[388] Konkursrecht, die Gesamtheit der Rechtsnormen, durch die der Zugriff der Gläubiger auf das Vermögen eines Schuldners geregelt wird, der seine Schulden, sei es wegen Insuffizienz dieses Vermögens, sei es wegen Insolvenz nicht zu bezahlen vermag. Eisenbahnunternehmungen unterliegen wegen der Bedeutung, die einer Störung der Kontinuität ihres rechtlichen Bestandes und ihrer Betriebführung vom allgemein volkswirtschaftlichen und Verkehrsstandpunkte zukommt, auch in dieser Beziehung einem Sonderrecht. Dieses ist allerdings nur in der Schweiz umfassend durch besonderes Gesetz geregelt. In den anderen Ländern findet das allgemein geltende K. auch auf Eisenbahnen Anwendung, allerdings mit Abänderungen, die sich zum Teile aus der rechtlichen Natur der Eisen: bahnen, zum Teile aus positiven Gesetzesbestimmungen ergeben, deren Umfang und Tragweite wiederum in den einzelnen Staaten verschieden sind. In ersterer Beziehung ist insbesondere die dem Eisenbahnkonzessionär obliegende Betriebspflicht und die Unübertragbarkeit des aus der Konzession fließenden Rechtes ohne staatliche Genehmigung von Einfluß. Überall wo Betriebspflicht besteht, muß die Eisenbahn auch nach Eröffnung des Konkurses weiterbetrieben, die Eisenbahnanlage zunächst als ein einheitliches Ganzes mit der Verpflichtung zur Fortführung des Betriebs zum Verkauf gestellt werden. Erst wenn der Versuch einer derartigen Verwertung mißlingt, darf zur Auflösung der Bahnanlage und zur Veräußerung ihrer einzelnen Bestandteile geschritten werden. Die Unübertragbarkeit der Eisenbahnkonzession ohne staatliche Genehmigung hat die Wirkung, daß bei dem Ausgebot der Bahnanlage als Ganzes wirksame Anbote nur von denjenigen abgegeben werden können, denen im Falle des Zuschlags die Konzession verliehen werden würde. Vor diesem Nachweis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Darüber hinaus finden sich in einzelnen Ländern noch positive, den Konkurs der Eisenbahnen betreffende Bestimmungen, z.B. über die Rangordnung, in der die Gläubiger zur Befriedigung kommen.
In Deutschland kommen die allgemeinen konkursrechtlichen Grundsätze mit den aus den angeführten Maximen entspringenden Abweichungen zur Anwendung. Insbesondere in Preußen zeigt jedoch der Konkurs der Eisenbahnen seit Wirksamkeit des Gesetzes über die Bahneinheiten vom 11. Juni 1902 ein etwas verändertes Bild (s. Eisenbahnbücher).
Nach § 34 dieses Gesetzes ist im Konkurse des Bahneigentümers vom Vollstreckungsgerichte auf Ersuchen der Bahnaufsichtsbehörde die im Gesetze selbst näher geregelte Zwangsverwaltung [388] der Bahneinheit anzuordnen. Dieses Ersuchen ist nur dann zu stellen, wenn die Einkünfte aus der Zwangsverwaltung den Kosten des Verfahrens mit Einschluß der Ausgaben und Ansprüche aus der Verwaltung voraussichtlich entsprechen werden. Ferner kann nach Eröffnung des Konkurses der Konkursverwalter zur abgesonderten Befriedigung der Bahnpfandgläubiger aus den einzelnen Bestandteilen der Bahneinheit die Einleitung der im 5. Abschnitte dieses Gesetzes geregelten, dem Konkursverfahren nachgebildeten Zwangsliquidation beantragen. Dem Konkursverwalter ist jedoch eine Einflußnahme auf die Anwendung dieses Verfahrens auch insoferne gewahrt, als er zur Beschwerde nach den §§ 577, 568 bis 575 der ZPO. legitimiert ist, wenn es auf Antrag eines andern Berechtigten eröffnet wird. Die im Zwangsliquidationsverfahren auftretenden Funktionenträger sind der Liquidator und der Bahnpfandgläubigerausschuß.
