|
[442] §. 1. Aus der vorhergehenden Auseinandersetzung ergiebt sich, dass das Verfahren, das die Folgen, welche in der Natur mit irgend welchen Antecedentien verknüpft sind, oder mit anderen Worten, welches untersucht, wie Naturerscheinungen sich als Ursache und Wirkung auf einander beziehen, in gewisser Hinsicht ein analytisches Verfahren ist. Es kann als gewiss angesehen werden, dass eine jede Thatsache, welche zu existiren anfängt, eine Ursache hat, und dass diese Ursache unter den Thatsachen, welche unmittelbar vorhergingen, gefunden werden muss. Das Ganze der gegenwärtigen Thatsachen ist die unfehlbare Folge aller vergangenen Thatsachen, und unmittelbarer aller Thatsachen, welche in dem vorhergehenden Augenblicke existirten. Es besteht also hier eine grosse Sequenz, von der wir wissen, dass sie gleichförmig ist. Wenn der ganze frühere Zustand des Universums wiederkehren könnte, so würde ihm der ganze jetzige Zustand folgen. Es bleibt nun die Aufgabe, diese complexe Gleichförmigkeit in die einfacheren Gleichförmigkeiten, welche sie zusammensetzen, aufzulösen, und einem jeden Theil des weiten Antecedens denjenigen Theil der Folgen zuzuweisen, der von ihm abhängig ist.
Wir haben dieses Verfahren, insofern es eine Auflösung eines complexen Ganzen in die es zusammensetzenden Elemente ist, ein analytisches genannt, es ist jedoch mehr als eine blosse geistige Analyse; die blosse Betrachtung einer Naturerscheinung, und ihre Trennung durch den Verstand allein, kann dem Zwecke, den wir nun im Auge haben, nicht entsprechen, obgleich eine solche Trennung der unerlässliche erste Schritt ist. Die Ordnung in der Natur bietet uns bei dem ersten Anblick jeden Augenblick ein[442] Chaos dar, dem ein anderes Chaos folgt. Wir müssen ein jedes Chaos in einfache Thatsachen zerlegen. Wir müssen in dem chaotischen Antecedens eine Menge unterschiedener Antecedentien, in der chaotischen Folge eine Menge unterschiedener Folgen zu erblicken lernen. Wenn wir auch dies als geschehen voraussetzen, so erfahren wir doch nicht dadurch von selbst, von welchen der Antecedentien eine jede Folge beständig abhängig ist; um dies zu bestimmen, müssen wir uns bemühen, eine Trennung der Thatsachen, nicht in unserm Verstande allein, sondern in der Natur zu Stande zu bringen; die Analyse durch den Verstand muss jedoch vorhergehen. Ein jeder weiss, dass in der Art, wie sie dies vollbringen, die menschlichen Fähigkeiten unendlich verschieden von einander sind, sie ist aber das Wesentliche in dem Act des Beobachtens, denn nicht der ist der Beobachter, welcher das Ding vor sich mit seinen Augen bloss sieht, sondern derjenige, welcher sieht, aus welchen Theilen dieses Ding zusammengesetzt ist. Dies gut auszuführen ist ein seltenes Talent. Mancher übersieht die Hälfte aus Unaufmerksamkeit, oder weil er auf den unrechten Punkt achtet; ein Anderer giebt mehr an als er sieht, indem er es mit dem, was er sich einbildet oder folgert, verwechselt; ein Anderer nimmt Notiz von der Art aller Umstände, aber da er in der Schätzung ihrer Wichtigkeit unerfahren ist, lässt er die Quantität eines jeden unbestimmt und vage; ein Anderer sieht in der That das Ganze, aber indem er Dinge zusammenwirft, welche getrennt werden sollten, und andere trennt, welche besser vereinigt zu betrachten wären, ist seine Theilung so verkehrt, dass es ebensogut und manchmal schlimmer ist, als wenn gar keine Analyse versucht worden wäre. Es wäre möglich anzudeuten, welche geistigen Eigenschaften, welche Arten von Geistescultur jemanden zu einem guten Beobachter machen können; dies ist indessen nicht Gegenstand der Logik, sondern der Erziehung im weitesten Sinne des Worts. Es giebt eigentlich keine Kunst der Beobachtung; für das Beobachten kann es nur Regeln geben. Aber diese sind wie die Kegeln für das Erfinden eigentlich Unterweisungen für die Vorbereitung des eigenen Geistes, um ihn in einen Zustand zu versetzen, in dem er am meisten befähigt ist, zu beobachten, oder in dem er am wahrscheinlichsten erfinden wird. Es sind daher wesentlich Regeln für die[443] Selbsterziehung, was ein ganz anderes Ding ist als Logik. Sie lehren nicht, wie das Ding zu thun ist, sondern wie wir uns fähig machen können, es zu thun. Sie sind eine Kunst die Glieder zu stärken, nicht aber eine Kunst sie zu gebrauchen.
