Kasperle in der Schule

[78] Am nächsten Tag ging Kasperle zum ersten Mal in die Schule. Es war sehr brav aufgestanden, hatte still am Frühstückstisch gesessen, und selbst die Base Mummeline hatte gedacht: Es ist doch gar nicht so schlimm. Dann wanderte Kasperle an Herrn Habermus' Hand hinüber in die Schulstube, und der Schullehrer sagte: »Hier bringe ich euch einen neuen Mitschüler.«

Ein wildes Geschrei erhob sich. Herr Habermus sah ganz verdutzt drein; so benahmen sich doch sonst seine Schulkinder nicht. Er sah Kasperle an; das stand ganz still mit einem sehr dummen Gesicht neben ihm. »Ruhe!« rief Herr Habermus. »Kasper, sage nun einmal allen guten Tag.«

»Guten Tag!« brüllte Kasperle sehr vernehmlich, und sofort erhob sich wieder ein allgemeines, jauchzendes Gelächter. Buben, Mädel, Kleine, Große, alle lachten, manche quiekten hoch wie kleine Schweinchen, manche brummten wie Bären dazwischen. Gar nicht aufhören konnten sie. Und Kasperle lachte mit. Es riß seinen Mund auf, als sollte eine Kutsche mit vier Pferden bespannt hineinfahren.

Herr Habermus stand ganz verdutzt da. Er wußte nicht recht, lachte Kasperle, weil die Kinder lachten, oder lachten[78] sie über Kasperle. »Aber Kinder, Kinder!« rief der Lehrer mahnend, der nicht ahnte, daß eben Kinder immer über ein echtes Kasperle lachen müssen, ob sie wollen oder nicht. Und Herrn Habermus erging es sonderbar. Er wollte heftig schelten und konnte nicht. Das Lachen steckte an. Wenn er das lachende Kasperle ansah, dann zuckte es ihm um die Mundwinkel, er mußte immer wegsehen. »Jetzt setze dich einmal da vorne hin«, sagte er endlich, und Kasperle ging gehorsam an den angewiesenen Platz und setzte sich. Da ebbte das Lachen ab, denn nun konnten die Kinder Kasperle nicht mehr von vorn sehen. Herr Habermus atmete auf. Endlich trat Ruhe ein, und die Schule konnte beginnen. Erst sangen die Kinder ein Lied, und Kasperle hörte fein andächtig zu; das gefiel ihm gut. Danach sollten die Kleinen schreiben und die Großen biblische Geschichten erzählen. Herr Habermus trat zu Kasperle und zeigte ihm, wie es schreiben müßte: auf, ab, und Kasperle fuhr flink auf und ab über die ganze Tafel, und zwar mit der linken Hand.

»Linkshänder«, schalt Herr Habermus, »nimm die rechte!«

»Er nimmt wieder die linke!« rief plötzlich jemand von hinten vor. Das dicke Jaköble hatte es gerufen, und gleich schrien ein paar andere: »Er nimmt immer wieder die linke!«

»Die rechte Hand sollst du nehmen, Kasperle!« mahnte Herr Habermus.

Kasperle grinste und drehte sich um, und gleich fing die ganze Klasse zu lachen an. Da wurde der Lehrer ärgerlich. »Kasper«, rief er, »weißt du nicht, was links und rechts ist?«

»Nä«, sagte Kasperle. Er wußte das wirklich nicht.

Ei du lieber Himmel! Herr Habermus seufzte, die Kinder lachten, und Kasperle lachte mit. Da war es wieder so laut wie nie zuvor im Schulzimmer, und der Lehrer wollte[79] böse werden und konnte nicht. »Bleib ganz still sitzen, Kasper«, gebot er, »und höre zu!« Da blieb Kasperle steif sitzen und sperrte den Mund wieder himmelweit auf. Herr Habermus erzählte und fragte, die Kinder hoben die Hände und antworteten.

Die Kinder wußten gut Bescheid, die Hände flogen nur so hoch. Kasperle fand das sehr spaßhaft, es hätte gerne mitgetan, aber warum sollte es nicht die Beine hochheben? Das ging doch auch! Und hops! wackelten plötzlich Kasperles Beine in der Luft herum.