Die Bestimmungen des Gesetzes über diese Funktionäre lehnen sich im allgemeinen an jene der Konkursordnung über den Konkursverwalter und den Gläubigerausschuß an, weichen aber in Einzelheiten immerhin mehrfach von ihnen ab. Der Liquidator wird vom Amtsgerichte ernannt, der Ausschuß, der wenigstens zwei Mitglieder haben muß, von der Versammlung der Bahnpfandgläubiger bestellt. Wahlen erfolgen nach relativer, andere Beschlußfassungen mit absoluter Mehrheit der Stimmen der erschienenen Gläubiger, wobei die Majorität nach den Beträgen der Forderungen berechnet wird. Der Liquidator erhält für seine Geschäftsführung eine Vergütung, die in Ermangelung einer Einigung mit dem Ausschuß der Bahnpfandgläubiger und dem Konkursverwalter durch das Gericht festgesetzt wird. Dasselbe gilt für eine den Mitgliedern des Ausschusses bewilligte Vergütung. Das Gericht kann gegen den Liquidator Ordnungsstrafen bis zu 200 Mark festsetzen und ihn auf Antrag des Gläubigerausschusses oder des Konkursverwalters wegen Pflichtverletzung oder aus anderen wichtigen Gründen entlassen. Der Liquidator hat die Verwertung aller Bestandteile der Bahneinheit vorzunehmen. In wichtigeren Fällen hat er dem Ausschuß der Bahnpfandgläubiger von der beabsichtigten Maßregel Mitteilung zu machen.
Die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung von Grundstücken kann durch den Liquidator betrieben werden, ohne daß er einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat. Zur Veräußerung von Grundstücken aus freier Hand bedarf er der Genehmigung des Ausschusses der Bahnpfandgläubiger und der Zustimmung des Konkursverwalters.
Wird einem Unternehmer die Genehmigung zum Fortbetriebe des Bahnunternehmens erteilt, so kann der Liquidator mit Zustimmung des Ausschusses der Bahnpfandgläubiger und des Konkursverwalters die noch vorhandenen Bestandteile der Bahneinheit als Einheit nach den im § 16 des Gesetzes bezeichneten Vorschriften veräußern. So oft aus der Verwertung von Bestandteilen der Bahneinheit hinreichende bare Masse vorhanden ist, hat der Liquidator eine Verteilung vorzunehmen. Bei dieser bestimmen sich die Beteiligten und die Rangordnung, nach der ihre Ansprüche ein Recht auf Befriedigung gewähren, nach den für die Verteilung des Erlöses im Falle der Zwangsversteigerung geltenden Vorschriften mit den sich aus den § 26, 6 und 7 des Gesetzes ergebenden Modifikationen. Die Verteilungen an die Bahnpfandgläubiger erfolgen, ohne daß es einer Anmeldung bedarf, auf Grund des Bahngrundbuches. Die Vornahme einer Verteilung unterliegt der Genehmigung des Ausschusses. Von der beabsichtigten Verteilung ist der Konkursverwalter zu benachrichtigen. Nach der letzten Verteilung und nach der Rechnungslegung des Liquidators beschließt auf den von dem Liquidator und dem Ausschusse der Bahnpfandgläubiger gestellten Antrag das Gericht die Aufhebung der Zwangsliquidation. Das Gericht hat die Einstellung der Zwangsliquidation zu beschließen, wenn die Bahnpfandgläubiger der Einstellung zustimmen.