Die erforderliche Ausdehnung und Genauigkeit der Beobachtung, sowie der Grad, bis zu welchem es nothwendig sein kann, die geistige Analyse zu treiben, hängt von dem besondern Zweck ab, den man im Auge hat. Den Zustand der ganzen Welt in irgend einem besondern Augenblick zu bestimmen, wäre unmöglich und auch nutzlos. Wenn wir chemische Versuche machen, so halten wir nicht für nöthig, den Stand der Planeten zu notiren, da die Erfahrung gelehrt hat, und ein ganz oberflächlicher Versuch zeigen kann, dass dieser Umstand für das Resultat nicht von Wichtigkeit ist; aber zur Zeit als die Menschen an den verborgenen Einfluss der Himmelskörper glaubten, wäre es vielleicht unphilosophisch gewesen, die genaue Bestimmung des Standes dieser Körper in dem Augenblicke des Experiments zu unterlassen. Wenn wir in Beziehung auf die Genauigkeit der geistigen Scheidung das, was wir beobachten, in seine einfachsten Elemente, d.h. buchstäblich in einfache Thatsachen zerlegen müssten, so würde es uns schwer fallen, dieselben ausfindig zu machen; wir können kaum jemals behaupten, dass unsere Scheidungen die letzte Einheit erreicht haben. Aber auch dies ist glücklicher Weise unnöthig. Der einzige Zweck der geistigen Scheidung ist, uns zu der erforderlichen physikalischen Scheidung zu führen, so dass wir dieselbe selbst vornehmen, oder sie in der Natur suchen können; wir haben genug gethan, wenn wir die Scheidung bis zu dem Punkte geführt haben, wo wir sehen können, welcher Beobachtungen und Experimente wir bedürfen. Bis zu welchem Punkte unsere geistige Scheidung für jetzt reichen mag, es ist nur nöthig, dass wir uns im Stand und bereit halten, sie weiter zu führen, wenn die Gelegenheit es verlangt, und dass wir uns unser Unterscheidungsvermögen nicht durch die Bande einer gewöhnlichen Classification fesseln lassen, wie das mit allen früheren speculativen Forschern, die Griechen nicht ausgenommen, der Fall war, indem es ihnen kaum beifiel, dass das, was sie mit einem abstracten Namen benannt hatten in Wirklichkeit aus mehreren Phänomenen bestehen könnte, oder dass es möglich wäre, die Thatsachen des Universums in andere[444] Elemente, als die von der gewöhnlichen Sprache bereits anerkannten, zu zerlegen.
