[312] Nachtdienst (night service; service de nuit; servizio di notte), die Dienstausübung vom Abend bis zum Morgen, die sich an den Arbeitstag vom Morgen bis zum Abend anschließt. Der Zeitpunkt des Dienst- (Schichten-) Wechsels am Morgen und Abend richtet sich im bürgerlichen Leben nach den Bedürfnissen der Arbeit[312] und örtlicher Gepflogenheit. Er schwankt in der Regel zwischen 6 und 7 Uhr. Diese dem bürgerlichen Leben sich anpassende Zeiteinteilung ist auch auf den Eisenbahndienst übergegangen, hat hier jedoch infolge der Mannigfaltigkeit der dienstlichen Anforderungen eine eigenartige Ausbildung erfahren (vgl. Dienst- und Ruhezeit).
Die Notwendigkeit, für bestimmte, den Beamten ununterbrochen und angestrengt in Anspruch nehmende Dienstverrichtungen, kürzere Dienstschichten und damit eine häufigere Ablösung einzuführen, hatte eine Anordnung der Dienstschichten zur Folge, für die die zuerst gegebene Erklärung des N. nicht ohneweiters zutrifft. Der Begriff des N. bedarf daher im Einzelfall der näheren Erklärung. Die deutschen Eisenbahnverwaltungen haben im Jahre 1913 Vereinbarungen über die Dienst- und Ruhezeiten ihrer Bediensteten getroffen (vgl. Ztg. d. VDEV. 1913, S. 789) und hierbei bestimmt, daß die Dienstschichten, die mit mehr als 1 Stunde in die Zeit von 12 bis 4 Uhr nachts fallen, als N. zu gelten haben. Diese N. dürfen nicht mehr als 7mal hintereinander angesetzt werden. Weibliche Bedienstete sollen im N. nur zum Telegraphen- und Fernsprechdienst oder zum Fahrkartenverkauf zugelassen werden. Ihre Beschäftigung als Dienstfrauen (s.d.) in den D-Zügen ist ebenfalls unbeschränkt gestattet. Auf eine längere Reihe von Nachtdienstschichten soll tunlichst eine gleich lange Reihe von Tagesschichten folgen. Wo ein gleichmäßiger Wechsel von Tag- und Nachtdienstschicht nicht durchgeführt werden kann, soll der N. den Tagesdienst nicht zu sehr überwiegen. Erforderlichenfalls sind nach mehrmaligem N. ausgiebige Ruhezeiten zu gewähren.
In Österreich darf zum N. kein Bediensteter öfter als in 7 aufeinander folgenden Nächten herangezogen werden. In Frankreich darf N. höchstens 14 Tage hintereinander, in Italien nicht mehr als 20, in der Schweiz (von 11 Uhr abends bis 4 Uhr früh) nicht mehr als 14 mal im Monat geleistet werden.
Da die menschliche Arbeitskraft während der Nacht nicht so ausgenutzt wird wie am Tage, so sucht man den N. nach Möglichkeit einzuschränken und den Zugverkehr sowie überhaupt alle Arbeits- und Dienstverrichtungen so zu regeln, daß sie möglichst am Tage sich abwickeln. Dies Ziel läßt sich aber nur in beschränkter Weise erreichen. Die Eigenart des Eisenbahnbetriebs zwingt zur Ausdehnung der Arbeitszeit in umfangreicher Weise über die Tagesstunden hinaus und in die Nacht hinein. Bevor in solchen Fällen voller N. eingerichtet wird, sucht man zunächst durch Verlängerung des Tagesdienstes wenigstens für einen Teil der Nacht die Ruhe auch weiter beizubehalten. Der Dienstbeginn findet dann am frühen Morgen (Frühdienst) und der Dienstschluß am späten Abend oder in der Nacht (Spätdienst) statt. Zwischen beiden Dienstschichten ruht der Dienst oder die Arbeit. Erst wenn die nächtliche Ruhezeit unter 3 bis 4 Stunden sinkt, pflegt man an Stelle der Früh- und Spätschichten volle Tages- und Nachtschichten zu setzen. Der Personalbedarf ist in diesem Falle für den vollen N. kaum größer als für ausgedehnten Früh- und Spätdienst. Außerdem wird dabei ein mit der Einteilung in Früh- und Spätdienst verbundener Übelstand vermieden, der darin besteht, daß Dienstbeginn und Dienstschluß zu einer für die Beamten sehr unbequemen Zeit stattfinden.
