Sturz des Königtums. Volksherrschaft

[202] Also die Könige fielen! Gestürzt lag ihrer erhabnen

Throne vergangene Pracht und ihr stolzes Scepter am Boden;

Blutig vom Herrscherhaupt ward gerissen die strahlende Krone,

Die zu den Füßen des Pöbels die einstige Ehre betrauert.

Was man so sehr einst gefürchtet, nun tritt man es eifrig mit Füßen.

So kam also der Staat in die Hände der Hefe des Volkes,

Wo ein jeder für sich die Gewalt und Herrschaft erstrebte.

Doch jetzt lehrten auch manche, Beamte zu wählen und Rechte

Festzustellen, damit den Gesetzen man willig gehorche.

Denn das Menschengeschlecht war müde sein Leben gewaltsam

Und in beständiger Fehde zu führen. So beugt' es von selber

Willig sich unter das Joch der Gesetze und strengeren Rechtszwangs.

Denn weil jeder im Zorn erbitterter fröhnte der Rachsucht

Als ein billig Gesetz es zur Zeit dem einzelnen einräumt,

Ward man es überdrüssig sein Leben gewaltsam zu führen.

Furcht vor Strafe befleckt seitdem die Freude am Dasein.

Denn die verübte Gewalt und das Unrecht fängt in dem Netze

Jeden und kehret gewöhnlich zurück auf das Haupt des Verbrechers.

Wer durch Verbrechen verletzt die gemeinsamen Friedensverträge,[202]

Dem wird's schwierig zu führen ein ruhiges, friedliches Leben.

Denn ob zunächst er auch täuscht der Götter und Menschen Geschlechter,

Kann er doch nicht wohl hoffen, sein Tun bleib' ewig verborgen.

Haben nicht viele schon häufig im Schlafe sich übel verplaudert,

Oder auch, wie man erzählt, in der Krankheit irre geredet

Und so ihre geheimen [Verbrechen] und Sünden verraten?

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 202-203.
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