichts anderes sein als vereinigter Urstoff,

Der in den Dingen vermag das Leere zusammenzuschließen.

Also der Urstoff selbst, der aus dichtestem Körper bestehn muß,

Kann urewig nur sein; das übrige löst sich im Tod auf.

Ferner, wenn das nicht wäre, was Raum verstattet, das Leere,

Wäre ja alles solid, und wiederum, gab es die Körper

Nicht, die sicher die Orte besetzten und völlig erfüllten,

Dann war' unsere Welt nichts andres als ödeste Wüste.

Also Körper und Leeres ist wechselweise geschieden;

Dies ist klar, da weder das Volle ausschließlich für sich steht

Noch auch das Leere. Somit gibt's eben besondere Körper,

Welche den leeren Raum von dem Vollen zu scheiden vermögen.

Diese lassen sich nicht durch Schläge von außen zertrümmern,

Noch löst irgendwie sich ihr festes Gefüge von innen,

Noch bringt irgendein anderer Fall sie erschütternd ins Wanken,

Was ich schon oben vor kurzem dir deutlich zu zeigen vermochte.

Wo das Leere nicht ist, da erscheint auch jede Verbeulung,

Jedes Zerbrechen unmöglich, wie jegliche Teilung in Hälften.

Nässe berührt sie nimmer, noch tief einwirkende Kälte,

Noch eindringendes Feuer, die alleszerstörenden Feinde.

Aber je mehr von dem Leeren ein Ding in dem Innern beherbergt,

Um so leichter erliegt es dem Eingriff jener Gewalten.

Sind nun also, so wie ich's gelehrt, die Urelemente

Dicht und ohne das Leere, dann müssen sie ewig bestehen.

Übrigens: wär' in der Welt nicht vorhanden der ewige Urstoff,

Wäre schon alles wohl längst in das Nichts vollständig versunken,

Und was wir irgend erblicken, müßt' immer von neuem erstehen.

Aber ich habe schon früher gelehrt, nichts könne sich bilden

Aus dem Nichts, noch zurück in das Nichts das Geschaffene sinken;

Deshalb müssen unsterblichen Leibs die Urelemente

Sein, in welche zuletzt jedwedes Geschaffne sich auflöst,

Um dann wieder den Stoff zu erneuten Geburten zu liefern.

Also die Urelemente sind einfach stets und solide,

Und sie können nicht anders auf ewig sich selber bewahren

Und seit undenklicher Zeit stets neue Geburten erschaffen.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 43-44.
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