Für die Inhaber von Teilschuldverschreibungen kann die Zustimmung durch Beschluß einer Versammlung der Gläubiger erteilt werden. Die Versammlung wird durch das Gericht, bei dem das Bahngrundbuch geführt wird, berufen. Die Berufung findet statt, wenn sie unter Angabe des Zweckes, sowie unter Einzahlung eines zur Deckung der Kosten hinreichenden Betrages von Gläubigern, deren Teilverschreibungen zusammen den 25. Teil des Betrages der Bahnpfandschuld darstellen, oder von dem Konkursverwalter beantragt oder wenn sie von der Bahnaufsichtsbehörde verlangt wird. Die Versammlung findet unter Leitung des Gerichtes statt. Der Beschluß wird nach Mehrheit der Stimmen gefaßt. Stimmenmehrheit ist vorhanden, wenn die Mehrzahl der im Termin anwesenden Gläubiger ausdrücklich zustimmt und die Gesamtsumme der Teilschuldbeträge der Zustimmenden wenigstens 2 Dritteile der Gesamtsumme der Bahnpfandschuld beträgt. Gezählt werden nur die Stimmen der Gläubiger, die die Teilschuldverschreibungen nach Anordnung des Gerichtes hinterlegt haben. Der[389] Beschluß der Versammlung bedarf der Bestätigung des Gerichts; vor der Bestätigung ist die Bahnaufsichtsbehörde zu hören. Auf die Bestätigung, deren Wirkung und Anfechtung finden die Bestimmungen der §§ 181, 184 Absatz 2, 185, 186 Nr. 1, 188, 189, 193, 195, 196 der deutschen Konkursordnung entsprechende Anwendung. Der Antrag auf Verwerfung des Beschlusses sowie die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Bestätigung steht jedem Inhaber einer Teilschuldverschreibung zu.
Das Reichsgesetz betreffend die Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnfahrbetriebsmitteln vom 12. Mai 1886, steht ihrer Einbeziehung in den Konkurs nicht im Wege. Dagegen folgt aus Artikel 23, Absatz 5 des IÜ., daß das rollende Material der an diesem Übereinkommen beteiligten Eisenbahnen mit Einschluß sämtlicher der betreffenden Bahn gehörigen Gegenstände, die sich in diesem Material vorfinden, nur dann zur Konkursmasse gezogen werden kann, wenn der Konkurs von einem Gerichte des Staates eröffnet worden ist, dem die betreffende Eisenbahn angehört.
In Österreich gilt für den Konkurs der Eisenbahnen grundsätzlich gleichfalls das gemeine K. (Konkursordnung vom 25. Dezember 1868, RGBl. 1869 Nr. 1) mit den sich aus der Betriebspflicht und Unübertragbarkeit der Konzession ergebenden Modifikationen. Dieser Grundsatz hat insoferne die Form positiver gesetzlicher Bestimmungen angenommen, als nach § 142 KO. die Veräußerung unbeweglicher Güter im Konkurse in der im Exekutionsverfahren vorgeschriebenen Weise vor sich geht und das die Exekution regelnde Gesetz vom 27. Mai 1896, Nr. 79 RGB. (Exekutionsordnung) im § 15 die Exekution gegen eine durch Ausspruch einer Verwaltungsbehörde als öffentlich und gemeinnützig erklärte Anstalt nur bei solchen Vermögensbestandteilen für zulässig erklärt, die ohne Beeinträchtigung der durch die Anstalt zu wahrenden öffentlichen Interessen zur Befriedigung des Gläubigers verwendet werden können, und im § 28 Exekutionsakte in das Eigentum einer unter staatlicher Aufsicht stehenden, dem öffentlichen Verkehre dienenden Anstalt, die geeignet wären, die Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs zu stören, nur im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde und unter den von dieser Behörde im Interesse des öffentlichen Verkehrs für notwendig befundenen Einschränkungen gestattet. Unter diesen Anstalten nehmen aber die Eisenbahnen gegenwärtig die erste Stelle ein. Da ferner nach Art. XIII des