Zehntes Kapitel.

[62] 1. Nun also die Eröffnung des Unterrichts.

2. Beim Hervorbrechen der Kräuter100 unter dem Sternbilde Çrâvaṇa beim Vollmonde des Monates Çrâvaṇa, oder am fünften des Çrâvaṇa unter dem Sternbilde Hasta101[62]

3. Nachdem er die beiden Buttertheile geopfert, opfert er zwei Butterspenden.

4. »Der Erde, dem Agni« beim Rigveda.

5. »Dem Aether, dem Vâyu« beim Yajurveda.

6. »Dem Himmel, der Sonne« beim Sâmaveda.

7. »Den Himmelsgegenden, dem Monde« beim Atharvaveda.

8. Und »dem Brahman, den Versmassen« bei jedem Veda.

9. Und: »Dem Prajâpati, den Göttern, den Rishis, dem Glauben, der Weisheit, dem Herrn der Versammlung, der Anumati (Gnade).«

10. Eben diesselbe findet statt bei der Uebernahme der Verpflichtung102 und bei der Beendigung derselben.[63]

11. Mit dem Verse: »Den Herrn dir Versammlung«103 (opfert der Lehrer) dreimal geröstete Körner.

12. Alle sprechen (den Vers) nach.

13. Nach den einzelnen Spenden legen sie jeder drei Stücke104 Udumbaraholz an, feuchte, mit Blättern versehene, mit Butter bestrichene, indem sie die Sâvitrî sprechen.

14. Die Brahmacarins aber thun dies in der früher erwähnten Weise.105

15. Mit dem Verse: »Zum Heil seien uns«106 essen sie die gerösteten Körner, ohne sie zu zerbeissen.107

16. Mit dem Verse: »Den Dadhikrâvan«108 verzehren sie die saure Milch.

17. Welche Anzahl (von Schülern) er wünscht, so viele Sesamkörner opfere er mit einem Würfelbrette109, mit der Sâvitrî oder dem Anuvâka: »Hell scheinend.«110[64]

18. Nachdem sie (den Rest) gegessen, spreche er zu den ihm gegenüber sitzenden: »Om« und dreimal die Sâvitrî, und dann sage er ihnen die Anfänge der Kapitel111 vor.

19. Die Anfänge der ṛĭshis112 bei denen, welche den Rigveda lernen.

20. Die Parvan bei denen, welche den Sâmaveda lernen.

21. Die Lieder bei den Atharvans.

22. Alle sprechen leise: »Möge dies Brahman unser gemeinsam sein, uns gemeinsam schützen, uns gemeinsam kräftig sein. Indra kennt das, wodurch wir nicht hassen.«113

23. Dann sollen sie drei Nächte nicht lernen.

24. Haare und Nägel sollen sie nicht beschneiden.

25. Nach einigen (soll das letztere nicht geschehen) vor dem Schlusse des Unterrichts.

100

Dies ist die allgemeine Bestimmung; der Unterricht soll beginnen, wenn die Hitze des Sommers vorüber ist und die Pflanzen durch den Regen wieder ins Leben gerufen werden, also zu Anfang der Regenzeit, welche die beiden Monate Çrâvaṇa und Bhâdrapada umfasst. Deshalb führt dieser Act auch speciell den Namen vârshikam, »die Handlung der Regenzeit«. S. Âçv. Gṛĭ. 3, 5, 19. Gaut. Dh. Ç. 16, 1.

101

Die Bestimmung des Tages, an welchem der Unterricht beginnen soll, ist nicht ganz deutlich. Jr. meint, da der Vollmond des Monates Çrâvaṇa gewöhnlich in das Sternbild Çrâvaṇa falle und das Sternbild Hasta gewöhnlich auf den fünften Tag des Monates, so lasse Pâraskara nur zwischen zwei Tagen die Wahl. Er fügt aber hinzu, dass andere in den obigen Worten die Angabe von vier Tagen finden wollen. In Kamalâkara Bhaṭṭa's Nirṇaya Sindhu (2, Fol. 17, a, 13 u.f.) und in Kâçinâtha's Dharma Sindhu Sâra (2, Fol. 15, a, 4 u.f.) finden sich ausführliche Mittheilungen über die verschiedenen Anfangstage des Unterrichts bei den Anhängern der vier Vedas, unter welchen die Anhänger des Yajurveda wieder in vier Parteien zerfallen, nämlich 1) in die Hiraṇyakeçinas und Taittirîyâs, 2) die Âpastambâs, 3) die Baudhâyanâs und 4) die Kâṇva-Mâdhyandinâdi-Kâtyâyan âs. Von den letzteren sagt Kâçinâtha: ihr Anfangstag sei zunächst (mukhyaḥ kâlaḥ) der Vollmond des Monates Çrâvaṇa, wenn er in das Sternbild Çravaṇa falle, aber auch ohne diesen Umstand çravaṇayutâ çrâvaṇapaurṇamâsî kevalâ vâ), oder der fünfte Tag desselben Monates unter dem Sternbilde Hasta, aber ebenfalls auch ohne diesen Umstand (hastayuktâ pańcamî kevalâ vâ). Dies weicht also von Pâraskara nur darin ab, dass hier das Zusammenfallen des Vollmondes und des fünften Tages mit den genannten Sternbildern nicht für nothwendig erklärt wird. Kâçinâtha fügt hinzu: wenn im Monate Çrâvaṇa ein Hinderniss (vjghnadosha) eintritt, soll der Vollmond oder der fünfte Tag des folgenden Monates, Bhâdrapada, zur Eröffnung des Unterrichtes gewählt werden. Zu den Hindernissen gehört, wie ich aus anderen Stellen sehe, namentlich eine Mondfinsterniss oder eine sankrânti, d.h. der Eintritt der Sonne in ein neues Sternbild.

102

Wenn der Schüler einen Veda zu lernen anfängt und wenn er ihn beendigt. Rk.

103

VS. 32, 13.

104

Jeder legt im Ganzen drei Stücke an, also eines nach jeder Spende. Jr. Rk.

105

Diejenigen Schüler, welche noch Brahmacârins sind, sprechen nicht die Sâvitrî, sondern legen ihre drei Stücke Holz an in der Weise, welche oben 2, 4, 3. 4. erwähnt ist. Rk.

106

VS. 9, 16.

107

Rk. sagt in seiner zusammenfassenden Darstellung der ganzen Handlung, dass jeder, der Lehrer und die Zuhörer, drei Körner, ohne sie mit den Zähnen zu berühren, blos mit der Zunge essen sollen.

108

VS. 23, 32.

109

Nach Rk. ist dies ein Geräth (Gefäss? pâtra) aus Udumbaraholz, armlang, von der Form einer Schlange.

110

VS. 17, 80–86.

111

Der Mantra und des Brahmaṇa. Jr. Rk.

112

d.h. der Maṇḍala. Rk.

113

Indra wird von Jr. Rk. durch Prajâpati erklärt. – Man vergleiche den ähnlichen Schluss der Kaṭha Upanishad, durch welchen hervorgehoben wird, dass durch den gemeinschaftlichen Unterricht ein freundschaftliches Verhältniss unter den Schülern und mit dem Lehrer begründet sei.

Quelle:
Indische Hausregeln. In: Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 6. Leipzig 1878, S. 62-65.
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