Fußnoten

1 Nach dem Wiederabdruck derselben im ersten Band der philosophischen Schriften (Landshut 1809). A. d. O.


2 Ich finde, daß Beck in der Vorrede zum zweiten Teil seines Kommentars über Kant einen ähnlichen Gedanken äußert. Ich kann aber noch nicht beurteilen, wie nahe oder entfernt die Gedanken dieses, in den Geist seines Schriftstellers so sichtbar eingedrungenen, Kommentators den meinigen verwandt seien.


3 In der Originalauflage folgen hier einige Bemerkungen gegen eine in Jacobs philos. Annalen (Jan. 1794, 4. Stück) erschienene Rezension der Schrift »Über die Möglichkeit usw.«, sie enthalten einen Nachweis der Insinuationen und Verdrehungen, die sich der Rezensent erlaubt hatte, gegen die der Verfasser bereits eine vorläufige Erklärung ins Intelligenzbl. der A. Lit. Z. 1795, Nr. 31, hatte einrücken lassen. A. d. O.


4 Die Vorrede zum ersten Band der philosophischen Schriften charakterisiert diese Schrift vom Ich mit den Worten: »Sie zeigt den Idealismus in seiner frischesten Erscheinung, und vielleicht in einem Sinn, den er späterhin verlor. Wenigstens ist das Ich noch überall als absolutes, oder als Identität des Subjektiven und Objektiven schlechthin, nicht als subjektives genommen.« A. d. O.


5 Man verstatte diesen hier in der allgemeinsten Bedeutung gebrauchten Ausdruck, solange das Etwas, das wir suchen, nur noch problematisch bestimmt ist. (Anmerkung der ersten Auflage.)


6 Ich bin! ist das Einige, wodurch es sich in unbedingter Selbstmacht ankündigt. (Zus. der ersten Aufl.)


7 Vielleicht kann ich die Sache noch deutlicher machen, wenn ich das oben gebrauchte Beispiel wieder aufnehme. – Gott kann für mich schlechterdings nicht Realgrund meines Wissens sein, insofern er als Objekt bestimmt ist, weil er dadurch selbst in die Sphäre des bedingten Wissens fällt. Würde ich hingegen Gott gar nicht als Objekt, sondern als = Ich bestimmen, so wäre er allerdings Realgrund meines Wissens. Aber eine solche Bestimmung Gottes ist in der theoretischen Philosophie unmöglich. Ist aber selbst in der theoretischen Philosophie, die Gott als Objekt bestimmt, doch zugleich eine Bestimmung seines Wesens = Ich notwendig, so muß ich allerdings annehmen, daß Gott für sich absoluter Realgrund seines Wissens sei, aber nicht für mich, denn für mich ist er in der theoretischen Philosophie nicht bloß als Ich, sondern auch als Objekt bestimmt, da er hingegen, wenn er = Ich ist, für sich selbst gar kein Objekt, sondern nur Ich ist. Beiläufig zu sagen, sieht man hieraus, daß man den ontologischen Beweis fürs Dasein Gottes sehr fälschlich als bloß künstliche Täuschung darstellt: vielmehr ist die Täuschung ganz natürlich. Denn was zu sich selbst: Ich! sagen kann, sagt auch: Ich bin! Nur schade, daß Gott in der theoretischen Philosophie nicht als identisch mit meinem Ich, sondern in bezug auf dieses als Objekt bestimmt, und ein ontologischer Beweis vom Dasein eines Objekts ein widersprechender Begriff ist.


8 Das Wort empirisch wird gewöhnlich in einem gar zu eingeschränkten Sinne genommen. Empirisch ist alles, was dem reinen Ich entgegengesetzt ist, also überhaupt in bezug auf ein Nicht-Ich steht, selbst das ursprüngliche, im Ich selbst begründete. Entgegensetzen eines Nicht-Ichs, durch welche Handlung dieses überall erst möglich wird. Rein ist, was ohne allen Bezug auf Objekte gilt. Erfahrungsmäßig, was nur durch Objekte möglich wird. – A priori, was nur in bezug auf Objekte (nicht durch sie) möglich ist. – Empirisch das, wodurch Objekte möglich sind.


9 Der Charakter der Endlichkeit ist, nichts setzen zu können, ohne zugleich entgegenzusetzen. Diese Form der Entgegensetzung ist ursprünglich bestimmt durch die Entgegensetzung des Nicht-Ichs. Es ist nämlich dem endlichen Ich notwendig, indem es sich als sich selbst absolut gleich setzt, zugleich alles Nicht-Ich sich entgegenzusetzen: was nicht möglich ist, ohne das Nicht-Ich selbst zu setzen. Das unendliche Ich würde alles Entgegengesetzte ausschließen, ohne es sich entgegenzusetzen: es würde überhaupt alles sich schlechthin gleich setzen, also, wo es setzt, nichts als seine Realität setzen, es würde also in ihm auch kein Streben vorhanden sein, seine Identität zu retten, also keine Synthesis des Mannigfaltigen, keine Einheit des Bewußtseins usw. Das empirische Ich ist daher nur durch die ursprüngliche Entgegensetzung bestimmt, also außer dieser schlechterdings nichts. Es verdankt also auch seine Realität, als empirisches Ich, nicht sich selbst, sondern einzig und allein seiner Einschränkung durch ein Nicht-Ich. Es kündigt sich nicht durch das bloße: Ich bin, sondern durch das: Ich denke, an, d.h. es ist nicht durch sein bloßes Sein, sondern dadurch, daß es Etwas, daß es Objekte denkt. Um nämlich die ursprüngliche Identität des Ichs zu retten, muß die Vorstellung des identischen Ichs alle anderen Vorstellungen begleiten, um so die Vielheit derselben in bezug auf Einheit denken zu können. Das empirische Ich existiert also nur durch und in bezug auf die Einheit der Vorstellungen, hat also außer dieser schlechterdings keine Realität in sich selbst, sondern verschwindet, sowie man Objekte überhaupt und die Einheit seiner Synthesis aufhebt. Seine Realität als empirisches Ich, ist ihm also durch etwas außer ihm Gesetztes, durch Objekte bestimmt, sein Sein wird ihm nicht schlechthin, sondern durch objektive Formen – als ein Dasein – bestimmt. Jedoch ist es selbst nur in dem unendlichen Ich, und durch dasselbe; denn bloße Objekte könnten niemals die Vorstellung vom Ich, als einem Prinzip ihrer Einheit, hervorbringen.


10 Siehe einige Stellen bei Jacobi über Spinozas Lehre S. 179 ff. Noch gehören zu diesen mehrere andere, vorzüglich Eth. L. II, Prop. XL. Schol. und S. 467 seiner Briefe. Hier sagt er: »Cum multa sint, quae nequaquam in imaginatione, sed solo intellectu assequi possumus, qualia sunt Substantia, Aeternitas et al. si quis talia ejusmodi notionibus, quae duntaxat axilia imaginationis sunt, explicare conatur, nihilo plus agit, quam si det operam, ut sua imaginatione insaniat«. Man muß, um diese Stelle zu verstehen, wissen, daß er die abstrahierten Begriffe für bloße Produkte der Einbildungskraft hielt. Die transzendentalen Ausdrücke (so nennt er die Ausdrücke Ens, Res usw.), sagt er, entstehen daher, daß der Körper nur einer gewissen bestimmten Quantität von Eindrücken fähig ist, und also, wenn er mit allzu vielen überhäuft wird, die Seele sie nicht anders als verworren, und ohne alle Unterscheidung – alle zusammen unter Einem Attribut – imaginieren kann. Ebenso erklärt er die Allgemeinbegriffe, z.B. Mensch, Tier usw. – Man vergleiche die angegebene Stelle der Ethik, und insbesondere auch seine Abh. de intellectus Emendatione in den Opp. posth. – Die niedrigste Stufe der Erkenntnis ist ihm bloße Imagination der einzelnen Dinge, die höchste – reine intelektuale Anschauung der unendlichen Attribute der absoluten Substanz, und die dadurch entstehende adäquate Erkenntnis des »Wesens der Dinge. Dies ist der höchste Punkt seines Systems. Bloße verworrene Imagination ist ihm Quelle alles Irrtums, intellektuale Anschauung Gottes Quelle aller Wahrheit und Vollkommenheit im ausgedehntesten Sinn des Worts. – »Quid, sagt er im zweiten Buch seiner Ethik Prop. XLIII. Schol., quid idea vera clarius et certius dari potest, quod norma sit veritatis? Sane, sicut lux se ipsam et tenebras manifestat, ita veritas norma sui et falsi est«. – Was geht über die stille Wonne dieser Worte, das Hen kai pan unseres besseren Lebens?


11 Insofern das Nicht-Ich dem Ich ursprünglich entgegengesetzt wird, setzt es das Ich notwendig voraus. Aber die Entgegensetzung selbst geschieht schlechthin, so gut als das Setzen des Ichs: eben deswegen aber ist das der Realität schlechthin Entgegengesetzte notwendig absolute Negation. Daß das Ich sich ein Nicht-Ich entgegengesetzt, dafür läßt sich so wenig weiter ein Grund angeben, als davon, daß es sich selbst schlechthin setzt, ja eins schließt unmittelbar das andere ein. Das Setzen des Ich ist absolutes Entgegensetzen, d.h. Negieren dessen, was Nicht = Ich ist. Aber ursprünglich kann überhaupt nichts, noch viel weniger aber etwas schlechthin entgegengesetzt werden, wie doch geschieht, ohne daß zuvor etwas schlechthin gesetzt ist. – Der zweite Grundsatz der Wissenschaft, der das Nicht-Ich dem Ich schlechthin entgegensetzt, erhält in sofern seinen Inhalt (das Entgegengesetzte) schlechthin, seine Form aber (das Entgegensetzen selbst) ist nur durch den ersten Grundsatz bestimmbar. – Der zweite Grundsatz soll aber nicht aus dem ersten analytisch hergeleitet werden, denn aus dem absoluten Ich kann kein Nicht-Ich hervorgehen, vielmehr findet ein Progressus von Thesis zu Antithesis, und von da zu Synthesis statt. Es wäre freilich nicht zu begreifen, wie die gesamte Wissenschaft auf einen Grundsatz gegründet werden könnte, wenn man annähme, daß sie in demselben gleichsam eingeschachtelt wäre; allein dies hat auch, soviel ich weiß, kein Philosoph behauptet.


12 kein docheion (Zusatz der ersten Auflage).


13 Man kann sich die Sache versinnlichen. – Das absolute Ich beschreibt eine unendliche Sphäre, die alle Realität befaßt. Dieser wird nun erst eine andere, gleichfalls unendliche Sphäre entgegengesetzt (nicht nur ausgeschlossen), die alle Negation befaßt (absolutes Nicht-Ich). Diese Sphäre ist also schlechthin = 0; jedoch erst dann, wann die absolute Sphäre der Realität schon beschrieben ist, und nur im Gegensatz gegen diese möglich. Denn absolute Negation bringt sich nicht selbst hervor, sondern ist nur im Gegensatz gegen absolute Realität bestimmbar. Eine unendliche Sphäre außer einer, vorher gesetzten, gleichfalls unendlichen, ist schon ein Widerspruch, und ihr Gesetztsein außer dieser schließt es schon in sich, daß sie absolute Negation sein muß. Denn wäre sie dies nicht, so wäre sie nicht außer jener unendlichen Sphäre, sondern fiele mit ihr zusammen. Die absolute Sphäre des Nicht-Ichs also, wenn sie bloß schlechthin gesetzt würde, müßte das Ich ganz aufheben, denn eine unendliche Sphäre duldet keine andere außer ihr. Aber eben deswegen müßte umgekehrt auch die Sphäre des Ichs die des Nicht-Ichs aufheben, wenn jene als unendlich gesetzt ist. Und doch sollen beide gesetzt sein. Mithin bleibt zunächst nichts übrig, als ein Streben des Ichs, jene unendliche Sphäre des Nicht-Ichs in seine Sphäre zu ziehen, denn sie soll gesetzt werden, und Setzen überhaupt ist nur im Ich möglich. Allein dem widerstrebt die absolute Negation dieser Sphäre, mithin ist sie nur mit Negation jener setzbar. Also wird die unendliche Sphäre der Negation, wenn sie in die unendliche Sphäre der Realität gesetzt werden soll, eine endliche Sphäre der Realität, d.h. sie ist notwendig nur als Realität, mit Negation verbunden, in derselben setzbar. Dadurch entsteht also zugleich Einschränkung des Ichs; die Sphäre des Ichs wird zwar nicht ganz aufgehoben, aber es ist notwendig, daß Negation, d.h. Schranke in sie gesetzt werde. Nun kann die endliche Sphäre streben, selbst die unendliche in sich zurückzuziehen und sich zum Mittelpunkt der gesamten Sphäre zu machen, von dem aus die Strahlen der Unendlichkeit so gut als die Sehranken der Endlichkeit ausgehen, was sich widerspricht. Ist nur der Widerstreit zwischen Ich und Nicht-Ich in der höchst möglichen Synthesis (Ich = Nicht-Ich) ausgedrückt, so bleibt, um ihn zu lösen, nichts mehr übrig, als gänzliche Zerstörung der endlichen Sphäre, d.h. Erweiterung derselben bis zum Zusammenfallen mit der unendlichen (praktische Vernunft). (Anmerkung der ersten Auflage.)


14 Auf meinem Ich ruht alles Dasein: mein Ich ist alles, in ihm und zu ihm ist alles, was ist: ich nehme mein Ich hinweg und alles, was ist, ist nichts. (Zusatz der ersten Auflage.)


15 Eth. Lib. I, Prop. XXXI. – Prop. XXXII: Deus non agit ex ratione boni, sed ex naturae suae perfectione. Qui illud statuunt, videntur aliquid extra Deum ponere, puod a Deo non dependet, ad quod Deus tanquarn ad exemplar in operando attendat, vel ad quod tanquam ad certum scopum collimat, quod profecto nihil aliud est, quam Deum fato subjicere. – Prop. XXXIII: Dei potentia est ipsius essent a.


16 Da das Nicht-Ich Gegenstand eines durch Freiheit bestimmten Strebens des Ichs werden soll, so muß es von der Form der Bedingtheit zur Form der Unbedingtheit gesteigert werden. Allein, da das Nicht-Ich als Nicht-Ich Gegenstand dieses Strebens sein soll, so kann dadurch nur sinnliche, d.h. imaginierbare Unbedingtheit, d.h. Erhebung des Nicht-Ichs selbst zu einer Form, die durch keine Form des Verstandes oder der Sinnlichkeit erreichbar ist, entstehen.

Eine solche Vermittlung des Bedingten und Unbedingten ist nur durch die Einbildungskraft gedenkbar. Die Idee von Glückseligkeit entsteht also ursprünglich durch eine bloß theoretische Operation. Praktisch vorgestellt aber ist sie nichts als notwendige Zusammenstimmung des Nicht-Ichs mit dem Ich, und da diese Zusammenstimmung eine unendliche Aufgabe für das Ich ist, bleibt sie selbst in praktischer Bedeutung eine Idee, die nur in unendlichem Fortschritt realisiert wird. Aber in praktischer Bedeutung ist sie auch ganz identisch mit dem letzten Endzweck des Ichs, und insofern, da Moralität stufenweise Annäherung zum letzten Endzweck ist, kann sie freilich als das, nur durch Moralität realisierbare, mit Moralität immer in gleichem Verhältnis stehende, vorgestellt werden. Und in dieser Bedeutung allein kann Kant Glückseligkeit im Verhältnis mit Moralität gedacht haben. Man kann empirische Glückseligkeit als zufällige Übereinstimmung der Objekte mit unserm Ich erklären. Empirische Glückseligkeit kann also unmöglich als im Zusammenhang mit Moralität gedacht werden. Denn diese geht nicht auf zufällige, sondern auf notwendige Übereinstimmung des Nichts-Ichs mit dem Ich. Reine Glückseligkeit besteht also gerade in Erhebung über die empirische Glückseligkeit, die reine schließt die empirische notwendig aus. Aber es ist sehr begreiflich, warum man bei Kant, so oft von Glückseligkeit die Rede war, immer empirische Glückseligkeit verstand; aber zu verwundern ist, daß, soviel ich weiß, noch niemand die moralische Verderblichkeit eines solchen Systems gerügt hat, das empirische Glückseligkeit als mit Moralität, nicht durch inneren Zusammenhang, sondern bloß durch äußere Kausalität verbunden vorstellt.


17 Wäre nicht der letzte Endzweck alles Strebens des Ichs Identifizierung des Nicht-Ichs mit sich selbst, so würde die zufällige, durch Natur bewirkte Übereinstimmung der Objekte mit unserem Ich gar keinen Reiz für uns haben. Nur indem wir eine solche Übereinstimmung in bezug auf unsere ganze Tätigkeit (die vom untersten Grade an bis zum höchsten auf nichts anderes denn Übereinstimmung des Nicht-Ichs mit dem Ich geht) denken, betrachten wir jene zufällige Übereinstimmung als Begünstigung (nicht als Belohnung), als ein freiwilliges Entgegenkommen der Natur, als eine unerwartete Unterstützung, die sie unserer gesamten (nicht nur unserer moralischen) Tätigkeit angedeihen läßt.


