Land, das

[1877] Das Land, des -es, plur. die Länder, (Oberd. die Lande,) Diminut. das Ländchen, Oberd. Ländlein.

1. Der feste Theil der Erdkugel, im Gegensatze des Wassers, und besonders der Meere; in welcher Bedeutung der Plural ungewöhnlich ist. Das feste Land. Zu Wasser und zu Lande gereiset seyn. Eine Reise zu Lande unternehmen, im Gegensatze einer Reise zu Wasser. Auf dem Lande seyn. Ein Schiff auf das Land ziehen. Land sehen. An das Land fahren, gehen. Am Lande hinfahren. Von dem Lande stoßen, in die hohe See fahren. Das Meer setzet in manchen Gegenden viel Land an. Land, welches man durch Deiche den Fluthen entrissen hat.

2. Besonders in Beziehung des Feldbaues, der feste Theil der Erdfläche in so fern er zum Feld- und Gartenbaue gebraucht wird; gleichfalls ohne Plural, und wiederum unter verschiedenen Einschränkungen. 1) Tragbares, zum Feld- und Ackerbaue dienliches Land überhaupt. Eine Hufe Landes. Ein Morgen Acker zwischen dem herrschaftlichen Lande und dem Pfarrlande. Das Land bauen. 2) Im Gegensatze der Stadt. Auf dem Lande wohnen, auf einem Dorfe. Auf das Land gehen. Über Land gehen, über Feld, von einer Dorfflur zur andern. Jemanden über Land schicken. 3) Im Gegensatze des Gebirges. Das flache, platte oder ebene Land. Siehe Landbauer. 4) In Ansehung seiner Fruchtbarkeit, seiner Güte in Beziehung auf den Feldbau; im Oberd. das Geländ. Fettes, fruchtbares Land. Mageres, steiniges Land. Obersachsen[1877] hat gutes Weitzenland. Gartenland, Grabenland, Brachland. Bezeichnet es aber einen gewissen bestimmten Theil der tragbaren Erdfläche, so gehöret es zu einer der folgenden Bedeutungen.

3. Ein begränzter Theil der Erdfläche; aber auch hier unter mehrern Einschränkungen.

1) Ein von einer ganzen großen Völkerschaft bewohnter und Einem Oberherren unterworfener Theil der Erdfläche. Frankreich ist ein fruchtbares Land. Europa bestehet aus vielen sehr gut bevölkerten Ländern. Deutschland, das Land der Deutschen. Das heilige Land, das Jüdische Land. Ein König ohne Land. Dem Feinde in das Land fallen. Jemanden des Landes verweisen. Das Land räumen müssen. Ingleichen eine Provinz, ein Theil eines solchen größern Landes, welcher in seine bestimmten Gränzen eingeschlossen ist, nach seinen Gesetzen und Gebräuchen regieret wird u.s.f. In meinem Vaterlande, in meinem Lande. Im Lande herum reisen. Über Land reisen, in ein fremdes Land.


Die Laster reisten über Land,

Lichtw.


Hier zu Lande, im gemeinen Leben, für in diesem Lande. Außer Landes seyn, sich nicht im Lande befinden. Land und Leute, in welcher R.A. Land anstatt des Plurals Länder stehet. Ein König, welcher Land und Leute verlieret, um Land und Leute kommt. Er ist auf Reisen gewesen, er hat Land und Leute gesehen, Less. d.i. mehrere Länder und Nationen. Nach einer gewöhnlichen Figur bedeutet es oft die in einem Lande befindlichen Dinge, besonders dessen Einwohner. Das ganze Land trauert. Die Sache ist landkündig.

Der Plural lautet nach dem Vorgange mehrerer Wörter, welche im Hochdeutschen in der vielfachen Zahl er haben, im Oberdeutschen durchgängig die Lande. Die kaiserlichen Lande. In den Österreichischen Erblanden. Aus fernen Landen weit, Theuerd. Ze teutschen Landen, Hornegk. Ein Erbe vieler Landen, Opitz. An unbekannten Landen stranden, ebend. In des Aufgangs Landen, ebend.


Daß solche Satzungen in so viel Landen waren,

Opitz.


In Landen, die uns hat Castilien entdeckt,

Opitz.


In der Deutschen Bibel kommt dieser Plural sehr häufig vor. Die Hochdeutschen behalten diesen Plural besonders in der höhern Schreibart zuweilen bey, zumahl da er einen bequemern Reim abgibt als Länder.


Was er in fernen Landen

Gesehn und ausgestanden,

Gell.


Indessen ist der gewöhnlichere Plural Länder nichts weniger als niedrig, oder für die erhabene Schreibart untauglich, daher man jenen gar wohl entbehren kann. Nur in dem zusammen gesetzten die Niederlande, für die Niederländischen Provinzen, ist der Oberdeutsche Plural allgemein angenommen, vermuthlich um die Zweydeutigkeit mit den Niederländern, d.i. den Einwohnern der Niederlande, zu vermeiden. Besonders ist der Plural Lande so wohl im Ober- als Hochdeutschen sehr gewöhnlich, wenn er anstatt des Singulars stehet. Die Pfalz-Neuburgischen Lande, die Gräflich-Schönburgischen Lande. In welcher Bedeutung, wo es Gebieth zu bezeichnen scheinet, weder der Singular Land, noch der Hochdeutsche Plural Länder üblich ist. Die biblische R.A. das Land erben, Ps. 37, bedeutet so wie das Erdreich besitzen, Matth. 5, 5, nichts weiter als lange leben.

2) Im gemeinen Leben, besonders bey den Pferdehändlern, Handwerksgesellen u.s.f. bedeutet das Land Nieder-Deutschland. Ins Land reisen oder fahren, nach Niedersachsen, Holstein u.s.f. So wie man unter dem Ausdrucke das Reich oft[1878] Ober-Deutschland verstehet. Es scheinet, daß hier mit dem Worte Land auf die ebnere, flächere Beschaffenheit Nieder-Deutschlandes gesehen wird, im Gegensatze des höhern, gebirgigern Ober-Deutschlandes, und daß das Land so viel als flaches Land bedeutet; da es denn in diesem Verstande zur vorigen zweyten Hauptbedeutung gehören würde.

3) Ein abgetheiltes, in seine Gränzen eingeschlossenes Stück tragbaren Feldes von unbestimmter Größe, wo es für Feld, Acker stehet. Die Gartenländer, Brachländer, Pfartländer u.s.f. In einigen Gegenden werden auch die Beete so wohl im Garten als auf dem Felde Länder genannt. Ein Land im Garten. Den Garten in gewisse Länder abtheilen.

4) Ehedem wurde auch eine wüst gelassene Gegend, besonders an den Gränzen bewohnter Provinzen, das Land, noch häufiger aber im Plural die Lande genannt; in welchem Verstande sich dieses Wort fast in ganz Europa ausgebreitet hat, indem in Gascogne Lande und les Landes, im Span. Llanta, und im Ital. Landa noch jetzt eine solche wüste Gegend bedeuten. Iter suum carpserunt usque ad Landas nobilium, quae terra dicitur infertilis et deserta, heißt es im Leben des heil. Leo bey dem Du Fresne. Ihre hält es in dieser im Deutschen nunmehr veralteten Bedeutung für ein besonderes Wort, welches von dem noch im Schwed. üblichen linna, cessare, abstamme, von welchem Linda im Schwed. noch jetzt einen Brachacker bedeutet. S. Lehde.

Anm. Bey dem Ottfried, wo es für Erdreich, Boden, gebraucht wird, schon Laut, bey dem Ulphilas Land, im Angels. Lond, im Engl. Dän. Schwed. und Nieders. gleichfalls Land. Im Wallis. ist Llan eine Ebene, eine Fläche. Es kann so wohl der Begriff der festen, hohen Beschaffenheit, im Gegensatze des Wassers, als auch der Fläche, der Ebene, der Ausdehnung, der Grund der Benennung seyn. Daß das n wie in andern Wörtern nicht zum Stamme gehöret, sondern ein Geschenk nieselnder Mundarten ist, scheinet aus dem Schwedischen zu erhellen, wo dieses Wort ehedem nur Lad lautete. Es kann daher so wohl mit dem heutigen Schwedischen lada, auflaufen, (S. Laden,) als auch mit dem Lateinischen Latus, vielleicht auch mit lehnen, Lehne, verwandt seyn, zumahl da eine Lehne, oder ein Geländer, noch jetzt im Nieders. Land heißt. Wer weiß auch, ob nicht in unserm heutigen Land zwey gleichlautende Wörter von verschiedener Abstammung zusammen geflossen sind. In den folgenden Zusammensetzungen ist bald Land- bald Landes- bald auch nur Lands- üblich, und in manchen Wörtern sind beyde Formen, aber in verschiedener Bedeutung eingeführet; z.B. Landmann und Landsmann, Landknecht und Landsknecht.

Oft wird dieses Wort an den Nahmen einer Völkerschaft angehänget, ihren Wohnplatz, die Gegend ihres Aufenthaltes anzudeuten. Finnland, das Land der Finnen, Rußland, Friesland, Engelland, Schottland, Griechenland, Mohrenland u.s.f. Wenn aber die erste Hälfte schon das Land bezeichnet, so findet diese Zusammensetzung nicht Statt. Äqyptenland ist daher unrichtig. Auch alsdann klingt diese Zusammensetzung widrig und unangenehm, wenn das einfache Wort so wohl das Volk als auch das Land bedeutet; z.B. Schwabenland, Frankenland, Sachsenland u.s.f. für Schwaben, Franken, Sachsen, welche Widrigkeit durch Verwandelung des n in r nicht gehoben wird, wie in Böhmerland, Thüringerland, für Böhmen, Thüringen.

Von vielen solcher Wörter, welche das Land am Ende annehmen, können wieder Volksnahmen gebildet werden. Ein Finnländer, Irländer, Schottländer, Friesländer, für Finne,[1879] Ire, Schotte, Friese. Manche sind in dieser Zusammensetzung nur allein üblich, wie Engländer, für Engel oder Angel. Manche hingegen verstatten selbige gar nicht, wie Russe, Deutscher Mohr, Grieche u.s.f. wofür man nicht Rußländer, Deutschländer, Griechenländer oder Mohrenländer sagen kann.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1877-1880.
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