So etwas war noch nie vorgekommen. Die ganze Klasse schrie, lärmte und lachte, und der sonst so geduldige Lehrer wurde sehr böse. Rausche, bausche packte er Kasperle und setzte es recht unsanft auf die Bank nieder. Es krachte ordentlich, und Kasperle sah tief erschrocken drein. Es hatte doch nichts Unrechtes tun wollen, und für ein Kasperle ist das Beine-in-die-Luft-Strecken nichts Schlimmes. Es blieb ganz steif und starr sitzen, es gab wieder Ruhe im Zimmer, und der Unterricht ging weiter.

Nach ein paar Minuten aber ertönte ein ganz helles Stimmlein, das rief: »Er weint!« Die kleine Bärbel hatte es gerufen, und flugs schauten alle Waldraster Mädel und Buben zu Kasperle hin, denn nur das konnte gemeint sein. Und Kasperle weinte wirklich, aber wie! Die Tränen rannen wie Bäche über sein Gesicht, und auf einmal fing Kasperle ein Gebrüll an, als heulten mindestens sechs Buben zusammen. So jämmerlich klang es, daß gleich ein paar Mädel auch zu weinen begannen. Da mußte der gute Herr Habermus trösten, er sagte zu Kaperle: »Sei nur still, ich bin nicht mehr böse! Wenn du so weiterheulst, steht bald die ganze Stube unter Wasser.«

Weg waren da Kasperles Tränen, gleich war es wieder putzvergnügt, es grinste, schaute nach rechts, schaute nach links, schaute hinter sich, und wieder brach die ganze Klasse in ein jubelndes Lachen aus.[80]

Es war zum Verzweifeln an diesem Tag! Zum erstenmal wurde Herr Habermus mit seiner Klasse nicht fertig. »Wir wollen singen«, sagte er endlich. Er dachte: Darüber vergessen sie am besten das Lachen, und die Kinder klappten auch alle vergnügt ihre Bücher zu; singen taten sie alle gern. »Also zuerst: Der Mai ist gekommen«, sagte Herr Habermus. »Kasper, kennst du das Lied!«

»Nä«, schrie Kasperle vergnügt.

»Wir singen's ihm vor«, riefen ein paar Stimmen.

»Sagt mal zuerst das Lied auf!« gebot Herr Habermus.

Das taten die Kinder, und nun geschah etwas Wunderbares. Kasperle stand auf und sagte ihnen gleich das ganze Lied nach. Da staunten alle, und der Lehrer dachte: Halt, der Schelm hat es vorher schon gekannt, sagte ihm schnell ein paar andere Verse vor, und Kasperle wiederholte die auch. Herr Habermus sah auf das schreckliche Gekracksel, das der Bube auf seiner Tafel angestellt hatte, und er wunderte sich sehr. Erst hatte er gedacht: Der Kasper ist ja fürchterlich dumm! Jetzt fand er ihn doch nicht so beschränkt. Wer so fix auswendig lernen konnte, der würde schon vorwärtskommen, meinte er. Er nickte Kasperle ganz freundlich zu, dann nahm er seine Geige, und das Singen sollte beginnen.[81]

Singen kann aber kein Kasperle, nur brüllen. Und Kasperle brüllte mit der allerschrillsten Stimme in den Gesang hinein, und jäh wurde aus der Singerei ein lautes Gelächter. »Kasper, schweig!« rief Herr Habermus. »Du lernst in deinem Leben nicht singen.«

Ach, du lieber Himmel, das hatte schon Liebetraut immer gesagt! Kasperle schwieg traurig, es hätte doch so gern mitgesungen, aber dann saß es ganz andächtig da, hörte zu und sah wieder so unschuldig drein, als könnte es kein Wässerlein trüben.

Herr Habermus dachte wieder: Er ist nicht schlimm, ja eigentlich ist's ein lieber, lustiger Kerl, ich will schon Geduld mit ihm haben. Er war an diesem Tage aber froh, als die Schule zu Ende war, während die Kinder alle gerade heute noch himmelgern dageblieben wären. Sie drückten sich sehr langsam aus den Bänken heraus, und da der Lehrer nicht wie sonst wartete, bis alle draußen waren, sondern zuerst hinausging, vergaßen die Kinder alle miteinander das Heimgehen.