Einführungsgesetzes zur Exekutionsordnung (vom 27. Mai 1896, Nr. 78 RGBl.) die Vorschriften des § 47 des Gesetzes vom 19. Mai 1874, RGBl. Nr. 70, betreffend die Anlegung von Eisenbahnbüchern, die Wirkung der an einer Eisenbahn eingeräumten Hypothekarrechte und die bücherliche Sicherung der Pfandrechte der Besitzer von Eisenbahnprioritätsobligationen unberührt bleiben, so gehen bei der Verteilung des durch eine im Konkurse vorgenommene Veräußerung gelösten Preises auch fernerhin den in einer Eisenbahneinlage eingetragenen Hypothekarforderungen jene Forderungen voran, die durch die für den ordentlichen Betrieb der als Hypothek dienenden bücherlichen Einheit erforderlichen Leistungen entstanden sind (Betriebsauslagen), oder die solche Beträge zum Gegenstande haben, die aus Anlaß des gegenseitigen Verkehrs der öffentlichen Kommunikationsanstalten für eine andere Anstalt dieser Art eingehoben, aber an diese noch nicht abgeführt wurden (Abrechnungsschuldigkeiten). Diesen Forderungen gebührt aber ein Vorrang nur insoweit, als sie nicht früher als ein Jahr vor der Eröffnung des Konkurses entstanden sind. Der den Betriebsauslagen und den Abrechnungsschuldigkeiten eingeräumte Vorrang gebührt auch den im § 39 des Eisenbahnbuchgesetzes bezeichneten Forderungen, insoweit sie nicht bereits sichergestellt wurden. Den in den angeführten Bestimmungen bezeichneten Forderungen kommt im Verhältnis derselben zueinander der gleiche Rang zu. Ferner kommen die Kuratorengesetze vom 24. April 1874, RGBl. Nr. 49 und vom 5. Dezember 1877, RGBl. Nr. 111, wonach im Konkurse über das Vermögen einer aus Teilschuldverschreibungen verpflichteten Eisenbahnunternehmung zur Vertretung der Rechte der Besitzer solcher Teilschuldverschreibungen ein Kurator zu bestellen sein wird, zur Anwendung.
Für die Schweiz ist ein besonderes K. der Eisenbahngesellschaften durch das Bundesgesetz über die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 24. Juni 1874 geschaffen worden. Auf Staatsbahnen finden die Bestimmungen über die Zwangsliquidation nur insofern Anwendung, als sie die Versteigerung des Pfandobjektes betreffen (Art. 48). Die Zwangsliquidation erstreckt sich auf das gesamte Vermögen der Eisenbahngesellschaft; sie ist die einzige Form, in der sich die Zwangsvollstreckung gegen eine solche Gesellschaft vollzieht, bzw. in die eine Vollstreckung übergeht. Deshalb[390] ist mit der Realisierung eines Pfandrechts die Liquidation des ganzen Vermögens der Gesellschaft verbunden (Art. 13). Die Zwangsliquidation ist vom Bundesgericht anzuordnen:
1. Wenn die Gesellschaft selbst ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt;
2. wenn wegen eines Schuldtitels das Verfahren bis zur Pfändung oder bis zum Konkurs vorgeschritten ist und der betreffende Gläubiger die Zwangsliquidation verlangt (Art. 19);
3. wenn ein Pfandgläubiger, der nicht ein einzelner Inhaber von Partialobligationen ist und dem das Kapital oder der zugesicherte Zins am Verfalltag nicht gezahlt worden ist, darauf anträgt (Art. 14);
4. wenn einzelne Inhaber von Partialobligationen, mögen diese mit einem Pfandrecht versehen sein oder nicht, in Ansehung deren die Gesellschaft mit der Bezahlung des fälligen Kapitales oder Zinses seit wenigstens einem Jahre im Verzuge ist, die Zwangsliquidation verlangen. Ein früherer Antrag wird von dem Bundesgericht einer Versammlung aller Titelinhaber der betreffenden Anleihe vorgelegt, die mit absoluter Majorität darüber beschließt, ob sie die Liquidation verlange (Art. 15 und 16).
