Arthur

[68] Arthur oder Artus (Britt. M.). Ein König der Siluren in England, halb historische, halb mythische Person, deren wirkliche Existenz der Eine aus der Zusammensetzung von mehr als sechshundert Ortsnamen mit Arthur abzuleiten sucht, während der Andere sie gänzlich läugnet, und in Arthur nur den grossen Bären (Arkturos), und in der Tafelrunde den Kreis, den derselbe um den Pol beschreibt, sehen will. - A. war der Sohn des Uther Pendragon, Oberfeldherrn der Britten und Freundes des Zauberers Merlin, welcher die schöne Ingerna, die Gemahlin des Fürsten von Cornwales, liebte und Erhörung bei ihr fand, so dass sie von ihm den Knaben A. gebar. Dieser wuchs zu einem herrlichen Helden auf, begleitete seinen Vater zu Schlachten und Siegen, und zeichnete sich so gewaltig aus, dass man nach des Erstern Tode ihn selbst zum Heeresfürsten der Engländer erhob. Jetzt zog er gegen die Sachsen, besiegte dieselben unter der Anführung des Cerdic zwei Mal, zog nach Schottland und Irland, unterwarf sich beide Reiche, zog nach Norwegen, Dänemark, Flandern und Frankreich, besiegte bei Paris ein römisches Heer, zog dann gegen die spanischen Riesen, deren er die meisten niedermachte, und ging darauf nach England zurück, weil sein Neffe Modred sich gegen ihn empört und seine Gattin, die schöne Guanhumara (Guniver, Ginevra), verführt hatte. Kaum auf Englands Boden angelangt, schlug A. diesen Neffen und nahm ihm seine bisher gemachten Eroberungen ab. Auf den Rath seines Freundes, des Zauberers Merlin, stiftete er nun die berühmte Tafelrunde, eine Gesellschaft von neunundvierzig der ausgezeichnetsten Helden, welche er auf seinen Heereszügen kennen gelernt; sie versammelten sich um ihn und hielten fröhliche Mahlzeiten an einer runden Tafel von polirtem Marmor, um welche her Sitze standen, bezeichnet mit den Namen derjenigen, denen die Ehre dieser Auszeichnung gebührte. Nach dem Tode eines Mitgliedes erschien an seinem erledigten Sitz von selbst, auf des Zauberers Merlin Veranstaltung, der Name desjenigen, der nun seine Stelle einnehmen sollte. - Ein Ritter wagte es, sich auf einen leeren Sessel niederzulassen, und versank sammt demselben unter den Boden des Saale; man hörte einen furchtbaren Schrei, und bald darauf kam der Stuhl wieder empor, auf dem ein Häufchen noch glimmender Asche, mit einigen glühenden Knochenstücken vermischt, zu sehen war. Niemand hatte fortan Lust, sich zu setzen, wenn er nicht seinen Namen in grossen, goldenen Buchstaben auf der Rücklehne des Stuhles glänzen sah. - Innig verbunden mit der Geschichte von der Tafelrunde und A. ist die Schwester desselben, die Fee Morgana (Tochter Uther Pendragons), und der Zauberer Merlin; die Lanze Rol, auf welche A. jedesmal 24 Feinde spiesste, die er dann von sich schleuderte, sein Schwert Caliburn, womit er in einer Schlacht 840 Feinde tödtete, sein Schild Pridwen, welcher undurchdringlich war etc. etc. Der König führte ein langes, thatenreiches und glückliches Leben, und fiel endlich in ehrenvollem Kampfe und nach errungenem Siege, in einer Schlacht auf der Insel Awalon (nach Anderen Camlan) im J, 542. Man will auf dieser Insel auch unter Heinrich II. von England sein Grab entdeckt haben. Die Bewunderung der Britten für diesen Helden war so gross, dass sie lange Jahrhunderte glaubten, er werde wiederkommen und sein Volk vom Joche der Angelsachsen befreien. Die Sagen-Geschichte von A. ward schnell in allen Ländern, selbst bis Island verbreitet, und aus den A.-Romanen wurden hernach von französischen Rittersängern die Helden seiner runden Tafel einzeln besungen, so dass Sir Gawein, Lancelot vom See, Irwin, Percival und andere edle Kampfgefährten A.s allgemein als Muster der fahrenden Ritterschaft bewundert wurden. - Höchst wahrscheinlich steht mit dieser Fabel der sogenannte Artus-Hof in Thorn und Danzig in Verbindung; beide haben auch den Namen Junkerhof, was an die jungen Herren Ritter erinnert; gewiss sind sie nicht zu dem Zwecke erbaut, zu welchem sie jezt dienen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 68.
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