Herr Habermus saß schon ein ganzes Weilchen in seiner Stube und ordnete Heilkräuter, als seine Frau kam und sagte: »Drüben im Schulzimmer ist ja so ein arger Lärm! Sind denn die Kinder nicht heimgegangen?«

Der Schullehrer lief eiligst hinüber. Schon draußen hörte er die Kinder lachen, und als er mit einem Ruck die Türe aufriß, sah er das Kasperle auf dem Katheder sitzen. Es hatte ein Bein darüberhängen, ein Bein untergeschlagen und erzählte gerade die Geschichte, wie Damian ins Wasser gefallen war.

Die Kinder umstanden alle den Katheder wie eine Jahrmarktsbude, und das Kasperle schwätzte auch wie auf einem Jahrmarkt. Niemand sah und hörte den Lehrer kommen. Nur das Kasperle sahen die Kinder, und immer von neuem gellte ihr Lachen auf. Es war auch zu spaßig, was Kasperle für Gesichter schneiden konnte![82]

Potzwetter, so ein Lausbub! Herr Habermus mußte an sich halten, um nicht mitzulachen, und ein paar Minuten schaute er still zu, dann rief er in den Lärm hinein: »Wollt ihr wohl jetzt heimgehen!«

Der Schreck! Kasperle rutschte blitzschnell vom Katheder herunter, und die Buben und Mädel standen verwirrt und betroffen. Sie wußten gar nicht recht, wo sie eigentlich waren, sie hatten nur noch das Kasperle gesehen, nur noch an das gedacht. Doch Herr Habermus sah eigentlich nicht böse drein, nur ein bißchen betrübt. Er dachte nämlich: Ja, was habe ich da für einen kleinen Narren ins Haus gebracht! Wie soll das noch werden? Er nickte den Kindern zu und sagte noch einmal: »Nun geht aber heim!«

Auf einmal hatten es alle sehr eilig, heimzukommen, sie purzelten beinahe über ihre eigenen Beine. Draußen schauten ein paar Bauern verwundert zu, die sagten zueinander: »Da hat's doch sicher was gegeben, und wie spät die Schule aus ist! Jedenfalls haben sie alle nachsitzen müssen.«

Die Kinder liefen eiligst ihren Heimstätten zu, und die meisten fingen schon draußen vor der Türe an, von dem wunderlichen neuen Schulgefährten zu erzählen. Den holte Herr Habermus inzwischen unter dem Katheder hervor, stellte ihn vor sich hin und sagte streng: »Kasper, du bist doch ein unnützer Strick!«

Kasperle schaute betrübt zu dem Lehrer auf. »Ich hab' doch nur gekaspert!« antwortete er kläglich.

»Ja, du bist doch –« Herr Habermus stockte, er wollte sagen: kein Kasper, da sah er seinen Schützling an und dachte erschrocken: Er sieht doch wirklich wie ein Kasperle aus! Jemine, wen habe ich mir da ins Haus gebracht! Aber da streckte ihm Kasperle zutraulich seine Hand hin und sah ihn so traurig bittend an, daß all sein Ärger verging. »Nun komm nur mit, du Schelm!« sagte er. »Auf dem Katheder darfst du mir aber nicht mehr kaspern.«[83]

»Nä«, versprach Kasperle treuherzig, und dann nahm es seine neue Schiefertafel, die ihm der Lehrer geschenkt hatte, unter den Arm und schlitterte vergnügt hinter Herrn Habermus drein. Es schlitterte in die Wohnstube hinein und prallte unversehens mit der Base Mummeline zusammen. Die hatte gerade eine Schüssel Milch in den Händen, und da lagen dann plötzlich Base, Milch, Kasperle und Schiefertafel auf der Erde, und es gab ein allgemeines Zetergeschrei. »Er hat's mit Absicht getan!« kreischte die Base, die sich aus dem Milchsee erhob. »Hach, jetzt sieht er mich wieder so an!«

»Er konnte nichts dafür«, sagte die Frau Lehrer. »Ich hab's gesehen, nur ein bißchen hastig ist er zur Tür hereingekommen.«

»Er hat's mit Absicht getan! Hach, das schreckliche Gesicht!« Die Base Mummeline stand wütend und scheltend auf, und bitterböse saß sie dann am Tisch. Da wagte Kasperle gar nicht aufzusehen, sein Räubergesicht machte es auch nicht, denn es hatte Angst vor der Base Mummeline.