In dem unter 4. angeführten Falle bestimmt das Bundesgericht der Gesellschaft noch eine, aus zureichenden Gründen noch einmal zu verlängernde Frist von 6 Monaten zur Befriedigung der Gläubiger, nach deren fruchtlosem Ablauf die Zwangsliquidation eingeleitet wird (Art. 17 und 18). Zugleich mit der Einleitung der Zwangsliquidation wird angeordnet, daß der Betrieb der Bahn nicht unterbrochen werde. Zur Durchführung des Liquidationsverfahrens bestellt das Bundesgericht einen Masseverwalter, der unter seiner Leitung und Aufsicht steht; gegen seine Administrativverfügungen kann bei dem Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 20). Die Forderungen der Pfandgläubiger und Anleihen mit Partialobligationen werden vom Masseverwalter von Amts wegen in das Schuldenverzeichnis eingetragen. Alle übrigen Gläubiger müssen ihre Forderungen binnen einer vom Bundesgericht zu bestimmenden Frist, gegen deren Versäumung aus bestimmten Gründen Wiedereinsetzung in den früheren Zustand statthaft ist (Art. 23), anmelden (Art. 21, 22). Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit die angemeldeten Forderungen begründet sind, erfolgt durch den Masseverwalter (Art. 24). Ebenso hat der Masseverwalter die Aktivmasse festzustellen. Das Vermögen der Gesellschaft ist zu verzeichnen, Grundeigentum, das nicht zur Bahn und deshalb in die allgemeine Liquidationsmasse gehört, auszusondern (Art. 25). Das Vermögen der Kranken-, Unterstützungs-, Pensions-, Depositen- und Ersparniskassen, das nach dem Gesetze vom 20. XII. 1878 überhaupt gesondert von dem Gesellschaftsvermögen zu verwalten ist, sowie die von den Eisenbahnbediensteten geleisteten Kautionen sind ebenfalls von der Liquidationsmasse ausgeschlossen. Die Liquidationsmasse ist durch Sachverständige zu schätzen. Einer besonderen Schätzung bedarf es, wenn nur einzelne Linien der Gesellschaft verpfändet sind oder auf einzelnen Linien vorgehende Pfandrechte haften. Von dem Betriebsmaterial entfällt auf diese Linien ein im Verhältnis der kilometrischen Länge zu bestimmender Prozentsatz (Art. 25). Nach Festsetzung der Steigerungsbedingungen und des Anschlagspreises des letzeren allenfalls gesondert für die einzelnen Linien, die Gegenstand eines besonderen Pfandrechtes sind wird die Versteigerung durch öffentliche Bekanntmachung verfügt (Art. 26, 27). Angebote werden nur von solchen Personen oder Gesellschaften angenommen, die sich zuvor beim Bundesrate ausgewiesen haben, daß sie für die zu übernehmenden pekuniären und sonstigen Verpflichtungen hinreichende Garantien bieten (Art. 29).
Im Steigerungstermine ist der Zuschlag zu erteilen, wenn ein oder mehrere Angebote abgegeben sind, die den Anschlagspreis mindestens erreichen (Art. 30). Anderenfalls entscheidet das Bundesgericht im Einvernehmen mit dem Bundesrat, den beteiligten Kantonsregierungen und den Gesellschaftsgläubigern, ob ein den Anschlagspreis nicht erreichendes Angebot anzunehmen oder ein zweiter Steigerungstermin anzusetzen sei. Erfolgt auch in dem letzteren kein Angebot, das den Anschlagspreis erreicht, so beschließt das Bundesgericht im Einvernehmen mit den vorbezeichneten Behörden und Personen, ob dem Meistbietenden der Zuschlag zu erteilen sei, oder es trifft eine anderweitige Verfügung (Art. 31, 32). Diese kann auch in der Anordnung der Parzellierung der Bahnanlage bestehen. Der Verkauf erfolgt gegen Barzahlung oder genügende vom Masseverwalter zu beurteilende Sicherheitsleistung (Art. 36). Der Erwerber übernimmt die Eisenbahn auf der Grundlage der Konzession des früheren Inhabers unter Vorbehalt der Genehmigung der Bundesversammlung (Art. 33). Die Schulden der Gesellschaft werden aus dem Steigerungserlöse in folgender Reihenfolge bezahlt:
1. Die Liquidationskosten einschließlich eines etwaigen Verlustes beim Betrieb der Bahn während der Liquidation.[391]
2. Die Versicherungsbeiträge für Gebäude.
3. Rückständige Gehalte und Arbeitslöhne.
4. Guthaben von Bauunternehmern, die vertragsmäßig als Kaution bei der Gesellschaft stehen geblieben sind.
5. Die Obligationsgläubiger, denen vor der Bestellung des Pfandrechtes ein Vorrecht eingeräumt worden und die darauf nicht verzichtet haben, für das Kapital und drei Jahreszinse.
6. Die Pfandgläubiger nach dem Range ihrer Berechtigung für Kapital und drei Jahreszinse.
7. Der aus dem Erlöse des Pfandes nicht gedeckte Betrag der Pfandforderungen und alle übrigen Schulden der Gesellschaft (Art. 38).
Nach Maßgabe dieser Rangordnung wird eine Klassifikation der Gläubiger vom Masseverwalter aufgestellt und nach Bekanntmachung zur Einsicht aufgelegt. Gegen die Klassifikation können binnen 30 Tagen von der Publikation schriftliche Einwendungen erhoben werden. Über die Einwendungen trifft der Masseverwalter die Entscheidung, die binnen 30 Tagen von der Bekanntmachung ab mittels Rekursbeschwerde an das Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 40, 41).
Nach Erledigung aller Anstände bestimmt das Bundesgericht, wo und wie die Auszahlung an die angewiesenen Gläubiger erfolgen soll (Art. 43). Bleibt dabei ein Überschuß, so fällt er den Aktionären zu (Art. 44). (Vgl. auch Meili, Vergleichende Studie über das Pfand- und Konkursrecht der Eisenbahn, Leipzig 1879).
Für Belgien und die Niederlande trifft die im Eingange dieses Artikels gegebene Charakteristik des Eisenbahnkonkursrechtes zu. Es gelten die allgemeinen konkursrechtlichen Grundsätze mit den sich aus der Betriebspflicht und aus der Bindung der Konzessionsübertragung an die staatliche Genehmigung ergebenden Modifikationen.
Frankreich hat kein besonderes K. der Eisenbahnen. Wegen Zwangsmaßregeln zur Realisierung der konzessionsmäßigen Pflichten und im Interesse der Gläubiger siehe den Artikel »Zwangsvollstreckung«. Auch für den Konkurs der Eisenbahnen ist es von Bedeutung, daß sie ein Bestandteil des domaine public national und weder eines freiwilligen noch eines Zwangsverkaufes fähig sind. Das Betriebsmaterial der Bahnen ist jedoch dem Verkehre nicht entzogen.
In Italien kann im Falle des Konkurses einer Eisenbahn der Masseverwalter den Betrieb fortführen, oder es übernimmt der Staat den Betrieb für Rechnung der Gesellschaft (Art. 255 des Gesetzes vom 20. III. 1865 über die öffentlichen Arbeiten). Die Gläubiger können die Bahn nicht versteigern lassen. Die zur Bahnanlage gehörigen Grundstücke sind samt Zubehör von jeder Belastung zugunsten dritter Personen befreit, solange sie einen Bestandteil der Bahn bilden.
In Rußland gelten nach dem allgemeinen russischen Eisenbahngesetz vom 12. Juni 1885 für den Fall der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahngesellschaft Bestimmungen, die von denen der übrigen Staaten abweichen. Wenn auf die von dem Gläubiger anstatt der nicht zulässigen Zwangsvollstreckung (s.d.) an die schuldige Gesellschaft gerichtete Zahlungsaufforderung binnen 3 Monaten Zahlung nicht erfolgt, kann der Gläubiger beim zuständigen Gerichte beantragen, die Gesellschaft, die die beklagte Eisenbahn betreibt, für zahlungsunfähig zu erklären. Diese Erklärung hat
1. die Übernahme der Eisenbahn in Staatsverwaltung und
2. die Liquidation der Gesellschaft zur Folge. Die Staatsregierung kann:
a) entweder den Betrieb auf Rechnung der Gesellschaft provisorisch weiterführen oder
b) die Bahn ankaufen oder
c) sie öffentlich verkaufen.
Im ersten Falle erhalten die Gläubiger den nach Deckung der Betriebskosten und nach Zahlung der Zinsen und Amortisationsbeträge für die Hypothekarschulden übrig bleibenden Teil der Einnahmen. Die Betriebführung für Rechnung der Gesellschaft soll nur bis zur Beendigung der Liquidation und keinesfalls länger als 5 Jahre dauern. Im zweiten Falle sind für den Ankauf die in den Statuten der betreffenden Eisenbahngesellschaft enthaltenen Bestimmungen maßgebend, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden. Der Staat haftet hierbei den Gläubigern nur bis zum Betrage des Kaufpreises. Im dritten Falle kommen lediglich die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Anwendung.
Großbritannien und Irland entbehren ebenfalls eines umfassenden Eisenbahnkonkursrechtes. Dagegen ist durch The Railway Companies Act 1867, 30 and 31 Vict., cap. 127 (Browne and Theobald, The Law of Railway Companies, London 1881, S. 6 bis 22.) der Abschluß von Nachlaß- und Stundungsverträgen im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahn geregelt. In diesem Falle können die Direktoren der Gesellschaft den Plan zu einem Arrangement zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern aufstellen, worin, wenn erforderlich, die Beschaffung von Geldmitteln durch Emission neuer Aktien oder Obligationen in Aussicht genommen werden kann. Dieser Plan ist dem Kanzleigericht (Court of Chancery in England or in Ireland) einzureichen und dabei von der Gesellschaft die Erklärung abzugeben, daß sie zahlungsunfähig sei. Ist dies geschehen, so kann der Gerichtshof nach seinem Ermessen Klagen wider die Gesellschaft sistieren. Nach Veröffentlichung des Planes in dem Regierungsblatt darf ohne Genehmigung des Gerichtshofs keine Zwangsvollstreckung, Beschlagnahme oder ein anderes Verfahren gegen die Gesellschaft erfolgen. Der Plan gilt als angenommen, wenn die Mehrzahl der Aktionäre in einer außerordentlichen Versammlung, ferner 3/4 (nach dem Betrag der Forderungen) der Pfandgläubiger, 3/4 der Inhaber von Obligationen, 3/4 der Inhaber von Renten und 3/4 der verschiedenen Klassen von Prioritätsaktionären (Preference shareholders) schriftlich zugestimmt haben. Hat die zahlungsunfähige Gesellschaft die Bahn nur in Verwaltung und Betrieb, so bedarf es auch der Zustimmung von 3/4 der verschiedenen Klassen von Gläubigern und Prioritätsaktionären und der Mehrheit der Aktionäre der betriebüberlassenden Gesellschaft. Die Zustimmung solcher Gläubiger, auf deren Forderungen das Arrangement ohne Einfluß ist, wird nicht gefordert. Erst durch die Bestätigung des Gerichtshofes, vor dem die Beteiligten zu hören sind, erhält das Arrangement bindende Kraft auch für jene, die nicht zugestimmt oder widersprochen haben. Das Arrangement ist in dem Regierungsblatte zu veröffentlichen. Die bezogene Act enthält ferner Sonderbestimmungen[392] für die in Schottland gelegenen Bahnen. (Vgl. auch den Aufsatz von F. Mittermaier in Goldschmidts Zeitschrift für Handelsrecht, Bd. XII, 1868, Beilagenheft S. 48) Im übrigen kommt das allgemeine K. auch für den Konkurs der Eisenbahnen zur Anwendung.
In Japan bestimmt das Gesetz vom 11. März 1905 (veröffentlicht im japanischen Reichsanzeiger vom 13. März 1905), daß aus der Gesamtheit der Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel, des Grundbesitzes und der mit dem Betrieb einer Eisenbahn verbundenen Rechte eine Bahneinheit gebildet und an ihr ein Pfandrecht bestellt werden kann. Das Gesetz trifft ausführliche Bestimmungen darüber, wie im Falle eines Konkurses der Gesellschaft eine Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eintreten und wie gegebenenfalls die Gesamtheit der Gläubiger die Fortsetzung des Betriebes selbst in die Hand nehmen kann.
Gleim-Jäckl.
Buchempfehlung
Inspiriert von den Kupferstichen von Jacques Callot schreibt E. T. A. Hoffmann die Geschichte des wenig talentierten Schauspielers Giglio der die seltsame Prinzessin Brambilla zu lieben glaubt.
110 Seiten, 4.40 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro