Reiben

[1032] Reiben, verb. irreg. act. Imperf. ich rieb, Mittelw. gerieben; die Fläche eines Körpers über die Fläche eines andern wegbewegen, so daß die Erhabenheiten des einen in die Vertiefungen des andern eingreifen, und solcher Gestalt der Bewegung widerstehen. 1. Überhaupt. Eine Hand mit der andern reiben. Die Augen reiben, sich die Augen reiben. Das Fleisch mit Salz reiben. Das Salz in das Fleisch hinein reiben. Ein krankes Glied mit warmen Tüchern reiben, wofür man im gemeinen[1032] Leben auch das aus dem Französischen entlehnte frottiren gebraucht, von frotter. Die Schweine reiben sich an die Bäume, oder an den Bäumen; daher die im gemeinen Leben übliche R.A. sich an einem reiben, ihn durch Anzüglichkeiten gleichsam heraus fordern, seinen Unmuth, Unwillen an ihm auslassen.


Er will sich an Scribenten reiben,

Nur weil er selbst kein Lob gewinnt,

Haged.


Jemanden etwas unter die Nase reiben, nur in den niedrigen Sprecharten, ihm eine unangenehme Sache mehrmahls wiederhohlen, und in engerer Bedeutung, ihm etwas vorwerfen, vorrücken, wofür man auch sagt, jemanden die Ohren mit etwas reiben. 2. In engerer Bedeutung. 1) Durch Reiben zubereiten, zurichten. So pflegt man in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, den Flachs anstatt des Schwingens nach dem Brechen und vor dem Hecheln zu reiben, Nieders. ribbe, welches man an andern Orten schaben nennet. S. Reibeisen. Im Oberdeutschen wird reiben auch für scheuern gebraucht, denn dort wird das schmutzige Geschirr in den Küchen gerieben. 2) Durch Reiben klein machen, so wohl auf einem Reibeisen, auf welche Art der Käse, das Brot, der Meerrettig, der Rappeh, die Muskatennuß u.s.f. gerieben werden; als auch durch bloßes hin und her Bewegen einer Fläche über die andere, auf welche Art die Farben bey den Mahlern auf dem Reibesteine, verschiedene Körper in den Küchen in dem Reibeasche gerieben werden. Zu Pulver reiben. 3. * In weiterer Bedeutung wird es im Oberdeutschen sehr häufig für drehen gebraucht. Ein ausgerenktes Glied wieder einreiben, einrenken, einrichten. Den Hahn an einem Fasse zureiben, zudrehen. Die nasse Wäsche reiben, ringen oder winden. S. auch Reiber.

Daher die Reibung, wofür doch das Reiben üblicher ist, selbst wenn es in der Mechanik anstatt des ausländischen Friction gebraucht wird.

Anm. Im Nieders. riven und mit dem dieser Mundart nicht seltenen Vorlaute wriven, im Holländischen vryven und wryven, im Englischen to rub, im Krainerischen ribam, ich reibe, im Schwed. rifva, im Franz. raper, im Wallis. rhwhio, im Bretagnischen ria, und selbst im Hebr. רוף. Im Tatian ist riobo aussätzig, so wie krätzig und schäbig in ähnlichen Bedeutungen vorkommen. Es ist von dem Laute entlehnet, der mit dem Reiben verbunden ist, und da dieser Laut mehrern andern Bewegungen gemein ist, so ist es auch mit raffen verwandt, so wie das Schwed. rifva auch schneiden und zerstören bedeutet, welche letztere Bedeutung unser reiben auch in dem zusammen gesetzten aufreiben hat. Mit einem andern Endlaute gehöret zu diesem Geschlechte auch das Lat. radere, und mit andern Ableitungslauten unser schreiben, schrauben, kratzen, treiben, das Griech. τριβειν, die Lat. tero, trivi, friare, fricare, das Franz. frotter, und andere mehr. Ein Frequentativum von reiben ist riffeln, in Baiern ripeln, so wie das Nieders. ribben und unser raspeln Intensiva sind.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1032-1033.
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