Nach Tisch gab es ein Ruhestündchen für den Lehrer, auch Lenchen und Lorchen sollten schlafen, obgleich sie lebhaft verlangten, sie wollten spielen. Zu Kasperle sagte die Frau Lehrer: »Geh hinaus und tummle dich draußen herum, mach aber keinen Lärm um das Schulhaus herum!« Bei sich dachte die gütige Frau: Es ist ihm schon zu gönnen, daß er etwas spielt, und hier im Hause möchte die Base Mummeline doch immerzu schelten.

Kasperle sprang vergnügt hinaus, und kaum war es draußen, da erwischten es ein paar Buben. »Komm mit, du mußt uns noch was vorkaspern«, baten sie.

»Nicht hier«, sagte Kasperle ängstlich, »ich soll keinen Lärm machen.«

»Komm, wir gehen in Lappenmeyers alten Schuppen, da sieht uns niemand«, schlug der lange Bastel vor. Das fanden die andern gut, und sie zogen dem alten Schuppen[84] zu, und das Trüpplein wuchs wie eine Lawine. Es wuchs und wuchs unterwegs, weitere Buben und Mädel fanden sich dazu, und dann verschwanden sie alle in Lappenmeyers altem Schuppen. Der lag abseits vom Dorf, mitten auf einer Wiese.

An diesem Nachmittag wunderten sich allerlei Leute in Waldrast. Ein paar Frauen sagten zueinander: »Warum die Kinder heute nur nicht in die Schule gehen? Wo stecken sie nur?«

»Ja, wo sind sie denn?« fragte die Krämersfrau, die das hörte.

Da trat Herr Habermus aus dem Schulhaus heraus und fragte: »Wo bleiben denn nur die Kinder?« Und seine liebe Frau trat neben ihn und schwang immerzu die Schulglocke. Die bimmelte zuletzt ganz zornig ins Weite: Die Schule fängt an, die Schule fängt an! Doch niemand hörte darauf: keine Bubenbeine, keine Mädelbeine kamen angetrabt, es blieb alles still. Nur von den Erwachsenen kamen immer mehr, ein paar erzählten, sie hätten die Kinder alle miteinander laufen sehen, aber wohin, das wußte niemand.

»Sie sind vielleicht in den Wald gegangen«, sagte Frau Veronika Lappenmeyer.

»Aber es ist doch Schule!« rief Herr Habermus entrüstet.

Indes kam ein Bursche mit einem Heuwagen angefahren. Der rief: »Frau Lappenmeyer, was ist denn in Ihrem Schuppen auf der Wiese los? Da drin brüllt es ja fürchterlich!«

Das sind die Kinder und Kasper. Herr Habermus dachte das nur, er rannte aber gleich los, die Dörfler folgten ihm, und alle miteinander drängten sie ihm nach, als er die Schuppentüre aufriß. Da waren sie wirklich. Kasperle saß hoch oben unter dem Gebälk, und unten standen Mädel und Buben und starrten lachend hinauf zu[85] dem neuen Gefährten, der sich drehte und verrenkte und den allergrößten Unsinn schwätzte.

»Bimmelim, bimmelim, bimmelim!« Die Frau Lehrer war ihrem Mann mit der Schulglocke gefolgt, und in das Lachen und Jauchzen der Kinder hinein ertönte der wohlbekannte Klang. Alle erschraken, alle schauten sich verwirrt um. War es wirklich schon Schulzeit?

»Bimmelim, bimmelim, bimmelim!« Die Glocke gellte, und im Umsehen war der Schuppen leer.

Die Erwachsenen sahen sich ganz verdutzt an. »Die Kinder sind ja wie besessen!« rief die Krämerin, die andern stimmten ihr zu, Herr Habermus aber kehrte bedrückt nach dem Schulhaus zurück. Kasper war an allem schuld, nur der allein. Was war das für ein schlimmer Junge! Er darf nicht mehr in die Schule, dachte der Lehrer und betrat das Schulzimmer. Da saßen alle brav in ihren Bänken, rechts die Großen, links die Kleinen, und Kasperle saß wieder in der vordersten Bank. Sein Gesicht strahlte, es sah so unschuldig drein, als könnte es nie eine noch so kleine Dummheit machen.