18 Man kann also auch sagen, der letzte Endzweck des Ichs sei, die Freiheitsgesetze zu Naturgesetzen, und die Naturgesetze zu Freiheitsgesetzen zu machen, im Ich Natur, in der Natur Ich hervorzubringen.


19 Dieses Gesetz läßt sich durch alle der Urform der Identität untergeordneten Formen verfolgen. Der Quantität nach ausgedrückt heißt es: sei schlechthin Eines. Der Qualität nach: setze alle Realität in dich, d.h. alle Realität dir gleich. Der Relation nach: sei von aller Relation, d.i. von aller Bedingtheit, frei. – Der Modalität nach: setze dich außer aller Sphäre des Daseins, setze dich in die Sphäre des reinen absoluten Seins (unabhängig von aller Form der Zeit usw.).


20 Verfolgen wir dieses schematisierte Gesetz wiederum durch die untergeordneten Formen, so erhält man folgende Gesetze: der Quantität nach: werde schlechthin Eines. (Was erst Einheit wird, setzt Vielheit in sich voraus, und wird es nur durch Erhebung derselben zur Einheit; also ist jener Ausdruck: identisch mit diesem: erhebe die Vielheit in dir zur Einheit, d.h. werde eine in dir selbst beschlossene Totalität). Der Qualität nach: werde Realität schlechthin. (Was Realität wird, wird es im Streit gegen Negation, also kann es auch so ausgedrückt werden: erhebe die Negation in dir zur Realität, d.h. gib dir eine Realität, die ins Unendliche fort [in der Zeit] nie aufgehoben werden kann). – Der Realität nach: werde absolut unbedingt, strebe nach absoluter Kausalität – abermals Ausdruck. eines ursprünglichen Widerstreits, also ebensoviel als: mache die passive Kausalität in dir identisch mit der aktiven (bringe Wechselwirkung hervor, mache, daß, was passive Kausalität in dir ist, zugleich aktive, und was aktive ist, passive werde). Der Modalität nach: strebe, dich in die Sphäre des absoluten Seins, unabhängig vom Zeitwechsel, zu setzen. Streben ist nur in der Zeit möglich, mithin ist ein Streben, sich außer alles Zeitwechsels zu setzen, ein Streben in aller Zeit. Also kann jenes Gesetz auch so ausgedrückt werden: Werde ein notwendiges Wesen, ein Wesen, das in aller Zeit beharrt.


21 Der Gang aller Synthesis ist der, daß sie, was im absolut Gesetzten absolut gesetzt ist, im Entgegengesetzten bedingt (mit Einschränkung) setzt. So ist das Nicht-Ich in seiner ursprünglichen Entgegensetzung absolut, deswegen aber auch als schlechthin = 0 gesetzt, denn ein unbedingtes Nicht-Ich ist ein Widerspruch, d.h. schlechthin nichts. Nun erhält zwar das Nicht-Ich in der Synthesis Realität, verliert aber eben dadurch seine Unbedingtheit, d.h. es wird Realität mit Negation verbunden, bedingte (limitierte) Realität. So ist das Nicht-Ich ursprünglich außerhalb aller Zeit gesetzt, wie das Ich, dafür aber auch schlechthin = o; erhält es Realität, so verliert es dadurch sein Gesetztsein außer aller Zeit, und wird in bestimmte Zeit, durch eine neue Synthesis endlich in alle Zeit gesetzt, d.h. die absolute Ewigkeit des Ichs wird im Nicht-Ich, sofern es Realität durchs Ich erhält, empirische Ewigkeit.


22 Eth. L. V., Prop. XXIII. Schol.: – aeternitas nec tempore definiri, nec ullam ad tempus relationem habere potest. At nihilominus sentimus experimurque, nos aeternos esse. Nammens non minus res illas sentit, quas intelligendo concipit, quam quas in memoria habet. Mentis enim oculi, quibus res videt observatque, sunt ipsae demonstrationes. Quamvis igitur non recordemur, nos ante corpus extitisse, sentimus tamen, mentem nostram, quatenus corporis essentiam sub aeternitatis specie involvit, aeternam esse, et hanc ejus existentiam tempore definiri s. per durationem explicari non posse. Mens igitur nostra eatenus tantum dici potest durare, ejusque existentia certo tempore definiri, quatenus actualem corporis existentiam involvit, et eatenus tantum potentiam habet, rerum existentiam tempore determinandi easque sub duratione concipiendi.

Ebenso stark erklärt sich auch in seinen Briefen gegen diese Verwechslung der Ewigkeit und der Dauer, sowie überhaupt gegen alle Vermischung der reinen Urbegriffe des Seins mit den abgeleiteten Formen der empirischen Existenz. S. vorzüglich Opp. posth. p. 467.


23 Das absolute Ich ist ohne allen Bezug auf Objekte, also nicht dadurch, daß es überhaupt denkt, sondern dadurch, daß es nur sich selbst denkt. Eben deswegen konnte Cartesius mit seinem Cogito, ergo sum, nicht weit kommen. Denn er setzte dadurch als Bedingung des Ichs sein Denken überhaupt, d.h. er hatte sich nicht bis zum absoluten Ich erhoben.


24 Dadurch fällt der Satz des Bewußtseins als Prinzip der Philosophie von selbst. Denn es zeigt sich, daß durch ihn weder Objekt noch Subjekt anders als bloß logisch bestimmt sind, daß er also wenigstens, solange er höchstes Prinzip sein soll, gar keine reale Bedeutung hat. Kein Philosoph hat auf diesen Mangel an Realität im Satz des Bewußtseins stärker hingedrungen, als Salomo Maimon.


25 In der theoretischen Philosophie soll Gott als Nicht-Ich realisiert werden, hier ist also jener Ausdruck an seiner Stelle. Dagegen er in der praktischen Philosophie anders nicht denn nur polemisch gegen diejenigen, die Gott zum Objekt machen wollen, gebraucht werden kann.


26 Auch das Streben des moralischen Ichs kann nicht als Streben nach Wirklichkeit vorgestellt werden, deswegen, weil es strebt, alle Realität in sich zu setzen. Vielmehr strebt es, umgekehrt alle Wirklichkeit zum reinen Sein, und sich selbst, da es, durchs Nicht-Ich bedingt, in die Sphäre des Daseins herabfällt, wieder aus dieser zu erheben. Aber das reine Sein kann als Objekt des Strebens eines moralischen Subjektes, d.h. eines bedingten Ichs, nur schematisch, d.h. als Dasein in aller Zeit, dargestellt werden. Darin liegt eben die unendliche Aufgabe der praktischen Vernunft, absolutes Sein und empirisches Dasein in uns identisch zu machen. Weil empirisches Dasein in alle Ewigkeit nicht zu absolutem Sein erhoben, dieses aber niemals im Gebiete der Wirklichkeit, als wirklich uns, dargestellt werden kann, fordert die Vernunft unendliches Dasein für das empirische Ich; denn das absolute hat Ewigkeit in sich selbst, und kann durch den Begriff von Dauer, selbst unendlicher Dauer, niemals erreicht werden.


27 Transzendenter und immanenter Idealismus fallen zusammen, denn immanenter Idealismus könnte nichts als das Dasein der Objekte in den Vorstellungen leugnen, was der transzendente gleichfalls leugnen muß. Denn eben, weil er Idealismus ist, und keine objektive Welt zuläßt, müßte er auch die Gründe seiner Behauptung nur im Ich suchen, also im Grunde immanenter Idealismus sein.


28 Durch diesen Realismus wird zugleich der Naturforschung ihr eigentümliches Gebiet bezeichnet, daß sie nämlich schlechterdings nicht darauf gehen kann, »in das Innere der Objekte einzudringen«, d.h. die Erscheinungen als ihrer Realität nach unabhängig vom Ich bestimmbar anzunehmen, sondern die gesamte Realität, die ihnen zukommt, bloß als Realität überhaupt, die keinen in den Objekten selbst gegründeten Bestand hat, sondern nur in Beziehung (aufs Ich) denkbar ist, zu betrachten, also auch den Objekten keine von dieser geliehenen Realität unabhängige Realität zuzuschreiben, und sie selbst als außer derselben vorhanden vorauszusetzen, da sie vielmehr, wenn man von jener übergetragenen Realität abstrahiert, schlechterdings = o sind; weswegen auch ihre Gesetze schlechterdings nur in bezug auf ihre erscheinende Realität bestimmbar sind, und nicht vorausgesetzt werden kann, daß die Realität in der Erscheinung noch durch die Kausalität irgend einer ändern nicht in der Erscheinung enthaltenen Realität, durch ein noch außer der Erscheinung wirkliches Substrat des Objekts bestimmbar sei; vielmehr würde man, wenn man noch gleichsam hinter der erscheinenden (übergetragenen) Realität eine andere, dem Objekt ursprünglich zukommende suchen wollte, auf nichts als Negation stoßen.


29 Anders kann ich mir wenigstens den Ausdruck nicht erklären: die Dinge an sich geben den Stoff zu den Vorstellungen. (Die Dinge an sich geben nichts als die Schranken der absoluten Realität in der Vorstellung). – Man sehe statt alles ändern den 29. Paragraph der Theorie des Vorstellungsvermögens, wiewohl dieser nach spätem Erklärungen des Verfassers eine philosophische – Exkursion sein soll!


30 Das Nicht-Ich ist nur in der absoluten Entgegensetzung gegen das Ich bestimmbar, eben deswegen aber absolute Negation der Relation nach ist es in der ursprünglichen Entgegensetzung als absolute Bedingtheit bestimmt, denn es ist dem Absoluten entgegengesetzt, also dieses bedingt, zugleich aber schlechthin entgegengesetzt, d.h. unbedingt. Was dem Absoluten schlechthin entgegengesetzt ist, ist also notwendig zugleich bedingt und unbedingt, d.h. schlechthin = o. Der Quantität nach ist es als absolute Vielheit bestimmt, absolute Vielheit aber ist ein Widerspruch, denn Vielheit ist bedingt durch Einheit. Der Modalität nach ist es als Sein, das dem absoluten Sein schlechthin entgegengesetzt ist, d.h. absolutes Nichtsein, der Qualität nach als Qualität, die der absoluten Realität schlechthin entgegengesetzt ist, d.h. absolute Negation bestimmt. Soll also das absolute Nicht-Ich Realität erhalten, so ist dies nur dadurch möglich, daß es dem Absoluten nicht schlechthin entgegen – d.h. in den absoluten Inbegriff aller Realität selbst gesetzt wird. Nun ist der Gang aller Synthesis dieser, daß, was in der Thesis und Antithesis schlechthin gesetzt ist, in ihr mit Einschränkung, d.h. bedingt, gesetzt werde. Also wird die absolute Einheit des Ichs in der Synthesis zu empirischer, d.h. nur in bezug auf Vielheit denkbarer Einheit (Kategorie der Einheit), die absolute Vielheit des Nicht-Ichs zur empirischen, nur in bezug auf Einheit denkbaren Vielheit (Kategorie der Vielheit), die absolute Realität des Ichs zur bedingten, nur in Bezug auf einschränkende Negation denkbaren Realität (Kategorie der Realität), die absolute Negation des Nicht-Ichs zur nur in bezug auf Realität denkbaren Negation (Kategorie der Negation), die absolute Unbedingtheit des Ichs zur empirischen, nur in bezug auf Bedingtheit denkbaren Unbedingtheit (Kategorie der Substanz), das absolute Sein des Ichs zu einem nur in bezug auf Nichtsein bestimmbaren Sein (Kategorie der Möglichkeit), das absolute Nichtsein des Nicht-Ichs zu einem nur in bezug auf Sein bestimmbaren Nichtsein (Kategorie des Daseins).

(Diese Anmerkung ist im zweiten Abdruck weggeblieben, vielleicht nur aus Versehen, da sie in der Originalausgabe auch nicht im Texte, sondern im Verzeichnis der Verbesserungen und Zusätze stand. A. d. O.)


31 Der Ausdruck vieler Schwärmer: das Sinnliche sei im Übersinnlichen, das Natürliche im Übernatürlichen, das Irdische im Himmlischen befaßt, leidet also eine sehr vernünftige Deutung. Überhaupt enthalten ihre Ausdrücke sehr häufig einen Schatz geahneter und gefühlter Wahrheit. Sie sind, nach Leibnizens Vergleichung, die güldnen Gefäße der Ägypter, die der Philosoph zu heiligerem Gebrauche entwenden muß.


32 Unter den Kategorien jeder einzelnen Form ist jedesmal die erste Ausdruck der Urform des Ichs, die zweite Ausdruck der Urform des Nicht-Ichs, die dritte endlich die Synthesis, in welcher die beiden ersten vereinigt werden, und nun erst Sinn und Bedeutung in bezug aufs Objekt erhalten. Beiläufig zu sagen bezieht sich die Form der Qualität auf die der Modalität, die Form der Quantität auf die der Relation, also sind die mathematischen Kategorien durch die dynamischen, nicht umgekehrt, bestimmt


33 Man sollte das Wort logische, reine Möglichkeit untergehen lassen: der Ausdruck veranlaßt notwendig Mißverständnis. Es gibt eigentlich nur reale, objektive Möglichkeit; die sogenannte logische Möglichkeit ist nichts als reines Sein, sowie es in der Form des thetischen Satzes ausgedrückt ist. Wenn man z.B. sagt, der Satz: Ich ist Ich, habe die Form reiner Möglichkeit, so ist dies leicht mißzuverstehen, nicht so, wenn man sagt: seine Form sei die des reinen Seins (im Gegensatz gegen Dasein, oder gegen logische Möglichkeit, die nur durch objektive Möglichkeit bedingt ist).


34 Das Nicht-Ich ist in der ursprünglichen Entgegensetzung (Antithesis) absolute Unmöglichkeit, nun erhält es in der Synthesis zwar Möglichkeit, aber nur unbedingte, also tauscht es bedingte Möglichkeit gegen unbedingte Unmöglichkeit ein. »Entweder keine Möglichkeit, dafür aber Unbedingtheit, oder keine Unbedingtheit, dafür aber Möglichkeit! – Sollte das Nicht-Ich das Unbedingte im menschlichen Wissen sein, so könnte es dieses nur in der ursprünglichen Entgegensetzung, d.h. insofern es schlechthin Nichts ist, sein.« (Zusatz in der ersten Aufl.)


35 Dasein ist die gemeinschaftliche Form, unter welcher Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit stehen. Der Unterschied bei diesen ist nur die Zeitbestimmung selbst, nicht das Setzen oder Nichtsetzen in Zeit überhaupt. Dasein überhaupt ist also Resultat der ersten Synthesis. In der zweiten wird es in der Thesis als Möglichkeit, in der Antithesis als Wirklichkeit, in der Synthesis als Notwendigkeit bestimmt.


36 Das, was ein Schema mit seinem Gegenstand vermittelt, ist immer ein Bild. Schema ist das in der Zeit überhaupt Schwebende, Bild das in bestimmter Zeit Gesetzte, und doch für alle Zeit Setzbare, da hingegen der Gegenstand selbst für mich nur in bestimmte Zeit gesetzt ist.


37 Das Resultat dieser Deduktionen ist, daß nur die Formen des Seins, des Nichtseins und des durch Sein bestimmten Nicht-Seins, insofern sie vor aller Synthesis vorhergehen, aller Synthesis zugrunde liegen und die Urform enthalten, nach der sie allein entworfen werden kann, in die Logik gehören können, daß aber die erst durch schon geschehene Synthesis möglich gewordenen schematisierten Formen der Möglichkeit, der Wirklichkeit und der Notwendigkeit nur insofern in die Logik gehören, als sie selbst durch jene ursprünglichen Formen bestimmt sind. So gehören z.B. problematische Sätze nicht insofern in die Logik, als sie objektive Möglichkeit, sondern nur insofern als sie objektiv-logische Möglichkeit ausdrücken, nicht insofern als sie ein Gesetztsein in der Synthesis überhaupt ausdrücken, sondern nur insofern, als durch diese Synthesis ihre logische Denkbarkeit überhaupt vermittelt worden ist. Kurz, die drei Formen der problematischen, assertorischen und apodiktischen Sätze gehören nur insofern in die Logik, als sie zugleich die bloße formale Form der ursprünglichen Synthesis (die Bestimmung des Nicht-Seins durch das Sein, Dasein überhaupt), nicht insofern sie die materiale Form – das Dasein in der Synthesis überhaupt, in der bestimmten Synthesis und in aller Synthesis ausdrücken.

(Zusatz der ersten Aufl.:) Deswegen ist auch oben erinnert worden, daß Dasein Resultat der ersten Synthesis überhaupt sei, und der zweiten nur formal zu Grunde liege. In dieser nämlich wird es erst material bestimmt nach seinem Verhältnis zu der durch die Kategorien vermittelten Synthesis. Mithin können die Formen der zweiten Synthesis nicht, insofern sie material, sondern nur insofern sie formal bestimmt sind, d.h. die ursprüngliche Form der ersten Synthesis, Dasein überhaupt – gleichviel ob in Zeit überhaupt, in bestimmter Zeit, oder in aller Zeit – ausdrücken, in der Logik vorkommen.


38 Der Grundsatz der Identität ist A = A. Nun könnte ja aber A auch gar nicht wirklich sein, also erhellt, daß A durch die Form der Identität gar nicht seinem Gesetztsein außer dem Ich zufolge bestimmt, sondern nur insofern es durch das Ich, d.h. gar nicht als Objekt gesetzt ist, betrachtet wird.


39 Sie kann Prinzip auch der objektiven Realität werden, aber nur, insofern das Setzen derselben im Ich schon vermittelt ist, bestimmt aber alsdann diese doch nicht als objektive Realität, sondern nur in der Qualität ihres Gesetztseins im Ich. – Der Satz des zureichenden Grundes, sagt Kant, kann gar nicht in der übersinnlichen Welt gebraucht werden, um irgend ein Objekt derselben zu bestimmen – deswegen, weil in dieser alles absolut ist, und jener Satz nur die Form der Bedingtheit ausdrückt. Enthielte die übersinnliche Welt wirklich Objekte, und mehr als nur absolutes Ich, so würde dieser Grundsatz in ihr so gut als in der Welt der Erscheinungen anwendbar sein. Kant braucht also auch diesen Grundsatz im übersinnlichen Gebiet nur polemisch, oder dann, wann er seinem Akkommodationssystem zufolge von Objekten der übersinnlichen Welt spricht.


40 Kant war der Erste, der nirgends unmittelbar, aber überall wenigstens mittelbar das absolute Ich als das letzte Substrat alles Seins und aller Identität aufstellte und zuerst das eigentliche Problem der Möglichkeit eines noch über die bloße Identität hinaus bestimmten Etwas fixierte – auf eine Art, die – (wie soll man sie beschreiben? – wer seine Deduktion der Kategorien und die Kritik der teleologischen Urteilskraft mit dem Geiste gelesen hat, mit dem alles von ihm gelesen werden muß, sieht eine Tiefe des Sinns und der Erkenntnis vor sich, die ihm beinahe unergründlich scheint) – auf eine Art, die nur einem Genius möglich scheint) – beinahe unergründlich scheint) – auf eine Art, die nur einem Genius möglich scheint, der, gleichsam sich selbst voraneilend, von dem höchsten Punkt aus nun über eben die Stufen herabsteigt, über welche andere allmählich emporsteigen müssen. (Zusatz der ersten Aufl.)


41 Auf dem Begriff der praktischen Möglichkeit (Angemessenheit zur Synthesis überhaupt) beruht der Begriff des Rechts überhaupt und das ganze System des Naturrechts, auf dem Begriff praktischer Wirklichkeit aber der Begriff von Pflicht und das ganze System der Ethik. Nun ist für das endliche Wesen alles, was wirklich ist, auch möglich, mithin muß, wo Pflicht: eintritt, auch ein Recht zu handeln eintreten, d.h. was der bestimmten (moralischen) Synthesis angemessen ist, muß auch der Synthesis überhaupt angemessen sein, aber nicht umgekehrt. Hingegen ist im absoluten Ich gar keine Synthesis, also auch der Begriff von Pflicht und Recht nicht denkbar; allein das endliche muß denn doch so handeln, als ob es für das absolute Ich Recht und Pflicht gäbe, also seine Handlungsweise gerade so bestimmen, wie das Sein des Unendlichen bestimmt wäre, wenn es für dasselbe Pflicht und Recht gäbe. Nun würde im absoluten Ich Pflicht und Recht identisch sein, weil in ihm alles Mögliche wirklich, und alles Wirkliche möglich wäre. Also kann der eigentliche Gegenstand alles moralischen Strebens auch als Identifizierung von Pflicht und Recht vorgestellt werden. Denn, wenn jede Handlung, wozu das freie Wesen als solches ein Recht hätte, zugleich auch Pflicht wäre, so würden seine freien Handlungen keine andre Norm mehr voraussetzen als die des moralischen Gesetzes. Deswegen auch insbesondere das höchste Ziel, worauf alle Staatsverfassungen (die auf den Begriff von Pflicht und Recht gegründet sind) hinwirken müssen, nur jene Identifizierung der Rechte und Pflichten jedes einzelnen Individuums sein kann; denn woferne jedes einzelne Individuum nur durch Vernunftgesetze regiert würde, gäbe es im Staate schlechterdings keine Rechte, die nicht zugleich Pflichten wären, weil keiner auf irgend eine Handlung Anspruch machen würde, die nicht durch eine allgemeingültige Maxime möglich wäre, und das Individuum, wenn alle Individuen nur allgemeingültige Maximen befolgten, selbst nichts als seine Pflicht vor Augen hätte. Denn, wenn alle Individuen ihre Pflicht erfüllten, so würde kein einzelnes Individuum mehr fordern können, noch ein Recht haben, das durch die allgemeine Erfüllung der Pflicht nicht schon realisiert wäre. Recht aber hört sobald auf, als die Pflicht, die ihm entspricht, erfüllt ist; denn Möglichkeit überhaupt gilt nur so lange, als sie nicht von Wirklichkeit verdrungen ist, und, wer im Besitz der Wirklichkeit (der erfüllten Pflicht) ist, bekümmert sich nicht mehr um Möglichkeit (sein Recht). – Diese Idee lag auch der platonischen Republik zugrunde; denn auch in dieser sollte alles Praktisch-Mögliche wirklich, alles praktisch-wirkliche möglich sein; eben deswegen sollte in ihr aller Zwang aufhören, weil Zwang nur gegen ein Wesen eintritt, das sich der praktischen Möglichkeit verlustig macht. Aufhebung der praktischen Möglichkeit aber in einem Subjekt ist Zwang, denn praktische Möglichkeit ist nur durch Freiheit denkbar.


42 Kant bemerkt sehr richtig, daß sich der Ausdruck intellektual nur auf Erkenntnisse beziehe, was aber nur Gegenstand dieser Erkenntnisse sei, intelligibel genannt werden müsse. Diese Bemerkung gilt dem Dogmatismus, der, da er intelligible Objekte zu erkennen vermeint, allerdings von diesen Objekten den Ausdruck intellektual nicht gebrauchen sollte; für den Kritizismus aber (wenigstens den vollendeten) bedarf es dieser Unterscheidung nicht, da er gar keine intelligiblen Objekte zuläßt, und nur dem, was gar nicht Objekt werden kann, dem absoluten Ich, Intellektualität beilegt. Beim absoluten Ich nämlich, das nie zum Objekt werden kann, fällt das Principium essendi und cognoscendi zusammen; mithin muß man ebensowohl vom Ich als z.B. von seiner Anschauung den Ausdruck intellektual gebrauchen. Hingegen kann das empirische Ich, insofern seine Kausalität in der Kausalität des Absoluten befaßt ist, intelligibel heißen, weil es einerseits als Objekt, andererseits als durch absolute Kausalität bestimmbar betrachtet werden muß.


43 Es ist schon oben § 6, Anm. bemerkt worden, daß das Wort empirisch gewöhnlich in einem viel eingeschränktem Sinne genommen wird.


44 Den Unterschied der obigen Darstellung von der Reinholdischen Theorie der Freiheit wird jeder von selbst einsehen, der dem Faden unserer Untersuchung bis hierher gefolgt ist. Reinholds Theorie hat sehr große Verdienste, aber in seinem System (das nur vom empirischen Ich ausgeht) ist sie unbegreiflich, und es würde ihrem scharfsinnigen Urheber selbst schwer fallen, seinem Systeme Einheit und seiner Theorie der Freiheit einen durch das oberste Prinzip (das nicht nur dem Ganzen zugrunde liegen, sondern durch alle einzelnen Teile des Systems hin durch herrschen soll) begründeten Zusammenhang mit seinem übrigen Systeme zu geben. – Die vollendete Wissenschaft scheut alle philosophischen Kunststücke durch die das Ich selbst gleichsam zerlegt und in Vermögen, die unter keinem gemeinschaftlichen Prinzip der Einheit denkbar sind, zerspaltet wird. Die vollendete Wissenschaft geht nicht auf tote Vermögen, die keine Realität haben und nur in der künstlichen Abstraktion wirklich sind; vielmehr geht sie auf lebendige Einheit des Ichs, das in allen Äußerungen seiner Tätigkeit dasselbe ist; in ihr werden alle die verschiedenen Vermögen und Handlungen, die die Philosophie von jeher aufgestellt hat, nur Ein Vermögen, nur Eine Handlung desselben identischen Ichs. – Selbst die theoretische Philosophie ist nur in bezug auf dieselbe Kausalität des Ichs möglich, die in der praktischen realisiert wird; denn sie dient nur dazu, die praktische Philosophie vorzubereiten und der durch diese bestimmten Kausalität des Ichs ihre Objekte zu sichern. Endliche Wesen müssen existieren, damit das Unendliche seine Realität in der Wirklichkeit darstelle. Denn auf diese Darstellung der unendlichen Realität in der Wirklichkeit geht alle endliche Tätigkeit; und die theoretische Philosophie ist nur dazu bestimmt, dieses Gebiet der Wirklichkeit für die praktische Kausalität zu bezeichnen und gleichsam abzustecken. Die theoretische Philosophie geht nur darum auf Wirklichkeit, damit die praktische Kausalität ein Gebiet finde, worin jene Darstellung der unendlichen Realität – die Lösung ihrer unendlichen Aufgabe – möglich ist.


45 Es ist unmöglich, daß zwei Absoluta nebeneinander bestehen. Wird also das Nicht-Ich vor allem Ich absolut gesetzt, so kann ihm das Ich nur als absolute Negation entgegengesetzt werden. Zwei Absoluta können unmöglich als solche in einer ihnen vorhergehenden oder nachfolgenden Synthesis befaßt werden; weswegen auch, wenn das Ich vor allem Nicht-Ich gesetzt wird, dieses in keiner Synthesis als absolut (als Ding an sich) gesetzt werden kann.


46 Hierdurch läßt sich auch die Frage beantworten, welches Ich denn eigentlich ins Unendliche fortschreiten soll? Die Antwort ist: das empirische, das aber nicht in der intelligibeln Welt fortschreitet; denn sowie es in dieser wäre, hörte es auf, empirisches Ich zu sein, weil in der intelligibeln Welt alles absolute Einheit, also kein Fortschritt, keine Endlichkeit gedenkbar ist. Das endliche Ich ist also zwar nur durch intelligible Kausalität Ich, aber als endliches Wesen, solange es endliches Wesen ist, seinem Dasein nach nur in der empirischen Welt bestimmbar. Nun kann zwar das endliche Wesen, da seine Kausalität selbst in die Linie der unendlichen fällt, die Schranken seiner Endlichkeit immer mehr erweitern; allein, da dieser Progressus die Unendlichkeit vor sich hat, ist eine immerfort größere Erweiterung derselben möglich, weil, wenn diese irgendwo aufhören könnte, das Unendliche selbst Schranken haben müßte.


47 Hieraus erhellt auch, wie und inwiefern Teleologie das verbindende Mittelglied zwischen theoretischer und praktischer Philosophie sein könne.


48 Auch Spinoza wollte, daß im absolutem Prinzip Mechanism und Finalität der Ursachen als in derselben Einheit befaßt gedacht werden. Aber, da er das Absolute als absolutes Objekt bestimmte, konnte er freilich nicht begreiflich machen, wie teleologische Einheit im endlichen Verstande nur durch ontologische im unendlichen Denken der absoluten Substanz bestimmt sei, und Kant hat ganz recht, wenn er sagt, der Spinozism leiste nicht, was er wolle. – Vielleicht aber sind nie auf so wenigen Blättern so viele tiefe Gedanken zusammengedrängt worden, als in der Kritik der teleologischen Urteilskraft § 76 geschehen ist. (Statt »Finalität« Z. 1 und »Finalität der Ursachen« Z. 13 steht in der ersten Auflage »Teleologie«. A. d. O.)

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 1, Leipzig 1907.
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