N. versieht bei Verkehr von Zügen zur Nachtzeit das Zugs-, Maschinen-, Stations-, Telegraphen- und Bahnaufsichtspersonal. Im Bahnerhaltungs- und Werkstättendienst wird der N. nur insoweit eingeführt, als diese Maßregel zur rechtzeitigen Fertigstellung gewisser dringender Arbeiten und Herstellungen erforderlich ist. Außerdem wird regelmäßiger N. von den Nachtwächtern in Stationen, Werkstätten u.s.w. versehen.
Es liegt in der menschlichen Lebensweise begründet, daß die Beamten im allgemeinen den Tagesdienst dem N. vorziehen. Wenn letzterer in manchen Dienstzweigen auch geringere Anforderungen an die Arbeitskraft stellt, so bringt er doch mindestens Unbequemlichkeiten, meist aber erhöhte Anstrengungen und erhöhte Kosten für den Lebensunterhalt mit sich. Die Frage einer höheren Bewertung des N. oder die Gewährung besonderer Nachtdienstzulagen ist daher sowohl von den Beamten als auch von den Verwaltungen wiederholt erörtert worden. Die deutsche Reichspostverwaltung ist in dieser Richtung den Wünschen ihrer Beamten entgegengekommen. Sie rechnet die im N. zu leistenden Stunden bei Bemessung der von den Beamten insgesamt zu leistenden Dienststunden um 25% höher an als die Stunden im Tagesdienst. Ein gleiches Verfahren ist im Gebiet der schweizerischen Eisenbahnverwaltung üblich. Trotzdem kann die Einrichtung nicht allgemein auf den Eisenbahndienst übertragen werden, weil der N. bei großen Verwaltungen einen erheblich höheren Teil der gesamten Dienstleistungen ausmacht, als dies im Gebiet der Post und der schweizerischen Eisenbahnen der Fall ist, die beide nur im geringen Umfang eines durchgehenden N. zur Durchführung ihres Betriebs bedürfen. Bei Eisenbahnverwaltungen mit großem Verkehr trifft der N. den weitaus[313] größten Teil der Betriebsbeamten und die einzelnen Beamten in solchem Maße, daß er von diesen als etwas Selbstverständliches und als eine mit dem Eisenbahndienst verbundene Erschwernis hingenommen wird, für die ein Anspruch auf besondere Entschädigung nicht erhoben werden kann. Besondere Zulagen für den N. sind daher im allgemeinen nicht üblich. Sie werden in der Regel nur gewährt, wenn die Beamten, wie dies beim Fahrdienst vorkommt, gezwungen sind, außerhalb der Heimat Nachtruhe zu halten. Die Zulagen werden auch in diesem Falle gewöhnlich nur dann bezahlt, wenn ein Unterkunftsraum für die Nachtruhe von der Verwaltung nicht zur Verfügung gestellt werden kann (vgl. Fahrdienstgebühren, Bd. IV, S. 433). Die dort für die preußischen Staatsbahnen mitgeteilten Gebührensätze sind inzwischen geändert. Nach den neuen dafür in Kraft getretenen Bestimmungen vom 1. Mai 1914 erhalten die Beamten des Fahrdienstes für die Beschäftigung in diesem Dienste an Stelle von Reiseentschädigungen, sowie der früher üblichen Materialersparnisprämien die folgenden Bezüge:
1. eine monatliche Pauschvergütung;
2. für jede Dienstschicht (s. Dienst- und Ruhezeit) ein Fahrgeld;
3. für die in die Zeit von 10 Uhr abends bis 6 Uhr morgens fallende dienstliche Abwesenheit vom Dienstort ein Nachtstundengeld;
4. für jede Dienstschicht im Lokomotivrangierdienst am Dienstorte ein Rangiergeld.
Die monatliche Pauschvergütung beträgt für Lokomotivführer 30 M., für Lokomotivheizer, Zugführer, Packmeister und Triebwagenführer 16∙70 M., für Schaffner (Bremser), Wagenaufseher und Fahrladeschaffner 11∙20 M. Das Fahrgeld beträgt für Lokomotivführer 1 M., für Heizer 0∙70 M., für Zugführer, Packmeister und Triebwagenführer 0∙90 M., für Fahrladeschaffner und Wagenaufseher 0∙70 M., für Schaffner (Bremser) 0∙60 M. Das Nachtstundengeld beträgt für Lokomotivführer, Zugführer, Packmeister und Triebwagenführer 12 Pf., für Heizer, Fahrladeschaffner und Wagenaufseher 10 Pf. und für Schaffner (Bremser) 8 Pf. Das Nachtstundengeld wird nicht für jede einzelne im N. geleistete Dienstschicht, sondern in abgerundetem Betrage bezahlt, der nach der Diensteinteilung für den insgesamt geleisteten Dienst auf jede Fahrdienstschicht entfällt, ohne Rücksicht darauf, ob diese im N. geleistet sind oder nicht. Das Rangiergeld beträgt für Lokomotivführer 60 Pf. und für Heizer 40 Pf.
Beamte des Fahrdienstes, denen außerhalb der Heimat ein Übernachtungsraum mit Bett nicht zugewiesen werden kann, erhalten für die Übernachtung 1 M. vergütet, wenn eine Ruhezeit von mindestens 6 Stunden während der Nacht zur Verfügung steht.
Andere Verwaltungen, wie die englischen und amerikanischen entschädigen die Beamten des Fahrdienstes für den mit diesem Dienst verbundenen Mehraufwand sowie für Leistungen im N. lediglich durch den Lohn oder das Gehalt und gewähren höchstens für Überstunden oder für den über den gewöhnlichen Durchschnitt hinaus geleisteten Dienst eine besondere Vergütung. Auf den amerikanischen Bahnen ist neuerdings der früher übliche Zeitlohn fast allgemein durch die Entlöhnung der Fahrdienstbeamten in Stücklohn ersetzt. Dieser Fahrdienststücklohn ist auf einer Durchschnittsleistung von 100 Meilen in 10 Dienststunden aufgebaut. Er bietet für die Beamten einen Anreiz zu möglichst hohen Dienstleistungen (vgl. Arch. f. Ebw. 1913, S. 135 u. 111).
Die gesetzlich oder von Aufsichts wegen getroffenen Vorschriften über die höchsten zulässigen Dienst- oder Arbeitszeiten beschränken sich in der Regel darauf, diese nach Stunden festzusetzen. Sie machen keinen Unterschied, ob es sich um Tagesdienst oder N. handelt und vernachlässigen dabei die wichtige Frage, ob ein Dienst unter Einhaltung der für das menschliche Ruhebedürfnis geeigneten Nachtzeit geleistet wird oder ob er den Beamten zwingt, die Nachtruhe am Tage zu halten. Eine Ausnahme machen in dieser Beziehung die erwähnten Vorschriften für die deutschen Staatsbahnen vom 1. Mai 1913 und auch diese nicht allgemein, sondern nur für einen besonderen Fall. Sie bestimmen, daß für den Dienst des Zugbegleitungspersonals, für den sonst eine Mindestruhe von 6 Stunden zwischen 2 Dienstschichten vorgeschrieben ist, schon eine 3stündige Dienstpause in reinem Tagesdienst als eine 2 Schichten trennende Ruhezeit gerechnet werden darf, insofern diese beiden Dienstschichten zusammen nicht mehr als 14 Stunden betragen und eine 10stündige nächtliche Ruhezeit in der Heimat vorangeht und eine ebensolche wieder folgt. Das Personal kann also in reinem Tagesdienst über 17 Stunden einschließlich einer mehrstündigen Mittagspause Dienst verrichten, während es im N. über die sonst übliche höchste zulässige Dienstdauer von 14 Stunden hinaus nicht beschäftigt werden darf. Die Anregung zu der in dieser Vorschrift liegenden Bestrebung, die Beamten im Tagesdienst mehr und im N. weniger anzustrengen, wurde durch einen Aufsatz in der Ztg. d. VDEV. 1912, S. 215, gegeben und dabei an der Hand von Beispielen nachgewiesen, daß ihre Durchführung nicht nur im allgemeinen günstigere Diensteinteilungen ermöglicht, sondern auch vermehrte Gelegenheit schafft, den Fahrdienst auf die verschiedenen Stationen einer Strecke so zu verteilen, daß nächtliche Abwesenheit der Beamten von der Heimat auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt wird. Wenn die Vereinbarungen der deutschen Bahnen auch nicht soweit gehen, wie es der genannte Aufsatz fordert, so ist doch damit ein Anfang gemacht, bei Bemessung der zulässigen Dienstdauer zwischen Tagesdienst und N. zu unterscheiden.
Breusing.
Buchempfehlung
Der Erzähler findet das Tagebuch seines Urgroßvaters, der sich als Arzt im böhmischen Hinterland niedergelassen hatte und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch begann, dieses Tagebuch zu schreiben. Stifter arbeitete gut zwei Jahrzehnte an dieser Erzählung, die er sein »Lieblingskind« nannte.
156 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro