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[31] §. 1. In den vorhergehenden vier Capiteln haben wir die allgemeinen Umrisse der Lehre von der Entstehung der abgeleiteten Gesetze von letzten Gesetzen angegeben. In dem vorliegenden Capitel wird unsere Aufmerksamkeit auf einen besondern Fall einer Ableitung von Gesetzen aus anderen Gesetzen gerichtet sein. Dieser Fall ist jedoch so allgemein und so wichtig, dass er eine Untersuchung für sich allein verlangt; es ist dies nämlich der Fall von Entstehung einer complexen Naturerscheinung aus einem einfachen Gesetze durch die fortgesetzte Hinzufügung der Wirkung zu sich selbst.
Es giebt einige Naturerscheinungen, einige körperliche Empfindungen z.B., die ihrer Natur nach nur augenblicklich sind, und deren Existenz nur durch die Verlängerung der Existenz der Ursache, von denen sie hervorgebracht werden, verlängert werden kann. Die meisten Naturerscheinungen sind jedoch ihrer innern Natur nach dauernd; wenn sie einmal angefangen haben zu existiren, so würden sie immer fortdauern, wenn nicht eine dazwischentretende Ursache das Bestreben hätte, sie zu verändern oder zu vernichten. Von dieser Art sind z.B. alle Thatsachen oder Naturerscheinungen, welche wir Körper nennen. Wenn das Wasser einmal erzeugt ist, so kehrt es nicht von selbst wieder in den Zustand von Wasserstoff und Sauerstoff zurück; eine solche Veränderung verlangt ein Agens, das die Macht besitzt, die Verbindung zu zersetzen. Die Lagen im Baum und die Bewegungen der Körper gehören ebenfalls hierher. Kein Gegenstand, der in Ruhe ist, verändert ohne die Dazwischenkunft einer Bedingung, die[31] ausserhalb seiner selbst zu suchen ist, seine Lage, und kein Körper, der einmal in Bewegung ist, kehrt in den Zustand der Ruhe zurück, oder verändert auch nur seine Richtung oder Schnelligkeit wenn nicht irgend neue äussere Bedingungen hinzukommen. Es geschieht also fortwährend, dass eine vorübergehende Ursache einer fortdauernden Wirkung ihre Entstehung giebt. Die Berührung des Eisens mit feuchter Luft während einiger Stunden erzeugt Rost, welcher Jahrhunderte lang fortdauern kann; die Kraft, welche eine Kanonenkugel in die Luft schleudert, erzeugt eine Bewegung, welche ewig anhalten würde, wenn sie nicht durch eine entgegenwirkende Kraft aufgehoben würde.
Zwischen den beiden eben angeführten Beispielen besteht ein Unterschied, der einige Aufmerksamkeit verdient. Da im ersteren Beispiel (worin das Phänomen eine Substanz und nicht die Bewegung einer Substanz ist) der Rost immer und unverändert fortbesteht bis eine neue Ursache hinzukommt, so können wir von der vor hundert Jahren stattgefundenen Berührung mit der Luft sprechen, als wäre sie die nächste Ursache des Rostes, der seit jener Zeit vorhanden war. Ist aber die Wirkung eine Bewegung, die selbst eine Veränderung ist, so müssen wir uns eines andern Ausdrucks bedienen. Die Fortdauer der Wirkung ist nun bloss die Fortdauer einer Reihe von Veränderungen. Der zweite Fuss oder Zoll, oder die zweite Meile der Bewegung ist nicht die blosse verlängerte Dauer des ersten Fusses, Zolles oder Meile; sondern eine andere Thatsache, welche der ersteren folgt und die in mancher Beziehung verschieden von ihr sein kann, da sie den Körper durch einen ganz andern Theil des Raumes führt. Die ursprügliche Kraft nun, welche den Körper in Bewegung setzte, ist die entferntere Ursache seiner ganzen Bewegung, wie lange diese auch fortdauern mag, aber nur von der Bewegung, welche im ersten Augenblick stattfand, ist sie die nähere Ursache. Die Bewegung in irgend einem der folgenden Augenblicke wird zunächst durch die in dem vorhergehenden Augenblick stattfindende Bewegung verursacht; von dieser, und nicht von der ursprünglich bewegenden Ursache hängt die Bewegung in irgend einem gegebenen Augenblicke ab. Denn nehmen wir an, der Körper ginge durch ein widerstehendes Mittel, das die Wirkung des ursprünglichen Stosses theilweise aufhebt und dadurch die Bewegung verzögert, so ist diese Gegenwirkung[32] (wie hier kaum wiederholt zu werden braucht) ein eben so strenges Beispiel von Unterwerfung unter das Gesetz des Stosses, als wenn sich der Körper fortwährend mit seiner ursprünglichen Schnelligkeit bewegt hätte; die resultirende Bewegung ist aber verschieden, da sie nun aus den Wirkungen zweier in entgegengesetzter Richtung thätiger Ursachen zusammengesetzt ist, anstatt eine Wirkung einer Ursache zu sein. Welcher Ursache gehorcht aber der Körper bei seiner darauffolgenden Bewegung? Der ursprünglichen Ursache der Bewegung, oder der wirklichen Bewegung des vorhergehenden Augenblickes? Sicher der letzteren; denn wenn der Körper das widerstehende Mittel verlässt, so fährt er fort, sich nicht mit seiner ursprünglichen, sondern mit der verzögerten Geschwindigkeit zu bewegen. Wenn die Bewegung einmal verlangsamt ist, so ist auch die ganze darauffolgende Bewegung verlangsamt. Die Wirkung verändert sich, weil sich die Ursache, der sie gehorcht, die nähere und in der That die wirkliche Ursache geändert hat. Von den Mathematikern wird dieses Princip anerkannt, wenn sie unter den Ursachen, welche die Bewegung eines Körpers in irgend einem Augenblick bestimmen, die von der vorhergehenden Bewegung erzeugte Kraft anführen; ein Ausdruck, der absurd wäre, wenn er so verstanden würde, als ob diese »Kraft« ein Zwischenglied zwischen der Ursache und der Wirkung wäre, aber er bedeutet in der That nichts Anderes, als die vorhergehende Bewegung selbst als eine Ursache von weiterer Bewegung betrachtet. Wir müssen daher, wenn wir uns mit vollkommener Genauigkeit ausdrücken wollen, ein jedes Glied in einer Reihenfolge von Bewegungen als die Wirkung des vorhergehenden Gliedes betrachten. Wenn wir aber der Bequemlichkeit der Rede wegen von der ganzen Reihe als von einer Wirkung sprechen, so muss dies als von einer Wirkung, die von der ursprünglich bewegenden Kraft hervorgebracht ist, als von einer fortdauernden, von einer augenblicklichen Ursache hervorgebrachten und die Eigenschaft der Selbsterhaltung besitzenden Wirkung geschehen.
Wir wollen nun annehmen, das ursprüngliche Agens (oder die Ursache) wäre, anstatt ein augenblickliches zu sein, ein fortdauerndes. Eine jede Wirkung, die bis zu einer gegebenen Zeit hervorgebracht worden ist, würde (wenn sie nicht durch die Dazwischenkunft einer neuen Ursache verhindert wird) fortdauern, wenn auch die Ursache[33] aufhören sollte. Da mm aber die Ursache nicht vergeht, sondern fortbesteht und fortwirkt, so muss sie immer mehr und mehr von der Wirkung erzeugen, und anstatt einer gleichmässigen Wirkung haben wir eine zunehmende Reihe von Wirkungen, die aus dem sich anhäufenden Einfluss der fortdauernden Ursache entstehen. So verwandelt sich bei der Berührung des Eisens mit der Luft ein Theil des ersteren in Rost, und wenn die Ursache aufhören würde, so würde die hervorgebrachte Wirkung fortdauern, aber es käme keine neue Wirkung hinzu. Wenn aber die Ursache, nämlich die Berührung mit feuchter Luft, fortdauert, so rostet immer mehr und mehr von dem Eisen, bis es gänzlich in ein rothes Pulver verwandelt ist, wo dann die eine der Bedingungen der Erzeugung des Rostes, die Gegenwart von unoxydirtem Eisen, aufgehört hat, und die Wirkung nicht weiter hervorgebracht werden kann. Ebenso verursacht die Erde den Fall der Körper, d.h. die Existenz der Erde in einem gegebenen Augenblick verursacht, dass ein nicht unterstützter Körper in dem darauffolgenden Augenblick in der Richtung nach ihr fällt, und wenn die Erde in demselben Augenblick vernichtet würde, so würde die bereits erzeugte Wirkung fortdauern, der Gegenstand würde sich mit der erlangten Geschwindigkeit in derselben Richtung fortbewegen, bis er durch einen andern Körper aufgehalten, oder durch eine andere Kraft abgelenkt würde. Da die Erde aber nicht vernichtet wird, so bringt sie in dem zweiten Augenblick eine ähnliche Wirkung von der Grösse der des ersten hervor, und da sich diese beiden Wirkungen addiren, so entsteht eine zunehmende Geschwindigkeit; da sich dies in einem jeden der folgenden Augenblicke wiederholt, so veranlasst die blosse Fortdauer der Ursache, obgleich sie selbst nicht zunimmt, ein constant zunehmendes Wachsen der Wirkung so lange, als alle positiven und negativen Bedingungen der Erzeugung dieser Wirkung erfüllt werden.
Es ist dieser Zustand der Dinge offenbar ein blosser Fall von der Zusammensetzung der Ursachen. Eine fortwährend in Thätigkeit bleibende Ursache muss bei einer strengen Analyse als eine Anzahl von genau ähnlichen Ursachen betrachtet werden, die successive eingeführt werden und durch ihre Vereinigung die Summe der Wirkungen erzeugen, welche sie einzeln wirkend hervorgebracht hätten. Das zunehmende Rosten des Eisens ist strenge[34] genommen die Summe der Wirkungen vieler Lufttheilchen, welche nacheinander auf entsprechende Eisentheilchen einwirken. Die fortdauernde Einwirkung der Erde auf einen fallenden Körper ist äquivalent einer Reihe von Kräften, die in aufeinanderfolgenden Augenblicken wirken, und wovon eine jede strebt, eine gewisse Quantität von Bewegung zu erzeugen; die Bewegung in einem jeden Augenblick ist aber die Summe der Wirkungen der neuen, in dem vorhergehenden Augenblick angewandten Kraft und der bereits erlangten Bewegung. In einem jeden Augenblick wird eine neue Wirkung, deren nähere Ursache die Schwere ist, der Wirkung, deren entferntere Ursache sie war, hinzugefügt; oder (um dasselbe in einer andern Weise auszudrücken) die durch den Einfluss der Erde in dem letztvergangenen Augenblick hervorgebrachte Wirkung addirt sich der Summe der Wirkungen, deren entfernte Ursachen alle die Einflüsse sind, welche die Erde in allen vorhergehenden Augenblicken von dem Beginnen der Bewegung an ausübte. Es ist daher dieser Fall ein Fall eines Zusammenwirken von Ursachen, welche eine Wirkung hervorbringen, die der Summe ihrer einzelnen Wirkungen gleich ist. Da aber die Ursachen nicht alle auf einmal, sondern successive in Wirksamkeit treten, und da die Wirkung eines jeden Augenblicks die Summe der Wirkungen von nur denjenigen Ursachen ist, welche bis zu diesem Augenblicke in Thätigkeit traten, so nimmt das Resultat die Form einer zunehmenden Reihe, einer Reihenfolge von Summen an, von denen eine jede grösser ist als die vorhergehende, und wir erhalten so eine zunehmende Wirkung durch die fortdauernde Thätigkeit einer Ursache.
Da die Fortdauer der Ursache nur insofern auf die Wirkung einen Einfluss ausübt, als sie ihre Quantität vermehrt, und da die Zunahme nach einem bestimmten Gesetze (gleiche Quantitäten in gleichen Zeiten) stattfindet, so kann das Resultat nach mathematischen Grundsätzen berechnet werden. Dieser Fall einer unendlich kleinen Zunahme hat in der That zur Erfindung der Differentialrechnung Anlass gegeben. Die Fragen: welche Wirkung wird aus der fortwährenden Hinzufügung einer gegebenen Ursache zu sich selbst entstehen? und welche Ursache wird, wenn sie fortwährend zu sich selbst addirt wird, eine gegebene Wirkung hervorbringen? sind offenbar mathematische Fragen und können daher deductiv[35] behandelt werden. Wenn, wie wir gesehen haben, Fälle von einer Zusammensetzung von Ursachen sich selten zu einer andern als deductiven Untersuchung eignen, so ist dies insbesondere in dem eben geprüften Falle der fortwährenden Verbindung einer Ursache mit ihren vorhergehenden Wirkungen wahr, da ein solcher Fall ganz besonders der deductiven Methode zugänglich ist, während die nicht unterscheidbare Weise, in welcher die Wirkungen mit einander und mit den Ursachen vermischt sind, die experimentelle Behandlung eines solchen Falles noch erfolgloser als in einem jeden andern Falle machen muss.
§. 2. Wir wollen unsere Aufmerksamkeit zunächst einer etwas verwickelteren Wirkung desselben Princips, nämlich dem Falle zuwenden, wo die Thätigkeit der Ursache nicht bloss fortdauert, sondern auch während derselben Zeit in denjenigen ihrer Umstände, welche zur Erzeugung der Wirkung beitragen, eine progressive Veränderung erfährt. Wie in dem vorhergehenden, so häuft sich auch in diesem Falle durch die fortwährende Hinzufügung einer neuen Wirkung zu der bereits hervorgebrachten die Totalwirkung an, es geschieht aber nun nicht mehr durch Hinzufügung von gleichen Quantitäten in gleichen Zeiten; die hinzugefügten Quantitäten sind ungleich, und selbst die Qualität kann nun verschieden sein. Wenn die Veränderung in dem Zustande der fortdauernden Ursache zunehmend ist, so wird die Wirkung eine doppelte Reihe von Veränderungen durchlaufen, die eine Folge theils der angehäuften Thätigkeit der Ursache, theils der Veränderungen ihrer Thätigkeit sind. Die Wirkung ist immer noch eine zunehmende, sie wird indessen nicht durch die blosse Fortdauer der Ursache, sondern durch ihre Fortdauer und Zunahme zugleich hervorgebracht.
Ein bekanntes Beispiel hiervon bietet die Zunahme der Temperatur bei Annäherung des Sommers, wenn sich nämlich die Sonne immer mehr ihrer verticalen Stellung nähert und längere Zeit über dem Horizont bleibt. Dieses Beispiel zeigt auf eine interessante Weise die aus der Fortdauer der Ursache und ihrer progressiven Veränderung hervorgehende doppelte Wirkung. Wenn sich die Sonne dem Zenith einmal hinreichend genähert hat und lange genug über dem Horizont bleibt, um während einer täglichen Umdrehung mehr Wärme geben zu können, als die[36] entgegenwirkende Ursache, die Ausstrahlung der Erde, hinwegnehmen kann, so würde die blosse Fortdauer der Ursache die Wirkung progressive vermehren, auch wenn die Sonne nicht näher käme und die Tage nicht länger zunehmen würden; es addirt sich aber eine Veränderung der Ursache (die Reihe ihrer täglichen Stellungen), welche die Quantität der Wirkung zu vermehren strebt. Wenn das Sommersolstitium vorüber ist, so findet die progressive Veränderung der Ursache auf umgekehrtem Wege statt, aber während einiger Zeit übersteigt die angehäufte Wirkung der blossen Fortdauer der Ursache die Wirkung der Veränderungen derselben, und die Temperatur nimmt noch immer zu.
In eben der Weise sind die Bewegungen eines Planeten eine zunehmende Wirkung, welche durch Ursachen, die zugleich fortdauernd und progressiv sind, hervorgebracht wird. Die Bahn der Planeten wird von zwei Ursachen (wenn man die Perturbationen nicht berücksichtigt) bestimmt: erstens durch die Wirkung des Centralkörpers, einer permanenten Ursache, die abwechselnd zu- oder abnimmt, je nachdem sich der Planet dem Perihel nähert oder sich davon entfernt, und die ferner in einem jeden Augenblick in einer verschiedenen Richtung wirkt; zweitens durch das Streben des Planeten, seine Bewegung in derselben Richtung und mit derselben bereits erlangten Geschwindigkeit fortzusetzen. Diese Kraft nimmt ebenfalls zu je näher der Planet seinem Perihel kommt, indem seine Schnelligkeit dabei wächst; sie nimmt ab, wenn er sich vom Perihel entfernt, und sowohl diese Kraft wie die andere wirkt in einem jeden Punkte in einer verschiedenen Richtung, weil in einem jeden Punkte die Wirkung der Centralkraft, indem sie den Planeten von seiner früheren Richtung ablenkt, die Linie, in welcher er seine Bewegung fortzusetzen strebt, verändert. Die in einem jeden Augenblicke stattfindende Bewegung wird bestimmt durch die Grösse und Richtung der Bewegung und durch die Grösse und Richtung der Wirkung der Sonne im vorhergehenden Augenblick; und wenn wir von dem ganzen Umlauf des Planeten als von einem einzigen Phänomen sprechen (was wir, da es periodisch und sich selbst gleich ist, oft bequem finden), so ist dieses Phänomen die progressive Wirkung zweier fortdauernder und progressiver Ursachen, der Centralkraft und der erlangten Bewegung. Da diese Ursachen in der besondern Weise,[37] welche man periodisch nennt, progressiv sind, so muss es auch nothwendig die Wirkung sein; denn da die zu einander zu addirenden Grössen in einer regelmässigen Ordnung wiederkehren, so müssen auch die selben Summen regelmässig wiederkehren.
Dieses Beispiel ist auch noch in einer andern Beziehung der Beachtung wohl werth. Obgleich die Ursachen selbst fortdauernd und unabhängig von allen uns bekannten Bedingungen sind, so sind doch die Veränderungen, welche in den Quantitäten und Beziehungen der Ursachen stattfinden, wirklich durch die periodischen Veränderungen in den Wirkungen hervorgebracht. Nachdem die in irgend einem Augenblicke existirenden Ursachen eine Bewegung hervorgebracht haben, so wirkt diese Bewegung, indem sie selbst eine Ursache wird, auf die Ursachen zurück und bringt eine Veränderung in ihnen hervor. Indem sie die Entfernung und die Richtung des Centralkörpers in Beziehung auf den Planeten und die Richtung und Grösse der Tangentialkraft ändert, ändert sie die Elemente, welche die Bewegung in dem nächsten Augenblicke bestimmen. Die Veränderung macht die nächste Bewegung etwas verschieden, und dieser Unterschied macht, durch eine neue Rückwirkung auf die Ursachen, die nächste Bewegung noch verschiedener und so fort. Die Wirkung der Sonne und die ursprünglich bewegende Kraft hätten in einem solchen Verhältniss zu einander stehen können, dass die Rückwirkung der Wirkung der Art gewesen wäre, dass sie die Ursachen mehr und mehr verändert hätte, ohne sie wieder zu dem zurückzubringen, was sie zu erst gewesen waren. Der Planet würde sich dann in einer Parabel, oder in einer Hyperbel, also in Curven, die nicht in sich zurückkehren, bewegt haben. Die Quantitäten der beiden Kräfte waren indessen ursprünglich der Art, dass die successiven Rückwirkungen der Wirkung die Ursachen nach einer gewissen Zeit zu dem zurückbringen, was sie vorher waren; und von dieser Zeit an kehren alle Veränderungen in einer periodischen Ordnung immer wieder und müssen wiederkehren, da die Ursachen fortdauern und nicht aufgehoben werden.
§. 3. In allen Fällen von progressiven Wirkungen, sie seien aus der Anhäufung von sich ändernden oder nicht ändernden Elementen hervorgegangen, besteht eine Gleichförmigkeit der Folge,[38] nicht bloss zwischen der Ursache und der Wirkung, sondern auch zwischen dem ersten Stadium der Wirkung und dem darauffolgenden. Dass ein Körper im luftleeren Raume in der ersten Secunde sechszehn Fuss, in der zweiten achtundvierzig und sofort in dem Verhältniss der ungeraden Zahlen, 1, 3, 5, etc., fällt, ist eine eben so gleichförmige Sequenz als jene, dass der Körper fällt, wenn er seiner Stütze beraubt wird. Das Aufeinanderfolgen von Frühling und Sommer ist eben so regelmässig und unveränderlich, als das der Wiederkehr der Sonne und des Frühlings, wir sehen aber den Frühling nicht als die Ursache des Sommers an; es ist einleuchtend, dass sie beide Wirkungen der vermehrten Wärmeausgabe der Sonne sind, und dass wenn diese Ursache nicht existirte, der Frühling ewig fortdauern könnte ohne das geringste Streben zu haben, den Sommer hervorzubringen. Nicht die bedingte, sondern, wie wir so oft bemerkt haben, das unbedingt unveränderliche Antecedens wird die Ursache genannt. Was von der Wirkung nicht begleitet sein würde, ohne dass etwas Anderes vorhergegangen ist, ist nicht die Ursache, wie unveränderlich auch in der That die Sequenz sein mag.
Auf diesem Wege nun werden die meisten jener Gleichförmigkeiten der Folge erzeugt, welche nicht Fälle einer Verursachung sind. Wenn ein Phänomen zunimmt, oder periodisch zu- und abnimmt, oder irgend eine fortwährende, unaufhörliche Reihe von Veränderungen durchläuft, die auf eine gleichförmige Regel oder ein Gesetz der Folge zurückführbar ist, so vermuthen wir deswegen nicht, dass irgend zwei aufeinanderfolgende Glieder der Reihe Ursache und Wirkung sind. Wir vermuthen gerade das Gegentheil; wir erwarten zu finden, dass die ganze Reihe entweder aus der fortgesetzten Wirkung fester Ursachen oder aus Ursachen entspringt, welche einen entsprechenden Process von fortwährender Veränderung durchlaufen. Ein Baum wächst von der Höhe eines halben Zoll bis zu der Höhe von hundert Fuss, und einige Bäume werden im allgemeinen bis zu dieser Höhe wachsen, wenn sie nicht durch irgend eine entgegenwirkende Ursache daran gehindert werden. Wir nennen jedoch nicht die junge Pflanze die Ursache des ausgewachsenen Baumes; gewiss ist sie das unveränderliche Antecedens, und wir wissen nur sehr unvollkommen, von welchen anderen Antecedentien die Sequenz abhängt, wir sind aber überzeugt,[39] dass sie von irgend etwas abhängig ist, weil die Homogenität des Antecedens und des Consequens, die grosse Aehnlichkeit der jungen Pflanze mit dem Baume in allen Beziehungen, mit Ausnahme der Grösse und des stufenweise fortschreitenden Wachsthums, das der progressive sich anhäufenden Wirkung einer lange wirkenden Ursache so genau gleicht, kaum die Möglichkeit eines Zweifels lässt, dass die junge Pflanze und der Baum in Wirklichkeit zwei Glieder einer Reihe dieser Art sind, deren erstes Glied noch zu suchen ist. Dieser Schluss wird ferner noch dadurch bestätigt, dass wir im Stande sind, durch strenge Induction die Abhängigkeit des Wachsthums des Baumes und sogar der Fortdauer seiner Existenz von der fortgesetzten Wiederholung gewisser Processe der Ernährung, wie des Aufsteigens des Saftes, der Absorption und Ausdünstung der Blätter etc. zu beweisen; dieselben Versuche würden uns auch wahrscheinlich beweisen, dass das Wachsthum des Baumes die angehäufte Summe der Wirkungen dieser Processe ist, wenn wir nicht wegen Mangel an hinreichend mikroskopischen Augen unfähig wären, genau und im Detail zu beachten, welches diese Wirkungen sind.
Diese Voraussetzung verlangt indessen keineswegs, dass die Wirkung während ihres Fortschreitens nicht noch manche andere Modificationen als die der Quantität, oder dass sie nicht zuweilen eine sehr markirte Charakterveränderung erleide. Es kann dies entweder dadurch geschehen, dass die unbekannte Ursache aus verschiedenen sie zusammensetzenden Elementen oder Agentien besteht, deren nach verschiedenen Gesetzen sich anhäufende Wirkungen in verschiedenen Perioden der Existenz des organisirten Wesens nach anderen Verhältnissen zusammengesetzt sind, oder dadurch, dass bei verschiedenen Punkten seiner Entwicklung neue Ursachen oder Agentien eintreten oder entbunden werden, welche ihre Gesetze mit denen des ersten Agens vermischen.[40]
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