§. 2. Nachdem also die verschiedenen Antecedentien und Folgen soweit es der Fall verlangt als bestimmt und von einander unterschieden vorausgesetzt worden sind, müssen wir untersuchen, wie die einen mit den anderen verknüpft sind. In einem jeden Falle, den wir beobachten, sind mehrere Antecedentien und mehrere Folgen enthalten. Wenn diese Antecedentien nur im Geiste von einander zu trennen, oder wenn diese Folgen niemals gesondert zu finden wären, so wäre es uns unmöglich (wenigstens a posteriori) ihre wahren Gesetze zu unterscheiden, oder einer jeden Ursache ihre Wirkung und einer jeden Wirkung ihre Ursache anzuweisen. Um das thun zu können, müssen wir einigen der Antecedentien von anderen gesondert begegnen und beobachten, welches ihre Folgen sind; oder wir müssen einigen gesonderten Folgen begegnen und beobachten, was ihnen vorhergegangen war. Wir müssen Bacon's Regel befolgen und die Umstände verändern. Dies ist in der That nicht, wie einige glaubten, die einzige, sondern es ist die erste Regel der physikalischen Forschung und das Fundament aller übrigen.
Um die Umstände zu verändern, können wir (nach einer gewöhnlichen Distinction) unsere Zuflucht zu der Beobachtung oder zu dem Experimente nehmen; entweder wir finden in der Natur einen Fall, der unserm Zweck entspricht, oder durch eine künstliche Anordnung der Umstände machen wir einen. Der Werth des Beispiels ist abhängig von dem, was es an und für sich ist, nicht von der Art, wie es erhalten wurde; sein Gebrauch zu den Zwecken der Induction beruht in beiden Fällen auf denselben Principien, so wie der Gebrauch des Geldes derselbe ist, es mag ererbt oder erworben sein. Kurz es giebt der Art nach keinen Unterschied, keine logische Distinction zwischen den beiden Verfahrungsarten in der Forschung. Es giebt aber praktische Distinctionen, und es ist von der grössten Wichtigkeit, die Aufmerksamkeit auf diese zu richten.
§. 3. Der erste und augenfälligste Unterschied zwischen Beobachtung und Experiment besteht darin, dass letzteres eine unbegrenzte[445] Ausdehnung der ersteren ist. Das Experiment setzt uns nicht allein in den Stand, eine viel grössere Anzahl von Veränderungen hervorzubringen, als die Natur uns freiwillig darbietet, sondern es erlaubt uns sogar, in tausend Fällen genau die Art von Veränderung hervorzurufen, deren wir bedürfen, um das Gesetz der Naturerscheinung zu entdecken; ein Dienst, den uns die Natur, die nicht nach dem Plane und in der Absicht geschaffen ist, uns unser Studium zu erleichtern, gewöhnlich versagt. Um z.B. zu bestimmen, welche Bestandtheile die Atmosphäre fähig machen, das Leben zu unterhalten, wäre die Veränderung erforderlich, dass wir ein lebendes Thier mit einem jeden dieser Bestandtheile getrennt umgäben. Die Natur bietet aber weder den Sauerstoff noch den Stickstoff in einem getrennten Zustande dar; wir verdenken dem künstlichen Experimente unsere Kenntniss, dass der erstere und nicht der letztere die Respiration unterhält, ja sogar die Kenntniss der Existenz der beiden Bestandtheile.
Der Vortheil des Experimentirens über die einfache Beobachtung ist so weit allgemein anerkannt; ein jeder weiss, dass es uns in den Stand setzt, unzählige Combinationen von Umständen zu erhalten, welche sich in der Natur nicht finden, und dass wir so eine Menge unserer eigenen Versuche den Experimenten der Natur hinzufügen können. Es giebt aber noch einen andern Vorzug der künstlich erhaltenen Fälle vor den freiwilligen, unserer eigenen Experimente vor sogar denselben von der Natur gemachten, der nicht weniger wichtig, aber weit entfernt ist, in gleichem Grade gefühlt und erkannt zu werden.
