Fleischwagen

[97] Fleischwagen (meat refrigerator van; wagon réfrigérant à viandes; carro refrigerante per carne), Kastenwagen mit Kühlvorrichtungen zur Versendung von frischem Fleisch auf größere Entfernungen.

Die Temperatur in derartigen Wagen soll dauernd 3–5° C betragen. Zur besseren Erhaltung des Fleisches soll eine Lufterneuerung oder doch eine unausgesetzte Bewegung der Luft im Wagen stattfinden.

Wenn auch Fleisch in Kühlwagen ohne Lufterneuerung selbst nach mehrtägiger Beförderung gut erhalten ankommt, so hält es sich nach der Entladung aus solchen Wagen nur kurze Zeit, während es bei Verwendung von Wagen mit Lufterneuerung noch längere Zeit nachher frisch bleibt.

Die Luft im Wagen soll weder zu feucht noch zu trocken sein; zu feuchte Luft macht das Fleisch weich, zu trockene hingegen an der Oberfläche hart und verursacht überdies Gewichtsverluste; der zweckmäßigste Feuchtigkeitsgrad für Fleischversand ist 70–75%; er kann jedoch bei entsprechender Kühlung ohne Schaden bis auf 85% steigen.

Zum Zweck der Erhaltung der niederen Temperatur werden die Wagen vielfach mehrzellig [98] ausgeführt und ihre Kastenwände sowie Verschlüsse mit mehrfachen durch Korkstein, Rinderhaarfilz, gut getrocknete Sägespäne od. dgl. isolierten Verschalungen hergestellt. Empfohlen wird, die Dicke der Isolierungsschichten nicht unter 12–15 cm zu wählen und als Isolierungsmittel für Dach und Wände Korkmehl oder getrocknete Sägespäne, für den Boden imprägnierten Korkstein anzuwenden.

Zur Lufterneuerung werden einfache Luftsauger am Wagendach, oder von der Radachse direkt oder indirekt angetriebene Ventilatoren zumeist stirnseitig angeordnet; vereinzelt werden auch Vorrichtungen vorgesehen, durch die die angesaugte, bzw. angesaugte und abgekühlte Luft erst getrocknet wird, bevor sie in den Kühlraum gelangt.

Die Innenwände der F. werden zumeist mit Zinkblech verkleidet, die Fußböden überdies mit einem Rost aus Holzlatten belegt.

Um einen großen Laderaum zu gewinnen, werden die Kasten der F. so hoch gebaut, als dies die Durchfahrts-, bzw. Konstruktionsprofile der in Frage kommenden Bahnen gestatten.

An den beiden Längsseiten erhalten die Wagen im Innern angebrachte Thermometer, deren Anordnung eine solche ist, daß die Innentemperatur des Wagens von außen abgelesen werden kann.

In den Wagen, möglichst hoch über dem Fußboden, sind Querbalken befestigt, die mit eisernen verzinnten Haken zum Aufhängen der Fleischstücke versehen sind.

Die F. werden unterschieden:

1. in solche mit Eiskühlung,

2. in solche mit künstlicher Kühlung.

Zu 1. Bei Eiskühlung findet der Ersatz, der durch die Verschiedenheit der Innen- und Außentemperatur entstandenen Wärmeverluste durch das Schmelzen von Eis statt, dessen Wirkung auf die Luft im Wagen übertragen wird.

Diese Überführung wird bewirkt:

a) durch direkte Berührung der Luft mit dem Eis (direkte, nasse Kühlung);

b) durch Berührung der Luft mit einer Kühlfläche aus Metall (indirekte oder trockene Kühlung).

Diese Kühlflächen werden gekühlt:

α) durch direkte Berührung mit Eis (Trockenofensystem);

β) durch Berührung mit einer Flüssigkeit, deren Temperaturverminderung durch eingesenktes Eis bewirkt wird (Soleofensystem);

γ) durch Berührung mit einer Flüssigkeit, deren Temperaturverminderung in einem besonderen Apparat zweckmäßig vorgenommen wird (Frigatorsystem).


