Arche, die

[421] Die Arche, plur. die -n, ein im Hochdeutschen größten Theils veraltetes Wort, welches von verschiedenen Arten hohler Behältnisse[421] gebraucht wurde, und in den gemeinen Mundarten zum Theil noch gebraucht wird.

1) Ein Kasten, eine Lade. In diesem Verstande nennen Notker und ältere Übersetzer des alten Testamentes die Lade des Bundes eine Arche, welches Wort auch Luther Offenbarung 11, 19. beybehalten hat: und die Arche seines Testamentes ward in seinem Tempel gesehen. In den Gedichten der Schwäbischen Dichter kommt Arke mehrmahls für eine jede Kiste vor. Logau gebraucht es für einen Sarg, und in dieser Bedeutung ist es schon alt, indem nicht nur das Schwed. Ark, und das Latein. Arca in eben diesem Verstande vorkommen, sondern auch aurahja bey dem Ulphilas begraben bedeutet. Besonders wird Arche in Baiern von einer Art Fischkasten gebraucht, welche zu der verbothenen Art zu fischen gehöret; daher das Archen schlagen und einlegen daselbst bestraft wird. In den Orgeln und Positiven wird auch der Windkasten eine Ark genannt, und an den Glasöfen heißen die sechs Theile, welche das Äußere desselben ausmachen, Archen. Auf den Schiffen ist die Arche das Gehäuse von Bretern um den Pumpenstock.

2. Ein Schiff. So wird noch in verschiedenen Oberdeutschen Gegenden eine Art Flußschiffe von mittlerer Größe und mit plattem Boden eine Arche genannt; eine Benennung, welche auch in Niedersachsen nicht unbekannt ist. Frisch führet aus den Magdeburgischen Ordnungen die Worte an: von einem Zeddel auf ein Schiff oder Archen. Daß Arche in dieser Bedeutung auch in Hamburg üblich seyn müsse, erhellet aus einer Stelle im Hagedorn:


Wir steigen bey den schlanken Weiden

Aus Arch und Nachen an den Strand.


Da die Vulgata das Schiff Noä schon arcam nennet, so haben Ottfried, Notker, und alle ältere Übersetzer bis auf Luthern dieses Schiff gleichfalls eine Arche genannt, aber damit Gelegenheit gegeben, daß man den ungeschickten Begriff eines Kastens damit verknüpfet; daher der Herr Hofr. Michaelis in seiner neuen Übersetzung diesen unbequemen Ausdruck mit Recht vermieden hat. Das hohe Alter dieses Wortes und dieser Bedeutung erhellet aus dem Nahmen des Griechischen Schiffes αργος, welches den Argonauten den Nahmen gab, und dessen Ähnlichkeit mit unserm Arche gewiß nicht bloß zufällig ist.

3. Ein Gerinne bey den Wassergebäuden, welches mit Holz eingefasset ist, und daher einem Kasten gleichet. So wird in Niedersachsen ein Gerinne an Wassermühlen und Fischteichen, das Wasser dadurch abzulassen, eine Arche genannt. An andern Niedersächsischen Orten führet diesen Nahmen auch das Wehr selbst, ingleichen ein mit Zimmerholz versehener Kanal bey demselben, durch welchen die Schiffe gehen; eine Flutharke, Wasserarke. Daher das Arkenholz, welches dazu gebraucht wird; das Arkengeld, welches von den Schiffen für die Durchfahrt erleget wird. S. auch Freyarche.

4. In der Naturgeschichte wird eine zweyschalige Muschel mit gleichen Schalen, deren Gewinde aus vielen spitzigen in einander eingreifenden Zähnen bestehet, die Arche genannt.

5. Bey den Jägern heißen auch die Leinen und Stricke an den Jagdzeugen Archen; in welcher Bedeutung es aber von einem andern Stamme zu seyn scheinet. Man hat daselbst Oberarchen, Unterarchen, und Hauptarchen.

Anm. Arche, Nieders. Arke, Dän. und Schwed. Ark, Goth. Arka, Angels. Earc, Erc, Engl. Ark, ist nach dem Lat. Arca gebildet worden, oder stammet vielmehr mit demselben aus einer und eben derselben weit ältern aber nunmehr unbekannten Quelle her. In dem 1453 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur heißt es: die heilig junkfrau was ein arch und ein außerwelter[422] sal des obersten Gottes; wo Arche für ein Behältniß überhaupt stehet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 421-423.
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