Wenn wir eine Naturerscheinung künstlich hervorbringen können, so können wir sie gleichsam mit nach Hause nehmen, und sie inmitten anderer Umstände, mit denen wir in allen Beziehungen genau bekannt sind, beobachten. Wenn wir wissen wollen, welches die Wirkung der Ursache A ist, und wenn wir im Stand sind, durch Mittel, die uns zur Verfügung stehen, A hervorzubringen, so können wir gewöhnlich nach unserm Gutdünken, und so weit es mit der Natur des Phänomens A verträglich ist, das Ganze der Umstände, die mit ihm gegenwärtig sein sollen, bestimmen; und da wir so den gleichzeitigen Zustand von allem, was in dem Bereich des Einflusses von A steht, kennen, brauchen wir nur zu[446] beobachten, welche Veränderung durch die Gegenwart von A in diesem Zustande hervorgebracht wird.
Durch die Elektrisirmaschine können wir z.B. inmitten bekannter Umstände diejenige Naturerscheinung hervorbringen, welche die Natur nach einem grössern Maasstabe unter der Form von Blitz und Donner zeigt. Man betrachte nun, welche Kenntniss von den Wirkungen und den Gesetzen der Elektricität Menschen aus der blossen Beobachtung des Gewitters ziehen konnten, und vergleiche sie mit denjenigen, welche sie aus elektrischen und galvanischen Experimenten gewannen und noch zu gewinnen hoffen dürfen. Dieses Beispiel ist um so auffallender, da wir Grund zu glauben haben, dass die elektrische Wirkung von allen Naturerscheinungen (die Wärme ausgenommen) die am meisten verbreitete und universale ist, und von der man daher hätte glauben sollen, dass ihr Studium am wenigsten der künstlichen Hülfsmittel bedürfte. Ohne Elektrisirmaschine, ohne die Voltaische Säule und die Leydner Flasche hätten wir aber in der That niemals vermuthet, dass die Elektricität eines der grossen Agentien der Natur ist; wir würden fort und fort die wenigen uns bekannten elektrischen Phänomene als übernatürlich, oder als eine Art von Anomalien und Excentricitäten in dem Gange der Natur betrachtet haben.
Wenn es uns gelungen ist, die Naturerscheinung, welche der Gegenstand einer Untersuchung ist, gesondert zu erhalten, so können wir, indem wir sie in uns bekannte Umstände versetzen, weitere Veränderungen der Umstände in unbeschränkter Ausdehnung und von einer Art hervorbringen, die wir für die zweckmässigste halten, um die Gesetze des Phänomens in ein helles Licht zu setzen. Indem wir einen wohlbekannten Umstand nach dem andern in das Experiment eintreten lassen, erfahren wir mit Sicherheit die Art, wie sich die Erscheinung unter einer Mannigfaltigkeit von möglichen Umständen verhält. Wenn der Chemiker eine neuentdeckte Substanz im Zustande der Reinheit erhalten hat (d.h. nachdem er sich versichert hat, dass nichts vorhanden ist, was ihrer Wirkung entgegenwirken oder sie modificiren kann), bringt er sie successive mit anderen Substanzen zusammen, um zu sehen, ob sie sich damit verbinden, oder ob und mit welchem Resultat sie dieselben zersetzen wird; er wird die Wärme, die Elektricität[447] oder Druck anwenden, um zu entdecken, wie die Substanz sich unter einem jeden dieser Umstände verhalten wird.
