Herbst- und Frühlingsgewitter

[222] Häufiger läßt im Herbst ein Gewitter den Himmel erbeben,

Der mit funkelnden Sternen sich schmückt, und die Weiten der Erde;

Ebenso wenn die lenzende Zeit sich mit Blumen eröffnet.

Denn in der Kälte gebricht's an dem Feuer, im Sommer an Winden

Und die Wolken bestehen dann auch aus dünnerem Stoffe.

Doch wenn sich zwischen den beiden die Jahreszeiten befinden,

Dann trifft alles vereint zur Entstehung des Blitzes zusammen.

Denn an der »Brandung« des Jahres, da mischt sich Hitze und Kälte,

Deren die Wolke doch beider bedarf zur Erzeugung des Blitzes,

Um zu entzünden den Zwist in der Welt und den furchtbaren Aufruhr,

Wenn von dem wütenden Kampf des Feuers und Windes die Luft bebt.

Denn der Hitze Beginn ist das letzte Ende des Frostes:

Das ist die Frühlingszeit. Drum muß notwendig ein Kampf sein

Zwischen den Gegensätzen, und Wirrnis, wenn sie sich mischen.

Ebenso, wenn sich das Ende der Glut mit dem Anfang der Kälte

Mischt, dann nahet die Zeit, die in üblicher Weise man Herbst nennt:

Hier auch führet der Winter erbitterten Krieg mit dem Sommer.

Darum nenne man denn die Zeiten die »[Brandung]« des Jahres,

Und man wird sich nicht wundern, wenn grade am meisten Inder Zeit

Blitze sich bilden und Wetter am Himmel stürmisch heraufziehn,

Da sie ja beiderseits von wechselndem Kriege durchtobt wird,

Hier von der Flamme und dort von Regen und Wind in Gemeinschaft.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 222.
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