Ich (1)

[1349] 1. Ich, das persönliche Pronomen der ersten Person, welches im Singular folgender Gestalt gebeuget wird.

Nom. Ich.

Genit. Meiner.

Dat. Mir.

Accus. Mich.

Von dem Fürworte wir, welches gemeiniglich für den Plural dieses Wortes gehalten wird, S. an seinem Orte.

Dieses Pronomen leidet, so wie alle persönliche Fürwörter, kein Hauptwort neben sich, außer in dem Falle einer Apposition. Ich, der Herr, das ist mein Nahme, Es. 42, 8. Die vertrauliche Sprechart ziehet es mit dem es gerne zusammen. Bin ichs gewesen? Habe ichs nicht gejagt?

Die Zeitwörter der ersten Person können dieses Pronomen ordentlich nicht entbehren. Ich war. Ich sahe ihn. Außer wenn mehrere Zeitwörter der ersten Person zusammen kommen, da die Weglassung des ich bey den folgenden den Fluß der Rede und den Nachdruck oft ungemein befördert. Ich sehe dich leiden, weinen, deine Hände ringen; höre deine Klagen, höre deine Seufzer alle, und lasse nicht Einen unbeantwortet, Dusch.


Ich höre seiner Rosse Brausen, sehe

Den Gott, den zweyten Gott der Götter,

Raml.


In Briefen hat man es lange für eine Art von Ehrerbiethung gehalten, das Fürwort ich, so viel als möglich ist, zu verschweigen. Nachdem Ew. – Hen. Bruder gestern gesehen, habe von demselben vernommen u.s.f. Der gute Geschmack hat diese gezwungene Höflichkeit größten Theils wieder verdränget; allein gegen einen Höhern, von dessen Geschmack man noch nicht überzeuget ist, muß man sich derselben immer noch oft genug unterwerfen.

Ein großer Mißklang ist es, wenn in zwey Zeitwörtern der ersten Person, welche aber in verschiedenen Verbindungen stehen, das eine ich weggelassen wird.


Bald hält der Spiegel her, bald wünsch ich weiß nicht was,

Günth.


für bald wünsch ich, ich weiß nicht was.

Der Genitiv meiner wird häufig in mein zusammen gezogen, S. Meiner.

Der Dativ mir stehet im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart oft überflüssig, besonders wo sich eine Beziehung auf die redende Person denken lässet. Du bist mir ein durchtriebener Gast, nach meinem Urtheile. Du wirst mir einmahl ein feiner Mann werden. Ich lobe mir das Lebendige, Less. Rede mir nicht viel. Ich sage dirs, denke mir nicht mehr an ihn, Gell.[1349]

Zuweilen wird dieses Pronomen zu einem unabänderlichen Hauptworte, da es denn ungewissen Geschlechtes ist. Mein ganzes Ich, mein ganzes Wesen, Individuum. Mein andres Ich ist todt.

Anm. Im Oberdeutschen von dem 7ten Jahrh. an ih, in den gemeinen Mundarten nur i und ei, im Angels. ik, im Dän. jeg, im Schwed. jag, im Isländ. eg, bey dem Ulphilas ik, bey den Griechen εγω, im Böotischen ιωγα, ιωγε, im Lat. ego, im Ital. io, im Franz. je, im Span. y, im Engl. I, bey den Slavoniern ia, ga, bey den Krainerischen Wenden jest, im Lettischen es, selbst bey den Hebräern, wenigstens als ein Suffixum der Zeitwörter, י. Man wird sich über diese allgemeine Übereinstimmung fast aller bekannten Sprachen, welche selbst in der Declination dieses Fürwortes sichtbar ist, nicht wundern, wenn man erwäget, daß schon die Natur uns lehret, durch die mit dem ich verbundene Einziehung des Athems, sein eigenes Individuum zu bezeichnen. S. Du die Anm.

Da nun dieses ich der natürliche Ausdruck seines eigenen Individui ist, so leget sich auch die ganze Vorstellung, welche ein jeder von seiner Person hat, in manchen Fällen durch den Ton an den Tag, mit welchem es das ich ausspricht. Man bemerke diesen Ton bey dem Aufgeblasenen, bey dem schlauen Hofmanne, bey der eitlen Coquette, bey dem bescheidenen Manne, so wird man schon durch dessen Hülfo oft sehr tiefe Blicke in das Herz eines jeden thun können.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1349-1350.
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