Wenn es aber auf der andern Seite nicht in unserer Macht steht, die Naturerscheinung hervorzubringen, und wir nach den Fällen suchen müssen, in welchen sie die Natur hervorbringt, so ist unsere Aufgabe eine ganz andere. Statt die begleitenden Umstände zu wählen, müssen wir sie nun entdecken, was genau und vollständig zu erreichen beinahe unmöglich ist, sobald wir über die einfachsten und zugänglichsten Fälle hinausgehen. Wir wollen dies an einer Naturerscheinung, welche nicht künstlich hervorgebracht werden kann, an dem menschlichen Geiste, erläutern. Die Natur erzeugt ihn reichlich, aber da wir ihn nicht künstlich hervorbringen können, so sehen wir in einem jeden Falle, wo ein menschlicher Geist sich entwickelt oder auf ein anderes Ding wirkt, denselben von einer Menge unbestimmbarer Umstände umgeben und verdunkelt, welche die Anwendung der gewöhnlichen experimentellen Methoden ziemlich trügerisch machen. Man wird begreifen, bis zu welcher Ausdehnung dies wahr ist, wenn man unter Anderm betrachtet, dass wo die Natur einen menschlichen Geist erzeugt, sie in enger Verbindung damit auch einen Körper erzeugt, d.h. eine unermessliche Complication von physikalischen Thatsachen, die vielleicht nicht in zwei Fällen einander ähnlich sind, und wovon die meisten ganz ausser dem Bereich unserer Untersuchungsmittel liegen (die Structur ausgenommen, die wir, nachdem sie aufgehört hat zu wirken, in einer ziemlich rohen Weise untersuchen können). Wenn wir annehmen, der Gegenstand der Untersuchung wäre statt eines menschlichen Geistes eine menschliche Gesellschaft oder ein Staat, so würden sich dieselben Schwierigkeiten in einem viel höhern Grade zeigen.
Wir sind also bereits zu einem Schluss gekommen, den unsere fernere Untersuchung zur Evidenz beweisen wird, zu dem Schlusse nämlich, dass in den Wissenschaften, welche es mit Naturerscheinungen zu thun haben, welche künstliche Experimente durchaus nicht zulassen (wie in der Astronomie), oder in welchen sie nur eine beschränkte Rolle spielen (wie in der Physiologie, Philosophie und den socialen Wissenschaften), die Induction aus der directen Erfahrung mit einem Nachtheil angewendet wird, der der Unausführbarkeit gewöhnlich gleichkommt. Es folgt hieraus, dass[448] wenn etwas Vollkommenes erreicht werden soll, die Methoden dieser Wissenschaften bis zu einem gewissen Umfange, wenn nicht hauptsächlich, deductiv sein müssen. Bei der ersten der genannten Wissenschaften, der Astronomie, ist dies, wie man weiss, der Fall; dass man es von den anderen noch nicht als wahr erkannt hat, ist wahrscheinlich einer der Gründe, dass sie noch in ihrer Kindheit stehen.
§. 4. Wenn in dem einen Gebiete der directen Erforschung von Naturerscheinungen die einfache Beobachtung dem künstlichen Experimente gegenüber in so grossem Nachtheile steht, so giebt es dagegen einen andern Zweig der Forschung, wo der Vortheil ganz auf der Seite der ersteren ist.
Da es der Gegenstand der inductiven Forschung ist, zu bestimmen, welche Ursachen mit irgend welchen Wirkungen verknüpft sind, so wird es einerlei sein, an welchem der Endpunkte des, dieselben verbindenden, Weges wir die Untersuchung beginnen; wir können nach den Wirkungen einer gegebenen Ursache, oder nach den Ursachen einer gegebenen Wirkung forschen. Die Thatsache, dass Chlorsilber vom Licht geschwärzt wird, wurde entdeckt, entweder durch Versuche über die Wirkung des Lichtes auf verschiedene Substanzen, oder indem man nach der Beobachtung, dass Chlorsilber wiederholt schwarz geworden war, nach der Ursache dieser Umstände forschte. Die Wirkungen des Uraligiftes konnten sowohl dadurch erkannt werden, dass man es Thieren beibrachte, als auch dadurch dass man untersuchte, woher es kommt, dass die Wunden, welche von den Pfeilen der Indianer von Guiana herrühren, so gleichförmig tödtlich sind. Aus der blossen Erwähnung dieser Beispiele ergiebt sich ohne theoretische Erörterung, dass ein künstliches Experimentiren nur bei der ersteren dieser Arten von Forschung zulässig ist. Wir können eine Ursache nehmen und erforschen, was sie hervorbringen wird; wir können aber keine Wirkung nehmen und versuchen, wodurch sie hervorgebracht wurde. Wir können nur abpassen bis wir sie hervorgebracht sehen, oder bis wir sie zufällig hervorbringen können.
Es wäre dies von geringer Wichtigkeit, wenn wir nach unserer Wahl die Untersuchung an dem einen oder dem andern Ende der Sequenzen (Ursache und Wirkung) beginnen könnten. Wir[449] haben jedoch selten eine Wahl. Da wir nur von dem Bekannten zum Unbekannten fortschreiten können, so müssen wir an demjenigen Ende anfangen, womit wir am besten bekannt sind. Wenn wir mit dem Agens vertrauter sind als mit seinen Wirkungen, so beobachten wir sein Resultat in Fällen, die wir abwarten oder erfinden, und zwar unter uns zugänglichen Veränderungen der Umstände; wenn dagegen die Bedingungen, von denen die Naturerscheinungen abhängig sind, dunkel, das Phänomen selbst aber bekannt ist, so müssen wir unsere Untersuchung bei der Wirkung anfangen. Wenn uns die Thatsache auffällt, dass Chlorsilber geschwärzt wird, und wir vermuthen die Ursache nicht, so bleibt uns nichts übrig, als die Fälle, in denen die Thatsache stattfand, mit einander zu vergleichen, bis wir durch die Vergleichung entdecken, dass die Substanz in allen diesen Fällen dem Licht ausgesetzt war. Wenn uns von den Pfeilen der Indier nichts als ihre furchtbare Wirkung bekannt wäre, so könnte nur der Zufall unsere Aufmerksamkeit auf Versuche mit dem Urali leiten; bei einem regelmässigen Gange der Untersuchung könnten wir nur das erforschen oder suchen zu beobachten, was in besonderen Fällen mit den Pfeilen angefangen worden war.
In allen Fällen, wo uns nichts auf die Ursache führt, und wo wir bei der Wirkung anfangen und die Regel »die Umstände zu verändern« auf die Folgen, nicht auf die Antecedentien anwenden müssen, verlässt uns die Hülfe des künstlichen Experimentirens. Wir können nicht willkürlich Folgen erhalten, wie wir unter einer Reihe von Umständen, die mit deren Natur verträglich sind, Antecedentien erhalten können. Es giebt kein anderes Mittel, Wirkungen hervorzubringen, als durch ihre Ursachen, und nach der Voraussetzung sind uns die Ursachen von den in Frage stehenden Wirkungen nicht bekannt. Es bleibt uns daher kein Mittel, als sie da zu studiren, wo sie sich freiwillig darbieten. Wenn die Natur uns, in ihren Umständen hinreichend veränderte, Fälle darbietet, und wenn wir im Stande sind, unter den näheren Antecedentien oder unter irgend einer andern Ordnung von Antecedentien etwas zu entdecken, was sich vorfindet, wenn die Wirkung sich einstellt, wie verschieden auch die Umstände seien, und was nie angetroffen wird, wo die Wirkung nicht ist: so können wir[450] durch die blosse Beobachtung, ohne Experiment, eine wirkliche Gleichförmigkeit in der Natur entdecken.
Obgleich dies für Wissenschaften der reinen Beobachtung, im Gegensatz zu den Wissenschaften, in welchen künstliche Experimente möglich sind, gewiss der allergünstigste Fall ist, so giebt es in Wirklichkeit keinen Fall, der die inhärente Unvollkommenheit der nicht auf das Experiment gegründeten, directen Induction schlagender nachwiese. Wir wollen annehmen, wir hätten durch die Vergleichung von Fällen einer Wirkung ein Antecedens gefunden, welches beständig damit verknüpft zu sein scheint oder vielleicht auch ist; wir haben jedoch nicht eher bewiesen, dass dieses Antecedens die Ursache ist, bis wir das Verfahren umgekehrt, und die Wirkungen vermittelst dieses Antecedens hervorgebracht haben. Wenn wir das Antecedens künstlich hervorbringen können, und die Wirkung ihm folgt, so ist die Induction vollständig; dieses Antecedens ist die Ursache dieser Wirkung.98 Wir haben aber dann den Beweis des Experimentes der einfachen Beobachtung hinzugefügt; hätten wir dies nicht gethan, so hätten wir das unveränderliche Antecedens, nicht aber das unbedingte Antecedens oder die Ursache nachgewiesen. So lange nicht durch die wirkliche Erzeugung des Antecedens unter bekannten Umständen und durch das nunmehrige Eintreffen der Folge gezeigt worden ist, dass das Antecedens wirklich die Bedingung ist, wovon diese Folge abhing, braucht die Gleichförmigkeit der Folgen, die zwischen ihnen nachgewiesen wurde, so viel wir wissen, überhaupt gar kein Fall von einer Verursachung zusein (wie bei der Folge von Tag und Nacht); beide, das Antecedens und Consequens, können die aufeinanderfolgenden Stufen der Wirkung einer entfernteren Ursache sein. Kurz die Beobachtung kann ohne das Experiment Gleichförmigkeiten ermitteln, aber keine Verursachung beweisen. Um die Wahrheit dieser Bemerkungen durch den gegenwärtigen[451] Zustand der Wissenschaften zu erweisen, brauchen wir nur an die Naturgeschichte zu denken. In der Zoologie z.B. hat man eine unermessliche Anzahl von Gleichförmigkeiten des Zugleichseins oder der Folge erforscht, und von vielen derselben kennen wir, ungeachtet einer bedeutenden Veränderung der begleitenden Umstände, keine Ausnahme; aber die Antecedentien können meistens nicht künstlich hervorgebracht werden, oder wenn dies sein kann, so geschieht es nur dadurch, dass wir genau dasselbe Verfahren anwenden, wodurch sie die Natur hervorbringt; da dies aber ein räthselhaftes Verfahren ist, dessen Hauptumstände nicht allein unbekannt, sondern auch nicht beobachtbar sind, so gelingt es aus nicht die Antecedentien unter bekannten Umständen zu erhalten. Was ist das Resultat? Dass wir auf diesem weiten und reichen Felde der Beobachtung nicht eine einzige Ursache, nicht eine einzige unbedingte Gleichförmigkeit erforscht haben. In fast allen Fällen, wo wir Naturerscheinungen mit einander verknüpft sehen, wissen wir nicht, welche die Bedingung der andern, welche Ursache und welche Wirkung, oder ob es eine von ihnen ist; ob sie nicht vielmehr verbundene Wirkungen von noch zu entdeckenden Ursachen, verflochtene Resultate von noch unbekannten Gesetzen sind.
Bei einer streng kunstgerechten Anordnung des Gegenstandes mögen einige der vorhergehenden Bemerkungen als noch nicht hierher gehörig erscheinen; es dürften jedoch einige allgemeine Bemerkungen über den Unterschied zwischen Wissenschaften der blossen Beobachtung und experimentellen Wissenschaften, und über den grossen Nachtheil, an dem die directe inductive Forschung in den ersteren leidet, die beste Vorbereitung zu einer Erörterung der Methoden der directen Induction gewesen sein; eine Vorbereitung, die vieles, was nur schwierig inmitten dieser Untersuchung hätte eingeführt werden können, überflüssig macht. Wir wollen nun zu der Betrachtung dieser Methoden übergehen.[452]
Buchempfehlung
Demea, ein orthodox Gläubiger, der Skeptiker Philo und der Deist Cleanthes diskutieren den physiko-teleologischen Gottesbeweis, also die Frage, ob aus der Existenz von Ordnung und Zweck in der Welt auf einen intelligenten Schöpfer oder Baumeister zu schließen ist.
88 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro