Sonnenaufgang

[188] Ähnlich streut zu gegebener Zeit durch des Äthers Gefilde

Frührot rosiges Licht und verbreitet den leuchtenden Schimmer,

Sei's daß dieselbige Sonne, die unter der Erde zurückkehrt,

Strahlen im vorausschickt, die den Himmel sollen entzünden,

Oder weil in der gegebenen Zeit viel Feuer sich sammelt

Und viel Glutelemente sich jetzt zu vereinen gewöhnt sind,

Um stets wieder aufs neue das Sonnenlicht zu erzeugen.

Also heißt es, man könne vom Gipfel des Idagebirges

Bei dem erstehenden Licht noch die einzelnen Bündel des Feuers

Unterscheiden, die dann sich zusammenrunden zur Kugel.

Hierbei darf es durchaus nicht wundernehmen, daß diese

Feueratome sich grade zu solcher gegebenen Stunde

Können vereinen, um so zu erneuern das Feuer der Sonne.

Denn wir sehen ja vieles bei allen nur möglichen Dingen

An die gegebenen Zeiten gebunden. So blühen die Bäume

Zu der gegebenen Zeit und ebenso fallen die Blüten;

In der gegebenen Zeit (so will es das Alter) verschwinden

Kindern die Erstlingszähne, den Mannbaren kleidet der weiche

Flaum und ebenso wallt von der Wange des Mannes der Vollbart.

Endlich der Blitz und der Schnee, Platzregen und Wolken und Winde[188]

Sind an ziemlich bestimmte Gezeiten des Jahres gebunden.

Denn wenn die Grundelemente der Ursachen so sind geschaffen

Und von dem ersten Beginne die Dinge sich also gestalten,

Kehren sie folglich auch jetzt nach festen Bestimmungen wieder.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 188-189.
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