Christian Wolff

Selbstschilderung

Ich bin gebohren worden den 24. Januar (welcher auch der Geburtstag unsers Königes ist) A. 1679 des Abends halb 8 Uhr, welchen Umstand ich deswegen erinnere, als ich in Jena die Mathematik studirte, stellte ich mir die Nativität, wiewohl ich es nicht gantz vollführen mochte. Ich brachte heraus, dass ich in unverdiente Ungnade eines Könige verfallen würde, der es aber nach der Zeit erkennen würde und mir besondere Gnade erzeigen. Als nun die Fatalität in Halle sich ereignete, fand der seel. Thümmig, der meine Sachen in meiner Abwesenheit einpacken musste, was ich davon aufgezeichnet hatte, unter meinen Papieren und schickte es mir nach Marburg. Da ich auf die Astrologie niemahlen etwas gehalten, auch noch nicht halte, schrieb ich dieses als was besonders an den jetzigen Etats-Minister in Stutgardt, den H. Bülffinger, zumahl da noch dazu kam, dass mir die Fatalität einige Zeit vorhergeträumet, ehe sie mir begegnete: welcher es weiter in der Schweitz bekannt gemacht, so dass es noch A. 1724 in daselbst[290] gedruckten Neuigkeiten publiciret ward. Und der Ausgang hat gewiesen, dass auch der andere Punct von wiedererlangung der Gnade des Königes eingetroffen, wovon an seinem Ort ein mehreres.

Diejenigen, welche mit Alaun und Asche die Leder ausarbeiten, heissen in Bresslau Weissgerber, die an dern aber, welche hier Loh-Gerber genannt werden, heissen Rothgerber und brauchen zu ihrem Leder Lohe theils aus bierkener, theils aus eichener Rinde. Ich weiss aber nicht, ob dieses hinzuzusetzen nöthig ist und nicht genug ist, quod pater meus fuerit civis Vratislaviensis, allwo er bis an sein Ende sein eigenthümliches Haus besessen, qui honesto etc.

Ich bin getaufft worden zu Maria Magdalena den 25. Januar oder am Tage Pauli Bekehrung. Gleich in der ersten Kindheit habe ich Lust gehabt zu lernen. Daher als ich das A.B.C. zum Hl. Christ bekam, habe ich nicht nachgelassen einen jeden, den ich bekommen konnte, zu fragen, wie die Buchstaben hiessen und so weiter bis ich darinnen lesen konnte, ehe ich in eine Schule kam.

Und weil mein Vater studiren gesollt, auch bis in primum ordinem im Elisabethanischen Gymnasio kommen, nachdem aber seine Eltern ihn nicht auf die Universität wollen ziehen lassen, so habe von ihm durch Fragen ohne ordentliche Anweisung nebst lateinischen vocabulis das decliniren und conjugiren gelernet, dass als ohngefähr im achten Jahre ich in die lateinische Schule kam, ich nur 1/4 Jahr in sexto ordine sitzen blieb und bey dem ersten Examine in Michaelis (denn es werden in Bresslau jährlich 2 Examina eines nach Ostern, das andere nach Michaelis gehalten) gleich in quintum ordinem promoviret ward. Meine Eltern haben sechs Kinder gehabt, die auch alle sie überlebet, 3 Söhne und 3[291] Töchter: wovon der Geburt nach ich das andere bin: Es fielen auch gleich nach meiner Geburt schwere Zeiten, theils wegen des Türckenkrieges, theils wegen der Theurung ein: wodurch die Auferziehung Ihnen desto beschwerlicher ward.

Sie haben mir von der ersten Kindheit an grosse Liebe zur Gerechtigkeit und einen Hass gegen die Ungerechtigkeit, auch einen Eifer für die Religion und Gottesfurcht beigebracht. Daher ich ohn Unterscheid der Witterung beständig alle Predigten, wie auch die Wochen Frühpredigten in den Hauptkirchen besuchte, dabey zu Hause die Bibel täglich gelesen und die in den Kirchen damahls gewöhnlichen Lieder bey Zeiten auswendig gekonnt.

Mein Vater hat durch ein Gelübde mich dem studiren gewiedmet, ehe ich noch zur Welt kam und daher auch nach seinem Vermögen nichts gesparet, was diesen Vorsatz zu befördern von nöthen wäre.

Unter meinen Praeceptoribus bin ich den meisten Danck schuldig dem Hrn. Pohl, der damahls Collega quinti ordinis und ultimus Professor sexti war, denn als ich in secundum ordinem kam und ich aus Mangel der Mittel nicht seine lectiones privatas besuchen konnte, offerirte er mir von freyen Stücken dieselben umsonst, erlaubte mir einen freyen Zutritt, dass ich mit ihm frey von allem sprechen konnte, bis ich auf die Universität zog und gab mir von vielen Dingen Nachricht auch guten Rath zu solchen Sachen, die er selbst nicht gelernet hatte, aber doch hochachtete, weil er sie vor nützlich hielt. (Wolff hat am Anfange dieser Stelle an den Rand geschrieben: Ich hätte auch hier des Herrn Krantzens gedenken sollen im Elisabethanischen gymnasio, bey dem ich privatim in der Historie, sonderlich in Historia ecclesiastica profitirte, als worauf ich mich insonderheit legte, weil meine[292] Absicht auf Theologie gerichtet war.) Gryphio habe ich auch etwas besonders zu danken. Er hatte die Gewohnheit, dass er in seine Lectiones stets viele Bücher brachte, in dem er nicht allein selbst eine auserlesene Bibliothek besass, sondern auch die kostbahre Bibliothek des H. Baron von Logau, die nach diesem an den Weimarischen Hof kommen ist, zu seinem Gebrauch hatte, um viele loca aus denselben vorzulesen. Einige wenige worunter er auch mich ausersehen hatte, musten die gantze Lection wehrendes Docirens ex tempore aufschreiben und in einen zusammenhangenden discours bringen, zu Ende der Lection aber, wenn er aufgefordert war, vorlesen. Er war ein sehr hitziger Mann, der gleich zornig ward, wenn das geringste momentum ausgelassen oder etwas nicht nach seinem Sinne niedergeschrieben war. Hingegen lobte er ungemein einen öffentlich, wenn man es recht ge macht hatte. Und dieses war ein stimulus, dass man einander aemulirte und zu besonderer attention aufgemuntert worden. Daher geschahe es, dass, als der seel. H. Prof. Hamberger meinen Discurs, den ich aus seinem Munde über Sturmii Physicam conciliatricem nachgeschrieben, zu Gesichte bekam, er sich wunderte, wie ich es praestiren könnte, zumahl da er wuste, dass ich damahlen erst auf die Universität kam. Gryphius war ein Feind von der Philosophie und suchte dieselbe aus dem Aristophane lächerlich zu machen, insonderheit auch von der Algebra, daher dorffte ich es nicht mercken lassen, dass ich mich in jener fleissig übte und zu dieser eine grosse Lust hatte, weil ich gehöret, es sollte eine Kunst seyn, verborgene Wahrheiten zu erfinden und daher vermeinte, ich würde von dieser arte inveniendi speciali regulas generales abstrahiren können, als worauf ich schon in meinen Schuljahren verfiel, dass ich mich gewöhnete, generalia specialibus[293] zu abstrahiren, vermöge dessen, was ich in der Logick de generibus et sqeciebus erlernet hatte, die man schon in secundo ordine nach dem Scharffio tractirte. Hingegen Herr Pohle und der Inspector Herr Neumann machten mir Lust zu Cartesii Philosophie und der Mathematick und Algebra immer mehr. Da H. Neumann als Professor Theologiae in beyden Gymnasiis über das Symbolum apostolicum commentirte, auch in seinen Predigten sehr dogmatisirte, so habe von ihm sehr vieles gelernet, indem ich jederzeit was ich in der Theologie von ihm gehöret, auch in der Philosophie nachzuahmen suchte, indem er die Fehler der Scholastischen Philosophie und die daher rührenden Mängel in der Theologie anzuzeigen pflegte, wie denn auch mir noch alles viel zu dunckel und zu ungewiss vorkam. Obgleich Gryphius die Scholastische Philosophie nicht leiden konnte, so gefiel ihm doch dieses, als ich in dem Examine wegen des Stipendii dem Rectori Elis. Gymnasii H. Hancken, der ein Ertzt-Metaphysicus war, so wohl antworten konnte und viel besser als seine Auditores, wie H M. Berndt öffentlich bezeuget, der mit mir zugleich examiniret ward. Denn ich wuste alles zu definiren, da seine Auditores immer nur durch Exempel die terminos und distinctiones erklären wollten, auch befliess ich mich damahlen schon auf deutliche definitiones anstatt der dunckelen, welche die Scholastici geben: welches auch H. Hancken wohl gefiel, als welcher gegen die Herrn des Raths und die Inspectores Gymnasiorum selbst gestund, er wollte lieber die Sache durch Exempel erklären als definiren. Ob ich gleich die Scholastische Philosophie studirte, so that sie mir doch nicht Genüge und ich hielt weniger von den Scholasticis als jetzund, hatte aber ein grosses Verlangen Cartessii Philosophie zu erlernen und Tschirnhausens Medicinam mentis zu lesen, welche ich[294] aber zu der Zeit nicht haben konnte. An Agricolae Tractat de arte dialectica hatte ich deswegen vieles Vergnügen, weil er die Scholastische Logick perstringiret, Carbonis Summa Theologiae Thomae Aquinatis lass ich deswegen, damit ich die katholische Theologie recht erlernen wollte, wie ich denn auch der Catholicken Predigten fleissig besuchte und ihren Kirchenfesten beiwohnte, auch ihre Processiones und besondern Gottesdienst mit anzusehen nicht unterliess, weil ich ihre Religion recht wollte kennen lernen, nicht aus dem, was ihre Gegner sagen.

In Bresslau hatte ich zwar grosse Lust die Mathesin zu erlernen, allein keine Gelegenheit dazu, indem ausser dem usu Globorum coelestis et terrestris und den Zeichnungen der geometrischen Figuren nichts gelehret ward. In meiner Kindheit ehe ich das zehende Jahr erreichet hatte, bekam ich des Gemmae Frissii Arithmeticam in die Hand, wie ich erst etwas lateinisch zu verstehen anfing und daraus erlernete ich vor mich das rechnen, selbst die extractionem radicum, sowohl cubicarum als quadratarum. Einige Jahre darauf kam mir Horchens Rechenkunst in die Hand, daraus ich den calculum literalem erlernte und eine obzwar sehr schlechte idée von der Algebra bekam, wovon sonst kein Buch konnte zu sehen bekommen, als auf den Bibliotheck Clavii opera. In der Geometrie konnte ich nicht recht fortkommen, weil mir die Lust bald vergieng, da nicht sah, wozu ich die Propositiones gebrauchen sollte. Und da Clavii Euclidem hatte, waren mir die demonstrationes zu weitläufftig, indem ich allzuhietzig war, eine Sache bald zu begreiffen.

Die Theologie verstund ich schon so gut, wie ich auf die Universität reisete, dass ich nicht darinnen zu lernen nöthig zu seyn erachtete, wie ich auch in der That bezeigen[295] kan, dass ich in Collegiis zu Jena nach diesem weniger gehöret, als ich schon wuste. Im Gymnasio wurde dazumahl Koenigii Theologia positiva erkläret, daneben ich Bechmanns Annotationes in Compendium Hutteri lass: weit mehreres aber habe ich insonderheit aus Neumanns Predigten und Lectionibus gelernet. Und weil vernahm, dass die Reformirten Theologi weiter als unsere in ihren Schriften giengen, so lass zugleich Gürtleri Institutiones Theologiae und Burmanni Synopsin Theologiae, vorher aber Martinii Expositionem Symboli Apostolici, welcher mir sehr wohl gefiel und den ich beständig werth gehalten, wie ich denn bis diese Stunde eine Liebe gegen diejenigen verspüre, daraus ich gelernet, was zu erlernen Lust hatte.

Nach Jena brachte mich insonderheit die Begierde die Mathesin und Physicam von dem H. Prof. Hambergern zu erlernen, daher auch das erste halbe Jahr bloss bey ihm die Mathesin Enucleatam Sturmii, it. huius Mathesin compendiariam oder einen cursum mathematicum darüber ej. Physicam conciliatricem hörete. Ich habe gleich von Anfange an meine Studia auf einen gewissen Zweck referiret. Denn weil ich zum studio Theologico durch ein Gelübde gewidmet war, so hatte ich mir auch dasselbe auserwehlet und ist auch immer mein Vorsatz gewesen, Gott im Predigtamte zu dienen, wie ich schon Professor in Halle war, bis ich endlich wieder meinen Willen davon abgeführet worden, weil Gott die Umstände so gefüget, dass ich diesen Vorsatz nicht bewerkstelligen können: Weil ich aber da unter den Catholicken lebte und den Eifer der Lutheraner und Catholicken gegen einander gleich von meiner ersten Kindheit an wahrnahm, dabey merckte, dass ein ieder Recht zu haben vermeinete; so lag mir immer im Sinne, ob es denn nicht möglich sey,[296] die Wahrheit in der Theologie so deutlich zu zeigen, dass sie keinen Widerspruch leide. Wie ich nun nach diesem hörete, dass die Mathematici ihre Sachen so gewis erwiesen, dass ein jeder dieselben vor wahr erkennen müsse, so war ich begierig die Mathematik methodi gratia zu erlernen, um mich zu befleissigen, die Theologie auf unwiedersprechliche Gewisheit zu bringen, da aber auch hörete – es fehlete noch die Philosophia practica und Dürrii Theologia moralis, welche damahlen im Schwange war, wäre ein dürres und mageres Werck, so setzte mir auch vor die Philosophiam und Theologiam moralem auszuarbeiten. Hierinnen bestärkte mich Herr Neumann, der den Nutzen der mathematischen Methode in der Theologie und Moral anpriess, auch wie ich bei ihm Abschied nahm, als ich auf die Universität reisete und ihm eröffnete, wie in Jena hauptsächlich meine Absicht auf die Physick und Mathematick gerichtet wäre, billigte er dieses gar sehr und setzte die Worte hinzu: Rara avis Theologus, Physicus et Mathematicus. Des Herrn Neumanns Predigten, parentationes und lectiones besuchte ich mit dem grössten Vergnügen, als worinnen ich immer hörete, was ich mir nach meiner Art vielfältig zu nutze machen konnte. Daher wuste zu der Zeit nichts mehr zu loben, als wenn ich sagte, es brächte mir so vieles Vergnügen als H. Neumanns Predigten und Z.E. Herrn Prof. Hambergers lectiones erfreueten mich, von dem ich am meisten profitiren konnte. Daher ich auch mich besinne an den seel. H. Prof. Pohlen geschrieben zu haben, ich hörete seine lectiones mit so grossem Vergnügen an H. Neumanns Predigten. Jedoch da Herr Sturm die Deutlichkeiten des Euclides im demonstriren nicht in acht genommen und daher der Methodus Euclidae, auf den sonderlich meine Absicht hatte, mir nicht daraus bekannt wurde,[297] blieb mir noch immer viele Dunkelheit übrig, ausser wo es auf den calculum literalem ankam, den ich schon vor mich in Bresslau mir bekannt gemacht hatte und mir jetzo wohl zu statten kam, da meine Commilitones die meiste Schwierigkeit dabey fanden. Weil der Herr von Tschirnhausen in dem Unterrichte der Mathematick und Physick zu studiren des Tacquets Elementa Euclidis recommendirte, so schafte ich mir dieselbe an und nahm daraus Gelegenheit die Corollaria des H. Sturms als propositiones zu demonstriren, welche demonstrationes ich auch einigen von meinen commilitonibus communicirte und dadurch, was sie nicht recht begriffen hatten, weiter erkläret. Hierdurch bekam ich das erste Licht von dem methodo demonstrandi veterum.

Ich fing auch nebst einigen ein Collegium über die Astronomiam practicam an, welches doch aber nicht völlig absoluiret wurde, weil es zu lange dauerte, indem die meisten davon zogen, ich auch selbst dieses Collegii halber schon länger in Jena verblieben war, als ich mir vorgesetzt hatte in dem es in dem Anfange der theoriae lunae sich endigt. Alsdann konnte ich Tschirnhausens Medicinam mentis besser verstehen als vorher, da noch nichts von der Mathesi und nichts, rechtes von der Physick wuste. Was insonderheit bey der Medicina mentis des H.v. Tschirnhausen mir dunckel vorkam, war, dass er keinen deutlichen Begriff von dem concipere gab und nicht ausführlich zeigete, wie die definitiones reales sollten erfunden werden. Daher dachte ich selber nach, wie ich mir hierinnen helffen wollte. Das concipere erklärete ich per cogitationes se mutuo ponentes, da ich mir von einer Sache zweyerley gedencke und zwar das eine umb das andere willen, dergestalt, dass wenn ich von ihr das eine annehme, ich ihr auch nothwendig das andere zugestehen[298] muss und das non posse concipi, per cogitationes se mutuo tollentes, da, wenn ich mir das eine von einer Sache gedencke, ich mir unmöglich das andere von ihr gedencken kan. Da mir nicht allein von den definitionibus realibus die Exempel der definitionum realium bekandt waren, die Sturm in seiner Mathesi enucleata giebt, sondern auch diejenigen, welche Barrow in seinen lectionibus mathematicis gegeben, und ich gewohnet war, von dem, was in der Mathematick vorkommet, Regeln zu abstrahiren, so nahm ohne einige Mühe war, dass diejenigen Regeln, welche Tschirnhauss von Erfindung der definitionum realium giebt, sich davon, ja fast von der definitione circuli genetica allein abstrahiren lassen. Es fiel mir aber insonderheit schwer, zu zeigen, wie die elementa definitionum wie sie Tschirnhausen nennet, gefunden werden können. Ich kam aber durch mein eigenes Nachdenken auf diejenigen modos, die definitiones reales theils a priori theils a posteriori zu finden, die ich in meiner Logick beschrieben habe. Ich correspondirte dazumahl mit Herrn Neumann und überschrieb ihm meine Commentationes über die gedachten Puncte. Er antwortete mir, er hielte viel darauf, dass man die Meinungen verschiedener von einer Sache durch Erklärung suchte zu vereinigen. Meine Cogitationes se mutuo ponentes, Tschirnhausens concipere, Cartesii clara et distincta perceptio und der scholasticorum praedicationes essentiales wären einerley. Ich reisete auf die Oster-Messe A. 1705 nach Leipzig, um daselbst den Herrn von Tschirnhausen zu sprechen: welches auch geschahe. Ich referirte ihm, was mir in seiner Medicina mentis schwer vorkommen zu verstehen und sagte ihm, wie ich es erkläret hätte. Er war damit zufrieden. Als ich ihn aber fragte, wie man denn die elementa definitionum erfinden könnte: antwortete er mir weiter nichts, als: dieses wäre[299] eben die Haupt Sache. Weil ich gerne von dem Calculo differentiali etwas verstanden hätte, der dazumahl noch weniger bekandt war, fragte ich ihn, wie ich dazu gelangen könnte. Er machte aber nicht viel davon, sondern gab mir nur zur Antwort, er beruhe auf einer einigen Proposition in Barrow Lectionibus geometricis und wäre nicht der rechte methodus, sondern nur ein compendium verae methodi, deren es unendlich viele gäbe. Den rechten methodum wollte er in dem andern Tomo seiner Medicinae mentis zeigen, wo er die in dem ersten Tomo gegebenen Regeln auf die Mathematick appliciren würde und da sollte die Welt die Augen darüber aufthun und sich verwundern. Wenn aber der dritte Theil herauskommen würde, darinnen er eben seinen Methodum auf die Physick appliciren würde, so würde man darüber erstaunen. Er recommendirte mir aber, um in der Mathematick weiter zu gehen, Barrowii lectiones geometricas und Nieuwentiit Analysin infinitorum, ingleichen auch Ozanams Eleméns d' Algebre, die damahls eben in Holland herauskommen waren, welche beyde Bücher ich mir auch anschaffte. Nach seinem Tode erkundigte ich mich, ob nicht einige Papiere vorhanden wären, darinnen er von seinen meditationibus eines und das andere aufgeschrieben, was er in die beyden andern Theile seiner Medicinae mentis bringen wollen, damit seine Erfindungen von dem Untergange errettet würden, und man zugleich vor seinen gebührenden Ruhm bey der Nachwelt sorgete. Allein ich erfuhr, dass er wie Spinosa vor seinem Ende alle seine Papiere verbrandte, wobey ich mich erinnere, dass er mir von Spinosa sagte, er habe keinesweges. Gott und die Natur mit einander confundiret, wie man ihm insgemein imputirte, sondern Gott multo significantius als Cartesius definiret. Die erste Ideam calculi differentialis also bekam[300] ich, als ich das wenige, was Nieuwentiit davon anführet, auf des Barrows methodum tangentium applicirte, da ich eben auf die Gedanken verfiel, welche anfangs Jacobus Bernoulli gehabt, als wenn der calculus differentialis mit den methodo tangentium Barrowii einerley wäre und wie Hugenius im Anfange vermeinte, als wenn man bloss dadurch Sachen, die durch andere methodos schon erfunden wären, bloss mit andern signis zu exprimiren suchte, bis ich nach diesem ein mehreres Licht hierinnen bekam und die Sache mit ganz andern Augen ansahe. Weil aber meine Haupt-Absicht immer auf die Theologie gerichtet war, so konnte die Mathematick nicht anders als ein Nebenwerck tractiren, wie ich denn auch dabey keine andere Absicht hatte, als meinen Verstand dadurch zu schärffen und davon Regeln zu Leitung desselben in richtiger Erkäntniss der Wahrheit zu austrahiren.

In Theologicis habe ich hauptsächlich den Herrn D. Treuner gehöret, als bey welchem ich Collegia über die thesin, über die Theologiam moralem und ein postorale gehalten. D. Müller, der noch Probst in Magdeburg war, war wenig in Jena und konnte ich bey ihm weiter nichts hören, als seine Lectiones publicas besuchen. D. Bechmann war schon sehr alt und lass auch nur publice, starb auch, wie ich noch in Jena war, daher nur wenig von ihm profitiren konnte. Meine Predigten waren deswegen beliebt, auch selbst in Leipzig, wo ich das letztemahl in der Nicolaikirche am Pfingstdienstage A. 1706 gepredigt, weil ich durch deutliche Begriffe die Sachen zu erklären suchte und immer eines aus dem andern deducirte, aus der Erklärung des Textes anfangs conclusiones theoreticas und nach dem aus diesen practicas zog, wo ich jederzeit auf die motiva media, impedimenta et remedia acht hatte und den Beweis nicht allein aus dictis scripturae,[301] sondern auch aus den Begriffen der Sache führete. Es ist mir mehr als einmahl gesagt worden, dass wenn man auch ungelehrte befragt, wie sie in meinen Predigten beständig ihre attention conserviren könnten, dergleichen sie in andern nicht thäten, sie geantwortet, mich könnten sie beständig verstehen, andere aber nicht, dahingegen öffters gelehrte zu mir gesaget, es wäre zwar gut, was ich gesaget, aber zu hoch für den gemeinen Mann.

Nach Leipzig reisete ich die Woche vor den Feyertagen A. 1702, um mich examiniren zu lassen, weil mit in Magistrum promouiren wollte, welches dazumahl im Januasio geschahe. Meine Examinatores wurden von dem damahligen Decano Facultatis H.D. Schmieden bestellet, die Professores Ernest Hardt und Ludouici, in dessen ersten Behausung von 4 bis 7 Uhr das Examen geschahe. Nach diesen reisete ich hauptsächlich, des Collegii astronomici wegen, welches in Michaelis war angefangen worden, wieder nach Jena und blieb noch ein Jahr daselbst, indem kurtz vor den Weihnachts-Feyertagen völlig mich nach Leipzig begab, um daselbst die Mathesin zu dociren, weil zu derselben Zeit das studium mathematicum daselbst gantz darnieder lag. Ich schrieb aber unterdessen, da ich noch in Jena war, meine disputation, um mich gleich habilitiren zu können: de Philosophia practica universali, und besuchte ausser der Astronomie auch noch andere Collegia. Ich hörete vorher, als ich nach Jena kam, alle Professores, wie sie lasen und wehlete mir nach diesen H.D. Treunern aus, den ich auch in philosophicis hörete, besuchte aber doch dabey gleich des Professoris Philosophiae Müllers und D. Hebenstreits, der dazumahl Professor moralium war, lectiones publicas. Herr D. Treuner war ein Discipel von dem Herrn Abt Schmidt in Helmstädt, der vorher Professer Philosophiae in Jena gewesen war, und war[302] sehr ingeniös, erklärete die theses, welche er aus Schmidii Compendiis gezogen hatte und dictirte perspicue, machte seine applicationes, satyrisirte zugleich, die Beweise aber waren mehr dialectisch als demonstrativisch eingerichtet. Hebenstreit war ein discipel von Musaco und der scholastischen Philosophie welche D. Treuner durchzog, gantz ergeben, docirte aber über die massen ordentlich, indem er bey Weigeln, die Mathematick gehöret hatte und bey demselben den methodum demonstrativam gelernet zu haben vermeinte: allein es fehlete in definitionibus diese Deutlichkeit der Begriffe (distinctae notionis requisita) und in Beweisen die Euclideïsche forma demonstrationum, indem er nach Erklärung der Proposition einen syllogismum machte und majorem et minorem probirte, wo er es vor nöthig hielt, wie auch D. Bechmann zu thun pflegte. Deswegen gefiel mir zwar sein Vortrag der Ordnung halber, aber desiderirte sowohl bey ihm als bey H.D. Treunern die Gründlichkeit, bey dem letztern aber gefielen mir mehr die Sachen, weil ich dadurch zu mehreren Nachdenken Gelegenheit bekam. Ich wollte zwar auch in Jure Naturae den Prof. Müller über den Grotium hören, allein da er nur in grosser Geschwindigkeit recensirte, was im Buche stund, so that er mir kein Genüge und ich gieng vor mich den Puffendorf durch, excerpirte mir daraus theses und suchte, so gut ich konnte die rationes derselben, denn es missfiel, dass an tüchtigen definitionibus öfters ein grosser Mangel war, hingegen noch mehr an den Beweisen, und sein Principium Juris naturae, nemlich socialitatem, hielt ich vor einen unvollkommenen Maassstab, daher die Sachen anders einzurichten suchte; wie aus meiner Philosophia practica universali zu ersehen. Weil ich aber auch vermeinte, ein Theologus müste etwas vom Jure verstehen, damit er in Materien[303] die dahin einschlagen, sich in seinem Urtheile nicht übereile, so hörete ich zwar den damaligen doctorem legentem Flörcke, der den grössten applausum in jure hatte, weil aber alles auf eine blosse Erzählung dessen, was im Buche stund, ankam, so gieng mit einem, der Jura studirte, Hoppii Commentarium über die Institutiones durch, der vor sich allein nicht zu rechte kommen konnte und war dazumahl damit zufrieden. Denn ich vermeinte (welcher Meinung ich auch noch bin und sie meinen Auditoribus zu inculciren pflege), es sei genug, wenn man auf Universitäten von einer Sache soviel lerne, dass man sich nach diesen selbst helffen kan und weiter gehen, soviel einem beliebet.

Meine Dissertationem de Philosophia practica universali censi H. Mencke als Professor moralium. Weil er nun sahe, dass ich dieselbe methodo mathematica geschrieben hatte, ich auch nicht bey der alten Leyer verblieb, sondern weiter zu gehen suchte, so fragte er mich, ob ich die Mathesin studirte hätte, indem seine Absicht war, mich bei den Actis zu gebrauchen. Er schickte desshalb dieselbe ohne mein Wissen an den Herrn von Leibnitz, um sein Urtheil von mir zu vernehmen, welches aber so geneigt ausfiel, dass ich schamroth wurde, als er mir dieselbe aus der Antwort vorlass und zugleich einen Brief von dem H.v. Leibnitz überreichte. Denn es ist allezeit meine Art gewesen, dass ich schamroth werde, wenn mich einer ins Gesichte loben will, indem ich besorge, dass er mir nicht etwan mehr Lob beylege, als ich entweder verdiene oder andre vertragen können. Jedoch lasse ich mich, wenn es nicht in blossen Worten bestehet, dergleichen mir mehr zu wieder ist, als dass es mir angenehm seyn sollte, dadurch antreiben, um dasjenige [am Rande eingeschoben: soviel nur meine Umstände leiden] zu praestitiren,[304] was man mir beyleget, damit niemand sagen kann, man habe mich ohne Verdienste gelobet.

Meine Dissertationem von der Philosophia practica universali überreichte ich auch in der Oster-Messe dem Herrn von Tschirnhausen, welche er nach dem anderen, der ihn besucht, gerühmet und als eine Frucht seiner Medicinae Mentis angepriesen. Daher auch einige Passagiers mich besucht, um mich von Person kennen zu lernen und mir des H. von Tschirnhausen Urtheil referiret. H. Neumann hielt auch davor, man sollte die Theologiam revelatam alia methodo, nämlich nach der Art der mathematicorum tractiren, denn obgleich die Wahrheit immer einerley bleibe, so erfordert sie doch nach Beschaffenheit der Zeiten einen andern Vortrag. Und unsere Zeiten erforderten, dass man die Theologie auf eine gründlichere Art tractirte, als bisher geschehen.

Dass der Syllogismus kein medium inveniendi veritatem sey, hatte ich aus Tschirnhausens Medicina mentis und Cartesii dissertatione de methodo erlernet, ingleichen war der Professor Hamberger eben derselben Meinung, welche auch Weigel in seiner Philosophia mathematica defentirte. Die Ursache aber, dass ich dieses Vorurtheil annahm, war diese, weil die Conclusio einem schon bekandt seyn müste, ehe man einen syllogismum machen könnte und daher nicht durch den syllogismum erfinden könnte, was ich schon wüsste. Ich bin immer von der Art gewesen, dass ich mich zwar das praejudicium autorítatis nicht blenden lassen und deswegen etwas zu behaupten angenommen, weil es berühmte Männer gesagt, jedoch niemahlen gleich als einen Irrthum verworfen, was mir entweder seltsam oder meinen Meinungen zuwieder vorkommen, sondern vielmehr jederzeit geglaubet, ich verstehe anderer Meinungen noch nicht recht, bis ich alles[305] genau untersuchet, wobey ich auch sehr wohl gefahren. Ob ich nun gleich anfangs nicht sehen konnte, wie der syllogismus zu Erfindung der Wahrheit etwas beytragen sollte und daher ihm weiter keinen Platz einräumete, als wenn man untersuchen wollte, ob das erfundene wahr sey oder nicht, so ward ich doch nach langer Untersuchung eines andern überführet, als ich auf den ersten Ursprung des ratiocinirens verfiel, wie ich ihn in der deutschen Logica und in der Psychologie erkläret, als woraus ich gleich ersahe, wie man ex assumtis ratiocinando auf die conclusionem komme, die entweder einem noch nicht bekandt ist oder als unbekandt vorausgesetzt wird. Und dieses führete mich nach dem erst zu der rechten Einsicht von der forma demonstrationis, welche ich nirgends recht erklärt gefunden, und zu dem Begriffe von den demonstrationibus ordinatis et completis, die ich consummatas nenne, worinnen selbst bey den Mathematicis, sonderlich den Neueren, ein grosser Mangel zu verspüren ist, auch viel ich nach dem auf den Gebrauch der syllogismorum in Erklärung der natürlichen Suite der Gedancken und auf fielfältigen Gebrauch in der praxi morali, welche ohne denselben nicht zu erhalten.

Ich habe zwar zweymal pro locco disputiret, auch die übrigen praestanda praestiret, welche nach denen statutis erfordert werden, einen locum in Facultate zu erhalten, weil aber keiner würcklich recipiret werden kan, so lange keine Stelle in seiner Nation vacans wird, in der Polnischen aber keine erlediget worden, so lange ich in Leipzig gewesen, so habe auch niemahlen den dignitatem Assessoris in Facultate philosophica daselbst erhalten, sondern bin nur dazu habilis und eligibilis gewesen.

Wie ich die Vocation nach Giessen erhielt, war es eben[306] um die Zeit, da die Schweden in Sachsen einfielen. Weil nun aus Leipzig alles flüchtete und die studiosi weggingen, so resoluirte ich nach Giessen zu gehen, insonderheit da mir der alte H. D. Rechenberg dazu rieth, dessen sonderbahre Gewogenheit und Liebe vor mich viel bey mir galt, obgleich H. Otto Mencke lieber gesehen hätte, dass ich wegen der Actorum in der Nähe geblieben und nach Halle gegangen wäre, wohin viele von den hiesigen Docentibus privatis sich wendeten.

Ich lass in Leipzig nicht allein in der Mathematick, die ich doch jeder Zeit nur als ein Nebenwerk angesehen, indem ich durch das studium mathematicum weiter nichts als den methodum recht zu erlernen intendirte, sondern auch in der Philosophie, ja auf einiger Begehren auch das letzte Jahr in der Theologie, wiewohl ich es wegen des Einfalls der Schweden nicht gantz zu Ende brachte. Anstat der Logik lass ich über Tschirnhausens Medicinam mentis, doch nicht über das Buch selbst, sondern über einen Auszug, den ich über denselben gemacht hatte und mit Erläuterungen versehen, auch nach dem Begriffe derjenigen, die keine Mathematick verstehen, eingerichtet. Weil aber die praxis durch die blosse Theorie nicht erlanget wird, so hielt ich auch ein Collegium über die Mathesin puram methodo analytica, da ich zu zeigen suchte, wie alles nach denen vorgeschriebenen Regeln, wo nicht erfunden worden, doch erfunden hätte werden können, indem ich erstlich zeigte, wie die definitiones hätten können erfunden werden, nachdem die axiomata, und sodann das übrige alles als problemata tractiret, die zu soluiren aufgegeben worden. In mathematicis liehen mir Bücher der H. Prof. Math. Pfautz, dessen Freundschaft mir der H. Prof. Mencke zuwege brachte, ingleichen Herr [307] D. Pauli, der Medicinae Professor war und einige gute mathematische Bücher hatte, bis ich mir nach und nach selbst in jeder Disciplin einen Aufsatz machte, den ich in Collegiis gebrauchen konnte. In der Physik las ich über Sturms Physicam conciliatricem und ehe ich die von ihm citirten Autores und andere mir selbst anzuschaffen Gelegenheit fand, versahe mich reich mit allen der H. Prof. Pauli und hatte ich mir einen grossen Vorrath aus allen Autoribus gesammelt und nach meiner Art in propositiones und ausgeführte Beweise gebracht. In Metaphysicis Moralibus und Politicis fragte ich nicht viel nach Büchern, sondern ich machte vor mich in jeder Disciplin einen Aufsatz. Und aus diesen MSC. habe ich nach diesem meine deutsche Schriften als einen Auszug gemacht, weil sie weitläufftig waren. Dazumahl war noch an keine philosophiam Leibnitianam gedacht, denn es war mir nichts weiter, als des H. von Leibnitzes Schediasma de notione Substantiae und de veritatis cognitione et notionibus [bekannt], wie ich in der Vorrede über die Logick angeführet, [und was] in den Leipziger Actis und bey dem Bayle in dem Dictionario von der Harmonia praestabilita zu finden war. Als aber, wie ich die deutsche Metaphysick schrieb, Leibnitzens Theodicee heraus war, ingleichen seine Streitschriften mit dem Clarcke, so habe nachdem in der Ontologie und Cosmologie und in der Psychologia rationali einige Begriffe von ihm angenommen und mit meinem Systemate vereiniget. Und dieses hat nach dem Anlass gegeben, dass da H. Büffinger meine Metaphysick philosophiam Leibnitio-Wolfianam genannt, man überhaupt meine Philosophie Leibnitio-Wolfianam geheissen. Der Herr von Leibnitz wollte haben, dass ich nach dem Exempel des H, Bernoulli mich allein auf die höhere Geometrie legen[308] und seinen calculum differentialem excoliren sollte: allein ich hatte mehr Lust die Philosophie zum Behufe der obern Facultäten in bessern Stand zu bringen. Daher ich mit ihm in dessen Philosophicis nicht correspondiren mochte, wie er deswegen auch selbst an den Remond in Frankreich geschrieben, wie in der bekandten Recueil de diverses piéces etc. zu lesen, ich könnte deswegen von seinen sentiments nichts wissen, als was er drucken lassen, so er aber selbst vor etwas weniges ansahe. Er vermeinte also, ich unterliesse seinen Rath zu folgen, weil ich mit zu vieler Arbeit überhäufft war, da er wuste, dass ich nicht allein des Tages wenigstens sechs Stunden lass, sondern auch sehr vieles in die Acta Eruditorum arbeitete. Als ich die Elementa aerometriae herausgab, schrieb mir der H. Abt Schmidt in Helmstädt, ich möchte die Theologiam revelatam auf gleiche Art ausarbeiten. Ich antwortete ihm, es wäre dieses ein Vorhaben, welches ich schon gehabt hätte, wie ich noch in Breslau auf dem Gymnasio gelebet, um darauf die Theologiam moralem zu bauen, weil der appetitus Christiani durch die veritates revelatas muss determiniret werden, insoweit von dem Wercke der Erlösung die motíon kan genommen werden. Ich hätte auch bloss zu dem Ende mich auf die Mathematick geleget, um den methodum demonstrativam kennen zu lernen und auf die Algebram, um von der Arte inveniendi einen rechten Begriff zu bekommen. Allein da ich eben dadurch gelernet, wie man nichts supponiren dörffe, was nicht im Vorhergehenden völlig erkläret und erwiesen worden, so hätte gefunden, dass erst die Philosophie, insonderheit der Methaphysick mit der Philosophia morali und politica in eine connexion müsste gesetzt werden, ehe man dieses[309] bewerckstelligen könnte. Er erkannte auch, dass es anders nicht wohl angehen könnte.

Als ich mich bey dem Einfalle der Schweden in Sachsen nach Giessen begab, so wurde mir daselbst insonderheit von dem H. D. Weber, der dazumahl Professor Historiarum war und nach diesem als Cantzler daselbst sein Leben geendiget, viele Höflichkeit erwiesen, an welchen mich H. D. Rechenberg als seinen guten Freund recommendiret hatte. Es war aber eben dazumahl der H. Landgraff von Darmstadt abwesend, dass dis Ausfertigung der Bestallung nicht sogleieh geschehen konnte. Daher resolvirte mich, erst eine Reise in mein Vaterland zu thun und von den meinigen, von denen ich so weit entfernet seyn sollte, Abschied zu nehmen und gedachte um Michaelis, wenn die Collegia angehen, wieder daselbst einzutreffen. Weil aber nicht wusste, wie die Sachen in Sachsen stünden und ob man durch dieses Land sicher reisen könnte, so nahm ich meinen Weg über Cassel nach Halle, daselbst besuchte den Herrn GHR. Stryck, welcher mich fragte, ob ich nicht daselbst verbleiben wollte. Ich sagte, dass ich die Vocation nach Giessen zur Professione Matheseos hätte, auch dorthin zu gehen resoluiret wäre. Er antwortete, ich könte dieses auch in Halle haben, weil Ihnen noch ein Professor Matheseos fehlete und sollte ich nur mit dem zeitigen Pro-Rectore, dem H. D. Hoffmann, dieserwegen sprechen. Weil ich nun ohnedem ihn besuchen wollte, so gieng ich zu ihm und da er nur meinen Nahmen hörete, sagte er gleich von freyen Stücken, es wäre ihm lieb, dass ich zu Ihnen käme. Er wäre längst besorgt gewesen, wie die Universität einen Professorem Matheseos haben möchte und hatte ihm der H. Professor Hamberger, wie er in Jena gewesen, vor wenigen Wochen gesagt, er wüste ihm[310] niemanden besser als mich dazu zu recommendiren. Als ich erwiederte, ich wäre bereits engagiret, indem ich die Vocation zu Profes. Mathes. hätte, mich auch erkläret, dieselbe anzunehmen, vermeinte er, es wäre besser, in Halle zu bleiben, als dorthin zu gehen, weil ich hier mehr thun könnte als dort. Und da ich eben von dem H. von Leibnitz und H. Bernoulli Briefe erhalten hatte und ihm dieselbe zeigte, schrieb er sogleich an den H. von Leibnitz, eröffnete ihm sein Vorhaben und verlangte, er möchte mich an den H. von Danckelmann, welcher Minister Ober Curator der Königl. Universitäten war, recommendiren. Dieser that es auch gleich und er schrieb deswegen auch selbst an den H.v. Danckelmann. Und weil ich eben über Berlin gehen wollte, ehe ich nah Bresslau reisete, so reisete ich nach Berlin hinunter, woselbst seiner Excell. auch selbst meine Aufwartung machte, der mich sehr gnädig empfingen, die Sache dem Könige vortrugen und die Bestallung zum Professore Matheseos auswürckten, mir auch selbst anriethen, lieber nach Halle als nach Giessen zu gehen. Also nahm ich diesen Beruf an und schrieb die Vocation nach Giessen ab.

Als ich nach Halle kam gegen das Ende des 1706 ten Jahres fand ich den Zustand anders, als ich ihm gewünscht hätte. Die Mathematick war eine unbekanndte und ungewohnte Sache, von der Solidität hatte man keinen Geschmack und in der Philosophie dominirte H. Thomasius, dessen sentiment aber und Vortrag nicht nach meinem Geschmack waren. Daher liess ich mich die ersten Jahre mit der Philosophie gar nicht ein und lass nur über Sturms Tabellen in der Mathematick, über die Algebra nach meinen MSC., ingleichen über die Baukunst und Fortification privatissime. Als aber in kurtzer Zeit der H. Hoffmann nach[311] Berlin als Leib Medicus gieng, welcher vorher die collegia experimentalia gehabt hatte, schaffte ich mir Instrumente an und lass anfangs über die Physicam experimentalem, nach diesem auch die über Physicam dogmaticam. Und weil alsdann einige waren, die mich aufmunterten, ich möchte auch über die andern Theile der Philosophie lesen, so bequemete ich mich auch dazu, doch musste gleich vielen wiedrigen Urtheilen unterworffen seyn und fehlete es nicht an solchen Leuten, die mich zu verkleinern suchten, dass nicht den Beyfall gewinnen können, den ich in Leipzig gehabt hatte. Das praejudicium war anfangs so gross, dass man nicht einmal verlangte, nur aus Curiosität mich zu hören, bis endlich einige, die bey Thomasio, Gundlingen und D. Rüdigern, der dazumahl in Halle war, collegia gehöret hatten, aus Curiosität doch hören wollen, was ich denn docirte, unter welchen auch Herr Köhler war, der zuletzt als Professor Philosophiae in Jena gestorben. Da nun diese bey mir mehrere satisfaction fanden und in Gesellschaften, wenn von philosophischen und andern gelehrten Sachen die Rede war, den andern überlegen waren, so brach ich endlich auf einmahl durch und der applausus vermehrete sich dergestalt, dass ich vieler Misgunst auf mich lud, weil man vermeinte, als wenn ich eine Verachtung ihrer zu wege brächte. Insonderheit entstunden gleich Klagen bei den Herrn Theologis, als wenn denen Studiosis ein Eckel vor der Theologie, ja gar der Schrift beygebracht würde, als einige studiosi bessere Erklärungen und Beweis von ihnen forderten. Ja es fehlete auch nicht an Juristen, welche die studiosos zu bereden suchten, als wenn ich sie zu ihren Hauptwercke untüchtig machte, doch erkannten diejenigen, welche mir anhingen, die Sache besser, als dass sie sich dadurch von[312] mir hätten abhalten lassen. Es kan hier nachgelesen werden, was ein Prediger im Coburgischen ohne seinen Nahmen zu melden, der ein Auditor von mir gewesen, geschrieben. so H. Lange gleich confisciren lassen, aber in Berlin nachgedruckt worden, wie ich in Marburg war.

In die Königliche Societät zu London bin ich zuerst aufgenommen worden. Da nun dieses bekant ward, wurde mir auch das diploma receptionis in societatem Berolinensem zugeschickt.

Der H. D. Olearius der jüngere hätte mich gerne nach Leipzig gehabt. Daher als der H. Otto Mencke, Professor Moralium, starb, wie ich erst in Halle zu lesen anfing und der König von Pohlen in der Neujahrs-Messe in Leipzig war, waren auch einige im dressdenischen Hofe vor mich portiret, um mir dieselbe zuzuwenden. Weil aber dazumahlen gewisse Umstände waren, dass ich es nicht vor rathsam hielt, dass die Sache getrieben würde, auch ich es nicht für gut achtete, gleich wieder von Halle zu gehen und eine andere Bedienung anderswo anzunehmen, wie ich es mit Giessen erst gemacht hatte, so wollte lieber bis auf eine andere Gelegenheit solches verschieben.

Als der Professor Mathematum superiorum in Wittenberg starb, erhielt ich die Vocation dahin. Herr Thomasius wiederrieth mir dahin zu gehen, wie auch insonderheit H. Hoffmann und man vermeinte, dass der Hochseel. König, welcher dazumahl schon zu der Regierung gelangt war, es sehr ungnädig aufnehmen würde, wenn ich meine dimission fordern wollte und ich mir leicht ein grosses Unglück zuziehen könnte. Derowegen machte meine Vacation bloss bey Hofe bekandt, stellte vor, dass ich ein schlechtes salarium hätte und keine Besserung vor mir sähe und überliesse S.K.M. allergnädigsten Befehl, wass ich zu thun hätte. Ich[313] bekam sogleich die Königl. Resolution, S.K.M. würden es lieber sehen, wenn ich noch wie zuvor in Halle verbliebe, in welchem Falle Sie mir das Praedicat eines Hof-Raths nebst der Anwartung auf die Professionem physicam mit dazu gehöriger Besoldung und der Vermehrung des salarii von des Prof. Iuris Bodini seiner Besoldung nach seinem Tode offerirten. Ich war also genöthiget, dieses zu acceptiren und die Vocation nach Wittenberg fahren zu lassen. Es verlangte mich schon zu selbiger Zeit der Russische Kayser Peter der erste unter sehr vortheilhaften Conditionen, damit er jemanden um sich hätte, den er in mathematicis und physicis gleich fragen könnte, wenn ihm etwas vorkäme. Allein da der H.v. Leibnitz dieses nicht vor gut ansahe und ich ihm nicht gerne znwieder leben mochte, so suchte dieses geziemend abzulehnen, ohne dass dadurch dieser grosse Monarch mir abgeneigt wurde. Als der H.v. Leibnitz kurz vor seinem Ende in Wien war, hatte er deselbst vor, den letzt verstorbenen Kayser zu bewegen, dass er eine Societät der Wissenschaften stifften sollte. Als er aber starb, ehe dieses zu Stande kommen konnte, war ein gewisser Cammer-Rath, der nun aber auch schon eine geraume Zeit verstorben, welcher dieses Werck trieb und mich zum Directore haben wollte, in welchem letztern er auch keine Contradictio fand, allein da er das Werck gar zu weitläufftig und kostbahr anfieng, davon er viel mit mir correspondiret und gleichwohl davon nicht abgehen wollte, so konnte er damit nicht zu stande kommen.

In der Königl. Societaet zu London bin ich eher aufgenommen worden, als in die Preussische, welche dem Exempel der ersten gefolget. Der berühmte Herr D. Woodward schrieb mir aus London, dass solches geschehen zu[314] einer Zeit, da ein so grosser confluxus der Mitglieder bey einander gewesen, als er noch niemahlen bei einander gesehen und alle einmüthiglich in meine Reception gewilliget.

Die Vocation nach Marburg, mit einem ausserordentlichen Gehalt über 1000 Rthl., erhielt ich schon vorher noch vor Johannis, ehe die machinationes wieder mich hier angiengen. Und da der Seel. H. Landgraffe die acceptatio so sehr urgirten, hatte ich auch dieselbe noch nicht abgeschlagen, wie der wiedrige Befehl von Hoffe ankam. Und dieses war die Ursache, warum ich nach Cassel reisete und es Sr. HFlDl, anheimstellte, ob Sie mich noch in Dero Dienste verlangten oder nicht. Es kehrte sich aber der Gottseelige H. Landgraffe nicht daran, sondern sowohl er als die Ministri versicherten mich, dass er in seiner Gnade gegen mich nicht das geringste vermindert hätte. Wie dann auch die Besoldung vor das Quartal Luciae mir gereicht werden muste, ob ich gleich erst am Tage Luciae zu Marburg introduciret ward, nebst der Fruchtbestallung vom gantzen Jahre, dergestalt, dass ich den Verlust der Besoldung vor das letzte Quartal in Halle reichlich ersetzt bekam, indem ich mehr erhielt, als ich ein gantzes Jahr in Halle gehabt hatte. So liesen auch Sr. HFlDl. mir die Transport Gelder auszahlen und so lange ich mich in Cassel aufhielt, genoss ich sowohl von dem Gottseel. H. Landgraffen, als auch denen Herren Ministris alle Gnade und Gewogenheit. Insonderheit kan ich niemahlen des seel. Cammer-Praesidenten von Dallwigk Patrocinium genug rühmen, der mich recht ausserordentlich bis an sein Ende geliebet und alle Vorsorge vor mich gehabt, die ich nur wünschen konnte, wie seine an mich abgelassene Schreiben vielfältig bezeigen und ich vor meine Person auch mündlich von ihm erfahren.[315]

Es war kaum ruchbar geworden, dass ich nach Cassel gegangen, so liessen der Feld Marschall in Sachsen, der H. Graff von Flemming, nach Cassel an einen gewissen Doctorem Medicinae, der nunmehr schon todt ist, schreiben, er möchte mir sagen, dass ich mich in Cassel nicht zu weit einlassen sollte, indem S.K.M. in Pohlen mich nach Leipzig haben wollten und eben die conditiones eingehen würden, die man mir in Cassel accordirte: welches mir eine gantz unvermuthete Post war. Es hielt sich aber dazumahl in Cassel der H. Graff von Flotrop als Abgesandter vom Sächsischen Hoffe wegen der Hanauischen Successions-Sache auf, mit dem seel. H. Hoff Rath Griebner. Dieser stellte es durch einen Hessischen General an, dass er mich mit zu ihm zur Tafel nahm und redete nachdem mit mir nach der Tafel insgeheim von der Vocation nach Leipzig, dergleichen auch der H. Hoff Rath Griebner that, der mich besuchte. Beyde animirten mich lieber nach Leipzig als nach Marburg zu gehen. Der H. Graffe thaten mir auch den Vorschlag, wenn ich an beyde Orte nicht Lust hätte, wollten sie mich mit nach Holland nehmen und sollte ich bey Ihnen alles frey haben. Sie wären versichert, dass sie mich nicht lange bey sich behalten würden, sondern ich daselbst eine vortheilhafte Bedienung erhalten: welches aber wegen meiner Familie kein convenabler Vorschlag war. Beyde verschwiegen nicht, dass man mich nach Leipzig verlangte und erkläreten sich bei dem Herren Cammer-Praesidenten von Dallwigk, wenn man ihres Orts Bedencken trüge mich anzunehmen, sollte man mich nur Ihnen zulassen. Endlich wurde unter uns, weil ohne dem der König von Pohlen eilends nach Pohlen gehen musste, beschlossen, dass[316] ich zuerst auf drei Jahr nach Marburg gehen wollte, nach deren Verlauf aber die Vecation nach Leipzig acceptiren wollte. Als dieselbe verflossen, wurde mir aus Dressden zugeschrieben, dass bereits wegen meiner Vocation nach Leipzig: Weil ich aber mittler Zeit gefunden, dass Marburg vor mein Glücke ein sehr vortheilhafter Ort und zu meiner Ruhe ein bequemer Sitz war, deprecirte ich dieselbe so lange, als der Seel. H. Landgraff lebten, die es auch sehr ungerne würden gesehen haben, wenn ich geändert hätte. Wegen der Petersburgischen Academie der Wissenschaften wurde mit mir vielfältig correspondiret noch bei Lebzeiten des grossen Peters, welcher, wie gedacht, sehr viel auf mich hielt: wie denn auch denselben meine dedication, welche ich vor der Physick gesetzt, als ich noch in Halle war, dergestalt gefallen, dass er sie ins Russische übersetzen und in seiner hohen Gegenwart den Grossen des Reichs vorlesen lassen. Kaum war ich in Marburg angelanget, so erhielt ich Briefe aus Petersburg, warum ich das gethan hätte, dass ich nach Marburg gegangen und nicht lieber nach Petersburg kommen wäre, wo ich dem Glücke meiner und meiner Familie besser würde prospiciret haben: man animirte mich auch, noch eine andere Resolution zu fassen und dahin zu kommen. Als ich es mit den Umständen meiner Familie entschuldigte, dass ich dergleichen Resolution nicht fassen könnte, wurde der Russische Legations-Secretarius aus Berlin an mich abgeschickt, um mich dazu zu vermögen. Welcher mir auch alle ersinnlichen Vorstellungen that. Allein die Umstände meiner Familie und weil ich vorher sahe, dass meine Feinde aussprengen würden, als wenn ich in Deutschland nicht mehr sicher seyn könnte und darüber frolocken, dass sie mich daraus weggebracht, nebst der grossen Gnade[317] die ich in Hessen genoss, liessen mich zu dieser Resolution nicht schreiten. Unterdessen versicherte ich, dass ich alles auch abwesend beytragen wollte, was zu der Aufnahme der dortigen Academie der Wissenschaften gereichen könnte, wie denn auch die ersten Mitglieder derselben von mir verschafft und die Besoldungen nach meinen Gutachten reguliret worden. Als nun nach dem unvermutheten Tode des grossen Monarchen die Einrichtung der Academie würklich zu stande kam, wurde mir von der Russischen Kayserin die Stelle eines Professoris honorarii nebst einem Gehalte zugetheilet, ob ich gleich die Stelle eines Vice-Praesidenten mit einem Gehalt von 2000 Rubeln nicht acceptiret hatte: welches auch unter den Nachfolgern des Russischen Thrones unverändert geblieben.

Als der Hochseel. H. Landgraff starb, hatte ich nicht Ursache zu besorgen, dass meine Umstände in Marburg sich verschlimmern sollten. Denn ich genoss gleicher Gnade sowohl bey des Herrn Statthalters HFDl. dem Printzen Wilhelm, als auch S.K.M. in Schweden, bey denen ich gantz ungemein angeschrieben war. Daher als dieselben bey ihrer Gegenwart in ihren Staaten nach Marburg kamen und von der Universität complimentiret worden, fragten Sie gleich, welcher unter uns der Hoff-Rath Wolff wäre und da ich hervortrat, redeten Sie mit mir in den gnädigsten Terminis und versicherten mich Dero Gnade, offerirten mir auch, was ich ferner zu meiner Verbesserung begehrte, dergleichen auch vorhin schon mehr als einmahl von dem H. Statthalter geschehen war. Gleich wie ich mich aber beständig gegen S. HFDl. declariret hatte, dass mit dem, was ich bereits hätte, ich völlig zufrieden wäre und nicht ein mehreres verlangte: so that es auch gegen S.K.M. und[318] bath mir bloss die Continuation Dero hohen Gnade aus. Als ich in Cassel Abschied von dem Könige nahm, da S.K.M. wieder nach Schweden gehen wollten, hielten Sie mit mir eine Unterredung von ein paar Stunden von allerhand Materien und bezeigten sich sehr vergnügt darüber, ich muste mich auch noch einige Tage daselbst verweilen, um meine unterthänigste Aufwartung abermahlen zu machen. Wenn Schwedische Cavaliers nach Deutschland reisseten, hiess der König Sie mich besuchen und seinen allergnädigsten Gruss zu vermelden. Ja sie verlangten auch von mir, dass ich selbst an Sie schreiben sollte und wenn es geschahe, erhielt ich eine sehr gnädige Antwort. Wenn des H. Stadthalters Durchl. durch Marburg giengen, redeten Sie jederzeit sehr gnädig mit mir und behielten mich an der Taffel.

Man kan p. 63 nicht wohl sagen, dass wenig Deutschen in der Academie der Wissenschaften zu Paris eine Stelle vergönnet worden. Denn als A. 1699 das Retablissement derselben vorgenommen ward und die Academie in die Verfassung kam, die sie noch itzt hat, waren Mitglieder der H. von Leibnitz, H. von Tschirnhausen und die beyden Brüder Jacobus und Joannes Bernoulli und also vier Deutsche da nicht mehr als acht Stellen insgesammt vor Auswärtige Gelehrte in allen Theilen Europas vorhanden. Nunmehro aber ist von Deutschen bloss Hr. Bernoulli Professor zu Basel und ich bin in der Ordnung der fünffte.

Als der Graff von Pembrock in Engelland gestorben war und zu einer neuen Wahl geschritten ward, wurde ich zuerst unanimiter von allen erwehlet. Bey der Wahl des andern, den man zugleich praesentiren wollte, waren die Mitglieder nicht einig, doch erhielt der berühmte Mathematicus Jacob Herrmann, der nach seiner Rückkunft aus Petersburg Professor[319] Moralium in seiner Vater Stadt Basel worden war, die meisten Vota. S.K.M. aber confirmirten mich und wurde mir dieses wieder alles Vermuthen von dem Staats-Minister und Staats-Secretario dem Graffen von Maurepas notificiret. Es überschrieb mir auch dieses zugleich der H. de Reaumur, der unter den Gelehrten in Frankreich die erste Stelle meritiret und bey allen in dem grössten Ansehen stehet. Und ich habe nach diesem bis auf diese Stunde die Freundschaft mit ihm unterhalten und halte es vor eine grosse Ehre, dass ich an ihm einen so grossen Gönner und Freund gefunden. Es ist noch niemand gewesen, welcher paria mit ihm in der Historia naturali hätte praesitiren können, zu geschweigen, wie er sich in der höhern Geometrie und Analysi recentiori hervorgethan, wie nicht allein die in den Memoires de l' Acad. des sciences befindliche viele Piecen, sondern anch die vielen Volumina von der Historia Insectorum zur Verwunderung aller gründlich Gelehrten ausweisen Wer von Paris kommet, kan die Höflichkeit nicht genug rühmen, welche er von diesem grossen Gelehrten genossen wenn er nur gesaget, dass er von mir komme und unter mit studiret, ohne dass er ein Recommendations-Schreiben, von mir nöthig gehabt.

Dassièr machte Medailles auf die grossen und berühmten Gelehrten, wie auf den Newton, Malebranche und auch unter denen eine auf mich. Eben dergleichen unternahm nach diesem Vestner in Nürnberg, und daher weiss ich nicht, ob man sagen kan, dass die Nürnberger mir ein Monumentum construiren wollten, da bloss dieser Künstler von berühmten Gelehrten Medaillen verfertigen wollte und also auch auf mich gleich zuerst eine verfertigte.

Das Portrait auf der Medaille des Genffers ist zwar[320] künstlich, indem es ein gantz erhabenes Brustbild ist, aber das Gesicht ist allzu störrisch, da ich eine gelassene und freundliche Miene (vultum) habe, welche Vestner besser exprimiret. Daher als der Cardinal von Fleury diese Medaille gesehen, hat er geurtheilet, diese l'air de visage schicke sich am besten vor die Idée, die man sich von mir aus meinen Schrifften und den Erzehlungen anderer von meiner Person machen konnte, wenn man mich nicht gesehen oder vor einen solchen Mann, wie ich wäre. Ich kan nicht leugnen, dass mir die Vergleichung mit dem Mercurio Trismegisto nicht gefallen, weil ich nicht eingesehen, warum man sie angestellet, wie denn auch andere vermeinet, man sollte lieber Philosophum mit einem epithete das ich aus Bescheiden heit nicht dazu setzen mag, indem ich mich nicht selber vor gross ausgebe, gesetzt haben. Es war aber zu derselben Zeit der H. Cantzelley-Rath von Braem in Marburg, der sich einige Zeit daselbst aufhielt und nicht schämete in meine Collegia mitzugehen, um daraus zu profitiren, obgleich andere Dähnen zugegen waren, welche dieselben mit grossen Eifer frequentirten. Weil er sahe, dass alle Kupfer-Stiche, die man von mir gemacht hatte, mein Bildniss nicht exprimirten, wie sie sollten, sondern gar keine Aehnlichkeit hatten, hingegen in Frankfurt am Mayn ein Doctor Iuris war, der sich mein Portrait von einem guten Künstler machen lassen, welches unter sehr vielen, die er gemahlet hatte, vor das beste gehalten wurde, so liess er auf seine Kosten in Hamburg ein Kupffer darnach stechen und machte lateinische Verse darunter, darinnen er die Vergleichung mit dem Trimegisto erklärete. Behielt vor sich nur einige Abdrücke, die er auf der Reise an vornehme Personen verschenckte, wie denn auch die Cardinäle von Fleury und Polignac[321] eines davon erhalten, die Platte aber schenkte er mit einem Theile abgedruckter Kupfer mir. Die Verse sind folgende:


Ter magnum Hermetem coluit Memphitica Tellus

Ter magno Major Wolfius hicce nitet.

Hermes Egyptum sapientem reddidit olim:

Orbem luce nova Wolfius irradiat.

Jure Hermete suo Memphitica Terra superbit:

Sed quid Tu grato pectore Teuto facis?


Nach eben diesem franckfurtischen Portrait ist dasjenige in der schwartzen Kunst gestochen, welches in dem ersten Theile der Collection von den Bildnissen der Gelehrten, so itzt noch leben, zu finden, welches doch aber mit den Hamburgischen nicht völlig übereinkommet, beydes aber auch nicht soviel Aehnlichkeit hat, als das Portrait. Der Künstler, so dieses gemahlet, hat mich mehr als dreissigmahl gemahlet und ich habe ihm bei sehr vielen gesessen. Allein es ist ihm keines besser gerathen, als was er vor den letzt verstorbenen Gross Hertzog von Florentz mit dem grössten Fleisse, den er anwenden konnte, gemacht, mit welchem dasjenige nahe übereinkommt, welches er vor die gelehrte Gräfin in Meyland Grillam Borromaeam gemacht, unter denen übrigen allen hat man dem franckfurtischen den Vorzug gegeben. Er hatte auch eines vor mich gemahlet, welches von vielen gelobet ward, wiewohl der H. Cantzelley-Rath de Braem und andere Kenner das Franckfurter demselben vorgezogen. Es gefiel dasselbe selbst dem H. Stadthalter zu Cassel, dem es gezeiget werden musste, wie er durch Marburg gieng und von diesen Künstler eines hat sehen wollen, indem sie ein grosser Kenner von Gemählden sind. Dieses Bild hat der H. Graff von Manteufel von mir bekommen, als er verlangte, dass ich das beste Portrait, welches[322] ich hätte, nach Berlin schicken möchte, weil man Copeyen davon machen wollte. Von diesem sind viele Copeyen daselbst gemacht worden. Unter allen aber ist diese am merkwürdigsten, welche der letzt verstorbene König in Preussen machen liess und dem Herr Probst Reinbeck zum Neujahrs-Geschenke sandte mit den Worten, weil er wüste, dass er ihm nichts bessres schencken könnte und zugleich Geld überschickte (vier Louisdor), um einen goldnen Rahmen darum machen zu lassen. Der Mahler, dem ich so vielmahl gesessen hatte, um mich abzumahlen, hielt es vor schwer, mich zu treffen, indem er vorgab, dass sich alle Augenblicke mein Gesicht änderte und wenn er mahlen wollte, was er wahrgenommen, schon wieder weg wäre, indem er noch einmahl darnach sehen wollte.

Bey meiner Wiederkunft nach Halle ist in Gotha von dem Medailleur Koch, der nunmehro verstorben, eine Medaille gepräget worden. Auf der einen Seite stehet ein Brustbild mit den Nahmen Christianus Wolfius. Darunter aber die Worte Halam reliquit. d ... Nov. 1723. Auff der andern Seite ist die Stadt Halle und darüber bricht die Sonne aus den Wolken hervor. Unten stehet: Halam reversus d. 6. Dec. 1740. Wer dieses angegeben, habe ich nicht erfahren.

Die grossen lateinischen Wercke sind bis auf den andern Theil der Philosophiae practicae universalis inclusive nebst dem ersten Tomo Elementorum Matheseos heraus kommen. Es hat diese neue Auflage besorget H. Sereri, ein Doctor Medicinae et Philosophiae, der deswegen deutsch gelernet, damit er vorher meine Schriften im deutschen lesen können, wie er denn auch mein mathematisches Lexicon aus dem Deutschen ins Italienische übersetzet. Was er von meiner[323] Art zu philosophiren hielt, ist aus der Dedication zu ersehen, welche er der Logick an den Doge zu Venedig praemittiret. Nun hätte der Verleger Rannuzini die Fortsetzung des Nachdruckes seines Todes unerachtet nicht unterlassen, allein 1742 im Martio des vorigen Jahres ist durch eine heftige Feuers Brunst sein gantzer Verlag mit einen kostbahren Sortement und seine Buchdruckereyen, die er selbst dabey gehabt mit Haus und allen Gebäuden in einer Nacht verzehret worden, davon er sich noch nicht wieder recht erhohlen können. Unterdessen ist er doch noch resolviret, künftig dieselbe wieder vorzunehmen.

Hieher gehöret nun auch wohl die neue Wiederberuffung nach Halle; als ich den ersten Beruff ausgeschlagen hatte, suchte H. D. Lange überall auszustreuen, es wäre nicht andem, dass der König in Preussen andere Gedanken von mir bekommen und mich wieder nach Halle haben wollen, sondern es wären nur einige Freunde gewesen, die mich vor sich sondiret hätten, ob ich wohl Lust hätte, wieder nach Halle zu kommen. Daher auch viele glaubten, als wenn diese gantze Sache ein blosses Gerüchte wäre, welches fälschlich von meinen Freunden wäre ausgesprenget worden. Weil ich nun davon in der Vorrede über die Psychologie selbst Erwehnung gethan hatte, so wollte doch auch mein Vorgeben vor der Welt justificiren. Daher resoluirte mich, den andern Theil von der Philosophia practica Universali S.K.M. zu dediciren, darinnen ich alles referirte, was von meinen Gegnern vor erdichtet ausgegeben ward und davon unten umständlicher wird zu reden seyn. Diese Dedication übersetzte selbst in das deutsche und legte sie zu dem Schreiben bey, welches ich nebst dem Buche übersandte und mit Fleiss durch einen andern überreichen[324] liess. Der König von Preussen nahm dieses sehr gnädig auf, anwortete mir auch in sehr gnädigen terminis und offerirte, mir von neuem, dass ich wieder in seine Lande kommen und die conditiones selbst vorschlagen sollte, auf welche ich wiederkommen wollte. Ich bedanckte mich vor diese Gnade, schrieb, dass ich so wohl in Hessen stünde, dass nicht Ursache hätte, an eine Aenderung zu dencken, man auch in Cassel mich nicht gerne dimittiren würde. Der König ofterirte mir nach diesem, dass ich sollte Director von der Universität Franckfurt werden und liess mir frey, die Besoldung selbst zu determiniren: Als ich dieses deprecirte, offerirte mir S.K.M. das Vice-Cancellariat in Halle, ich deprecirte aber auch dieses, weil ich mich nicht unterstünde, um meine dimission anzuhalten, da ich den HFDl. Hause Hessen so vielen Danck schuldig wäre, wie ich auch in der dedication wegen der ersten Zurückberuffung gemeldet. A. 1640 erhielt ich die Vocation nach Utrecht [eingeschoben: unter solchen conditionibus, die noch kein Professor daselbst gehabt] und von dem jetzigen Könige in Preussen nach Halle: wovon ich das, was hierher gehöret, in dem Programmate A. 1741 gemeldet. Man offerirte mir in Cassel unter der Hand, dass, wenn ich in Marburg verbleiben wollte, man mir nach meiner eigenen Wahl einen Professorem setzen wollte, der einen Theil der Arbeit von mir abnähme und dessen ungeachtet meinen Gehalt vermehren. Wie es aber zugegangen, dass hierauf nicht regardiren können, ist aus dem Programmate zu ersehen. Ob man gleich aber es lieber gesehen hätte, dass ich in Marburg verblieben wäre und S.K.M. bezeigten, dass Sie mich bloss aus besonderer Freundschaft vor ihre K.M. in Preussen auf Dero eigenes Ansuchen dimittirten; so blieb man doch in Cassel[325] gegen mich gantz unverändert. Und als ich dorthin reisete, wurde mir mit ungemeiner Höflichkeit von den Herren Ministris, insonderheit dem Herrn Geheime-Raths-Praesidenten von Adelepsen und dem Cammer-Praesidenten von Borck begegnet, so dass ich zweifelhaft war, ob ich mich darüber erfreuen, oder vielmehr betrüben sollte, dass ich so wohl gesinnte Patronos verlassen müsste. Ob ich nun gleich das letzte Quartal keine Dienste mehr thun konnte, so wurde mir doch meine Besoldung bis zu Ende desselben noch vor meiner Abreise nebst der gantzen Fruchtbestallung von diesem Jahre vorausbezahlet, um mir keinen Aufenthalt zu machen, da die beschwerliche Witterung zu reisen vorfiel. Die Bürgerschaft, welche gar wohl erfahren hatten, wie viel ihnen meine Gegenwart genützet und daher alle Liebe beständig vor mich gehabt, querulirten wegen meiner Abreise. Und meine Tisch-Compagnie offerirte mir ein Carmen in Sammet eingebunden und mit goldenen Spanien reich bebesetzt, auf Atlas gedruckt, darin sie mir gratulirten nebst einem kostbahren Praesent von Silber-Werck, dergleichen ich auch bey beyden Pro-Rectoraten, die ich in Marburg geführet, erhalten, wie dergleichen auch in Halle bey den ersten Pro-Rectorat geschehen war. Wegen der Unpässlichkeit meiner Frauen aber und da mit dem Einpacken und Regulirung meines Hauswesens nicht vorher zu stande kommen konnte, trat endlich am Andreastage meine Reise von Marburg an und kam den 6. Dec. gegen Abend in Halle an. Es waren hier eine grosse Menge der studiosorum hinausgeritten, um mich einzuholen mit sechs blasenden Postilionen vor sich und einige gute Freunde von mir gleichfals entgegen gefahren, Auf den nächsten Dörffern war eine grosse Anzahl von hiesigen Einwohnern, die auf meine Ankunft[326] warteten. Vor und in der Stadt, auf den Strassen und dem Marckte war ein grosser Zulauf des Volckes und ich hielt also unter lauten Jubel-Geschrey meinen Einzug. Auf der Strasse, wo ich einkehrete in des seel. Thomasii Haus, welches ich gemiethet hatte, waren in dem Hause gegenüber Trompeten und Paucken, die sich hören liessen, sobald der Zug in die Gasse kam und war ein solcher Zulauf des Volckes, dass kaum vom Wagen steigen und unter dem Gedränge selbst im Hause in ein Zimmer kommen konnte. Ich liess also meine Ankunft noch diesen Abend bey den Vornehmen in der Stadt und denen Herren Professoribus melden, welche mir den folgenden Tag darauf ihren Besuch abstatteten und bewillkommten: wie denn auch der H.D. Lange dergleichen that und mir alles Glück wünschte, gegen den ich mich auch auf das freundlichste bezeigte und ihm gleich andern meinen Gegenbesuch abstattete.

Wegen Marburg habe vergessen, dass mich die vornehmsten studiosi daselbst eingeholet und ein paar Tage darauf eine Music gebracht. Ich muss aber insbesondere die grosse Höflichkeit rühmen, die ich von dem nunmehro seel. Herrn Viec-Cantzler Waldschmidt genossen. Denn er nahm mich, da ich allein ankam, indem meine Frau in Halle wegen ihrer hohen Schwangerschaft zurücke bleiben muste, in sein Haus auf und behielt mich auch an seinem Tische, erwiess auch bey der Ankunft meiner Frauen noch weitere Höflichkeit, gleich wie solche beständig von ihm genossen, so lange in Marburg gewesen. Es wird mir also Marburg jederzeit, so lange ich lebe, ein sehr angenehmer Ort verbleiben und werde ich die Liebe vor ihn bey mir nicht erlöschen lassen, wie ich auch in dem Programmate angedeutet. Mein Sohn Christian, der in Halle in meiner[327] Abwesenheit gebohren ward, war von ungemeiner Stärcke und einem munteren Geiste, dass sich jedermann über ihn verwunderte, dabey von einer angenehmen Gestalt. Ich verlohr ihn aber in dem andern Pro-Rectoratu, welches ich in Marburg geführet und liegt er daselbst in der lutherischen Pfarr-Kirche zur rechten Hand des altars begraben, wo ich und seine Mutter, die ihn innig liebte, zugleich unsere Ruhestätte zu haben, uns resolviret. Das Carmen, welches H. von Baumann verfertiget hatte, wurde von allen auch auswärtigen sehr gerühmet und man hat jederzeit geurtheilet, dass dieses nebst dem Gratulations-Carmine zu meiner Abreise nach Halle und der Ode bey dem ersten Pro-Rectorate in Halle conserviret werden möchten. Mir gefället das letztere am besten. Bey den Medaillen hätte ich noch derjenigen gedencken sollen, welche der Herr Graff von Manteufel auf die Errichtung der Societatis Aletophilorum prägen lassen. Auf der einen Seite stehet die Minerva und auf dem Helm vorne des H. von Leibnitz, hinten mein Gesichte mit der Beyschrift Sapere aude. Auf der andern Seite ist diese Inscription:


Societas

Aletophilorum

ab

Ern. Christophoro

S. R. J. Com.

De Mauteuffel

instituta

Berol.

MDCCXXXVI.


Es ist eine Imitation von einer alten Medaille, wo auf dem Helm der Minervae die Bildnisse des Blatonis und Aristotelis zu sehen.[328]

Man überreichte auch mir bey meiner Ankunft nach Halle verschiedene Carmina, die aber nichts besonders waren und ich auch gleich bey Seite geleget. Das Hällische von meiner Abreise ward in Halle gleich nachgedruckt und häuffig verkaufft: sonst könnte auch hieher gerechnet werden, dass der König in Franckreich nicht allein den grossen Plan von Paris, damit er Praesente zu machen pfleget und der eine Wand in einem grossen Saale bekleidet: sondern auch bereits fünf Volumina von dem Catalogo Bibliothecae regiae mir zum Praesent zuschicken lassen, auch zugleich die übrigen versprochen. Es werden aber, wie der seel. H. Abt Bignon berichtet, derselben bis sechszehn werden. Es sind diese Volumina sehr sauber gebunden und stehet das königliche Wappen auf beyden Seiten des Bandes.

Als ich vor diesem noch in Halle war und in Italien der Streit war, ob man den Fluss Rheno in den Po leiten dörffte, welches man zu Bononien gerne haben wollte: schrieb der Rath von Bononien an mich und verlangte, dass ich hievon mein Gutachten von mir stellen möchte, hätten mich auch gerne zum Commisario verlanget, weil man wuste, dass ich am Wienerischen Hoffe in grossem Ansehen stund und in Italien man mich allein vor denjenigen hielt, der nach dem Tode des H. von Leibnitz den Ruhm der Deutschen unterhalten könnte: Allein weil der Wienerische Hoff die Gegen-Parthey war und ich zu derselben Zeit eben das Rectorat hatte, auch die Fortsetzung meiner deutschen Wercke nicht unterbrechen wollte, mochte ich dieses nicht unternehmen. Ich könnte hier vieles aus Briefen anführen, welches von auswärtigen Gelehrten guter Meinung von mir zeiget, allein es schicket sich nicht dergleichen hieher zu setzen. Z.E. als ich dem H. de Reaumur von meiner Vocation[329] nach Halle schrieb, antwortete er mir unter andern: Könige und Fürsten und ihre Ministri erwiesen ihren Universitäten die grösste Ehre, wenn sie mich auf die aller vortheilhaftesten conditiones auf dieselben zu ziehen suchten. Ob nun gleich dieses anzuführen aus vielen Ursachen dienlich seyn möchte, so müste es doch auf eine gute Manier geschehen, als wenn es ein passagier mündlich von einem der grössten Gelehrten in Paris gehöret. Ebenso hat nicht nur ein anderer Gelehrter aus Paris, sondern auch andere auswärtige mich dadurch aufmuntern wollen, um die academischen Arbeiten andern zu überlassen und bloss die Fortsetzung meiner Wercke zu beschleunigen, dass ich Professor generis humani wäre. Da man gegründete Nachrichen von dem verlanget, was in meiner Lebensbeschreibung zu Beförderung der Wahrheit einfliessen könnte, so habe mich auch überwunden zu schreiben, was mich sonst die Bescheidenheit zu verschweigen heisset. Der Cardinal von Fleury schrieb einmal sehr artig an mich: Es wäre das Sprüchwort, ein Prophet gält nirgends weniger als in meinem Vaterlande, zum Lügner worden, denn ich hätte mein Vaterland in der gantzen Welt und ich würde überall hochgeachtet.

Es wird gedacht, dass meine Schrifften in Franckreich und Italien sehr aestimiret würden. Es würden sich aber die meisten darüber verwundern, wenn sie auch vernehmen sollten, dass selbst in Pohlen dieselbe in Ansehen kommet. Und ist würcklich zu Warschau eine Disputatio metaphysica gehalten worden bey den Patribus piarum scholarum, welche gantz aus meiner deutschen Metaphysick genommen, wie selbst in der Vorrede gemeldet und meiner cum elogio dabey gedacht wird. Auch haben die Censores ihre approbation[330] eum elogio dazu gesetzt. Es sind viele unter den Magnaten, die sehr viel darauf halten, wie denn auch einige unter Ihnen aus Deutschland geschickte Magistros kommen lassen, die ihre jungen Herren darinnen unterrichten. Insonderheit ist der Herr Cron Gross Cantzler, der Bischof von Culm, Zaluski, ein grosser Patron von mir und meiner Philosophie, der sie andern mit grossem Ernst recommendiret und nichts mehr wünschet, als dass dieselbe in Pohlen möchte dociret werden, indem er sich viel gutes vor das gemeine beste davon verspricht. Ich könnte auch Exempel von Hungern anführen: wie denn erst vor weniger Zeit von dem H. General Andrasi, der jetzt bey der Armee in Italien [NB, Dieser muss entweder nicht genannt oder das letzte weggelassen werden] ist, Briefe erhalten, darinnen er mich ersuchet, ihm ein Subjectum zu recommendiren, welches in meiner Mathesi und Philosophia wohl versiret, damit er dieselbe mit ihm noch einmahl durchgehen und sich mit ihm davon weiter unterreden könnte. Bey den Frantzosen ver. diente die gelehrte Marquisin Madame de Châtelet besonders gerühmet zu werden, welche in dem ersten Theile ihrer Institutionum physicarum sehr deutlich und nette die principia aus meiner Methaphysick erkläret und mit grossem Eifer meine lateinischen Wercke lieset. In Deutschland hat in meiner Philosophie dic Hertzogin von Gotha ungemeine progressus gethan und sucht täglich noch ihr Vergnügen in meinen Schriften, so dass sie viele Professores beschämen würde, wie sie denn selbst alle Tage eine und die andere Stunde ihren Hoff-Dames insonderheit aus der Logica und Moral einige Stellen erkläret. Es würde auch nicht undienlich seyn, wenn die Einsicht S.K.M. in Preussen und wie werth sie meine Philosophie halten, gerühmet würde[331] und dass ihm mit Recht der Titel: Le Roi philosophe gebühre; wie denn auch neulich der berühmte Frantzösische Poet, der mit unter der Suite des Königes war und in alle Stammbücher, die ihm offeriret worden, schrieb, was zu meiner Ehre gereichte, unter andern in eines auch setzte: Wolfio docente, Rege Philosopho regnante, Germania applaudente Athenas invisi. Dieser de Voltaire hat mir auch mit ungemeiner Höflichkeit begegnet und grosses Vergnügen darüber bezeiget, dass er mich gesprochen, ob man gleich in Leipzig spargiret hatte, er hätte nicht ein mahl nach mir gefraget. In der Dedication der Philosophiae practicae universalis, welche S.K.M. dedicirte, referirte ich alles, was von meinen Gegnern vor erdichtet ausgegeben ward. Diese dedication übersetzte selbst ins Deutsche und legte sie zu dem Schreiben bey, welches ich nebst dem Buche übersandte und mit Fleiss durch niemanden überreichen liess. Der König in Preussen nahm dieses sehr wohl auf, antwortete mir gnädig und offerirte mir wiederum Dienste in seinem Lande und zwar wollte er mir die Professionem primariam in Franckfurt geben, mit ansehnlichem Gehalt, den ich selbst vorschlagen möchte, und dabey zum Directore der dortigen Universität machen. Als ich vorschützte, dass ich die Hessischen Dienste nicht quittiren könnte, thaten S.K.M. zu einigen wiederholeten mahlen Instanz und endlich offerirten sie mir das Vice-Cancellariat in Halle nebst einer Besoldung von 2000 Rthlr., wie ich aber dieses gleichfals allerunterthänigst deprecirte, hatte es dabey seine Bewandniss: worauf bald der König in der Krankheit verfiel, die ihm auch das Leben endigte. Der König in Schweden hatte es vernommen, dass ich aus allerunterthänigster Devotion gegen seine Maj. die von neuem offerirten herrlichen conditiones ausgeschlagen hatte.[332]

Daher wurden Sie bewogen, durch ein sehr gnädiges Schreiben mir Dero Wohlgefallen zu bezeigen und versicherten mich der beharrlichen Gnade. Kaum war es hiervon stille worden, so verlangte man mich nach Utrecht, unter solchen conditionibus, dergleichen noch kein Professor in Holland gehabt. Man suchte mir diese station auf alle Art und Weise beliebt zu machen. Jedoch verzögerte es sich mit der würcklichen Vocation, als womit es daselbst etwas weitläufftig hergehet. Weil nun der erste Theil des Juris Naturae die Oster Messe A. 1740 herauskam, dedicirte ich denselben an den damahligen Cron Printzen in Preussen, nunmehro regierenden König, weil ich wuste, dass Sr. Königl. Hoheit ein grosses Vergnügen an meiner Philosophie fanden und meine deutschen Schriften mit vieler application lasen, ja die Methaphysick sich auch ins französische hatte übersetzen lassen, als von welcher Sprache Sie ein ungemeiner Liebhaber sind, wie Sie denn auch in derselben gleich einem gebohrnen Frantzosen zierlich schreiben. Sie nahmen dieses sehr gnädig auf und ich bekam bey dieser Gelegenheit aus Dero eigenhändigen Frantzösischen Schreiben zu erfahren, wie viel sie auf meine Art zu philosophiren und überhaupt auf gründliche Wissenschaften hielten. Als nun bald darauf Dero Vater Todes verblichen war, liessen S.M. gleich des andern Tages ihrer angetretenen Regierung an mich schreiben, ob ich in Dero Dienste treten wollte, und versprachen mir alle conditiones einzuwilligen, die ich nur verlangen würde. Als ich meine allerunterthänigste Hochachtung der Königl. Gnade in Antwort bezeigte, und mich entschuldigte, dass es sich nicht gezieme, S.K.M. vorzuschreiben, beliebten dieselben sich näher zu erklären, dass sie mich nach Berlin verlangten und mir nebst dem Charakter Dero geheimen[333] Rathes unterdessen 2000 Rthlr. pension geben wollten, davor ich nichts zu thun hätte, bis sie weiter vor mich sorgeten, befahlen auch dem H. Probst Reinbeck, dass er das äusserste anwendete, um mich zu bereden, diese offerte zu acceptiren, welcher auch seines Ortes nichts unterliess, was dazu dienlich konnte erachtet werden. Als ich aber nach Berlin zu gehen mich nicht resoluiren konnte, sondern mich damit entschuldigte, dass ich zur Universität gebohren wäre und darauf mein Leben endigen wollte, so verlangte S.K.M., dass ich nach Halle käme und daselbst die Professionem Juris naturae et gentium, wie auch Matheseos übernähme, wobey sie mir zugleich das Praedicat des Geheimen Rathes, das Vice-Cancellariat und 2000 Rthl. Besoldung offerirten, da vor diesem bey hiesigen Universität bloss der geheime Rath Strycke, Facultatis Juridicae Praeses, 1200 Rthl. Besoldung gehabt, welches überall als etwas besonders angesehen ward. Allein da ich Bedenken trug, meine Dimission zu suchen, wie ich in dem Programmate bey Antritt meines jetzigen Amtes in Halle umständlicher angeführet, schrieben S.K.M. selbst an den König von Schweden, auf Deren Ansuchen mir meine Dimission in höchst gnädigen terminis ertheilet ward. Ich war nicht lange hier, da S.K.M. allergnädigst mir auftrugen, nebst einigen Herrn Ministris mit vor die Besetzung der erledigten Stellen auf allen Dero Universitäten zu sorgen. Daher es geschehen, dass man in dem neuen zu Berlin gedruckten Titular-Buche mir den Titul eines Curatoris Universitatum regiarum beygeleget, den ich aus Bescheidenheit niemahlen annehmen wollen. Endlich nachdem der H. Cantzler von Ludwig gestorben war, haben S.K.M. mir wieder mein Vermuthen das Cancellariat bey hiesiger Universität aufgetragen: wodurch[334] das von Missgünstigen ausgestreute Gerücht, als wenn S.K.M. Dero Gnade vor mich gar sehr geändert hätten, vernichtet und zugleich überzeiget worden, dass Dieselben ihre hohe Zuneigung zu gründlichen Wissenschaften unter denen vielen Kriegs-Sachen nicht vermindert.

Sonst ist auch hier noch zu gedencken, dass, da S.K.M. in Frankreich den Catalogum Bibliothecae regiae drucken lassen, dieselben auch befohlen, dass mir dieses kostbahre Werck sehr prächtig gebunden überschickt werden sollte und habe also bereits fünf Volumina, die heraus sind, erhalten. Es sollen aber derselben bis fünfzehn werden: gleich wie auch den grossen Plan von Paris, damit S.K.M. blos praesente machen, vorher auf Dero Befehl erhalten.

Hier kann überaus dienlich seyn, eine kleine Schrift die ein Anonymus herausgegeben, der eben zu der Zeit, wie die Fatalitäten in Halle sich ereignet, sowohl mein als der hiesigen Theologorum auditor gewesen, als darinnen er die Ursachen des odii theologici gantz deutlich anführet: daher man auch dieselbe in Berlin nachgedruckt, wie sie auf Angeben des H.D. Langens confisciret ward.

Die Ursachen zum Hasse waren, weil diejenigen, welche einen gründlichen Vortrag gewohnet waren, mit dem Vortrage anderer nicht wollten zufrieden seyn. Daher die Herren Theologi vergäben, die studiosi theologiae bekämen einen Eckel vor Gottes Wort, weil sie von Ihnen deutlichere Begriffe und gründlichere Beweise forderten; die Juristen aber gaben vor, die studiosi würden zu höheren Falcultäten ungeschickt gemacht und Thomasius sahe scheel dazu, dass seine Philosophie nicht mehr so viel gelten wollte. Unter den Theologis war ohnedem H. Francke der Meinung, er könnte einen zu keinen Christen machen, der den Euclidem studirte, wie er[335] solches ausdrücklich gegen den seel. H. Prof. Mathes. zu Erfurt Rudolph sagte, als er ihm rieth, er möchte der Jugend auf dem Weysenhause und Paedagogio den Euclidem in die Hand geben, ob er ihm gleich keine raison geben konnte, sondern sich blos auf die Erfahrung berufte. Daher geschahe es, dass er fälschlich angebrachten Verläumdungen desto leichter glaubte, wie der vorhin angeführte Autor auch angemercket. Man warnete daher anfangs die studiosos vor meinen Collegiis: als dieses nichts half, wollte man ihnen die beneficia benehmen, die sie genossen. Daher sie nur im Verborgenen meine Lectiones besuchen mussten. Jedoch blieb es dabey, dass man mir heimlich feind war und aller Orten wiedrige Gerüchte von mir ausstreuete. Herr Lange aber ward gegen mich erbittert, dass den H. Thümmig zu der Adjunctur verhalf und als nach diesem sein Sohn gleichfals dieselbe suchte, nicht zugeben wollte, dass er Thümmigen vorgezogen würde und diesem sein einmahl erlangtes Recht benommen würde unter dem Vorwande, weil er ein älterer Magister, aber nicht ein älterer Adjunctus war. Darnach kam die Oration dazu, welche erst, weil ich in Marburg war, nachdem sie wieder meinen Willen war gedruckt worden, mit Noten herauskam. H. Strähler war, als ich nach Halle kam, ein Mägdlein Schulmeister und musste sich armseelig behelffen. Er wurde mir recommendiret, dass ich ihn mit in die Arithmetick möchte gehen lassen, damit er durch information im Rechnen desto besser sein Brodt finden möchte. Ich war willig dazu und rieth ihm, er möchte auch die übrigen Theile der Mathematick mit hören, damit er die studiosis dieselben repetiren könnte. Und da dieses glücklich von statten gieng, rieth ich ihm, ferner in gleicher Absicht die Collegia philosophica zu besuchen. Damit er nun mit mehreren[336] Ansehen studiosos unterrichten könnte, half ich ihm durch, dass er Magister ward, ob er gleich mit dem Latein nicht wohl fortkonnte. Weil ihm aber dieses noch fehlete, so war weiter mit ihm zu gehen nicht möglich. Da nun H. Thümmig sich mit Lesen und Disputiren hervorthat und Adjunctus worden war, vermeinete er, ich würde die Hand von ihm abziehen und die studiosos an diesen recommendiren. Daher war er darauf bedacht, wie er meinen credit schwächen möchte. Er suchte daher in seinen Lectionibus und sonst mich bey denen studiosis zu verkleinern und mich lauter Fehler zu beschuldigen, schrieb auch nach diesem das erste Capitel meiner Metaphysick und brachte das MSC. erst zu dem Professore Medicinae Hoffmann, bey dem er aber kein Gehör fand. Nach diesem wendete er sich an den H. Thomasium, der ihm aber rieth, er sollte selbst eine Metaphysick schreiben und seine Gedancken darinnen vortragen, so würde man nach dem leicht sehen, wer was besseres hätte. Da er also auch hier sein Conto nicht fand, kam er zu dem H.D. Lange und diesem war es Wasser auf seine Mühle, und brachte demselben die gefährlichen Irrthümer in den Kopf welche er mir imputiret. Dieser wiess ihn auch an den H. Prof. Francken, welche ihm glaubte, was er sagte, weil er wuste, dass er bey mir die Erklärung meiner Schrifften mit angehöret, auch sonst einen freyen Zutritt zu mir gehabt und mich etliche mahl zu Gevatter gebeten hatte. Herr Lange hatte ihm gerathen, seine Schrifft drucken zu lassen und durch seine recommendation war es sonder Zweiffel auch geschehen, dass man sie in Jena gedruckt hatte. Ich habe in meinen Lectionibus diese Schrifft niemahlen wiederleget, sondern keiner Wiederlegung würdig geachtet, auch nicht gesucht Strählern böses mit bösem zu vergelten, sondern[337] nur denen statutis gemäss gesucht, dass er nicht wieder mich ferner schreiben, sondern seine Meinungen vor sich möchte drucken lassen und ohne mich zu nennen, wiederlegen was er wollte, indem ich nicht gesonnen wäre, mich mit ihm öffentlich in Streit einzulassen. Ich that auch dieses auf Einrathen des H. von Ludwigs, der es vor unbillig und denen statutis zuwieder ansahe, dass man denen Magistris dergleichen erlauben sollte. Also suchte ich weiter nichts als Ruhe. Da nun aber das Rescript von Hoffe ankam und der damahlige Pro-Rector D. Michaelis es vor das Concilium brachte, zogen die Theologi gewaltig auf mich loss und Herr Thomasius gab den Rath, man sollte meine Schriften durchgehen und sie excerpiren, so würde sich schon finden, was man zu sagen hätte. Der einige H. von Ludwig war fast der einige, welcher auf meiner Seite war und dann der Prof. Sperlette, die dergleichen Verfahren misbilligten. Unterdessen ergriffen die Theologi dieses Mittel und H. Lange mit Hülffe H. Strählers brachte einen Aufsatz von gefährlichen Irrthümern, welche H. Michaelis als Decanus Facultatis Philos. abcopirte und im Nahmen der philosophischen Facultät einschickte, ob zwar nicht alle damit einig waren. Diese Schrifft ward mir von den H. Ober-Curatoribus zugeschickt, welche ich auch beantwortet und ist nach diesem die Antwort ohne mein Wissen und Willen, wie ich schon in Marburg war, gedruckt worden. Ich gab bloss, um die auswärtig ausgestreueten Verläumdungen zu heben, meine Differentiam nexus heraus, nachdem insonderheit H. Lange vorher seine Causam Dei drucken lassen.

Es ist hier nicht brauch, noch denen statutis gemäss, dass wer Professor Philosophiae werden will, solches bey der Facultät suchen muss, sondern der Hoff pfleget dann einen[338] Bericht zu fordern, wenn einige darum anhalten, welches hier nicht geschehen war, weil man meiner Recommendation und denen speciminibus, so übersandt worden, trauete, auch wohl wuste, dass kein unparteyischer Bericht erfolgen würde. Herr Lange nun, der schon in Ansehung wegen der Adjunctur erbittert war, wurde hierüber noch mehr erbittert, dass Thümmig in der Profession seinem Sohne vorkommen sollte. Ich trauete denen Theologis eben nicht und wolte von hier nach Marburg gehen, wohin ich Vocation hatte. Allein der Ober-Curator und H. von Printzen und der hiesige Hoff-Prediger im Thum H. Schardius und der Reformirte Prof. Theologiae D. Heyden, ingleichen der Reformirte Prediger in Berlin und Kirchen-Rath H.D. Schmidtmann machten mich sicher, indem sie mich gewis versicherten, dass der König in dergl. Sachen nicht resoluirte, ohne Bericht von dem H. von Printzen zu fordern, der schon genug in allem informiret war und die Unbilligkeit der Beschuldigungen einsahe. Weil nun aber die H. Theologi kein Mittel wusten, den H. Thümmig zurücke zu treiben, so brachten sie durch ihre Anhänger die Sache unmittelbahr an den König und um zu verhütten, dass die decretirte Commision nicht möchte niedergesetzt werden, weil sie dadurch ihren Zweck zu erhalten nicht vermeinten. Weil der König zu wissen verlangte, was denn das fatum für ein Ding wäre, dass die Theologi so gefährlich beschrieben und den bekandten Paul Gundling, der schon instruiret war, darum fragte, (NB. es ist dieses der Hoff-Narr, der im Fasse begraben worden, welches aber hier anzuführen sich nicht schicket), gab dieser zur Antwort, wie es auch Lange deutsch in seiner Schrifft anführet, die doch lateinisch geschrieben war: Wenn einige grosse Grenadiere in Potsdam durchgiengen, so wollte das Fatum haben, dass sie durchgehen müsten und könnten[339] sie nicht wiederstehen und der König thäte Unrecht, wenn er sie bestraffen wollte. Da nun der König fragte, ob ich dieses lehrete nun er mit Ja antwortete, auch wohl den locum aus H. Langes Schrifft mag gezeiget haben, zu derselben Zeit aber eben viele zugleich durchgegangen waren: so ergrimmte der König auf einmahl und ertheilte die fatale Cabinets-Ordre, gegen welche die weitläufftige Remonstration des Herrn von Printzen nichts half. Es gieng aber diese Ordre nicht auf vier und zwanzig, sondern auf zweymahl vier und zwanzig St. das Land zu räumen. Ich aber wartete nicht viel über zwölf St. Daher ich auch nur bey wenigen Abschied nahm. Die Copey von dem Rescr. ward mir von der Universität noch denselben Tag zugeschickt, als sie ankommen war, des Abends um fünf Uhr, wie ich in das Collegium physicum gehen wollte. Und kam sogleich der Syndicus Universitatis zu mir, welcher mich befragte, was ich thun wollte und hinterbrachte, dass die Herren Theologi selbst vor mich intercediren wollten. Ich gab zur Antwort: ich hätte dergleichen nicht verdienet und wollte mich nicht zu dem Dienste des Königes dringen, da er meine Dienste nicht verlangte. Ich wuste auch gar wohl, worauf es angesehen war, nemlich dass ich mich der imputirten Irrthümer sollte schuldig geben und dieselben wieder ruffen, nach diesem reversiren, nichts zu lesen und zu schreiben, als in physicis und mathematicis: wie auch nach diesem von guten Freunden aus Berlin erfahren, dass meine Muthmassung, die ich aus einem von H. Lange angeführten Exempel in Berlin in seiner Causa Dei geschöpfft, nicht ungegründet gewesen. Wenn es einen andern betroffen hätte, würde die Universität erst gegen diese Ordre berichtet haben: allein bey mir ward alles übereilet. Herr Francke hat den Sonntag darauf (denn dieses geschahe Freytags) über das[340] Evangelium vom Gräuel der Verwüstung vortrefflich peroriret, wozu ihm die damahlige Jahreszeit und weil meine Frau hochschwanger war, Gelegenheit gab. Ich gieng von hier gleich nach Cassel, weil ich die Vocation nach Marburg noch nicht geschrieben hatte und ward von dem Seel. H. Landgraffen mit Freuden sehr gnädig aufgenommen, wie eben gesagt. Ich traf da insonderheit den Cammer-Praesidenten und Minister von Dallwigk als einen besondern Patron an, der mich ausserordentlich bis an sein Ende geliebet und nicht allein als ein Patron sich gegen mir bezeiget, sondern auch als ein recht vertrauter Freund, der mir in allen nöthigen Fällen den besten Rath ertheilet, auch mir viele Höfflichkeit erwiesen. Mich dünckt, ich habe schon oben erinnert, dass weil man vermeinte, ich wollte nach Wien gehen, man auch dorthin geschrieben, ich wäre nach Untersuchung der Sache condemniret, wie man es auch in die Hamburger gelehrte Zeitungen hatte setzen lassen; weil ich den atheismus publice profitiret, so dass derselbe fast communis professio studiosorum worden wäre; weswegen ein gewisser Rath, der mein guter Freund war, sich meiner Sache annahm und meine Schrifften nochmahlen den Censoribus überreichet, die sie vorher schon gelobet hatten und dadurch die Verleumdung wiederlegten. Man wollte aber gerne sein Thun rechtfertigen und mich gantz unterdrücken. Derowegen ward aller Orten hingeschrieben, dass man wieder mich schreiben sollte, damit ich durch die Menge der Adversariorum auf einmahl zu Boden geschlagen würde. Und weil ich in Berlin unter denen Ministris, Hoff-Predigern und andern vornehmen Personen noch viele Freunde hatte, H. D. Buddeus ihr Verfahren justificiren und Ihnen zu gefallen ein Bedencken aufsetzen, welches sie vielfältig abgeschrieben und in Berlin[341] herumtheilen liessen: wovon in meinen Nachrichten von meinen Schriften ein mehreres zu lesen, die in diese Puncte noch einschlagen. Buddeus war mir feind, weil ihm bekandt war, dass ich von seiner Philosophie geurtheilet hatte, sie wäre zu seichte: wovon in gedachten Nachrichten das mehrere.

Warum ich gegen Buddeum harte verfahren mit Genehmhaltung hohen Orts, wo ich alsdann lebte, habe die Ursachen in den Streit-Schriften mit ihm an gezeiget, nemlich er war nicht anzusehen als ein Antagoniste, mit dem man controuertiret, sondern als ein Verfolger, der mich um Ehre und um mein zeitliches Glück bringen wollte, und doch wollte er solches nur heimlich thun. Er brauchte aber keine Bescheidenheit, sondern eine grosse Heftigkeit, dass auch der seel. H. Hoffmann ihn solches verargete, da er mir davon schrieb, ob er gleich sein guter Freund war und mich ermahnete, die schrifft, welche er mir in MSC. überschickte, zu wiederlegen. In Cassel wollte man nicht, dass ich wegen einer ordentlichen Dimission und Cassirung der ergangenen Ordre anhalten sollte und in Berlin hielten diejenigen, denen die Absicht meiner Wiedersacher mit dem Reserve bekandt war, selbst vor rathsamer, dass ich in allen freye Hand behielte. In dem Rescript an die Academie war ohne dem bloss zur Ursache angegeben, es sey S.K.M. hinterbracht worden, als NB. sollte ich sowohl in meinen Schrifften als Lectionibus solche Lehren vortragen, die denen in Gottes Wort gegründeten zuwieder wären: welches mir daher selbst anstatt einer Defension dienete, indem ich unverhörter Weise auf blosses Hinterbringen war condemniret worden. Was die neuen motus betrift, die H.D. Lange deswegen erregte, da der König meine Unschuld zu erkennen anfing und mich wieder nach Halle haben wollte, davon[342] sind genung gedruckte Sachen vorhanden, auch sind die selben frantzösisch gedruckt in Berlin herausgekommen. Und hat sich hier der H. General von Grumkow der Sache sehr angenommen, H. Langen obstat in Gegenwart des Königes vorhalten und weil er dem König versprach eine Beantwortung von mir zu verschaffen, befahl der König dem D. Lange seine Anklage schriftlich einzugeben, die H. Probst Reinbeck anfänglich zu beantworten gegeben ward, wie er vermeinte, dass ich sie beantworten würde, nach diesen in Originali von dem H. General von Grumkow mir zugeschickt ward. Da ich dann meine Antwort aufgesetzt und mit derselben sie remittiret, wie die Sachen alle gedruckt worden, nachdem die Commission darüber war niedergesetzt worden und ihr Urtheil dem Könige eingereicht worden. Die Commissarii waren zwey Theologi von Reformirter und zwey von Lutherischer Seite. Jene waren H. Jablonski und H. Noltenius, diese H. Reinbeck und H. Carstädt, und so kam der H. Probst Reinbeck mit ins Spiel, da man anfanges passiren liesse, dass er in seinen Betrachtungen über die Augspurgische Confession Tom I. überall meine principia angebracht.

Dieses aber muss noch gedencken, dass gleich anfangs der dänische Legations-Prediger, nunmehro Professor Theologiae in Göttingen, Crusius, dessen Nahmen aber zu verschweigen ist, um nicht zu neuen Streitigkeiten Anlass zu geben, in Paris alles wiedrige gegen mich ausgebracht, wodurch der P. Tournemine, der ein guter Freund von dem H. Leibnitz gewesen war, sehr erbittert ward. Als aber einer von meinen Auditoribus ihn besuchte und er ihn, da er sehr wieder mich eiferte, eines besseren belehrte, schrieb er an den P. de Bosse, welcher gleichfals ein guter Freund von dem H. von Leibnitz gewesen und seine Theodicée ins lateinische übersetzet,[343] nach Cölln, um sich nach der wahren Beschaffenheit zu erkundigen. Nachdem er von diesem Nachricht erhielt, urtheilete er anders von meinen Gegnern und hiess sle Fous oder Narren, welche die blosse jalousie animirte, mich zu attaquiren, weil sie nicht paria praestiren könnten. Ich überschickte ihm hernach des H. Thümmigs Institutiones und des Herrn Harenberg, als eines damahligen Anonymi, Commentationem de Deo, Anima et Mundo worauf er viel von meiner Philosophie gehalten und sie recommendiret, wie denn auch Thümmigs Institutiones das Lob des besten Compendii philosophiae in dem Memoires von Trevoux erhalten, welche unter seiner Direction heraus kommen: der P. de Bosse schrieb an mich und berichtete mir dieses alles, mit welchem Gelehrten Jesuiten ich auch nach diesem eine Zeitlang in Correspondenz gestanden. Und wie dadurch geschehen, dass man alle wiedrige Gedancken zu Paris gegen mich fahren lassen: hat nach diesem zur Genüge erwiesen, dass man mich nicht nur wieder alles Vermuthen A. 1733 als ein Mitglied in der Academie der Wissenschaften aufgenommen, sondern auch der König mir andere Merckmahle seiner Gnade gegeben, wovon oben gedacht worden. Der übrige Verlauf der Sache bis hieher ist aus dem zu ersehen, was bey dem vorhergehenden Capitel angemercket worden.[344]

Quelle:
Wolff, Christian: Selbstschilderung. Nach dem Original in der Milich'schen Bibliothek in Görlitz mitgetheilt von H. Wuttke 1841, in: Deutsche Lehr- und Wanderjahre, Selbstschilderungen berühmter Männer und Frauen, II: Männer der Wissenschaft, Berlin 1874; S. 290–344, S. 290-345.
Erstdruck in: »Christian Wolffs eigene Lebensbeschreibung«, herausgegeben mit einer Abhandlung über Wolff von Heinrich Wuttke, Leipzig (Weidmann'sche Buchhandlung) 1841.
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Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

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Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

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