Die Eisbehälter werden entweder unter der Wagendecke oder aber an einem oder beiden Stirnenden des Wagens, bzw. (bei mehrzelligen Wagen) auch an den Trennungswänden, vom Fußboden bis an die Decke reichend, angebracht; sie erhalten einen entsprechenden Fassungsraum (größer als bei Bierwagen) um derart niedere Temperaturen zu erzielen, wie sie bei Fleischsendungen geboten erscheinen und reichen bei der ersten Anordnung gewöhnlich über die ganze Wagenlänge. Für die Eisbeschickung sind in der Regel am Wagendach entsprechend abschließbare Füllöffnungen angebracht. Bei der direkten, nassen Kühlung werden die Eisbehälter vielfach mit gitterartigen Seitenwänden aus Holzlatten und mit einem als Holzrost gebildeten Boden ausgeführt, um eine möglichst große Abkühlungsfläche zu gewinnen. Bei einer derartigen Bauart der Eisbehälter muß unter diesen eine Blechschale mit aufgebogenen, allseitig über den Boden der Behälter hinausragenden Rändern angebracht werden, damit kein Tauwasser auf das unterhalb befindliche Fleisch abtropfen kann; letzteres würde durch Benässung Schaden leiden. Die Blechschalen sind so geformt, daß das Tauwasser an einer oder an mehreren Stellen in Ablaufrohre mündet, die bis unter den Wagenfußboden reichen.


Zweckmäßig ist es, die Luft hinter einer Wand vom Dach herab durch gut zerhacktes Eis streichen zu lassen, um durch die hierbei eintretende Abkühlung die möglichste Absetzung der Feuchtigkeit zu erreichen. Ein Kühlwagen für Fleischbeförderung mit direkter Kühlung, der bei den österr. Staatsbahnen in Verwendung steht, ist in Abb. 90 dargestellt.


Die Eisbehälter sind unter der Wagendecke angeordnet; die Frischluft wird durch den Luftsauger a angesaugt, durch die Röhre c nach Abkühlung dem Kühlraum zugeführt und durch den Luftsauger b abgesaugt; das Schmelzwasser wird durch das Rohr d abgeleitet.


Ein in Deutschland in Verwendung stehender, gleichfalls mit direkter Kühlung, arbeitender F. ist in Abb. 91 schematisch dargestellt.


Die Eisbehälter a sind an beiden Stirnwänden angeordnet; die Luft tritt durch Luftfänger c, die sich der Fahrtrichtung nach entsprechend einstellen und überdies absperrbar sind, in den F. ein, strömt dann teils unter dem Eiskasten, teils durch das Gitter b und das Eis zu den Klappen e, gelangt nach Passieren der Rinnen f, die mit Chlorcalcium (zwecks Austrocknung der Luft) gefüllt sind, in den Kühlraum, und wird durch den Luftsauger h abgesaugt. Das Schmelzwasser wird durch Kondenstöpfe abgeleitet.


Die direkte, nasse Kühlung ist die zumeist angewandte, hat jedoch gerade für Fleischsendungen den Nachteil, daß die dabei zu erreichende Austrocknung der Luft nur eine mangelhafte ist und überdies die aus den Eisschichten austretenden Luftmengen mit den für das Fleisch schädlichen Ausdünstungen des Eises gesättigt sind, sofern nicht Trockenvorlagen für die aus der Eisschicht tretende Luft vorgesehen sind, was jedoch nur bei[99] speziellen Anordnungen der Eisbehälter möglich ist.

Bei der trockenen Kühlung sind die Eisbehälter, bzw. die Eisbehälter und Kühlschlangen (Frigatorsystem) gegen den Kühlraum zu vollkommen geschlossen; dementsprechend wird eine bessere Austrocknung der Luft erreicht und die Überführung der vom Eis herrührenden Ausdünstungen in den Kühlraum vermieden. Um jedoch entsprechende Kühleffekte zu erzielen, muß die Kühlung der Öfen eine möglichst intensive sein; da nun bei Verwendung von Eis allein eine Abkühlung unter den Schmelzpunkt oder 0° unmöglich ist, wird der Schmelzpunkt vielfach durch Zusatz von Salz entsprechend herabgesetzt1. Bei einfacher Berührung mit dem zerhackten Eis und fortwährendem Ablauf des Schmelzwassers (Trockenofenkühlung) ist die Abkühlung der Metallflächen nur unvollkommen, wird aber dann gleichmäßiger und kräftiger, wenn die Kühlöfen Wasser oder Salzlösung enthalten, in die das Eis eingesenkt wird (Soleofenkühlung).

Eine besonders gleichmäßige Abkühlung des Wagens ist dann möglich, wenn Eisbehälter und Kühlsystem von einander getrennt werden, da hierbei das letztere an geeignetster Stelle im Wagen angeordnet werden kann – und überdies die Kühlflüssigkeit durch entsprechende Vorrichtungen je nach Bedürfnis in Kreislaufbewegung gehalten wird, wodurch bestimmte höhere oder niedrigere Wagentemperaturen erzielt werden können (Frigatorsystem). Ein derartiger Kühlwagen, System »Frigator«, ist in Abb. 92 dargestellt.[100]

