Gewähren

[649] Gewähren, verb. reg. act. von den veralteten Zeitwörtern wahren und währen. 1) Bescheinigen, die Wahrheit einer Sache bezeugen; in welcher Bedeutung es doch nur noch im Bergbaue in den Zusammensetzungen abgewähren und zugewähren üblich ist, S. dieselben und die Gewähr 1. 1). 2) Feyerlich versprechen, angeloben; in welcher Bedeutung es doch selten vorkommt. Gewähren sie mir eine ewige Verschwiegenheit, Weiße. 3) Sicherheit für etwas leisten, sich verpflichten, für die Wahrheit oder Sicherheit einer Sache zu stehen, und diese Verbindlichkeit wirklich erfüllen. Ich gewähre aus diesen Stämmen zwanzig Klaster, ich stehe dafür, daß sie so viele Klaster enthalten, mach mich anheischig, was daran fehlet, zu ersetzen. An einem verkauften Pferde muß der Verkäufer dem Käufer dreyerley gewähren, nehmlich, daß es nicht anbrüstig, nicht stätisch noch schnöbisch sey, Lübeck. Stadtr. Einem seinen Schaden gewähren. Ehedem auch bewahren, Nieders. waren, bewaren, Angels. gewerian, im mittlern Lat. warandare, Franz. guarantir. S. die Gewähr 1. 4) In die Gewähr oder den Besitz einer gebethenen oder gewünschten Sache setzen, das Gebethene wahr machen, die Bitte erfüllen, da es denn so wohl mit der vierten Endung der Person und der zweyten Endung der Sache, als der dritten Endung der Person und der vierten der Sache gebraucht wird; einen seiner Bitte, und einem seine Bitte gewähren, auch wohl eines Bitte gewähren. Sie bitten mich um etwas, das ich ihnen wirklich nicht gewähren kann. Ich bin meines Wunsches gewähret worden, oder mein Wunsch ist mir gewähret worden. Ich zweifele noch gar sehr an der Gewährung dieser Bitte.


[649] Wenn ich die Bitte dir gewähre,

Gewähr ich dir dein Unglück nur,

Gell.


Ingleichen ein Versprechen, eine Verheißung wirklich machen oder erfüllen. Giuuerota inan thes giheizes, Ottfr. Im Hochdeutschen nur mit der vierten Endung der Sache. Gott hat hinlängliches Vermögen, die Erfüllung seiner Zusagen zu gewähren, oder uns die Erfüllung u.s.f. Ich halte mich der Gewährung ihres Versprechens versichert. 5) Ein Gut mittheilen, die Gewähr, d.i. den Besitz einer jeden andern Sache übertragen, ohne die Art und Weise dieser Übertragung zu bestimmen. So kommt geuueren so wohl für übergeben, als auch für wiedergeben bey dem Notker vor. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache, besonders von höhern Personen, denen man Ehrfurcht schuldig ist. Gott ist vermöge seiner Güte geneigt, allen zufälligen Dingen die mögliche Vollkommenheit zu gewähren. Das Glück hatte Alexandern so viel gewähret, daß es ihm nichts mehr gewähren konnte.


Warum hat die Natur dir so viel Reitz gewährt?

Gell.


6) Die Ursache einer guten oder angenehmen Wirkung seyn, in der edlen Schreibart. Welch ein Vergnügen gewähren solche Grundsätze! Nichts ist in der Welt ohne Nutzen, alles gewähret die fruchtbarsten Wirkungen und Folgen. 7) Seyn, abgeben, doch nur in einigen Fällen. Das kann keinen Beweis deines Satzes gewähren. Gleichnisse gewähren keine Erklärung der streitigen Sache. Welche Bedeutung ein Überbleibsel des sehr alten Zeitwortes wahren, seyn, zu seyn scheinet, wovon unser ich war, ingleichen die Zeitwörter währen und werden abstammen, anderer Sprachen zu geschweigen.

So auch die Gewährung, S. Gewierig.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 649-650.
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