Doch Herr Habermus ging mit gefurchter Stirn zum Katheder, dort sagte er streng: »Ihr seid alle zu spät gekommen, drum müßt ihr alle nachsitzen!« Da senkten sich erschrocken und schuldbewußt alle blonden und braunen Buben- und Mädelköpfe, nur das Kasperle sah höchst verwundert drein, es krähte mit seiner lauten Stimme: »Es hat je eben erst geklingelt!«

»Sei du nur still, du verläßt sofort die Schule!« rief Herr Habermus streng. »Du bist an allem schuld. Marsch hinaus! Du darfst nicht mehr in die Schule kommen. Ich schicke dich überhaupt wieder fort.«

Einen Augenblick herrschte tiefes, erschrockenes Schweigen im Schulzimmer. Kasperle selbst saß ganz verdattert da, es war sich keiner Schuld bewußt. Dann erhob sich aber jäh ein lautes Geheule, so ein tiefbetrübtes, jämmerliches[86] Geheule, wie es Herr Habermus noch nie vernommen hatte. Und nicht nur die Mädel weinten, die Buben schluchzten auch alle, und alle miteinander riefen flehend: »Kasper hat keine Schuld, Kasper soll dableiben; bitte, bitte, bitte, ach bitte, Kasper soll nicht wieder fort!«

Der Lehrer sah seine Schulkinder ganz verdutzt an, und deren Bettelei wurde immer lauter und dringlicher, und je mehr sie flehten, desto lauter heulte das Kasperle. »Es ist rein, als hätte der die Kinder verhext!« brummte Herr Habermus vor sich hin. Und mich dazu, dachte er, als er das Kasperle ansah und der kleine Kerl ihm wieder einmal herzlich leid tat. Böse, nein, böse war er gar nicht mehr auf ihn.

»Also mag Kasperle bleiben, weil ihr alle so bittet«, sagte er schließlich. »Das Nachsitzen sei euch auch geschenkt, aber eine Strafarbeit gibt es, und wehe, wer sie[87] nicht gut macht! Und nun still – jemine, Kasper, was ist denn nun wieder los?«

Das Kasperle war unter die Bank gerutscht, und von dorther ertönte wieder sein furchtbares Jammergebrüll. »Ich kann doch nicht schreiiiben«, klagte es, »ich kann nicht schreiiiben!«

»Dummer Bube«, brummte Herr Habermus, »du brauchst natürlich die Strafarbeit nicht zu schreiben, du brauchst bloß Striche zu machen, und nun, potz Wetter, sei still, sonst –«

Da kroch Kasperle auf die Bank, ehe der Lehrer noch ausreden konnte, und dann saß es da mit dem allervergnügtesten Gesicht. Daß ihm die Schule Spaß machte, war ihm an der Nasenspitze anzusehen. Es gab kreuzdumme Anworten, und immer wieder durchbrauste lautes Lachen die Schulstube. Herr Habermus wollte schelten und konnte es nicht, denn eigentlich tat Kasperle gar nichts Böses. Da klingelte es, die Schule war aus. Sonst atmeten die Kinder meist alle auf, waren froh hinauszukommen, heute bettelten selbst die allergrößten Faulpelze: »Ach, bitte, bitte, wir wollen noch bleiben, es ist so wunderschön in der Schule!«

Und der gute Lehrer tat ihnen wirklich den Gefallen. Er erzählte von Blumen und Bäumen, von Felsen und Bergen, von den feinen Schmetterlingen und den dicken Brummkäfern, und alle lauschten still, am aufmerksamsten aber das Kasperle, und das schrie dann auch am lautesten: »Schon?«, als Herr Habermus sagte: »Nun ist's aber wirklich genug, nun geht heim, macht keinen Lärm, und vergeßt eure Arbeit nicht!«

Dann verließen die Waldraster Kinder das Schulhaus, und sie kamen so vergnügt heim wie noch nie, trotz der Strafarbeit, und an diesem Abend brummten allen Vätern und Müttern in Waldrast die Köpfe, so viel schwätzten die Kinder von ihrem neuen Schulgefährten.[88]

Quelle:
Herold Verlag, Fellbach, 1985, S. 78-89.
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