Der Eisbehälter ist an einem Stirnende angeordnet; in diesen wird die Kühlflüssigkeit – Sole – (deren Salzgehalt den jeweiligen Temperaturverhältnissen entsprechend bemessen wird) abgekühlt, durch einen am Boden befindlichen Behälter zu einer Pumpe, mittels dieser zu dem unter der Wagendecke angeordneten Kühlnetz und von dort wieder, zur neuerlichen Abkühlung zum Eisbehälter zurückgeleitet. Das Kühlnetz besteht aus zweckmäßig angeordneten Rohren, die an beiden Längsseiten von schiefgestellten, gegen den Wagenboden zu geneigten Holzwänden eingekleidet sind; hierdurch wird erreicht, daß der durch die Erwärmung gegen die Wände zu aufsteigende Luftstrom erst beim Dach gegen das Kühlsystem strömt, um dann, an den Kühlrohren abgekühlt, wieder nach unten zu sinken. Zum Auffangen des Schmelzwassers der an den Kühlrohren in Form von Eis kondensierten Wasserdämpfe ist unter den Rohren ein System von Rinnen so aufgehängt, daß es wohl das Schmelzwasser aufnimmt, jedoch die Luftzirkulation nicht behindert. Die Pumpe wird von der Wagenachse aus angetrieben; ihr Ab- und Zuschalten wird entweder von Hand aus durchgeführt oder selbsttätig durch eine Ventilanordnung bewirkt, die mit einem wärmeempfindlichen, stellbaren Apparat in Verbindung ist. Dieses Ab- und Zuschalten kann dementsprechend bei Änderung der Außentemperatur auch während des Transportes erfolgen.


Die bisherigen Erfahrungen mit den hauptsächlich bei den schwedischen Staatsbahnen in Verwendung befindlichen Frigatorwagen sind vollkommen befriedigende.

Zu 2. Bei künstlicher Kühlung wird die in der Kühlmaschine erzeugte Kälte auf die Luft im Kühlraum übertragen.

Diese Überführung wird bewirkt:

a) dadurch, daß das Kältemedium der Kühlmaschine direkt in das Kühlnetz arbeitet (direkte künstliche Kühlung);

b) dadurch, daß die vom Kältemedium im Verdampfer erzeugte Kälte an eine Sole abgegeben wird und erst diese durch die Kühlnetze zirkuliert (indirekte künstliche Kühlung).

Die Kältemaschine (zumeist Ammoniakkältemaschinen mit Berieselungskondensation) wird gewöhnlich in der Mitte des Wagens angeordnet, während gegen die Stirnseiten zu die Laderäume vorgesehen werden; diese letzteren werden auch vereinzelt mit Heizungen ausgerüstet, um bei großer Kälte im Kühlraum zweckentsprechende Temperaturen halten zu können.

Wo ganze Kühlzüge verwendet werden, wird auch die Kältemaschine in einem besonderen Wagen angeordnet, an den zu beiden Seiten die nur mit den Kühlnetzen versehenen Wagen angekuppelt werden.

Die künstliche Kühlung für Wagen wird hauptsächlich in Rußland und Amerika angewendet, wo lange Beförderungsstrecken in Frage kommen und Schwierigkeiten in der Eisnachfüllung bestehen.

Nach den Berichten des Kältekongresses Wien 1910 waren mit Ende 1908 bahneigene und private Kühlwagen in Amerika etwa 60.000, in Europa 1085 in Umlauf; von diesen 1085 europäischen Kühlwagen waren nur 440 für Fleischsendungen bestimmt.

Während der Wintermonate wird frisches Fleisch auch in gewöhnlichen gedeckten Güterwagen verladen, in die bockartige Gerüste zum Aufhängen des Fleisches eingestellt werden.

Bei der Verladung von Fleisch ist folgendes zu beachten:

Vor dem Verladen soll das frisch geschlachtete Fleisch in geschlossenen Räumen bei einer Temperatur von höchstens 20° C durch vier bis fünf Stunden gut abgekühlt werden. Die Wagen sollen nach vorheriger Lüftung und Reinigung derart gekühlt sein, daß die Temperatur im Wagen 3–5° C beträgt.

Die Verladung ist möglichst schnell zu bewerkstelligen, damit eine größere Steigerung der Temperatur vermieden wird.

Schützenhofer jun.

Abb. 90. Fleischwagen der österr. Staatsbahnen.
Abb. 90. Fleischwagen der österr. Staatsbahnen.
Abb. 91. Kühlwagen mit direkter Kühlung.
Abb. 91. Kühlwagen mit direkter Kühlung.
Abb. 92. Kühlwagen, System »Frigator«.
Abb. 92. Kühlwagen, System »Frigator«.
1

Der Schmelz- oder Gefrierpunkt einer Salzlösung sinkt ungefähr 3/4% für jedes in der Lösung enthaltene Prozent Salz, u.zw. auf –18° bei 25% Salzzusatz.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 97-101.
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