§ 58. Einleitendes.

  • [237] Literatur: Außer der bereits in § 51 verzeichneten Literatur vgl.: Hauréau, Histoire de la philosophie scolastique, 3 Bde. Paris 1872-80. H. Reuter, Gesch. d. relig. Aufklär, im Mittelalter, 2 Bde. 1875-77. von Eicken, Gesch. u. System d. mittelalterl. Weltansch. Stuttg. 1887, Neudruck 1913. G. Kaufmann, Gesch. d. deutschen Universitäten, 2 Bde. 1888-96. M. de Wulf, Histoire de la philosophie mediévale. 4. Aufl. 1910, deutsch von R. Eisler, Tüb. 1913. M. Grabmann, Gesch. d. scholastischen Methode. 3 Bde. Freiburg 1909/11. Verweyen, D. Problem d. Willensfreiheit in d. Scholastik. Heidelbg. 1909. – Einzeluntersuchungen und -veröffentlichungen mittelalterl. Quellen in: Bäumker, Baumgartner, Ehrle, Grabmann und v. Hertling, Beitr. z. Gesch. d. Phil. d. Mittelalters. Münst. 20 Bde., 1891-1918. Denifle u. Ehrle, Archiv f. Literatur u. Kirchengesch. d. Mittelalters, 7 Bde. 1885-1900. – Von den bekannten Kompendien der Gesch. d. Philos. am ausführlichsten Ueberweg-Baumgartner (s. S. 210) u. Erdmanns Grundriß, Bd. I. Die knappste Übersicht gibt Bäumker in: Allgem. Gesch. d. Philos. S. 319 ff.

Unter Scholastik verstehen wir diejenige »Philosophie«, welche die Kirchenlehre als wissenschaftliches Schulsystem zu begründen und auszubilden sucht. Wir teilen ihre Geschichte in drei Hauptabschnitte:[237]

I. Anfänge der Scholastik vom 9. bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts.

II. ihre Blütezeit im 13. und 14. Jahrhundert.

III. ihren Ausgang (14. und 15. Jahrhundert). Daneben her geht die Entwicklung der namentlich in Deutschland gedeihenden Mystik, deren Blüte in die III. Periode fällt, während dem II. Abschnitt eine kurze Übersicht der arabisch-jüdischen Philosophie des Mittelalters vorauszuschicken ist.

Ihren Namen hat die Scholastik von den Schulen bekommen, an denen sie gelehrt worden ist. Doctores scholastici oder kurzweg »Scholastiker« hießen ursprünglich die Lehrer der sog. sieben freien Künste (§ 57) in den Dom- und Klosterschulen seit Karl dem Großen, später alle, die sich schulmäßig mit den Wissenschaften, insbesondere Philosophie oder, was damals fast dasselbe ist, Theologie beschäftigen; namentlich aber die Lehrer der Philosophie an den großen Universitäten wie Paris, Oxford, Köln u. a. Nicht mehr die frohe Botschaft des Evangeliums und der Apostel, auch nicht mehr den Glaubensinhalt der Bibel, wie die Kirchenväter, wollen diese Scholastiker verkünden und erklären, sondern die Dogmen der römisch-katholischen Kirche in ein System bringen und mit den Mitteln der Vernunft, vor allem einer haarspaltenden Dialektik, begründen und weiter ausbilden. Wie ihre Philosophie eine kirchliche, so ist ihre Sprache das Kirchenlatein, ihr Vorbild unter den Philosophen des Altertums aber nicht mehr, wie bei den Kirchenvätern, der Idealist Plato, sondern »der Vater der Logik, die lebendige Enzyklopädie aller Wissenschaften« (Erdmann): Aristoteles.

Anfangs zwar trägt das Bild der Scholastik noch nicht völlig diese Züge (vgl. Johannes Eriugena, § 59), und auch später noch haben sich einzelne Vertreter einer beschränkten Selbständigkeit oder »Aufklärung« gefunden, bis zur Zeit der fertig ausgebildeten Scholastik fast jeder Widerspruch verstummt, um sich erst gegen Ende des Zeitraums wieder hervorzuwagen. In der römischen Kirche hat sich die scholastische »Philosophie« auch nach der Reformation noch behauptet, ja seit ihrer Empfehlung in des Papstes Leo XIII. Enzyklika »Aeterni Patris« (1879) einen neuen Aufschwung genommen (s. Bd. II, § 66). Gerade die selbständigeren Regungen werden wir ausführlicher hervorheben, während wir an den rein dogmatischen Fragen natürlich vorübergehen.[238]

Quelle:
Karl Vorländer: Geschichte der Philosophie. Band 1, Leipzig 51919, S. 237-239.
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